Ehrlich gesagt finde ich es auch nicht gerade leicht, Depression von Selbstmitleid genau abzugrenzen.forcefromabove hat geschrieben:Laut Deiner Definition wären die meisten Depressiven voller Selbstmitleid, weil sie
a.) sich als lustlose Opfer, manchmal auch nur von der eigenen Unfähigkeit fühlen.
b.) selten Tatkraft, Energie und Entscheidungsstärke haben.
Was jetzt nicht unbedingt Merkmal einer Depression ist, ist eine Opferhaltung (kann aber natürlich individuell auch sein. Aber auch das absolute Gegenteil kann der Fall sein). Auch würde ich es so sehen, dass ausgeprägtes Selbstmitleid in einer Depression münden kann... in dem Fall wären die Übergänge dann eh fließend. Gemeinsamkeit von beidem: Ich persönlich halte beides für dysfunktional ("destruktiv"), wenn es nicht nur mal eine kürzere Phase ist, die reinigend wirkt. Und: Auch wenn man gerne sagt: "sich depressiv fühlen", so halte ich auch Depressivität nicht wirklich für ein Gefühl (also z.B. von Traurigkeit oder Trauer unterscheidet es sich... bei mir zumindest ganz deutlich... und oft spricht man bei Depressionen auch vom "Gefühl der Gefühllosigkeit").
Und ich gehe sogar noch weiter: Bei der Depression dürfte weitgehend Einigkeit herrschen, dass diese sich niemand aussucht, sondern eine Krankheit ist. Aber ähnlich sehe ich das auch für's Selbstmitleid oder Opfermentalitäten, dass sich das auch niemand aussucht... sondern irgendwo in der Biografie Gründe geben dürfte, warum jemand Selbstmitleid als (vermeintliche) Bewältigungsstrategie wählt (der nächste eine Depression... eine anderer vielleicht einen Zwang). Insofern
würde ich eher sagen, dass auch dem Selbstmitleid etwas pathologisches inne wohnen kann, insbes. wenn wenn dieses Muster tiefergreifender in der Persönlichkeit verhaftet ist (du nennst es charkterschwäche, ich sehe es insofern ähnlich: und das wäre für mich ein weiterer Abgrenzungspunkt: Tiefergreifende Muster von Selbstmitleid tangieren eher die Persönlichkeitebene, bei Depressionen wird das, glaube ich, nicht so gesehen... bestenfalls bei einzelnen Formen). Nur zählt das (Selbstmitleid) dann, glaube ich, nicht als eigenständiges Krankheitsbild... kann aber durchaus Symptom mancher Krankheiten sein.Da Selbstmitleid vorallem als Charakterschwäche gilt, wäre in der Folge eine
Depression keine " wirkliche" Krankheit, sondern eine krankheitsähnliche seelische
Schwäche, und das Stigma der persönlichen Fehlerhaftigkeit, das besonders Depressionen begleitet, wäre bestätigt.
Ich glaube der Punkt ist auch: Selbstmitleid hat per se etwas, das negativ besetzt ist... und wie im auch im Thread deutlich ist: Selbstmitleid erzeugt bei einigen/vielen? instinktiv so etwas wie eine Abwehrhaltung... der Umgang mit Depressiven nicht in dem Maße (obwohl der je nach Grad auch sehr belastend sein kann... aber auf eine andere Art und Weise). Gut, ist jetzt auch verallgemeinernd und klischeebesetzt, was ich im folgenden schreibe (Asche auf meine Haupt):
Aber vielleicht macht die Botschaft den Unterschied: Dem depressiven geht es offensichtlich übel (und dieser neigt tendenziell zum Rückzug... sieht sich eh als Belastung und kommt evtl. gar nicht auf die Idee andere um Hilfe zu bitten). Selbstmitleid: Eher weinerlich (anstelle echtes Gefühl) mit so einer Botschaft: "Nimm du mir das ab". Und was mir auch schon öfteres aufgefallen ist (wobei ich mich aufs RL beziehe): Es wird dann gerne so eine Art Anspruchshaltung abgeleitet à la: Weil ich immer Opfer war, steht mir das jetzt zu (was auch immer)... und dieses einfordern (was einem depressiven eher fern liegt) erzeugt natürlich umso mehr Widerstand. Und das ist der Obergau für den sich selbstbemitleidenden, der dann auch noch darin bestätigt wird Opfer zu sein... und genau DAS GEGENTEIL erreicht, was er sich im Grunde des Herzens wünschst. Wenn so ein Muster tiefer sitzt, ist das vermutlich am sinnigsten auch mit einer Therapie anzugehen. Leiden tun IMO beide: Sowohl der Depressive als auch der, der in tiefgreifenden Mustern von Selbstmitleid/Opferrollen versunken ist, aus denen er sich nicht lösen kann.