Soll man Thera überhaupt sagen dass man 'verliebt' ist?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

mio
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 09:27

Also wenn mir jemand, der mich gar nicht wirklich kennt, sagt, dass er mich liebt, dann zeige ich dem - sorry - einen Vogel und sage ihm, dass er mich ja gar nicht kennt und mich deshalb auch nicht lieben kann. Der liebt dann vielleicht das Gefühl zu lieben, aber sicher nicht mich als Mensch. Denn dazu müsste die Person mich kennen.

Und als reines "Liebesobjekt" (weil der andere das Gefühl so toll findet) stelle ich mich sicher nicht zur Verfügung.

Therapeuten tun das bisweilen, aber das ist eben auch Teil deren Jobs und sie haben ausreichend professionelle Distanz um nicht missbraucht zu werden dabei. Reine Liebesphantasien tun niemandem weh, erst wenn derjenige meint die Phantasien umsetzen zu müssen wird es übel, Stichwort Stalking. Ich hatte mal so nen Typen an der Backe, das war nicht lustig.

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ziegenkind
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 09:33

das stimmt, mio, ich könnte auch niemanden lieben, den ich nicht kenne. und noch weniger würde ich mich von jemandem lieben lassen wollen, der mich nicht kennt. aber in guten therapien lässt sich das gegenseitige kennenlernen ja gott sei dank nicht vermeiden.

ich glaube übrigens, dass liebesphantasien und schon gar nicht stalking etwas mit liebe zu tun haben. ich war auch mal objekt von so etwas und weiß wie viel rücksichtslosigkeit dabei im spiel ist. liebe ohne rück- und hinsicht geht nicht.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Schnuckmuck
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 09:43

Es hält sich eben nicht die Waage, was der Therapeut über den Patienten weiss und umgekehrt.

Es ist eher die Annahme.

Und wenn man liebesGefühle für den Therapeuten entwickelt, sollte man natürlich darüber reden. Offen und die ehrlich. Nicht um sie zu vertiefen, sondern um sie aufzulösen in das was sie sind.

Alles andere kann sich nur negativ für die Arbeitsbeziehungen und negativ für d3n Patienten auswirken.


mio
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 09:44

ziegenkind hat geschrieben:aber in guten therapien lässt sich das gegenseitige kennenlernen ja gott sei dank nicht vermeiden.
Der Therapeut wird aber immer mehr von Dir wissen, kennenlernen, als Du von ihm. Und selbst der kennt Dich nicht vollumfänglich. Ich weiss verhältnismässig viel von meiner Thera, auch als Privatmensch, sowohl in Bezug auf Lebensumstände, als auch in Bezug auf persönliche Ansichten etc. Dennoch würde ich nie behaupten, dass ich sie liebe. Dafür weiss ich dann doch zu wenig. Ich mag sie, ich schätze sie, ich bin ihr dankbar für das, was sie tut, wie sie die Therapie gestaltet, etc. Aber Liebe wäre was anderes. Und gehört für mich nicht in eine Therapie, weil sie ein "Privatgut" ist. Weil sie eine andere Form von Beziehung/Bezogenheit bedeutet für mich.

Liebe in der Therapie ist wie Liebe im luftleeren Raum. Eine Romantikblase. Sympathie, ja. Von mir aus auch große. Liebevolle Gefühle, auch das ist möglich. Aber Liebe braucht ein größeres Miteinander, eine andere Form von Nähe. Liebe braucht Gegenseitigkeit im Kontakt, die ist in einer Therapie so nicht gegeben, da Therapie eine Dienstleistung ist bei der es um das Wohl des Patienten geht. Das Wohl des Therapeuten steht hinten an, sonst könnte er nicht sauber therapieren.

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ziegenkind
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 09:54

therapie ohne beziehung, gar ohne bezogenheit, das wäre nichts für mich. daran hätte ich nicht wachsen können.

und: ich, meine therapeutin und du sicher auch mio, wir können in kontakt gehen, uns berühren lassen, den anderen berühren - ohne dass es dabei um unser wohl geht.

und auch dies: jemanden kennen und viel von jemandem wissen, das sind aus meiner sicht zwei sehr unterschiedliche dinge.

ich habe viel von meiner therapeutin gespürt. das lässt sich im kontakt nicht vermeiden. sicher, am anfang, in den ersten jahren eher weniger. da war die angst zu groß, um wirklich hinzuspüren und die projektionsmaschine zu mächtig, um nicht immer wieder nur meine wunsch-, mehr noch meine horrorbilder zu sehen. aber das hat sich geändert. ich weiß das, weil wir drüber geredet haben. machen viele analytikerInnen nicht, weiß ich. meine hat es gemacht und für mich war das wichtig, aber auch schwer, und zwar beides: mit dem projizieren aufhören und aushalten, was ich dann auf einmal spüre. für mich war es zudem schwerer das gute, das liebevolle auszuhalten. ich weiß schon noch, wie wichtig es sein kann, das kaputt zu machen.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


mio
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 09:56

ziegenkind hat geschrieben:und: ich, meine therapeutin und du sicher auch mio, wir können in kontakt gehen, uns berühren lassen, den anderen berühren - ohne dass es dabei um unser wohl geht.
Das kann ich aber auch mit der Supermarktkassiererin. Das ist einfach Mitgefühl. Nicht Liebe.


ziegenkind
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 10:07

das glaube ich nicht, mio. guck mal, wir schreiben hier schon ziemlich viel hin und her und verfehlen uns doch immer wieder. das ist gar nicht soo einfach mit dem sich berühren. eine geheimwissenschaft ist es aber auch nicht.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Schnuckmuck
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 10:09

Wenn du das Gefühl und den Glauben hasr, dass ihr euch gegenseitig liebt, besteht redebedarf.


mio
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 10:10

@ Ziegenkind:

Wenn Du meinst. Mich berühren Deine kindlichen Phantasien und Vorstellungen durchaus, sie sind mir allerdings nicht angenehm. Da steckt mir zuviel magisches Denken drin.


isabe
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 10:12

Es ist ja auch auffällig, dass die Frage, um die es ging, das Verliebtsein thematisiert. Während die eifrigen Antworten die Liebe behandeln. Das ist ja kein Zufall: Dass das Verliebtsein letztlich ein flüchtiges Gefühl ist, das wenig Substanz hat, ist also bekannt. Deshalb muss es ersetzt werden durch den Begriff der Liebe, der über jeden Zweifel erhaben ist, erhaben sein soll.


ziegenkind
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 10:33

schnuckschnuck, zu der liebe ist alles gesagt, von beiden seiten.

mio, für mich war die entwicklung meiner liebesfähigkeit der wahrscheinlich entscheidenste schritt auf dem weg zum erwachsen werden.

die überhöhung der liebe, ihre aufladung mit leidensbereitschaft, ihre gleichsetzung mit dem extremsten aller gefühle ist, so viel dürfte klar geworden sein, meine sache nicht.

eins aber glaube ich wirklich: liebe beginnt jenseits des zweifels. wer zweifelt, der fragt sich die ganze zeit, liebt er, liebt sie mich, der kommt gar nicht zum lieben.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Schnuckmuck
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 10:34

Ziegenkind spricht über liebe und tiefe Gefühle. Wenn sogar evtl gegenseitig
Wir haben in der Hauptsache um liebesgefühle geredet.

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Schnuckmuck
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 10:36

Ziegenkind wie ich schon schrieb, des Menschen Wille ist sein Himmelreich.
Da kann man gefüsduselig sein oder schreiben, es ändert sich nix.

Und ich finde, es muss nicht der Thera als versuchsobjekt her um Verliebtheit oder tiefere Gefühle zweiten gegenüber zu erlernen.
Zuletzt geändert von Schnuckmuck am Fr., 29.07.2016, 10:39, insgesamt 1-mal geändert.


ziegenkind
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 10:39

schnuckschnuck, ich werde von gefühlen nicht duselig, mich macht es sehr klar meine gefühle wirklich wahrzunehmen. sie ohne scham auszusprechen macht zudem frei.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


mio
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 10:42

ziegenkind hat geschrieben:mio, für mich war die entwicklung meiner liebesfähigkeit der wahrscheinlich entscheidenste schritt auf dem weg zum erwachsen werden.
Das sei Dir auch zugestanden. Nichts desto trotz existiert keine Liebesbeziehung zwischen Dir und Deiner Thera. Eher scheinst Du ihr dankbar dafür zu sein, dass sie Dich mit Deinen Liebesgefühlen in Kontakt gebracht hat und damit Dein Leben bereichert. Dafür "liebst" Du sie wahrscheinlich, das ist aber "gebunden" an etwas, was sie Dir ermöglicht hat. Also wenig gegenseitig und wenig frei, bei Licht betrachtet.

Die Fähigkeit zu lieben bedeutet nicht, dass ich jeden demgegenüber ich mal liebevolle Gefühle hege, auch ernsthaft liebe. Da gehört schon ein wenig mehr dazu für meine Begriffe. Liebevolle Gefühle kann ich auch für wildfremde Menschen haben, so sie mich in dem Moment berühren, deshalb liebe ich sie aber nicht automatisch auch.

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