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Fr., 26.11.2010, 10:46
Ich füge mal ein Erlebnis mit einem Therapeuten an, bei dem ich in einer probatorischen Sitzung war, aber keine Therapie gemacht hatte.
Der Mann ist Psychoanalytiker. Schon der erste Eindruck war, ähm, merkwürdig. Ich klingele, die Tür geht auf, vor mir steht ein kleiner älterer Mann im dreiteiligen Anzug: Jacket, Weste, Karawatte, alles sehr ordentlich und korrekt konservativ. Ich dachte mir schon: so förmlich gekleidet laufen nicht einmal Manager auf Geschäftstreffen rum, wie dieser Analytiker in seiner eigenen Praxis. Er hat mich dann reingebeten in sein Behandlungszimmer, das sah sehr nüchtern aus, wie ein Arzt-Zimmer. Nach ein paar einleitenden Worten fragte er mich dann, warum ich hier bin, und was mein Problem ist. Dabei hielt er die ganze Zeit eine Mappe in der Hand, so wie Mappen, in denen Ärzte ihre Patientenakte aufbewahren, und machte sich Notizen. Ich kam dann auch nicht dazu, ausführlich zu erzählen, weil er viele Fragen stellte, und sich jeweils mit kurzen Antworten zufrieden gab, die er dann in der Mappe notierte. Als mir das auffilel, sagte er: "Das ist praktisch. Wenn Sie bei mir in Behandlung bleiben, dann muss ich diese Angaben nicht noch einmal aufnehmen."
Mir fiel in dem Raum auf, dass dort wo bei Analytikern das Sofa steht, stand in einer Wandnische bei ihm eine Krankenliege, wie man sie aus der Arztpraxis kennt. Am Fußende war eine Gummi-Matte an der Wand angenagelt. Er merkte auch, dass mir das auffilel, und sagte: "Das ist praktisch, da müssen Sie die Schuhe nicht ausziehen, wenn Sie sich drauf legen."
Später äusserte er noch, dass die Erfolgsquoten ja bei der Psychoanalyse begrenzt sind, und ich mir nicht zu grosse Hoffnungen machen sollte...
Überflüssig zu sagen, dass ich bei dem keine Therapie gemacht hatte. Ich dachte mir noch: Wenn die Erfolgsquoten bei der Analyse begrenzt sind, dann liegt es sicher an Leuten wie diesem, die den Schnitt runterziehen...