Funktioniert so Verhaltenstherapie?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
Benutzeravatar

Montana
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 3360

Beitrag Fr., 01.09.2023, 21:03

Ich versuche gern, zu erklären, was ich meine.

Wenn man fremden Menschen einfach vertraut, dann gibt es dafür ein Wort, das eher negativ besetzt ist: naiv. Vor längerer Zeit gab es in den Medien Berichte über einen Skandal um einen Zahnarzt, der Patienten im großen Stil gesunde Zähne gezogen hat, teilweise alle. Diese Patienten hatten alle fachlich keine Ahnung, weil sie selber keine Zahnärzte waren, und sie haben ihrem Zahnarzt vertraut, was ein schwerer Fehler war.

Wenn man zu einem Therapeuten geht, dann hat man beim ersten Kontakt in der Regel noch weniger Ahnung von der Materie als beim Zahnarzt. Es fällt schwer, die Kompetenz zu beurteilen.

Da ist noch nichtmal in den Überlegungen enthalten, ob es menschlich wohl passen könnte. Obwohl das in einer Psychotherapie noch viel wichtiger ist als in der Medizin allgemein.

Gesundes Misstrauen finde ich richtig und wichtig.

Und wenn man sich dann entschlossen hat, eine Therapie bei einem bestimmten Therapeuten zu beginnen, geht es auf zwei Ebenen weiter mit der Vertrauensgeschichte. Fachlich: Kann ich überhaupt davon ausgehen, dass derjenige eine passende Diagnose gefunden hat? Kann er mir damit weiterhelfen oder denkt er das nur oder eigentlich noch nichtmal das? Menschlich: Ist das eine vertrauenswürdige Person in dem Sinne, dass sie mir nicht noch hinterhertritt, wenn ich mich verletzlich zeige? Alles Fachwissen bringt nichts, wenn ich behandelt werde wie ein Werkstück.

Einen Vertrauensvorschuss kann ich jeweils gewähren, weil ich ja etwas erreichen möchte, aber da gibt es kein Ganz-oder-gar-nicht, sondern das passiert in winzigen Häppchen. Ich würde also niemals den Therapieantrag für die Kasse unterschreiben und mich ab diesem Zeitpunkt mit Haut und Haaren ausliefern. Eine Kurzzeittherapie von 12 Stunden ist nichts, wenn es um tiefgreifende Probleme geht. An der Stelle wäre ich z.B. noch damit beschäftigt zu ergründen, ob ich wohl überhaupt bestimmte Dinge sagen könnte oder ob ich dann zügig das Jugendamt auf der Matte stehen habe, weil ich Mutter bin. Ich hatte mal eine Psychiaterin, die hatte bei jedem Termin das dringende Anliegen, Maßnahmen zu erfinden, die das Wohlergehen meines Kindes sicherstellen könnten. Immer wieder, immer das gleiche. Und immer wieder musste ich sie beruhigen, dass ich schon lange vor ihr Kontakt zu einer entsprechenden Stelle selbst gesucht hatte. Sofort nach der Geburt. Nur, weil ich das gern wollte, nicht weil es eine Gefährdung jemals gegeben hätte. Die hat mich echt irre gemacht mit ihrem Getue. Sowas brauche ich nicht, dass ich als Reaktion auf Offenheit (es ging nur um eine Diagnose) mit Kontrollmaßnahmen überzogen werde.

Es gibt so ein "technisches" Verständnis von Psychotherapie, das aus vielen Veröffentlichungen, gerade auch den von Kassen bereitgestellten Informationen, herausklingt. Das geht so: man geht zu einer psychotherapeutischen Sprechstunde und erzählt "alles", woraufhin der Therapeut beurteilt, ob eine Störung mit Krankheitswert vorliegt, die eine Therapie begründet. Mit dem ausgestellten Wisch kann man sich einen Therapieplatz suchen gehen. In der Probatorik wird ggf. die Diagnose noch präzisiert, steht aber spätestens zur Antragstellung fest, genau wie ein Behandlungsplan inklusive Prognose.

So funktioniert das aber überhaupt nicht. Nichts davon, auch Teil 1 schon nicht, wo der Patient "alles" erzählt. Aber wenn man gelesen oder gehört hat, wie es angeblich ablaufen soll, dann denkt man erstmal das müsste so sein und andere schaffen das auch und daher macht man es falsch, wenn man nicht in der Kennenlernphase gleich alles an normalem menschlichen Sicherheitsverhalten in die Tonne kloppt.

Hilft das?

Werbung

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Aufbruch
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 40
Beiträge: 19

Beitrag Fr., 01.09.2023, 21:18

Ja, danke Montana. Erklärt Dein Geschriebenes auch, warum Du erst nach fünf Jahren beginnst, Deinem Therapeuten zu vertrauen? Das kommt mir sehr lang und leidvoll vor.

Benutzeravatar

Montana
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 3360

Beitrag Fr., 01.09.2023, 21:27

Das ist ja keine lineare Entwicklung. Es gab verschiedene Phasen der Annäherung und dadurch begründet ("oh nein, was habe ich bloß erzählt?"), wieder Phasen der Angst. Ich habe mit dem sehr, sehr viel mehr dieser Phasen überstanden als jemals zuvor mit einem Menschen. Dabei haben mich seine Reaktionen teilweise sehr überrascht, weil ich das noch niemals erlebt hatte. Bis hin zu: "Ich bin froh, dass Sie mir das gesagt haben, denn ich habe nicht gewollt, was ich ausgelöst habe. Und hätten Sie es nicht gesagt, dann würde ich mich für einen besseren Therapeuten halten als ich bin. Das wäre für mein Ego jetzt gerade angenehmer, aber ich möchte sowas wissen, damit ich besser werden kann."

Damit verbunden hat sich meine Definition von Vertrauen auch verändert. Ich verstehe mehr, was Vertrauen bedeutet. Und wenn die Latte höher liegt, dann sehe ich mich natürlich später dort angekommen.

Benutzeravatar

candle.
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 56
Beiträge: 15210

Beitrag Fr., 01.09.2023, 22:27

Aufbruch hat geschrieben: Fr., 01.09.2023, 20:25
candle. hat geschrieben: Do., 31.08.2023, 21:30 Das finde ich jetzt etwas bizarr. Du gestehst deine Verliebtheit, hast aber gar kein Vertrauen in die Therapeutin? Wie geht das? [...]
Das ist ja wirklich interessant!
„Interessant“ finde ich die bessere Vokabel statt „bizarr“. ;-)
Nein, richtig erklären kann ich das nicht. Ich glaube aber, dass ich mich einfach nicht sicher genug gefühlt habe. Ich habe wenig Feedback von meiner Therapeutin bekommen und konnte nicht einschätzen, ob sie mich mag oder insgeheim ablehnt.
Du meinst, dass du die Äußerung der Verliebtheit als "Kleber" (Mal bildlich gesprochen.) benutzt hast um eine (gute) Beziehung zur Therapeutin herzustellen?
Im Privatleben kann das wohl Menschen verschrecken, wenn das so schnell kommt.
Meine Therapeutin hat ein mögliches Trauma in Betracht gezogen, als ich ihr von einer bestimmten Kindheitserinnerung berichtet habe, die ich nicht richtig einordnen kann.
Tja, das mußt du dann schauen. Ich weiß nicht, ob die Beschreibung von Shukria da ausreicht. Mich hat das richtig fertiggemacht, mir ging das richtig schlecht damit, hatte Flashbacks, Albträume...

Hier mal ein Link einer Traumaambulanz, wobei das wirklich nicht sehr ausführlich ist: https://www.uni-muenster.de/Traumaambul ... index.html
„Trauma liegt im Nervensystem – also in der Reaktion des Menschen – und nicht im Ereignis.“
und
„Zu den Symptomen zählt etwa eine Übererregung, bei der sich das ganze Nervensystem ständig auf einem sehr hohen Aktionslevel befindet.“
Ich nenne das immer "Stresskrankheit". ;-) Wenn man sich in unrunden Lebensbedingungen befindet dann bricht das eben stark hervor oder wenn man getriggert wird. Ja, das läuft über das Gehirn, das Ereignis ist ja vorbei. Man kann versuchen sein Leben dann dementsprechend einzurichten wie das ja mit deinen "Übungen" versucht wurde.
Generell gehe ich mal davon aus, dass jeder, der in Therapie geht, traumatisiert ist. Oft sind es ja gerade die Beziehungstraumata, die irgendwie immer noch untergehen, wenn es sich um psychische Gewalt handelt.

Hast du die Therapeutin schon kontaktiert?

Gruss candle
Now I know how the bunny runs! Bild

Werbung

Benutzeravatar

Scars
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
anderes/other, 27
Beiträge: 1555

Beitrag Fr., 01.09.2023, 23:16

Montana hat geschrieben: Fr., 01.09.2023, 21:03 So funktioniert das aber überhaupt nicht. Nichts davon, auch Teil 1 schon nicht, wo der Patient "alles" erzählt. Aber wenn man gelesen oder gehört hat, wie es angeblich ablaufen soll, dann denkt man erstmal das müsste so sein und andere schaffen das auch und daher macht man es falsch, wenn man nicht in der Kennenlernphase gleich alles an normalem menschlichen Sicherheitsverhalten in die Tonne kloppt.
Das Problem ist aber irgendwie, dass die meisten Therapeuten dieser Theorie auch zu folgen scheinen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass nicht gerne Auskunft zu (in meinen Augen) ganz normalen Fragen gegeben wird, wie z.B. welche Diagnose stellen Sie und wie kommen Sie drauf? Wie verstehen Sie mein Problem und könnten Sie mir was dazu erklären? Ein Buch empfehlen (ganz arg seltsam diese Frage scheinbar)?

Oder noch schlimmer: wie alt sind Sie? Oder Ähnliches „höchstpersönliches“. Für mich sind das völlig normale Fragen, die mir helfen eine Person einzuschätzen. Normalerweise führt man ja auch erstmal oberflächlichere Gespräche mit jemandem und lässt sich dann, wenn’s passt und man einen Draht zueinander findet, auf tiefere Themen ein. In der Psychotherapie soll man aber direkt „die Hosen runterlassen“. Ich verstehe das einfach nicht, wie das funktionieren soll.
Remember to leave pawprints on hearts.

Benutzeravatar

Leyndin
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 29
Beiträge: 294

Beitrag Sa., 02.09.2023, 07:52

Überhaupt zeigt doch auch die seitenlange Diskussion über Diagnosen wie sehr das technische Verständnis in den Köpfen verankert ist.

Das, was in der Psychotherapie nachweislich am meisten hilft ist die therapeutische Beziehung.
Nicht Verfahren X bei Diagnose A. Es hat einen Anteil, aber der ist viel viel kleiner als die Beziehung an sich.
Psychiatrische Diagnosen sind sowieso nur eine Annäherung an einen Symptomkomplex und einzig dazu geeignet, sich in Fachsprache als Fachpersonen abgekürzt auszutauschen. Sie definieren niemals einen ganzen Menschen.
Schon bei somatischen Diagnosen ist dies schwierig. Ein Bandcheibenvorfall im L5/S1 bei Peter ist nicht zwingend gleich in den Auswirkungen wie bei Hans. Auch wenn die Bildgebung vielleicht sehr ähnlich ist.
In der Psychologie und Psychiatrie haben wir keine Bildgebung, wenig Hard Facts. Diagnosen nähern sich immer nur an, treffen niemals alles.
Dasselbe ist mit den Methoden. Auch das sind Theorien, Modelle. Die orientieren sich auch wieder an vereinfachten Abbildern von Phänomenen. Die Kunst ist es dann, aus dem jeweiligen Modell das hervorzunehmen, was gerade passt.
Nur weil Versicherungssysteme und Regelungen auf harter Unterteilung und Maschinendenken beruhen, heisst das nicht, dass dies der heilige Gral ist.

Ich sehe es als Vorteil, wenn ein:e Therapeut:in mehrere Methoden kennt, kann und somit aus einem vollen Werkzeugkoffer schöpfen kann.
Denn es kommt der Mensch in Therapie, nicht eine Diagnose auf zwei Beinen.
Es ist ein bisschen wie beim Unterrichten. Es gibt unterschiedliche vorgeschriebene Lehrmittel für Sprache, Mathematik etc, die auf etablierten Methoden basieren. Jemand, der nur das eine kann, kennt und wahrhaben will, zieht bei jedem stur das Lehrmittel durch. Wer da nicht mitkommt - Pech gehabt. Gute Lehrpersonen haben einen breiten Methodenschatz, können ergänzen, auf ihre Schüler:innen eingehen.

Psychotherapie ist im Grunde genommen nichts anderes. Es ist ein begleiteter Lernprozess mit sich selbst gut umgehen zu lernen.

Benutzeravatar

chrysokoll
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 45
Beiträge: 3983

Beitrag Sa., 02.09.2023, 10:23

Ich sehe das tatsächlich etwas anders, ich halte fundierte Diagnostik für eine Grundvoraussetzung der Behandlung.
Natürlich bildet das nicht die gesamte Persönlichkeit ab, aber auch psychische Erkrankungen lassen sich gut und genau diagnostizieren, das ist kein Glaskugellesen und Schätzungen.

Vielleicht bin ich deswegen so stark für Diagnostik, weil ich im Laufe meines Lebens verschiedene (falsche) Diagnosen hatte und einfach mal so auf Zuruf letztlich als Borderlinerin gelabelt wurde und falsch und wirkungslos behandelt wurde.

Und ja, um auf die Ebene zurückzukehren: Ein Bandscheibenvorfall kann bei Person A keine Symtpome verursachen und bei Person B schwerste Probleme. Aber ein Bandscheibenvorfall wird nunmal niemals mit einer Brille behandelt.
Und eine Depression wird sehr anders behandelt als z.B. eine Zwangsstörung.
Erst mit einer klaren Diagnostik und endlich richtiger Diagnose bekam ich die richtige Behandlung und bin einfach nur platt und fasziniert was sich alles verändern kann.

Benutzeravatar

candle.
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 56
Beiträge: 15210

Beitrag Sa., 02.09.2023, 10:27

chrysokoll hat geschrieben: Sa., 02.09.2023, 10:23 Und eine Depression wird sehr anders behandelt als z.B. eine Zwangsstörung.
Ist das so?

Ich zweifle ein wenig daran, weil ich noch keine Therapie absolut abgegrenzt erlebt habe. Es überschneidet sich doch viel.

candle
Now I know how the bunny runs! Bild

Benutzeravatar

Leyndin
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 29
Beiträge: 294

Beitrag Sa., 02.09.2023, 10:32

chrysokoll, ich sehe da keinen Widerspruch - denn es geht dann ja wiederum um Feinheiten, nicht um den grossen ‚Schulenkonflikt‘ zwischen Verhaltenstherapie und PA/Tiefenpsychologie.

Auf jeden Fall ist gute und fundierte Diagnostik wichtig - für die Therapeuten(!) - um aus dem eigenen Methodenkoffer das eben richtige, passende auszuwählen und sich heranzutasten. Diagnostik ist genau dafür da, dass man eben nicht das ganze Spektrum durchtesten muss.

Sie ist aber eben genau nicht dafür da, Menschen zu labeln, ihnen einen Stempel aufzudrücken und damit zB insbesondere bei Dingen wie Borderline - abzuschieben, es solle sich halt wer anders drum kümmern oder man könne ‚eh nichts machen‘.

Und es ist nicht der Sinn, dass Patienten glauben, sie müssten ihr Problem selbst fachlich so einschätzen können und die richtige Methode auswählen können. Und wenn sich dann herausstellt dass Person X nicht passt, dass als falsche Wahl der übergeordneten Therapieschule interpretieren.

Benutzeravatar

chrysokoll
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 45
Beiträge: 3983

Beitrag Sa., 02.09.2023, 10:36

Leyndin, ich meine keinen Schulenstreit, sondern grundlegende Diagnostik. Und die ist sehr wohl möglich.
Und für MICH die absolute Grundlage einer Behandlung.
Eine Diagnose ist für mich auch nichts das nur den Behandler angeht. Ich möchte wissen was ich habe, warum das wie diagnostiziert wurde und wie das behandelt wird.

Es ist auch nicht immer nur ein "Herantasten", gewisse Dinge bei bestimmten Diagnosen stehen fest, da muss niemand raten und tasten und probieren.
Die Feinheiten müssen natürlich auf den Patienten abgestimmt werden, können das aber erst wenn die grundlegende Diagnose feststeht

Benutzeravatar

Montana
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 3360

Beitrag Sa., 02.09.2023, 10:37

Ja, das ist so. Und es geht sogar noch weiter. Eine Depression als einzelne Erkrankung wird auch anders behandelt als eine Depression, die Symptom einer Traumafolgestörung ist. Während man bei einer alleinigen Depression den Fokus auf Aktivierung legen würde, kann bei einer Traumafolgestörung das genaue Gegenteil richtig sein. Und genau das habe ich auch in Therapie schon erlebt. Da habe ich selbst gesagt, das sei so fürchterlich, dass ich meine Wohnung nicht mehr auf die Reihe kriege, und als Antwort kam sowas: Das ist eben im Moment so und darf so sein, und es wäre hilfreich, wenn ich mich deswegen nicht auch noch fertigmachen würde. Es käme ganz von selber der Zeitpunkt, wo ich die Hausarbeit wieder richtig machen kann.
Der Therapeut hatte damit übrigens Recht behalten, auch wenn ich mit dem im Großen und Ganzen nicht allzu viel anfangen konnte.

Um bei dem Beispiel mit dem Bandscheibenvorfall zu bleiben: man würde vielleicht Peter nahelegen, zur Kräftigung seiner Rückenmuskulatur regelmäßig Sport zu betreiben, während Hans sich den Rücken durch zuviel Training in der Muckibude geschädigt hat. Der kriegt den Hinweis, dass er weniger machen muss und bestimmte Übungen tabu bleiben, auch wenn der Schmerz nachlässt.

Benutzeravatar

Leyndin
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 29
Beiträge: 294

Beitrag Sa., 02.09.2023, 12:54

Montana hat geschrieben: Sa., 02.09.2023, 10:37 Ja, das ist so. Und es geht sogar noch weiter. Eine Depression als einzelne Erkrankung wird auch anders behandelt als eine Depression, die Symptom einer Traumafolgestörung ist. Während man bei einer alleinigen Depression den Fokus auf Aktivierung legen würde, kann bei einer Traumafolgestörung das genaue Gegenteil richtig sein.
Das ist doch genau der springende Punkt. Der gute Therapeut oder die gute Therapeutin beobachtet im Verlauf der Behandlung und sieht dann, wie zB in deinem Fall ob der verfolgte Ansatz Wirkung zeigt oder eben nicht. Nicht wie im Ausgangspost mit Ratgeber-Allgemeinplätzen und das dann als Verhaltenstherapie verkaufen.
Natürlich gibt es zu gut beschriebenen Symptomkomplexen etablierte Ansätze. Das ist Gegenstand der Forschung. Die zieht man auch nach der Diagnostik als erstes heraus. Aber es ist nie damit getan. Es muss immer der Verlauf beobachtet werden. Und, wenn man Sackgassen bemerkt, Änderungen vorgenommen werden.

Aber wenn du X hast, dann mache Y und du hast die Garantie, dass es funktioniert, die gibt es nicht.

Benutzeravatar

chrysokoll
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 45
Beiträge: 3983

Beitrag Sa., 02.09.2023, 13:26

wir meinen vermutlich sehr ähnliche Dinge.
Selbstverständlich beobachtet ein guter Therapeut immer den Verlauf der Behandlung und wie der Patient reagiert und passt das an.
Für mich steht aber zu Beginn IMMER eine fundierte Diagnostik. Ich würde keinen Therapeuten mehr akzeptieren der irgendwas irgendwie nach Baugefühl oder nach ein paar Angaben schätzt.

Benutzeravatar

Montana
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 3360

Beitrag Sa., 02.09.2023, 18:24

Man probiert aber nicht aus, ob Aktivierung gegen die vermeintliche Depression hilft, sondern man schaut vorher, ob es wirklich eine ist oder nur bei einem flüchtigen Blick so wirkt. Eine Fehlbehandlung, bei der genau das Gegenteil dessen gemacht wird, was eigentlich sinnvoll wäre, kann fatal sein. Der Patient kommt evtl. nie wieder.

Es gibt natürlich Ärzte und Therapeuten, die lieber ausprobieren und wenn der Patient das überlebt klopfen sie sich dafür noch auf die Schulter. Im somatischen Bereich gibt es das auch und habe ich auch schon erlebt. (Starke Darmkrämpfe, Endometriose bereits bekannt -> nein, Diagnostik nicht nötig, Buscopan muss helfen -> keine Krämpfe mehr, aber auch kein Stuhlgang mehr möglich -> ups, die Endometriose-bedingte Darmstenose war in einer Darmspiegelung eindrucksvoll darstellbar. Aber Hauptsache, man macht sich auch garantiert nicht unnötig die Arbeit, eine Diagnostik zu machen.)

Benutzeravatar

Scars
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
anderes/other, 27
Beiträge: 1555

Beitrag Sa., 02.09.2023, 19:28

Montana, aber das ist doch gelebter Alltag überall. Wer hat denn Zeit und Geld für Diagnostik? Ich hatte noch in keiner Therapie Diagnostik.
Remember to leave pawprints on hearts.

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag