Diagnostik, Diagnose und passende Therapie
Also ich kann das was Scars schreibt gut nachvollziehen. Ich habe zu Beginn meiner Therapie die Diagnose Depression bekommen, weil ich zufällig zu dem Zeitpunkt tatsächlich in so einer Art Erschöpfungsdepression drinsteckte und deswegen Hilfe gesucht habe. Aber das war nach ein paar Wochen gegessen. Danach ging es genau um dieses: "Entwicklungs- und Folgestörung nach beeinträchtigenden/belastenden Beziehungserfahrungen“ für emotiale Vernachlässigung, Kinder aus suchtbelasteten Familien, Mobbing..." Mein Problem war nicht die Depression, sondern es waren die Folgen meiner Kindheit und Jugend.
Aber es gibt keine klare Diagnose für dieses chronifizierte, nicht mehr unbedingt akute, aber trotzdem vorhandene Etwas nach schädigenden Kindheitserfahrungen, das im Alltag immer noch nachwirkt und auch bleiben wird. Auf jeden Fall nicht, wenn man die kPTBS Diagnosekriteien wörtlich nimmt.
Warum hätte ich gerne eine Diagnose? Weil dieses Etwas da ist und bleiben wird und nicht mehr weggehen wird. Weil meine Kindheit Folgen hatte, die mich den Rest meines Lebens begleiten werden. Dafür hätte ich einfach gerne einen Namen.
In der Therapie haben wir von (dysfunktionalen) Schemata und Schemamodi gesprochen. Aber das ist Teil der (Schema-)Therapie, nicht der Diagnose. Mein Therapeut hat es nie verstanden, aber mir fehlt bis heute das, was darunter ist. Ein Name für das was therapiert wurde. Ein Name für mein Problem.
Aber es gibt keine klare Diagnose für dieses chronifizierte, nicht mehr unbedingt akute, aber trotzdem vorhandene Etwas nach schädigenden Kindheitserfahrungen, das im Alltag immer noch nachwirkt und auch bleiben wird. Auf jeden Fall nicht, wenn man die kPTBS Diagnosekriteien wörtlich nimmt.
Warum hätte ich gerne eine Diagnose? Weil dieses Etwas da ist und bleiben wird und nicht mehr weggehen wird. Weil meine Kindheit Folgen hatte, die mich den Rest meines Lebens begleiten werden. Dafür hätte ich einfach gerne einen Namen.
In der Therapie haben wir von (dysfunktionalen) Schemata und Schemamodi gesprochen. Aber das ist Teil der (Schema-)Therapie, nicht der Diagnose. Mein Therapeut hat es nie verstanden, aber mir fehlt bis heute das, was darunter ist. Ein Name für das was therapiert wurde. Ein Name für mein Problem.
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So wie du es jetzt beschreibst, könnte ich die kPTBS doch als Diagnose annehmen. Vielleicht kannst du deinen Therapeuten direkt darauf ansprechen?caduta hat geschrieben: ↑Di., 05.09.2023, 14:42 Aber es gibt keine klare Diagnose für dieses chronifizierte, nicht mehr unbedingt akute, aber trotzdem vorhandene Etwas nach schädigenden Kindheitserfahrungen, das im Alltag immer noch nachwirkt und auch bleiben wird. Auf jeden Fall nicht, wenn man die kPTBS Diagnosekriteien wörtlich nimmt.
Manche Therapeuten arbeiten ja auch gerne ohne eine Diagnose zu nennen, letztlich braucht man sie mindestens für den Antrag bei der Kasse. Da könnte man auch draufschauen was da für eine Diagnose draufsteht.
candle
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Liebe Leute,
hier die versprochenen Links.
1.) Unterschied BL und kptBS
Auffällig ist, dass bei kptBS das Gefühl der inneren Leere fehlt, die instabilen Beziehungen und das Gefühl, Verlassenheit verhindern zu müssen. Auch die Instabilität im Selbstbild ist nicht vorhanden. Und ich habe mich immer gefragt, was die Theras von mir wollen. Und wenns nicht gepasst hat, war das prompt ein Entfremdungsgefühl.
Auch das mit der Emotionsregulation bezieht sich bei mir nur auf Täter bzw. Trigger, nichts und niemand sonst!
https://psychiatrie.tirol-kliniken.at/d ... gress-2017
2.) Warum hilft DBT bei kptBS nicht?
Hier eine für mich total super Erklärung. Gerade dieses täterähnliche Verhalten: Bestrafen für Dissoziieren bzw. Triggern, Alleinlassen nach Exposition bzw. „Fehlverhalten“, ich finds einfach furchtbar. Die Kleine von damals traut sich doch dann erst recht nicht hervor. Alles wegmeditieren geht eben nicht, die Traumapfade werden doch dann erst recht ausgetrampelt. Hatte dabei massive Intrusionen und Flashbacks, die kann man nicht per Bestrafung wegmachen. Habe damals eine Scheinidentität „Alles gut!“ entwickelt, ein gefühlloser Zombie, der so tut als ob. Das ist doch genau die „Heul nicht, sonst kriegste noch eine!“ – Methode
www.dis-sos.com/personliche-einordnung- ... matherapie
Hier die Studie der Aufarbeitungskommission zu Wirksamkeit und Schaden von DBT bei kptBS. Ich war eine der Teilnehmerinnen
https://beauftragte-missbrauch.de/presse/artikel/173
3.) Warum sind ehemalige Opfer besonders prädestiniert, erneut in Traumatherapie zum Opfer zu werden (Bericht der Ethikkommission):
www.amazon.de/Umgang-mit-Grenzverletzun ... 3662622645
"Sie gewinnen kein oder ein verzerrtes Empfinden von Selbstwirksamkeit, können Verletzungen ihrer Grenzen nicht wahrnehmen und sich demzufolge auch nicht angemessen schützen. Stattdessen laufen sie Gefahr, das ihnen bekannte Bindungsmuster zu suchen und erneut selbstschädigende und missbräuchliche Beziehungen einzugehen und so den Retraumatisierungszyklus weiter zu unterhalten...
Diesen (Personen mit kptBS oder DIS) steht kein beobachtendes und stabiles reflektierendes Ich zur Verfügung, und ihre Wahrnehmung und das Erinnerungsvermögen sind eingeschränkt. Dabei kann auch eine Spannungsentlastung durch (projizierte) Selbstbestrafungsimpulse von täterimitierenden Persönlichkeitsanteilen in Form von Reinszenierung traumatischer Situationen eintreten (Gast & Wirtz, 2016)."
Ach ja, was will ich damit sagen? Dass ich jetzt, nach 18 Jahren, noch immer unter den Folgen der DBT-Behandlung leide, weil ich eben die BL-Zuruf-Diagnose bekommen habe, obwohl kptBS viel besser passt. Ich ertappe mich, dass ich immer noch in den Unterwürfigkeits-Bootcamp-Anteil rutsche. Habt Ihr Ideen, wie da rauskommen? Selbstwirksamkeit stärken hat geholfen, Selbstsicherheitstraining, Körpertherapie. Noch Vorschläge?
hier die versprochenen Links.
1.) Unterschied BL und kptBS
Auffällig ist, dass bei kptBS das Gefühl der inneren Leere fehlt, die instabilen Beziehungen und das Gefühl, Verlassenheit verhindern zu müssen. Auch die Instabilität im Selbstbild ist nicht vorhanden. Und ich habe mich immer gefragt, was die Theras von mir wollen. Und wenns nicht gepasst hat, war das prompt ein Entfremdungsgefühl.
Auch das mit der Emotionsregulation bezieht sich bei mir nur auf Täter bzw. Trigger, nichts und niemand sonst!
https://psychiatrie.tirol-kliniken.at/d ... gress-2017
2.) Warum hilft DBT bei kptBS nicht?
Hier eine für mich total super Erklärung. Gerade dieses täterähnliche Verhalten: Bestrafen für Dissoziieren bzw. Triggern, Alleinlassen nach Exposition bzw. „Fehlverhalten“, ich finds einfach furchtbar. Die Kleine von damals traut sich doch dann erst recht nicht hervor. Alles wegmeditieren geht eben nicht, die Traumapfade werden doch dann erst recht ausgetrampelt. Hatte dabei massive Intrusionen und Flashbacks, die kann man nicht per Bestrafung wegmachen. Habe damals eine Scheinidentität „Alles gut!“ entwickelt, ein gefühlloser Zombie, der so tut als ob. Das ist doch genau die „Heul nicht, sonst kriegste noch eine!“ – Methode
www.dis-sos.com/personliche-einordnung- ... matherapie
Hier die Studie der Aufarbeitungskommission zu Wirksamkeit und Schaden von DBT bei kptBS. Ich war eine der Teilnehmerinnen
https://beauftragte-missbrauch.de/presse/artikel/173
3.) Warum sind ehemalige Opfer besonders prädestiniert, erneut in Traumatherapie zum Opfer zu werden (Bericht der Ethikkommission):
www.amazon.de/Umgang-mit-Grenzverletzun ... 3662622645
"Sie gewinnen kein oder ein verzerrtes Empfinden von Selbstwirksamkeit, können Verletzungen ihrer Grenzen nicht wahrnehmen und sich demzufolge auch nicht angemessen schützen. Stattdessen laufen sie Gefahr, das ihnen bekannte Bindungsmuster zu suchen und erneut selbstschädigende und missbräuchliche Beziehungen einzugehen und so den Retraumatisierungszyklus weiter zu unterhalten...
Diesen (Personen mit kptBS oder DIS) steht kein beobachtendes und stabiles reflektierendes Ich zur Verfügung, und ihre Wahrnehmung und das Erinnerungsvermögen sind eingeschränkt. Dabei kann auch eine Spannungsentlastung durch (projizierte) Selbstbestrafungsimpulse von täterimitierenden Persönlichkeitsanteilen in Form von Reinszenierung traumatischer Situationen eintreten (Gast & Wirtz, 2016)."
Ach ja, was will ich damit sagen? Dass ich jetzt, nach 18 Jahren, noch immer unter den Folgen der DBT-Behandlung leide, weil ich eben die BL-Zuruf-Diagnose bekommen habe, obwohl kptBS viel besser passt. Ich ertappe mich, dass ich immer noch in den Unterwürfigkeits-Bootcamp-Anteil rutsche. Habt Ihr Ideen, wie da rauskommen? Selbstwirksamkeit stärken hat geholfen, Selbstsicherheitstraining, Körpertherapie. Noch Vorschläge?
Ja, inoffiziell gibt es z.B. solche Begriffe wie „erwachsene Kinder suchtkranker Eltern“. Die Schwierigkeiten dieser Menschen erscheinen so spezifisch und abgrenzbar gegenüber anderer Problematik, dass sich eine eigene Kategorie vllt dafür lohnen würde. Das sollte nicht in Frage stellen, dass es natürlich auch andere belastende Beziehungserfahrungen geben kann oder den Schweregrad demgegenüber bemessen.LovisTochter hat geschrieben: ↑Di., 05.09.2023, 13:54 Magst Du mal erklären warum es Dir wichtig wäre für die genannten Gruppen eine eigene Diagnose zu haben?
Was sollte diese abdecken? Und, was wird in der Behandlung dieser Menschen nicht berücksichtigt, wenn sie unter bereits existierenden Diagnosen laufen?
Ich habe da halt auch Beispielpersonen im Kopf.
Vielleicht kann man das ohne diese Beispielpersonen zu kennen nicht so gut nachvollziehen. Denen geht es soweit gut, die stehen im Leben, merken aber, dass sie stellenweise in Beziehungen und ihrem emotionalen Erleben beeinträchtigt sind und finden sich z.B. in diesen Merkmalen der „eKS“ wieder. Die würden vielleicht gerne mal eine Therapie machen, weil sie merken „irgendwas stimmt nicht“.
Ich weis von Betroffenen, die dann die Erfahrung gemacht haben, dass Therapeuten sagten, dass sie nicht helfen könnten, weil die Personen selbst „nicht psychisch krank“ seien. Nicht depressiv, keine PTBS o.Ä. Da spielt natürlich auch fehlendes Wissen über die Auswirkungen von Sucht in der Familie mit rein, aber ich denke auch, dass gewisse Problematik nicht abgedeckt wird. Wenn die Person selbst nicht psychisch krank ist, sondern nur rein aufgrund gewisser Beziehungsprobleme oder Beeinträchtigungen im emotionalen Erleben kommt, also gewissermaßen aus Gründen der Sozialisation, dann kann man die nicht einordnen. Gleichzeitig geht’s denen ja trotzdem nicht „gut genug“. Natürlich könnte man irgendwas diagnostizieren, aber das ist dann halt nur irgendwas.
Bei Kinder- und Jugendlichen gibt es ja Entwicklungsstörungen. Ich bin ja nur Laie und ich verstehe halt nicht, wieso es bei Erwachsenen keine Entwicklungsstörungen oder „Folgestörung beeinträchtigter Entwicklung“ mehr gibt. Wenn man sich in Kindheit/Jugend nicht recht entwickeln konnte verschleppt man das halt.
Natürlich komme ich da auch durch mich selbst drauf. Neben meinen „richtigen“ psychischen Erkrankungen merke ich, wieviel eigentlich „Folgeproblematik beeinträchtigter Entwicklung“ oder so wäre. Mit sowas würde ich persönlich mich sehr verstanden und gut erfasst fühlen.
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Hallo Candle,
ja ich finde auch, für das, was es an Mehr an Lebensqualität gebracht hat, hat es sich definitiv gelohnt mit dem EMDR. Hatte in ca. 2 Jahren Therapie insgesamt ca. 30 Sitzungen mit EMDR. Natürlich ist es kurz danach manchmal schwierig, wenn alte Dinge wieder total präsent werden. Vor allem auch im Körper. Aber danach fühlt es sich so viel ruhiger an alles, Ich hätte nie gedacht, dass eine solche Verbesserung bei mir möglich ist. Sicherlich ist es auch hilfreich, über manche Dinge überhaupt mal mit einem anderen Menschen zu reden, aber eine solche Verbesserung hätte das alleine nie gebracht.
So wie ich es mitbekommen habe, ist ein häufiger Kritikpunkt, dass man sehr mit alten Gefühlen und Bildern überrollt werden kann. Das stimmt schon. Vielleicht liegt es auch am Therapeuten. Bei meiner Therapeutin war immer eine Notfallstunde nach einer EMDR-Sitzung möglich, ohne dass sie mir ein schlechtes Gewissen gemacht hätte. In 2 Jahren habe ich das genau 2x gebraucht.
Aber wir haben ja schon festgestellt, dass es keine 1-fit-all-Lösung gibt. Nur weil es uns sehr geholfen hat, muss das ja auf andere nicht auch zutreffen. Ich könnte mir zum Beispiel so Teile-Arbeit gar nicht vorstellen. Oder dass die Beziehung zur Therapeutin zu einem Hauptthema in der Therapie wird. Dazu reichen meine Stunden gar nicht.
Übrigens gibt es hauptsächlich Studien darüber, DASS EMDR wirkt, aber der genaue Mechanismus ist noch nicht geklärt. Aber es gibt Studien darüber dass es wirkt, unabhängig davon, ob man davon überzeugt ist oder nicht.
ja ich finde auch, für das, was es an Mehr an Lebensqualität gebracht hat, hat es sich definitiv gelohnt mit dem EMDR. Hatte in ca. 2 Jahren Therapie insgesamt ca. 30 Sitzungen mit EMDR. Natürlich ist es kurz danach manchmal schwierig, wenn alte Dinge wieder total präsent werden. Vor allem auch im Körper. Aber danach fühlt es sich so viel ruhiger an alles, Ich hätte nie gedacht, dass eine solche Verbesserung bei mir möglich ist. Sicherlich ist es auch hilfreich, über manche Dinge überhaupt mal mit einem anderen Menschen zu reden, aber eine solche Verbesserung hätte das alleine nie gebracht.
So wie ich es mitbekommen habe, ist ein häufiger Kritikpunkt, dass man sehr mit alten Gefühlen und Bildern überrollt werden kann. Das stimmt schon. Vielleicht liegt es auch am Therapeuten. Bei meiner Therapeutin war immer eine Notfallstunde nach einer EMDR-Sitzung möglich, ohne dass sie mir ein schlechtes Gewissen gemacht hätte. In 2 Jahren habe ich das genau 2x gebraucht.
Aber wir haben ja schon festgestellt, dass es keine 1-fit-all-Lösung gibt. Nur weil es uns sehr geholfen hat, muss das ja auf andere nicht auch zutreffen. Ich könnte mir zum Beispiel so Teile-Arbeit gar nicht vorstellen. Oder dass die Beziehung zur Therapeutin zu einem Hauptthema in der Therapie wird. Dazu reichen meine Stunden gar nicht.
Übrigens gibt es hauptsächlich Studien darüber, DASS EMDR wirkt, aber der genaue Mechanismus ist noch nicht geklärt. Aber es gibt Studien darüber dass es wirkt, unabhängig davon, ob man davon überzeugt ist oder nicht.
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Hallo Zusammen,
ich schreibe nicht oft in diesem Forum, aber die laufende Diskussion ist momentan genau mein Thema...
Das Aufwachsen in einer "dysfunktionalen Familie" kann mit einem Kind ganz viel machen. Ich zB. habe seit meiner frühesten Kindheit erlernt, dass meine Bedürfnisse nicht wichtig sind, dass ich verantwortlich bin für das Wohlbefinden meiner Bezugspersonen (Parentalisierung), dass ich jeden Konflikt irgendwie ausgleichen muss, dass ich möglichst brav und unauffällig sein muss, damit nichts "Schlimmes" passiert, meine Gefühle total abgespalten habe, bis sie nicht mehr wahrnehmbar waren.. Das "Schlimme" war für mich als "Klein-)Kind wohl so bedrohlich, dass es als Traumatisierung gelten könnte. Aber in meiner Kindheit/Jugend gab es keine körperliche Gewalt, keinen sexuellen Missbrauch, nicht einmal offenkundige psychische Gewalt mit Beleidigungen, Herabwürdigungen, etc., sondern vorallem emotionale Vernachlässigung, viele heftige Elternkonflikte, die vor und über uns Kinder ausagiert wurden, Instrumentalisierung von uns Kind ein als "Komplize", Tröstet, Partnerersatz, etc.
Was ich erlebt habe im Elternhaus ist objektiv und auch für mich sehr schwer fassbar, denn es war ja nichts offenkundige sichtbar....
Und trotzdem hat mich das im Innersten geprägt und hat auch heute noch massive Auswirkungen auf mein Leben.
Meine offizielle Diagnose ist "rezidivierende Depression". Bei meiner ersten Episode wollte die Krankenkasse (Schweiz) ziemlich bald die Therapie nicht mehr bezahlen, da eine "einfache" Depression ja so gut und schnell behandelbar sei....
Dass mein unglaublich starker Funktionsmodus ("es geht ja alles immer irgendwie, Hauptsache die Fassade stimmt"), tiefer liegende Gründe hat, habe ich erst im Verlauf der Therapie realisiert. Denn aufgrund meiner frühesten Erfahrungen war für mich immer alles normal. Ich kannte ja nichts anderes...
Bei mir steht inzwischen in der Diagnoseliste eine komplexe Traumafolgestörung (ICD-19 43.8), was es mir hier in der CH einfacher macht, längere Therapie zu erhalten als "nur" mit der Diagnose der Depression.
ich schreibe nicht oft in diesem Forum, aber die laufende Diskussion ist momentan genau mein Thema...
Das Aufwachsen in einer "dysfunktionalen Familie" kann mit einem Kind ganz viel machen. Ich zB. habe seit meiner frühesten Kindheit erlernt, dass meine Bedürfnisse nicht wichtig sind, dass ich verantwortlich bin für das Wohlbefinden meiner Bezugspersonen (Parentalisierung), dass ich jeden Konflikt irgendwie ausgleichen muss, dass ich möglichst brav und unauffällig sein muss, damit nichts "Schlimmes" passiert, meine Gefühle total abgespalten habe, bis sie nicht mehr wahrnehmbar waren.. Das "Schlimme" war für mich als "Klein-)Kind wohl so bedrohlich, dass es als Traumatisierung gelten könnte. Aber in meiner Kindheit/Jugend gab es keine körperliche Gewalt, keinen sexuellen Missbrauch, nicht einmal offenkundige psychische Gewalt mit Beleidigungen, Herabwürdigungen, etc., sondern vorallem emotionale Vernachlässigung, viele heftige Elternkonflikte, die vor und über uns Kinder ausagiert wurden, Instrumentalisierung von uns Kind ein als "Komplize", Tröstet, Partnerersatz, etc.
Was ich erlebt habe im Elternhaus ist objektiv und auch für mich sehr schwer fassbar, denn es war ja nichts offenkundige sichtbar....
Und trotzdem hat mich das im Innersten geprägt und hat auch heute noch massive Auswirkungen auf mein Leben.
Meine offizielle Diagnose ist "rezidivierende Depression". Bei meiner ersten Episode wollte die Krankenkasse (Schweiz) ziemlich bald die Therapie nicht mehr bezahlen, da eine "einfache" Depression ja so gut und schnell behandelbar sei....
Dass mein unglaublich starker Funktionsmodus ("es geht ja alles immer irgendwie, Hauptsache die Fassade stimmt"), tiefer liegende Gründe hat, habe ich erst im Verlauf der Therapie realisiert. Denn aufgrund meiner frühesten Erfahrungen war für mich immer alles normal. Ich kannte ja nichts anderes...
Bei mir steht inzwischen in der Diagnoseliste eine komplexe Traumafolgestörung (ICD-19 43.8), was es mir hier in der CH einfacher macht, längere Therapie zu erhalten als "nur" mit der Diagnose der Depression.
Zuletzt geändert von Schaukelstuhl am Di., 05.09.2023, 18:20, insgesamt 1-mal geändert.
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Danke Scars für Deine Ausführungen, auch an Caduta!
Kann es sein, dass es bei Eurem Wunsch nach einer eigenen Diagnose um das gesehen werden und sich einer Gruppe zugehörig fühlen geht? Das ist zumindest das, was mich sehr anspringt. Bei Euch beiden.
Scars, Du schreibst davon, dass die Beeinträchtigungen nicht so gravierend sind, dass nicht zwingend eine Therapie von Nöten ist (wenn ich das richtig verstanden habe).
Genau das ist aber bei einer Diagnose der springende Punkt. Diagnosen beschreiben (in der Psychotherapie) ein Erleben welches krankheitswert hat. Symptome werden erfasst und in einer Diagnsoe zusammengefasst. Allerdings geht es dabei primär darum, den/die Pt der richtigen Behandlung zuführen zu können. Bei einem Erleben, welches keinen Krankheitswert hat, ist auch keine Diagnose notwendig, weil eben keine Behandlung erforderlich ist.
Sind die Beeinträchtigungen dann doch krankheitswertig, dann würde ich jetzt mal denken, dass dann wieder die (k)PTBS am ehesten passt, oder?
Das Label: Kind suchtkranker Eltern oder Mensch mit Mobbingerfahrungen, das kann und darf sich
jede:r Mensch selbst geben. Aber eine Diagnose ist vom Konstrukt her etwas anderes als eine reine Bezeichnung von Umständen und dient anderen Dingen als der Etikettierung.
VG,
LT
Kann es sein, dass es bei Eurem Wunsch nach einer eigenen Diagnose um das gesehen werden und sich einer Gruppe zugehörig fühlen geht? Das ist zumindest das, was mich sehr anspringt. Bei Euch beiden.
Scars, Du schreibst davon, dass die Beeinträchtigungen nicht so gravierend sind, dass nicht zwingend eine Therapie von Nöten ist (wenn ich das richtig verstanden habe).
Genau das ist aber bei einer Diagnose der springende Punkt. Diagnosen beschreiben (in der Psychotherapie) ein Erleben welches krankheitswert hat. Symptome werden erfasst und in einer Diagnsoe zusammengefasst. Allerdings geht es dabei primär darum, den/die Pt der richtigen Behandlung zuführen zu können. Bei einem Erleben, welches keinen Krankheitswert hat, ist auch keine Diagnose notwendig, weil eben keine Behandlung erforderlich ist.
Sind die Beeinträchtigungen dann doch krankheitswertig, dann würde ich jetzt mal denken, dass dann wieder die (k)PTBS am ehesten passt, oder?
Das Label: Kind suchtkranker Eltern oder Mensch mit Mobbingerfahrungen, das kann und darf sich
jede:r Mensch selbst geben. Aber eine Diagnose ist vom Konstrukt her etwas anderes als eine reine Bezeichnung von Umständen und dient anderen Dingen als der Etikettierung.
VG,
LT
Wer nicht auf seine Weise denkt, denkt überhaupt nicht. (Oscar Wilde)
Naja, das ist ja eben der springende Punkt. Die Betroffenen erfüllen u.U. nicht die Kriterien zB einer kPTBS, fühlen sich aber u.U. so beeinträchtigt, dass es Krankheitswert hätte (sonst kommt ja keiner auf die Idee einen Therapeuten aufzusuchen) aber es gibt keine passende „Krankheitskategorie“ dazu und dann fallen sie halt durchs Raster und werden womöglich abgewiesen. Den Krankheitswert bestimmen an der Stelle ja andere und da würde ich sagen, dass es eben aktuell noch übersehen wird. Beziehungsweise gesund sind diese Muster halt auch nicht mehr aber denn eben z.B. nicht auf dem Level einer Persönlichkeitsstörung o.Ä. Schwierig!LovisTochter hat geschrieben: ↑Di., 05.09.2023, 18:07 Sind die Beeinträchtigungen dann doch krankheitswertig, dann würde ich jetzt mal denken, dass dann wieder die (k)PTBS am ehesten passt, oder?
Zuletzt geändert von Scars am Di., 05.09.2023, 18:26, insgesamt 1-mal geändert.
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Ok, das verstehe ich. Aber kannst Du vielleicht auch erklären was das Erleben so einzigartig macht?
Mit was für Symptomen stellen sich denn diese Menschen dann beim Therapeuten vor? Oder hast Du das gefühl, dass es nicht einmal für die Symptome Namen, Bezeichnungen gibt?
Verzeih bitte, dass ich da so nachbohre. Wenn Dir das zu viel ist, dann ist das natürlich absolut in ordnung.
Ich würde es nur gerne verstehen.
Wenn ich von mir ausgehe, dann kann ich schon sagen, dass beispw. nicht nur emotionale Vernachlässigung mich auch ganz tief geprägt hat. Aber das, was daraus resultiert, das findet sich für mich eben gut in der kPTBS wieder.
Jahrelanges Mobbing beispw. führt mWn auch nicht selten zu einer kPTBS.
VG,
LT
Mit was für Symptomen stellen sich denn diese Menschen dann beim Therapeuten vor? Oder hast Du das gefühl, dass es nicht einmal für die Symptome Namen, Bezeichnungen gibt?
Verzeih bitte, dass ich da so nachbohre. Wenn Dir das zu viel ist, dann ist das natürlich absolut in ordnung.
Ich würde es nur gerne verstehen.
Wenn ich von mir ausgehe, dann kann ich schon sagen, dass beispw. nicht nur emotionale Vernachlässigung mich auch ganz tief geprägt hat. Aber das, was daraus resultiert, das findet sich für mich eben gut in der kPTBS wieder.
Jahrelanges Mobbing beispw. führt mWn auch nicht selten zu einer kPTBS.
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Wer nicht auf seine Weise denkt, denkt überhaupt nicht. (Oscar Wilde)
Scars, ich zitiere gleich mal umgekehrt:
Und was sind "richtige" psychische Erkrankungen und welche nicht? Wie kannst du das trennen?
Geht es dir möglicherweise darum, dass jemand, der das so wie du auch erlebt hat, aber dann scheinbar stabiler im Leben steht? Wenn dem so ist- ja, ich frage mich das auch immer mal wieder.
candle
Mir ist bisher nur so halb klar um was es dir geht. Ist es die Anerkennung mittels Diagnose, dass süchtige Eltern deine Problematik ausgelöst haben? Oder ist es "Schuld" die lieber dem Alkohol zugewiesen wird als "inkompetenten" Eltern um die Eltern nicht "zu beschmutzen"?Natürlich komme ich da auch durch mich selbst drauf. Neben meinen „richtigen“ psychischen Erkrankungen merke ich, wieviel eigentlich „Folgeproblematik beeinträchtigter Entwicklung“ oder so wäre. Mit sowas würde ich persönlich mich sehr verstanden und gut erfasst fühlen.
Und was sind "richtige" psychische Erkrankungen und welche nicht? Wie kannst du das trennen?
Ich kann mir da jetzt gar nichts vorstellen was wirklich spezifisch sein kann. Klar, Familiensysteme unterscheiden sich, aber die Auswirkungen scheinen ja, wenn man nochmal auf die Diagnosen schaut, gleichen und ähneln sich ja dann doch wieder.
Erstmal: Was ist "eKS"?Denen geht es soweit gut, die stehen im Leben, merken aber, dass sie stellenweise in Beziehungen und ihrem emotionalen Erleben beeinträchtigt sind und finden sich z.B. in diesen Merkmalen der „eKS“ wieder. Die würden vielleicht gerne mal eine Therapie machen, weil sie merken „irgendwas stimmt nicht“.
Geht es dir möglicherweise darum, dass jemand, der das so wie du auch erlebt hat, aber dann scheinbar stabiler im Leben steht? Wenn dem so ist- ja, ich frage mich das auch immer mal wieder.
Kurz: Vielleicht war einfach der Therapeut nicht sonderlich gut....dass Therapeuten sagten, dass sie nicht helfen könnten, weil die Personen selbst „nicht psychisch krank“ seien. Nicht depressiv, keine PTBS o.Ä.... Wenn die Person selbst nicht psychisch krank ist, sondern nur rein aufgrund gewisser Beziehungsprobleme oder Beeinträchtigungen im emotionalen Erleben kommt, also gewissermaßen aus Gründen der Sozialisation, dann kann man die nicht einordnen.
candle
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Ja, das habe ich mir auch gedacht...
Vielleicht habe ich auch einen Denkfehler und die kPTBS-Diagnose wäre zutreffend auf die Personengruppe, die ich meine. Mir kommt es nicht so vor, ich kann es aber leider nicht genauer beschreiben und müsste wohl Psychologie studiert haben um es besser zu differenzieren.
Wenn euch das Thema allgemein interessiert, dann schaut doch z.B. mal bei NACOA. https://nacoa.de/
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Sehr wichtig. Generell habe ich öfters das Gefühl, dass sich in Diagnostik verrannt wird, eben weil man in eine Schublade oder Kategorie oder sonst etwas passen will / sich zugehörig fühlen will, dabei ist eine Diagnose von einem Arzt wichtig für A die Übernahme von Kosten und B um die am besten geeignetste Therapieform zu ermitteln. Wenn ich dann manchmal lese "ich bin Borderliner, ich bin DISler ich bin... Knochenmarkaplasieer (!? mal auf die Spitze getrieben)" bin ich völlig irritiert.LovisTochter hat geschrieben: ↑Di., 05.09.2023, 18:07
Das Label: Kind suchtkranker Eltern oder Mensch mit Mobbingerfahrungen, das kann und darf sich
jede:r Mensch selbst geben. Aber eine Diagnose ist vom Konstrukt her etwas anderes als eine reine Bezeichnung von Umständen und dient anderen Dingen als der Etikettierung.
Meine Diagnosen die ich mittlerweile stimmig erhalten habe, passen für mich wie die Faust aufs Auge. Ich finde in ihnen meine alltäglichen Symptome wieder. Die Gründe woher die Symptome kommen sind mir mittlerweile auch relativ klar, ich kann Zusammenhänge sehen, was sehr viele Jahre gedauert hat. Ich kann mit den Diagnosen arbeiten, in Therapien und Selbsthilfe, ich finde Betroffene mit den gleichen Diagnosen und erkenne dort Schnittmengen. Nicht bei allem und nicht in allem, aber in vielen Punkten. Also ja: eine korrekte Diagnose hat einen positiven Impact auf den Heilwerdeweg.
..:..
Eigentlich finde ich hat Candy das doch gut zusammengefasst, was ich suche: eine Kategorie für „geschädigt“ aber nicht „traumatisiert“ und trotzdem so „krank“, dass nicht mehr „gesund“.
Ob das jetzt von mit oder ohne Sucht in der Familie kommt oder von Mobbing o.Ä. ist vielleicht tatsächlich zweitrangig. Mir fällt das mit den Suchtfamilien halt ein, weil ich es kenne und da die Beispiele im Kopf habe.
Ob das jetzt von mit oder ohne Sucht in der Familie kommt oder von Mobbing o.Ä. ist vielleicht tatsächlich zweitrangig. Mir fällt das mit den Suchtfamilien halt ein, weil ich es kenne und da die Beispiele im Kopf habe.
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Vielleicht darfst du auch anerkennen traumatisiert worden zu sein oder man kann sich fragen, ob dies "geschädigt" nicht sogar das gleiche ist? Denn eine Schädigung macht eine Wunde und "Trauma" ist eine Wunde. Geschädigt zu sein ohne eine Verletzung zu haben, gibt es ja quasi nicht.
candle
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Es muss ja nicht gleich eine Persönlichkeitsstörung sein. Wenn Beeinträchtigungen da sind, dann entstehen früher oder später auch Symptome, die sich auch dem einen oder anderen (vorhandenen) Störungsbild zuordnen lassen. Sei es depressive Verstimmung, emotionale Instabilität, Schlafstörungen, Psychosomatik etc.Scars hat geschrieben: ↑Di., 05.09.2023, 18:16 Naja, das ist ja eben der springende Punkt. Die Betroffenen erfüllen u.U. nicht die Kriterien zB einer kPTBS, fühlen sich aber u.U. so beeinträchtigt, dass es Krankheitswert hätte (sonst kommt ja keiner auf die Idee einen Therapeuten aufzusuchen) aber es gibt keine passende „Krankheitskategorie“ dazu und dann fallen sie halt durchs Raster und werden womöglich abgewiesen. Den Krankheitswert bestimmen an der Stelle ja andere und da würde ich sagen, dass es eben aktuell noch übersehen wird. Beziehungsweise gesund sind diese Muster halt auch nicht mehr aber denn eben z.B. nicht auf dem Level einer Persönlichkeitsstörung o.Ä. Schwierig!
Ich habe immer noch nicht so ganz verstanden, warum es ein eigenes Label braucht? Die kPTBS setzt (nach meinem Verständnis und so wie es mir von verschiedenen Therapeutinnen/Ärztinnen erklärt wurde) nicht voraus, dass es körperliche Gewalt- und Missbrauchserfahrungen gab. Ich bin zB "nur" in einem schwer gestörten Familiensystem aufgewachsen, gepaart mit christlich-fundamentalistischer Gehirnwäsche, die mir schon mit der Muttermilch verabreicht wurde. Offiziell liefen die Abrechnungen immer unter rezidivierenden Depressionen - mittelgradig oder schwer - (weil Haupt-Symptom) und bei Berichten oder Klinikeinweisung kam dann der Zusatz der kPTBS dazu, da es die zu diesem Zeitpunkt noch nicht als ICD-Code gab.
Kann vielleicht auch das "Bagatellisieren" (sich selbst und auch anderen gegenüber) dabei eine Rolle spielen, dass von Therapeuten die Beeinträchtigungen nicht als solche gesehen werden? Gehört ja auch oft zu den Beeinträchtigungen mit dazu, wenn man in einem dysfunktionalen System groß wurde. Ich weiß von mir selbst noch, dass ich auch erst im Laufe meiner diversen Therapien wirklich gelernt habe, meine Probleme so zu benennen dass sie beim anderen auch als das ankommen was sie sind. Gerade bei meiner allerersten Therapie mit Mitte 20 hab ich Vieles (unbewusst) noch runtergespielt. Das lief dann auch darauf hinaus, dass die Therapeutin (die aber insgesamt auch etwas ratlos war, was sie mit mir anfangen sollte...) überlegte ob ich die Therapie noch brauche. Heute, fast 30 Jahre später, würde ich rückblickend sagen: Das war vor allem Selbstschutz, Vieles war auch damals schon genauso schlimm wie es dann 20 Jahre später war als ich komplett zusammengebrochen bin. Ich hab es nur nicht sehen können / wollen oder hatte auch keine Sprache dafür, das in Worte zu fassen, was ich nur ganz diffus im Innern wahrgenommen habe.
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott
― Anne Lamott
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