Die Zurückgebliebenen eines Selbstmörders

Hier können Sie sich über Belastungen durch eigene oder fremde schwere Erkrankungen, aber auch den Umgang mit Tod und Trauer austauschen.
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Beitrag Fr., 11.02.2011, 13:50

To_muse_about hat geschrieben:...

Es bleibt die Frage: hey! Sind wir es nicht wert, dass du bleibst?
Können wir Freunde, wir alle, diesen einen Freund nicht aufwerten?

Sind wir alle dir nichts wert?
Obwohl auch wir zu dir standen?

Es ist schlimm, wenn einer so geht.
Einem das Gefühl gibt, dass man untätig war.
Dass man nicht geholfen hat, gleich, ob man hätte helfen können oder nicht.
Dass man so wenig wert ist, diese Qual der Verlassenheit ertragen zu müssen...
Nein.

Es ist ein Weg den man geht, den geht man alleine, und meist aus dem Grund, weil man keine Lösung sieht.
D.h. nicht, das keine da ist, aber im Empfinden des Gehenden ist diese Wahl "die beste Lösung".

Gerade jemand, der still&leise geht, allenfalls einen Brief, eine Erklärung hinterläßt, wird wohl so sehr unter LEidensdruck stehen, und wird bewußt niemanden noch weiter belasten.

In diesen Momenten geht es nicht mehr um "Werte", es geht nur noch um einen selbst, wieviel wert man sich selber ist; und man geht diesen Weg, weil man im eigenen Leben keinen Wert man sieht.

Hier geht es nicht um Schuld; denn er gibt Euch keine, wenn er still geht.

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Laura13
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Beitrag Fr., 11.02.2011, 14:22

Ganter hat geschrieben: Nein.
Es ist ein Weg den man geht, den geht man alleine, und meist aus dem Grund, weil man keine Lösung sieht.
D.h. nicht, das keine da ist, aber im Empfinden des Gehenden ist diese Wahl "die beste Lösung".
Stimmt.....und in diesem Fall hat auch mein Vater diese Entscheidung alleine getroffen, ohne jemanden miteinzubeziehen..........
In diesen Momenten geht es nicht mehr um "Werte", es geht nur noch um einen selbst, wieviel wert man sich selber ist; und man geht diesen Weg, weil man im eigenen Leben keinen Wert man sieht.
....und was, wenn dieser Mensch nicht wusste, dass er eigentlich wichtig für jemand anderen war? Was, wenn mein Vater nicht wusste, dass er wichtig für mich war, weil ich es ihm vielleicht nicht oder zu wenig gesagt habe?.......Geht es bei dem, was man sich selbst wert ist nicht doch auch immer darum, was man anderen wert ist???!

Ich mache mir den Vorwurf, nicht ehrlich und offen gewesen zu sein, zu meinem Vater....ich habe sein krankes Spiel mit gespielt, sein ganzes Leben lang.....und er hat wohl nicht gewusst, wie wichtig er mir eigentlich immer gewesen wäre und wie viel er zerstört hat, schon in seinem Leben.
Hier geht es nicht um Schuld; denn er gibt Euch keine, wenn er still geht.
Für mich ist das so nicht okay. Ohne Erklärung....weg, für immer....Aber das Thema hatte ich hier schon mal.....Gut, ich habe auch nicht geschrieben, dass mir mein Vater vor seinem Tod die Schuld gegeben hat....das will ich hier nicht so genau ausführen....aber, es war tatsächlich so.......ganz eindeutig.....vielleicht finde ich auch deshalb einfach keinen endgültigen Frieden.

Liebe Grüße
Laura
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Beitrag Fr., 11.02.2011, 15:43

Das Thema an sich ist sehr sehr komplex;
Ich versuche dennoch deine Frage zu beantworten:

Wir treffen tagtäglich Entscheidungen; manche mit, manche ohne nachdenken.
Wir treffen viele Entscheidungen, wo wir wissen: Es wird jemanden geben, dem diese Entscheidung nicht gefällt.
Man selber kennt die Gründe, die Antworten, man kann allenfalls versuchen, sich zu erklären - und selbst dann, wird es immer noch jemanden geben, der mit dieser Entscheidung nicht einverstanden ist; ja vlt. sogar das GEgenteil will; ungeachtet dessen, ob es für den BEtroffenen gut oder nicht gut ist.

Und da kommen wir zur ersten Weiche bei diesem Topic:
Der BEtroffene ist in einem Ausnahmezustand; manche brauchen den Push von außen, bevor sie "einen Blödsinn" machen aka man muß diese LEute vor sich selber schützen.

Und dann gibt es aber die, die mit sich, mit ihrem LEben schon so derartig am Ende sind, daß sie darin die einzige Lösung sehen.
Ich sage nicht, daß man diese Leute nicht vor sich selber schützen sollen, aber...
es gibt nicht umsonst und zu REcht sowas wie die Patientenverfügung, mit der jemand seinen Willen bekundet wenn Umstände eintreten.

Das mag zwar Hinterbliebenen auch nicht einfacher fallen, aber die haben dann was "handfestes", weil er z.b. nie an Maschinen hängen wollte
also eine Erklärung/einen Trost.

Ich denke, wenn jemand geht, wenn er mit "Anschuldigungen" geht, ist es um ein vielfaches schwerer (für die Hinterbliebenen), als so ein Abschied ohne.
Vlt. ist es die Hoffnung, das die, die bleiben, eines Tages verstehen, warum man für sich selber diesen Weg sah.

Ich will da nicht jemanden hochheben, aber vlt. schützt derjenige, der gehen will, potentielle Hinterbliebene indem er sagt: ich kann diese Bürde keinem 3. auferlegen.

Ich denke, die wenigsten gehen, weil es für sie so lustig ist, weil es ein Spaß ist.
Sie zerbrechen an einer Situation; egal was wir für Antworten hätte, aber der BEtroffene sieht eben den Weg, als den richtigen an.
Und ich denke, alleine die Entscheidung, der GEdanke, ist ein eigener Prozess für sich selber, wo der BEtroffene lange, und höchstwahrscheinlich viel nachdenkt - weil die Lösung eine endgültige ist; und auch wenn eine Ad-hoc Entscheidung ist; dann muß weit im Vorfeld schon mal was dagewesen sein, wo nachgedacht wurde.

Vlt. kann man es leichter "verstehen" wenn man an die Momente zurückdenkt, wo man selber "vor einem unlösbaren" Problem stand; wo man nicht wußte: wie geht es weiter.
Man hat zwar dann eine Lösung gefunden; aber in dem Moment hat man extrem viele GEdanken vor Augen, aber keine Antworten.

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Beitrag Fr., 11.02.2011, 16:19

Laura13 hat geschrieben:...
Für mich ist das so nicht okay. Ohne Erklärung....weg, für immer....Aber das Thema hatte ich hier schon mal.....Gut, ich habe auch nicht geschrieben, dass mir mein Vater vor seinem Tod die Schuld gegeben hat....das will ich hier nicht so genau ausführen....aber, es war tatsächlich so.......ganz eindeutig.....vielleicht finde ich auch deshalb einfach keinen endgültigen Frieden.
Nun, ich habe -in diesem thread- ein ewnig nachgelesen.
Vorweg; tw. bin ich von einigen harten Worten "geschockt"; weiß aber wer sie schreibt, und das -auch wenn sie nicht diplomatisch sind- doch auch richtig sind.
Mit Verlaub; Aber wie so oft im Leben - du klammerst dich an einen Strohalm, und läßt die Ratio komplett außer acht.

Ich kann meinen Vorredenern/innen nur recht geben.
Du hast ZEit deines LEbens keine "echten" Antworten/Gefühle etc. erhalten, da steht irgentwo eine "Schuldzuweisung" im Raum
und du hoffst so inständig, daß er vlt. in den letzten Stunden/Minuten seines LEbens "umgedacht" hätte.

Das wäre widersprüchlich; Hätte er es, dann wäre er (vermutlich) nicht diesen Weg weitergegangen.
Dieser selbstzerstörrerische Weg -den ging er- lange zuvor schon;
was innerhalb seines Alkoholkonsum Gesagtem wahr ist, oder auch nicht - das kannst bestenfalls, wenn überhaupt- nur du beurteilen.

Aber "Antworten", die hat er dir schon lange zuvor gegeben.

Ich kann dir nur soviel sagen, egal ob er von selber gegangen wäre, oder seine Leber etc. nicht mitgespielt hätten, oder er eines natürliche Todes gegangen wäre:
Du bist nicht die Erste, die zur Erkentnis kommt: Da wäre noch soviel zu bereden gewesen

Ja, vlt. wäre es das; vlt. lernst Du für dich daraus: Dinge anzusprechen/auszusprechen - zu einem Zeitpunkt wo es möglich ist

Aber das, das kannst Du nicht merh ändern.
Und es hätte ihm auch nicht geholfen; auch wenn Dein Wunsch noch so groß ist.

Ich glaube, jede der gehen will, und noch irgentwo einen Strohhalm sieht, dann wird er ihn greifen.
Auch wenn es für Hinterbliebenen nicht nachvollziehbar ist; aber in der Situation -auch wenn das Bemühen, der Wille noch so groß ist-; ist diese Hilfe nicht mehr gegeben.
Daraus muß keine Schuld entstehen.
Selbst wenn der BEtroffene es weiß; so weiß er aber auch - da hilft ihm nun auch nicht mehr weiter. Und da ist "null" Schuldzuweisung.

Wenn Dein vater sich einst so geäußert hat, dann wird er seinen Grund gehabt haben; egal ob fair oder nicht-er wird es so empfunden haben.

Und ebenso wie Du dir wünscht, daß man dich respektiert/akzeptiert (so wie Du bist); so geht es 4-5 Milliarden MEnschen auf der Erde.

Ich kann dir auch nur den Tip geben: laß los; du hättest nichts ändern können, auch wenn er vlt. gewartet hätte, du dich ihm mitteilen hättest könnnen; aber seinen Weg hat er vor langer ZEit eingeschlagen.

Und gegen seinen Willen etwas zu machen - ich weiß nicht; da scheiden sich die GEister

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Laura13
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Beitrag Fr., 11.02.2011, 19:56

Ganter hat geschrieben:Aber wie so oft im Leben - du klammerst dich an einen Strohalm, und läßt die Ratio komplett außer acht.
Ja, ich weiß. Ich spreche aber auch ganz bewusst von meiner emotionalen Ebene, denn DA liegen die Probleme und nicht auf der Verstandesebene.......
Dieser selbstzerstörrerische Weg -den ging er- lange zuvor schon;
Ja, das vergesse ich immer wieder......und auch das, was du so treffend erwähnt hast:
Aber "Antworten", die hat er dir schon lange zuvor gegeben.
Du bist nicht die Erste, die zur Erkentnis kommt: Da wäre noch soviel zu bereden gewesen
Auch das ist mir mittlerweile bewusst.
Ja, vlt. wäre es das; vlt. lernst Du für dich daraus: Dinge anzusprechen/auszusprechen - zu einem Zeitpunkt wo es möglich ist
Genau!!! Diese Erkenntnis setze ich auf jeden Fall in meinem Leben um.
Wenn Dein vater sich einst so geäußert hat, dann wird er seinen Grund gehabt haben; egal ob fair oder nicht-er wird es so empfunden haben.
Er hat mich eigentlich nur benutzt.....immer....solange es mich gibt....und auch hier, hätte er wohl wieder mal gewollte, dass ich tue, was er möchte....bloß, ich KONNTE zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht.....und ich habe den Ernst der Situation vollkommen verkannt.....das mache ich mir eben auch zum Vorwurf.....

Ich kann dir auch nur den Tip geben: laß los; du hättest nichts ändern können, auch wenn er vlt. gewartet hätte, du dich ihm mitteilen hättest könnnen; aber seinen Weg hat er vor langer ZEit eingeschlagen.
Du glaubst gar nicht, wie sehr mich dieser Satz nun beschäftigt.....Ja, es ist wirklich so...er hat sich sehr früh in seinem Leben dafür "entschieden" Alkoholiker zu sein, hat das nie eingesehen, immer geleugnet, sogar vor sich selbst......Ja, er hätte es eigentlich in der Hand gehabt, sich seinen Problemen zu stellen, stattdessen hat er mit seiner Sauferei alles zerstört..................und sich selbst ja auch.
Und gegen seinen Willen etwas zu machen - ich weiß nicht; da scheiden sich die GEister
Ja, das ist schwierig, aber ich hätte es sicherlich auch gegen seinen Willen getan, wenn ich geschnallt hätte, was da tatsächlich abgeht..........

Das macht mich alles so unsagbar traurig.....

Ich danke dir, lieber Ganter, für deine einfühlsame, hilfreiche Antwort.

Liebe Grüße
Laura
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traurige_Mama
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Beitrag Do., 17.02.2011, 00:09

Hallo,
ich möchte gerne mal die Meinung und den Rat von Außenstehenden hören.
Ich war elf Jahre verheiratet, mein Mann Landwirt, seit mehreren Jahren depressiv,
ich kann gar nicht mehr genau sagen, wann das angefangen hat. Mein Mann war immer
sehr introvertiert und wortkarg. Im Laufe unserer Ehe wurde ich immer unglücklicher.
Ich bin ein Mensch der Tat und habe leider, was ich wirklich bedaure, sehr wenig Verständnis
für seine, in meinen Augen, Schwäche gezeigt. Ich habe nie verstanden, warum er sich in allen
Lebenslagen so schwer tut und wir kamen irgendwann gar nicht mehr zurecht.
Finanziell war ich immer die tragende Kraft bei uns und auch das hat mich gestört und
das habe ich auch häufiger deutlich gesagt. Als mir so richtig klar wurde, dass er depressiv ist
habe ich immer wieder Anstöße gegeben, sich behandeln zu lassen. Das hat er sporadisch getan,
in der Form, dass er im Abstand von Jahren! immer mal Antidepressiva nahm.
Über eine Psychotherapie oder stationäre Behandlung war mit ihm nicht zu reden.
Irgendwann bin ich an einem Punkt angekommen, wo für mich klar war, so will ich nicht mehr
leben, habe lange überlegt, ob ich meinen Kindern eine Trennung zumuten kann, mir aber
auch klar war, dass ich wenn ich mich entscheide zu bleiben, selbst zugrunde gehe.
Ich bin dann also im November 2010 mit meinen beiden Kindern ausgezogen.
Ich habe mich in meiner Ehe schon lange alleine gefühlt, ich war im Prinzip auch alleine,
da mein Mann sich aus dem Familienleben immer herausgenommen hat. Ich war daher sehr glücklich
als ich relativ kurz nach der Trennung jemanden kennenlernte der tickte wie ich.
Mir war klar, mein Mann käme damit schlecht zurecht und hatte schon auch Schuldgefühle dabei,
ihm so kurz nach der Trennung einen neuen Mann "vorzusetzen", mir wäre es auch lieber gewesen,
es wäre mehr Zeit vergangen, aber es passte eben zwischen uns.

Nun ist es so, dass mein Mann mit der Situation gar nicht zurecht kam, er es nicht ertragen konnte,
dass ich einen anderen Mann habe. Zudem gab es dann noch Querelen in Puncto Kindesunterhalt.
Ich war lange Zeit hin- und hergerissen, ob ich auf den Kindesunterhalt verzichte, weil mir klar
war, dass wird schwierig für ihn, diesen aufzubringen. Eine andere Einnahmequelle, mittlerweile arbeitete er stundenweise außerhalb der Landwirtschaft, war für ihn nicht denkbar. Er war ein genügsamer Mensch und einen ganz anderen Job zu machen war für ihn nicht vorstellbar und rückblickend gesehen, durch seine Erkrankung auch nicht machbar für ihn. Leider habe ich mich von anderen Leuten beeinflussen lassen und mir sagen lassen, dass er endlich mal lernen müsse Verantwortung für seine Familie zu übernehmen und ich durchaus das Jugendamt einschalten solle, damit die Unterhaltsfrage geklärt wird.
Ich habe das dann mit einem mulmigen Gefühl getan und nachdem er Post vom Jugendamt erhalten hat,
hat ihn das wieder mächtig runtergezogen. Ein weiterer Faktor ist sein schwieriger Vater, der ihm ständig dreingeredet hat und seine "Unfähigkeit" klar gemacht hat.

Alles zusammengenommen war dann einfach zu viel für ihn und er hat sich am Montag das Leben genommen. Ich bin tief betroffen, egal wie schwierig seine Situation war, so hätte ich doch gedacht, dass er um der Kinder Willen irgendwann anfängt zu kämpfen.

Meine Kinder (7 und 11) sind vollkommen traumatisiert und ich mache mir schwere Selbstvorwürfe,
dass ich zu wenig Verständnis hatte, dass ich mehr drauf hätte drängen sollen, eine Psychotherapie zu machen und einfach hätte akzeptieren sollen, dass er nicht in der Lage ist, sich beruflich so zu verändern, dass er eine Familie ernähren kann.

Ich weiß gar nicht, wie ich mit der Trauer meiner Kinder umgehen soll. Eine Trauergruppe für Kinder gibt es in meiner Nähe nicht und wenn ich das hier so schreibe, dann sehe ich einen Menschen, der einem unglaublich Leid tun kann und niemanden hatte, der ihm so beistand wie es hätte sein sollen in einer Ehe. Ich weiß nicht, ob ich jemals diese Schuldgfühle los werde und ich weiß auch nicht wie ich mit meinen Kindern am besten ihre Trauer verarbeite.

Ich wäre dankbar für Antworten von euch.

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traurige_Mama
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Beitrag Do., 17.02.2011, 00:17

Mir gehen so viele Dinge im Kopf rum, daher noch was nachgeschoben:
soll man den Kindern die Möglichkeit geben, den Papa nochmal zu sehen,
oder kann man ihnen das nicht antun? Verfolgt so ein Bild ein Kind ein Leben lang?
Muss man dem Kind die Gelegenheit geben, sich so zu verabschieden?
Oder ist es besser, ein Kind behält den Papa so in Erinnerung, wie es ihn zuletzt
gesehen hat?
Wie lange dauert eine akute Trauerphase bei Kindern?
Wie kann man ihnen die Trauer erleichtern?
Wenn ein Kind Schuldgefühle hat, wie kann man ihm klar
machen, dass es keine Schuld trifft?

Hat jemand Erfahrung damit?

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Lilly111
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Beitrag Do., 17.02.2011, 04:15

Hallo traurige_Mama,

ich bin berührt von Deinen Zeilen. Und kann noch kaum was dazu sagen.
Ich denke Dein Mann ist nicht erst in den letzten drei Monaten suizidal geworden. Du schreibst selbst, dass er seit Jahren depressiv war. Jetzt hat eben eure Trennung als Auslöser ausgereicht um den Weg zu Ende zu gehen. Möglicherweise wäre es aber auch in der Ehe irgendwann passiert. Und bitte, Schuldgefühle sind wirklich unangebracht. Was hättest Du tun sollen? Dich nicht trennen? Selbst wenn Du es geahnt hättest? Das würde bedeuten, Du wirfst Dein eigenes Leben weg um Deinem Mann sein Leben zu erhalten. Macht das Sinn?

Ich würde den Kindern nicht antun sich von ihrem Papa in der Form verabschieden zu müssen. Dieses Bild brennt sich ein. Und es wird kein schönes sein. Die Beerdigung ist dann noch schlimm genug. Wobei die sicherlich sein sollte, um einen Abschluß (auch für später) zu ermöglichen.

Hast Du schon mal nach Kinderpsychologen in Deiner Nähe gesucht? Oder einen für Dich, der Deine Kinder dann mit einbezieht.

Steht Dir Dein neuer Partner zur Seite? Ich hoffe es für euch drei von Herzen.

Lilly
... as stubborn as a mule.

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Ive
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Beitrag Do., 17.02.2011, 11:20

Oder ist es besser, ein Kind behält den Papa so in Erinnerung, wie es ihn zuletzt
gesehen hat?
Ja, unbedingt, in diesem Fall. Ich glaube nicht, dass die Kinder von sich aus diesen Wunsch äußern, oder?

Zu Deinen Fragen: Kinder trauen im allgemeinen "anders" als erwachsene Menschen. Es besteht die Chance, dass sie sich von dem Schock doch rascher wieder erholen, als Du jetzt fürchtest, sie verarbeiten den Tod an sich meist "natürlicher" als wir. Über die Umstände seine Todes würde ich nicht direkt mit ihnen sprechen, sondern sie - zumindest noch; bis die Kinder alter sind und sie besser verarbeiten können - umschreiben.

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Beitrag Do., 17.02.2011, 11:31

@Tr. Mama;
Rein persönlich -da ich diese Erfahrung machte- würde ich den Kindern den Anblick ersparen.
Bei mir hat sich dieses "letzte Mal sehen" eingeprägt wie eine sichtbare Narbe auf der Haut.

Ich war froh, daß ich meine Mutter nicht sah, und hier Andere das abwickelten.

Der geschlossene Sarg erleichtert meiner Meinung nach die Trauerarbeit; weil man den Menschen leichter in Erinnerung behält, wie er war.

Bei dir kommen dann noch die tragischen Umstände hinzu, die jede Seele belasten - egal ob jung, ob alt.

Du kannst und sollst den Kindern den Abschied nicht verwehren; vor allem, da es nicht allzulange her ist, wo sie Kontakt hatten.
Wie in sovielen Stationen eines Kindes, ist es hier das beste, die Kinder zu begleiten.

Sie darauf vorbereiten, was passieren wird (Aufbahrung, Messe, Niederlassen etc.); aber die Kids entscheiden sich, was sie für "angemessen" erachten.
Wenn der Kleine ein Stofftier mitnehmen will - dann laß ihn das ruhig.
Ganz wichtig-keine Zwänge.
Das wird dich ganz viel Kraft kosten, da Du jetzt die Leitfigur bist, der Haltegriff.
Sie werden Dich, dein Verhalten beobachten, und dementsprechend reagieren/nachahmen.

Wie lange die Trauerzeit dauert - nun, wie bei jedem Menschen: Unterschiedlich lange.
Auch - was die Umstände betrifft, kann ich dir nur empfehlen, mit geeigneten Experten in Kontakt (vorerst ohne Kids) zu treten.

Ich kann -wieder nur von mir aus- sagen; Als eine meiner "Lieblingstanten" starb, da habe ich das alles nicht so begriffen/dramatisch gesehen, wie ich es heute als Erwachsener verbinde.
Auch wenn man sich bemüht hat, mir das mit "jetzt ist sie bei den Engerln" - so war mir der Umfang nicht bewußt, weil ich unbelastet war, weil ich nicht "wußte" was tot bedeutet (außer das der/die nicht mehr da ist).
Für mich war es irgentwie "lästig" noch Monate danach, imemr wieder zum Friedhof gehen zu müssen -ich verstand es ja nicht, daß meine Mutter jemanden "verlor".

Ich kann dir daher nicht sagen, wie es bei Kindern ist, vor allem wenn der Vater nicht mehr ist; aber ich glaube Kinder können das insgesamt leichter wegstecken, als wir, als Erwachsene.
Und ganz wichtig; Es werden Fragen kommen; Kinder fragen aber nur soviel, wie sie selber verstehen/aufnehmen können.
Auch wenn Du dich/die Situation erklären willst - das wird bei den Kids nicht ankommen.
Sie werden je nach Alter, Stück für Stück nachfragen, bis sie das Puzzel beieinader haben.
Daher; nie in falsche Beschwichtigung/Notlügen verfallen. Das rächt sich irgentwann mal.
Da lieber "Erklärungen" weglassen - da helfen dir auch die Psychologen die richtigen Worte/BEschreibungen zu finden
Und, auch das muß dir klar sein; sie werden versuchen die Lücke auszufüllen, und sie werden aber auch versuchen, das Andenken ihres Vaters zu bewahren; also auch da, ist Vorsicht geboten bzw. Nachsicht - sie meinen es ja nicht böse

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Clara11
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Beiträge: 241

Beitrag Do., 17.02.2011, 17:30

Hallo traurige Mama,

wenn Deine Kinder fragen, ob sie ihn nochmal sehen dürfen, würde ich ihnen das erlauben. Eine andere Möglichkeit wäre, vielleicht ein Foto zu machen, auf dem er nicht mehr lebendig aber friedlich aussieht. Ich hab das nicht begriffen, dass er tot ist und mir eingebildet, dass er noch geatmet hat und dann haben sie ihn in einen Sarg gepackt. Ich denke heute, wenn ich mich hätte davon überzeugen können, das er wirklich tot ist und u. U. sogar firiedlich aussieht, hätte das schon sehr geholfen. Ich habe da einen ganz guten Vergleich zum tot meines Großvaters, dem konnte ich die Hand halten und hatte die Sicherheit für mich, dass es gut ist, so wie es ist.
Das Leben ist wie Salzwasser, je mehr man davon trinkt, je durstiger wird man.
Dagestanisches Sprichwort

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traurige_Mama
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Beiträge: 4

Beitrag Mo., 28.02.2011, 08:18

Vielen Dank für eure Worte. Ich musste meine Kräfte bündeln und muss es auch immer noch und habe daher nicht früher geantwortet. Ich habe mich in psychotherapeutische Behandlung gegeben um das alles zu verarbeiten,
aber ob ich das jemals los werde, weiß ich nicht...

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Jadee
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Beitrag Mi., 21.09.2011, 06:38

Guten Morgen! Ich hab hier mal kurz reingelesen und Threads von Leuten gesehen, die Freunde oder Familienmitglieder durch Selbstmord verloren haben. Ich habe so etwas vor ca. 3 Jahre auch miterleben müssen und mein Problem dabei ist, ich habe das ganze irgendwie noch gar nicht verarbeitet. Ich habe alles was damit zusammenhängt vergessen. Es ist zwar da, aber nur eine vage Erinnerung als ob ich es in einem Film gesehen hätte. Ich weine nicht, trauere nicht, so als ob der Mensch nie dagewesen wäre. Ich gehe nicht einmal zu seinem Grab. Mein Lebensgefährte erhängte sich vor meinen Augen. Ich schnitt ihn vom Seil, versuchte ihn wiederzubeleben und es gelang mir nicht. Ich muss dazu sagen, er war alkoholkrank, nahm Medikamente gegen Depressionen und er hatte schon zwei Selbstmordversuche hinter sich, vor denen ich ihn jedes Mal retten konnte. Einmal schnitt er sich die Pulsadern und den Bauch auf, einmal nahm er eine Überdosis Medikamente. Er ließ mich zurück mit den Schulden (wir hatten einige Jahre vorher ein Haus auf Kredit gekauft). Ich habe ihn geliebt. Keine Frage. Und er mich auch. Ich weiß das. Aber ich weiß bis heute nicht wieso er gegangen ist. Und die Trauer kommt einfach nicht. Wird das noch kommen? Kann es sein dass es so lange dauert bis man etwas überwunden hat?
LG Jadee

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