Stillstand in Psychotherapie

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münchnerkindl
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Beitrag So., 23.08.2015, 22:24

SoundOfSilence hat geschrieben:... manchen Menschen ist das Trallala Drumherum eben wichtig - auch die "Fassadenmalerei"... Das mag manchmal selbst schädigend sein und selbst verleugnend. Aber das darf es auch geben -und es ist nicht selten...

Klar darf es das auch geben. Aber dann sollte das äussere Geschehen auch zumindest ansatzweise kongruent sein mit den wirklichen inneren Gefühlen beider Brautleute. Da stimmt das dann auch.

Es gibt ja auch wunderschöne Fassaden wo ein tolles Haus dahintersteht.

Das ist aber halt hier nicht der Fall, da ist das nur Fassade, und dahinter ist ein Elendsquartier versteckt. Wenn die Fassade nicht kongruent mit dem Inhalt ist belügt man sich selbst und/oder die Umgebung. Und meiner Erfahrung nach macht einen das ganz einfach nur noch kränker, weil es eben eine Lüge ist, und man das natürlich auch weis, weil es unendlcih viel Kraft und Ressourcen frisst sowas aufrechtzuerhalten und weil es einen selbst aktiv immer noch weiter von den eigentlichen Gefühlen die man hat abschneidet und in die Lüge reintreibt. Weil je länger man sie aufrechterhält umso schwieriger wird es, sie irgendwann wieder aufzugeben.

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münchnerkindl
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Beitrag So., 23.08.2015, 22:34

SoundOfSilence hat geschrieben: Ich verstehe jedenfalls, dass es dir wichtig ist Betti, und es deshalb für dich nicht in Frage kommt, die Hochzeit abzusagen. Das ist nicht gut für dich, aber verständlich. Wer beim Psychiater seine Symptome nicht benennen kann, weil er sich nicht traut, der wird sich kaum vor 200 Leute stellen und sagen "wir sagen die Hochzeit ab, ich hab Probleme. Aber die Beziehung bleibt bestehen..." und all den Spott ertragen können, der dann folgt (und der folgt!).
Auf solche "Freunde" und Angehörige kann man getrost verzichten. Das waren nie Freunde.
SoundOfSilence hat geschrieben:Und auch dies ist ja noch eine Frage: Würde die Beziehung das überleben, wenn die Hochzeit abgesagt würde? Könnte der zukünftige Mann das verstehen und mittragen? Oder wäre Betti dann erst recht "immer in seiner Schuld" oder "für immer unten durch"... ?
Gleiches gilt für den Mann, wenn er sowas nicht mittragen kann, dann liebt er sie erstens nicht und ist ist zweitens für einen Menschen mit einer psychischen Krankheit nicht der richtige, da er nicth die Sensitivität hat wirkliche Bedürfnisse des eigenen geliebten Partners da wo sie hingehören, nämlich an die wichtigste Stelle zu stellen

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SoundOfSilence
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Beitrag So., 23.08.2015, 22:49

uiuiui, münchnerkindl - du sprichst echt ganz klares Deutsch.

Also, ich gebe dir ja recht - habe es selber schon erfahren müssen. Aber, großes ABER: man muss auch "bereit" sein, die Fassade "zu lassen"... Und den Preis zu bezahlen. Denn "umsonst" ist das nun mal auch nicht, wenn man jahrelang so gelebt hat, und es plötzlich anders machen soll/will/kann/darf/muss. Da gehen eben nicht selten auch Beziehungen zu bruch. Das muss ja gar nicht schlecht sein. Aber manch einem ziehen die 175 Freunde, die sich als schlechte Freunde entpuppen, beim Verschwinden den Boden unter den Füßen weg...
Hello darkness, my old friend...

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münchnerkindl
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Beitrag So., 23.08.2015, 22:58

SoundOfSilence hat geschrieben:uiuiui, münchnerkindl - du sprichst echt ganz klares Deutsch. .

Du, bei dem Freund hört es sich für mich nicht nach dem Typen an, der schnell hinschmeisst.

Und bei den 200 Freunden. Also ich, als psychisch erkrankte Frau, wüsste ganz genau, dass auf meine Hochzeit, auf eine so intime, persönliche Feier nur Leute kommen dürften, die mich so nehmen können wie ich bin - ohne Fassade, die von meiner Erkrankung wissen können, ohne dass sie deswegen irgendwie negativ von mir denken. Nur mit denen teile ich so eine persönliche Sache.

Weil wenn ich jemanden zu meiner Hochzeit einlade, dann lade ich sie ja zu einem sehr persönlichen Teil meines Lebens ein. Da haben Leute die mich so wenig schätzen, dass sie negativ von mir denken nur weil ich eine Kranheit habe absolut nichts verloren.

Ich meine, ich könnte sie ja auch verschieben müssen wegen einem Bandscheibenvorfall, Krebs, einem Rheumaschub, schwerer Unfall, Gehörsturz. Gäbe es da irgendein Gemecker oder Schuldgefühle? Nein. Aber wenn es "psycho" ist, dann wird es sehr peinlich und es gibt schiefe Blicke. Von dem körperlich kranken Menschen wird niemand verlangen, dass er sich doch trotz Schmerzen zusammenreissen soll,

Psychische Krankheiten sind aber nun Krankheiten wie alle anderen auch. Ob du nun wegen einer Krebsbehandlung oder einer akuten psychischen Krise irgendwas nicht machen kannst sollte doch eigentlich bei der Beurteilung der kranken Person keine Rolle spielen, oder?
Zuletzt geändert von münchnerkindl am So., 23.08.2015, 23:11, insgesamt 1-mal geändert.

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Entknoten
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Beitrag So., 23.08.2015, 23:08

münchnerkindl hat geschrieben: Gleiches gilt für den Mann, wenn er sowas nicht mittragen kann, dann liebt er sie erstens nicht und ist ist zweitens für einen Menschen mit einer psychischen Krankheit nicht der richtige, da er nicth die Sensitivität hat wirkliche Bedürfnisse des eigenen geliebten Partners da wo sie hingehören, nämlich an die wichtigste Stelle zu stellen
Also da muss ich dir widersprechen. Liebe ist kein "Allheilmittel", und sie vermag nicht alles zu (er)tragen.

Eine Partnerschaft mit einem Menschen, der psychisch krank ist, bedeutet sicher dass der Partner eine zeitlang mehr ertragen muss, Bedürfnisse zurückstellen sollte - aber von dem psychisch erkrankten Partner sollte doch auch eine "Krankheitseinsicht" vorhanden sein, und der Wille an der Situation und an sich zu arbeiten, oder?

Auf Dauer kann sonst nämlich niemand "der Richtige" für jemanden sein, der krank ist.
Irgendwann geht es nämlich auch an die Substanz des anderen.
Und ich verstehe jeden der für sich dann eine Grenze zieht - und geht.
Trauma hin- oder her.
Dum spiro spero. Dum spero amo. Dum amo vivo.
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münchnerkindl
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Beitrag So., 23.08.2015, 23:22

Entknoten hat geschrieben:
münchnerkindl hat geschrieben: Gleiches gilt für den Mann, wenn er sowas nicht mittragen kann, dann liebt er sie erstens nicht und ist ist zweitens für einen Menschen mit einer psychischen Krankheit nicht der richtige, da er nicth die Sensitivität hat wirkliche Bedürfnisse des eigenen geliebten Partners da wo sie hingehören, nämlich an die wichtigste Stelle zu stellen
Also da muss ich dir widersprechen. Liebe ist kein "Allheilmittel", und sie vermag nicht alles zu (er)tragen.

Eine Partnerschaft mit einem Menschen, der psychisch krank ist, bedeutet sicher dass der Partner eine zeitlang mehr ertragen muss, Bedürfnisse zurückstellen sollte - aber von dem psychisch erkrankten Partner sollte doch auch eine "Krankheitseinsicht" vorhanden sein, und der Wille an der Situation und an sich zu arbeiten, oder?

Auf Dauer kann sonst nämlich niemand "der Richtige" für jemanden sein, der krank ist.
Irgendwann geht es nämlich auch an die Substanz des anderen.
Und ich verstehe jeden der für sich dann eine Grenze zieht - und geht.
Trauma hin- oder her.


Das stimmt natürlich. Aber hier geht es ja erst mal nur um die Verschiebung einer Hochzeit.

Und, Zusammenreissen und Fassade zeigen ist keine Lösung um das Gehen eines potentiell mit der Wahrheit und den Implikationen für ein Zusammenleben überforderten Partners zu verhindern.

Aber ja, wenn man es nicht mehr dulden kann, dass der eigene Partner einen berührt, dann wäre das, als Dauerzustand schon etwas, das eine Paarbeziehung für den Gesunden auf Dauer schwer lebbar macht, selbst wenn klar ist, dass das überhaupt keine böse Absicht ist sondern einer Krankheit geschuldet ist.


Die Frage ist, was denkt der beteilige Mann hier zu dem, was hier vorgeht. Wäre da nicht auch eine Paarberatung angeraten, gerade auch jetzt wo Eheschliessungsabscihten bestehen, um zu schauen wie das hier für die Paarbeziehung weitergehen kann? Weil noch ist die ganz akute Krise ja relativ frisch, aber Besserung ist ja derzeit noch nicht in Sicht, und ich glaube nicht, dass das für den Mann hier alles so locker-flockig-einfach ist, damit umzugehen, selbst wenn er gewillt sein sollte, auch auf Dauer auf eine psychisch angeknackste Partnerin einzugehen. Weil es betrifft ja auch ihn ganz massiv. Und die Gründe, warum er dazu offenbar bisher nicht viel gesagt hat können vielfältig sein. Dass er nichts grossartig dazu sagt bedeutet nicht, dass es nicht evtl in ihm auch ziemlich am brodeln ist.

Bei mir würde es brodeln, wen ich ganz plötzlich rausfinen würde, dass der Partner, der immer so einen stabilen und lustigen Eindruck gemacht hat, wo ich dieses Bild als Basis zur Beziehungsherstellung genommen habe, und mit dem ich gerade eine Familie gründe sich plötzlich als hinter einer Fassade verstecktes Krisengebiet herausstellen würde, wo fraglich ist, ob es jemals eine ganz normale Beziehung (mit emotionaler und körperlicher Nähe, Sex etc) geben können wird . Da wäre mir erst mal der Teppich unter dem Füssen weggezogen.

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Entknoten
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Beitrag Mo., 24.08.2015, 08:51

Okay, ich verstehe deinen Einwand.
Und ja, auch Betti sollte ihrem Partner ganz klar über alles , immerhin muss ja auch ER eine wichtige Entscheidung treffen.
Vielleicht wäre es auch für ihn gut sich Zeit zu nehmen und die Hochzeit erst einmal zu verschieben.
Dum spiro spero. Dum spero amo. Dum amo vivo.
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Betti
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Beitrag Mo., 24.08.2015, 20:52

Hallo und danke wieder mal für all eure Beiträge.
münchnerkindl hat geschrieben: Mal eine ganz andere Frage, hast du eigentlich noch Kontakt zu deiner missbräuchlichen und unerfreulichen Herkunftsfamilie?
Ich habe noch Kontakt zu meinen (geschiedenen) Eltern. Zu dem ehemaligen Lebensgefährten meiner Mutter, welcher auch sehr vieles angerichtet hat, jedoch Gott sei Dank nicht mehr. Die Beziehung zu meinem Vater ist nicht besonders gut. Meine Mutter sehe ich zwar regelmäßig und oberflächlich passt auch alles, aber das wars auch schon.

Bzgl. Hochzeit:
Nein, absagen kommt einfach nicht in Frage. 200 Gäste deshalb, weil sowohl ich und mein Partner bei Vereinen tätig sind und dies seit ca. 25 Jahren. Was bedeutet, sowohl er als auch ich haben den Großteils unseres Lebens damit zugebracht die Wochenenden und viele Abende mit diesen Menschen zu verbringen. Ich zähle sie nicht alle zu meinen Freunden, manche habe ich in mein Herz geschlossen, manche kenne ich nur wenig, zumal auch immer wieder welche den Verein verlassen oder neue Personen hinzukommen. Sowohl meinem Partner als auch mir sind diese Gemeinschaften sehr, sehr wichtig. Sie haben uns seit Kindheit an mitgeprägt. Das ist der Grund, warum wir so groß feiern. Es war schon immer mein Wunsch und mein Traum mit dem Verein, in Kirche, mit weißem Kleid und ja mit allem Tralala rundherum zu feiern. Das möchte ICH. Ich bin weder ein Promi, noch sonst irgendein wichtiger Mensch. Ich möchte einfach ein schönes Fest mit all diesen Menschen, welche mich schon fast mein Leben lang begleiten, feiern.
Ich wohne am Land. Wie schon erwähnt, weiß fast keiner wie es mir geht. Und das soll auch so bleiben. Es stimmt schon, es wären keine richtigen Freunde, wenn sie nicht hinter mir stehen würden. Aber ich erlebe es immer wieder wie abfällig über Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen gesprochen wird. Selbst in meiner Familie werden solche Aussagen getätig. Und für mich kommt es eben nicht in Frage, alles aufs Spiel zu setzen. Viele Kontakte abzubrechen. Ich brauche diese Menschen um mich. Weil ich sonst alleine bin. Ich brauche Menschen, mit denen ich einfach oberflächlichen Smalltalk führen kann, wo es dann nicht um mich und meine Probleme geht.
Richtig wahre Freunde hat man meist sowieso nur wenig, was ich auch gut finde. Und diese paar wahren Freunde wissen um meinen Zustand. Aber ich will eben nicht nur mit 5 Personen feiern.

Ja ich weiß, dass ich mich teils selbst belüge. Ich plane eine Hochzeit, mir gehts aber alles andere als gut.
Es gab schon sehr oft Tage, wo ich mir nur gewünscht hätte stationär zu gehen. Alles hinter mich zu lassen um endlich mal "runter zu kommen". Zeit zu haben um meine Gedanken zu sortieren, um Hilfe zu bekommen, um nicht immer diese anstrengende Fassade aufrecht halten zu müssen. Aber es geht nicht. Ich habe ein Kind, welches mich braucht und ich könnte eben keinem erklären, was mit mir los ist. Also muss ich weiter kämpfen.
Vielleicht können das viele nicht verstehen, aber ich brauche diese Fassade. Und selbst, wenn ich das Risiko dabei eingehe, dass sie mal brökelt. Ich kann einfach nicht anders. Wie Silence schon erwähnt hat, ich habe das jahrelang aufrecht erhalten, ich kann das nicht plötzlich ändern. Das wäre für mich mein Untergang.

Mein Partner ist wundervoll. Auch wenn unsere Beziehung gerade sehr darunter leidet. Dass er das mit mir trägt, zeigt mir erst recht wie sehr er mich liebt. Er hält es aus, dass er mich nicht berühren darf, er hält es aus, dass ich gerade viel Zeit für mich brauche, er hält meine Wut, meinen Zweifel, meinen Hass aus. Er hält mich aus. Und (noch) bin ich mir ziemlich sicher, dass er das will. Dass er mich will. Dass er sich für mich wünscht, dass es mir bald mal besser geht, damit wir wieder eine richtige Beziehung führen können. Nicht nur für unser Kind, sonder für uns als Familie und eben auch als Paar.

gleich gehts weiter...

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Betti
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Beitrag Mo., 24.08.2015, 20:56

Das Thema Paartherapie hatten wir schön öfter. Ich bin fest davon überzeugt, dass es das unbedingt braucht - und das noch vor der Hochzeit. Er ist diesbezüglich auch nicht abgeneigt. Ich war bisher halt der Meinung, dass ich zuerst noch etwas stabiler werden sollte, bevor wir das angehen. Ich gebe mir die Schuld daran, dass unsere Beziehung gerade nicht funkioniert. Er ist wirklich sehr bemüht und meist sehr verständisvoll. Dass es auch ihm mal zuviel wird ist mir völlig klar. Meine Thera hat schon sehr oft gemeint, dass es momentan wichtig sei, dass ich auf mich schaue. Ich solle nicht ihm zuliebe z.B. zu viel Nähe zulassen, Dinge tun, welche ich nicht möchte. Wenn er damit nicht kann, muss er sich auch Hilfe holen. Sich beraten lassen o.ä., damit er weiß, wie er damit umgehen kann. Das ist leider ein Punkt, wo ich gegen eine Mauer rede. Er meint seit Monaten, er schaffe das schon. Und ich weiß, dass das nicht so stimmt. Dass er sehr darunter leidet. Dass auch er versucht eine Fassade aufrecht zu halten. Aber ich kann ihn nicht dazu zwingen, sich Hilfe zu holen. Dass muss er von sich aus tun.

Ich würde sicher auch dem einen oder anderen raten, in so einem Zustand die Hochzeit abzusagen. Ich verstehe sehr wohl, was du meinst Münchnerkindl. Aber diesbezüglich bin ich gefangen. Gefangen in mir, mit meiner Angst vor Zurückweisung, mit der Angst, dass sie alle über mich reden, mit der Angst, dass ich meine Familie enttäusche.
Ich kann nicht anders. Ich will diese Hochzeit auch. Wäre ich dabei auch noch glücklich, wäre es genau das Fest, wie ich es mir wünsche. Es sind noch einige Monate bis dahin. Es ist noch Zeit, aber ich fürchte viel zu wenig um alles aufzulösen. Zu wenig um herauszufinden wer ich bin, wer ich sein darf. Es besteht noch ein Fünkchen Hoffnung, dass mich die Vorbereitungen dann doch in eine bessere Stimmung versetzen, mich besser darauf einstimmen. Und ich hoffe, ich belüge mich dabei nicht zu sehr selbst.

Und noch was...
Leider habe ich es nicht geschafft, nichts an meine Thera zu schicken. Ich habe lange überlegt, ob ich überhaupt schreiben soll. Dann habe ich meine Gedanken fest gehalten mit der Absicht, die Zeilen auszudrucken und vorzulesen. Beim Durchlesen des Textes überkam mich dann aber die Panik, vorlesen geht gar nicht. Also habe ich wieder mal auf Senden gedrückt. Morgen habe ich wieder Therapie. Mal schauen, wie sie verläuft. Ich hoffe sehr doch etwas besser als die letzte Stunde.

Danke euch allen.
Liebe Grüße Betti

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münchnerkindl
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Beitrag Mo., 24.08.2015, 21:23

Betti hat geschrieben: Und noch was...
Leider habe ich es nicht geschafft, nichts an meine Thera zu schicken. Ich habe lange überlegt, ob ich überhaupt schreiben soll. Dann habe ich meine Gedanken fest gehalten mit der Absicht, die Zeilen auszudrucken und vorzulesen. Beim Durchlesen des Textes überkam mich dann aber die Panik, vorlesen geht gar nicht. Also habe ich wieder mal auf Senden gedrückt. Morgen habe ich wieder Therapie. Mal schauen, wie sie verläuft. Ich hoffe sehr doch etwas besser als die letzte Stunde.

i


Ich finde es sehr gut, dass du mit deinem Mann doch im Gespräch bist, über die ganze Situation. Ja, dass er auch so eine Fassade hat, das ist schwer zu vermuten. Haben auch viele Menschen die nicht akut psychisch krank sind.

Mit auf dem Land leben, langjährig in diversen Vereinen sein, das ist natürlich schon so eine Sache die ganz anders gelagert ist wie bei einem Stadtbewohner. Da ist der Schützenverein, die freiwillige Feuerwehr, der Fussballclub, die Kirche im sozialen Leben ganz anders eingebunden. Kann ich nachvollziehen. Kann auch nachvollziehen, dass man auf dem Dorf keine Lust hat sich zum Grund von allgemeinem Tratsch zu machen, wo gerade auf dem Land evtl auch noch mehr Vorurteile gegenüber Psychotherapie & co herrschen.


Wegen der Therapeutin schreiben. Du könntest doch einfach Passagen aus diesem Thread rauskopieren und ihr geben. Du hast das alles hier so klar und anschaulich geschildert, nutz das doch!

Und warum solltest du ihr diese Mails nicht schicken? Sie kann es ja ausdrucken und dann zur Stunde mitbringen und dort bearbeiten. Es muss ja nicht ihre Freizeit in Anspruch nehmen.

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Betti
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Beitrag Di., 25.08.2015, 22:20

Hallo,
wieder eine Therapieeinheit vorbei. Ich empfand sie heute nicht so schrecklich wie beim letzten Mal, leider lief es trotzdem nicht recht viel besser. Meine Thera las meine Mail laut vor, wir gingen den einen oder anderen Punkt "genauer" durch. Ich saß wie immer erstarrt da, starrte nur auf meine Hände oder auf den Boden, konnte sie fast nie anblicken. Zum Schluss meinte sie, dass es zwar gut sei, wenn ich ihr die Mails schreibe, ich damit aber nicht mit ihr in Kontakt trete, sondern nur mit mir, weil ich dann eben meist schweige. Vom Fühlen bin ich sowieso noch weit entfernt. Schließlich hat sie mich gefragt, wie es denn in meinem normalen Umfeld sei mit "dem in Kontakt treten"? Irgendwie fiel es mir dann wie Schuppen von den Augen. Ich kann zwar mit meinen Freunden reden, aber kaum ist mir wer gegenüber, den ich noch nicht/kaum kenne, schweige ich, ziehe ich mich zurück. Und da geht es um nichts. Also wie in Kontakt treten mit der Thera, wo es um mich, mein Erleben, meine Gefühle, meine Vergangenheit gehen soll? Um Bedrohliches? Mir wurde heute bewusst, wie lange es bei mir dauert, bis ich jemanden "meinen Freund/Freundin" nenne. Wie oft ich im üblichen Umfeld schweigsam bin? Ja selbst wie oft ich in meiner Familie schweige. Ich schweige ständig, rede nie viel.
Meine Thera meinte zum Schluss noch, sie würde gerne mit mir in Kontakt kommen. Sie würde mir gerne helfen herauszufinden wer ich wirklich bin (diese Frage stelle ich sehr oft). Ich würde auch gerne, aber wie? Sie meinte wieder, ich würde sie testen, sei misstrauisch, würde schauen, was sie mit mir trägt. Das mache ich doch nicht mit Absicht! Ich will doch keinen testen. Macht man den so etwas wirklich unbewusst?
Wie kann ich endlich zum Reden kommen? Ich weiß, es geht sehr vielen hier im Forum so wie mir. Ich bin immer wieder am Mitlesen bei diversen Threads und Blogs. Immerhin tut es gut zu wissen, dass man mit diesem Problem nicht alleine ist.
Naja, schließlich haben wir uns wieder darauf geeinigt, dass es besser wäre, dass ich zweimal die Woche zu ihr komme, damit ich nicht immer komplett den Faden verliere. Auch wenn ich noch nicht weiß wie ich reden soll, das gibt mir zumindest etwas Halt.

@Münchnerkindl: Da die aktuellen Medis nicht wirklich etwas bewirken, werde ich sicherlich umgestellt. Ich habe mir vorgenommen meine Symptome auf ein Blatt Papier zu schreiben und dies dann zur Psychiaterin mitzunehmen (danke für die Zusammenfassung deinerseits, das hat mich wirklich zum Nachdenken gebracht). Habe zwar Angst wie sie reagieren wird, weil ich ihr das alles nicht schon früher gesagt habe, aber vl. werde ich dann "besser" eingestellt. So kann es nämlich auf Dauer nicht mehr weiter gehen. Bin nur mehr am Selbstverletzen, Essen und wieder Finger hinunter stecken und diese ewige Antriebslosigkeit macht mich fertig. Noch dazu bekomme ich Medikamente, welche mich beruhigen sollen und ich liege im Bett, Beklemmungsgefühle hoch zehn, die Gedanken kreisen und kreisen und ich kann ewig nicht einschlafen, bin aber hundemüde. Irgendwie passt da gar nichts mehr zusammen. Die einen beruhigen mich nicht, die anderen steigern keinen Antrieb?!

Danke wieder an alle fürs Mitlesen. Es tut gut, die Gedanken hier lassen zu können.
Lg Betti

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münchnerkindl
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Beitrag Di., 25.08.2015, 23:32

Betti hat geschrieben: Ich würde auch gerne, aber wie? Sie meinte wieder, ich würde sie testen, sei misstrauisch, würde schauen, was sie mit mir trägt. Das mache ich doch nicht mit Absicht! Ich will doch keinen testen. Macht man den so etwas wirklich unbewusst?
Kann auch sein, dass sie das einfach fälschlicherweise so reininterpretiert. Ich finde es fragwürdig, wenn Therapeuten solche absoluten Aussagen aufstellen, nur weil sie das so wahrnehmen. Therapeuten sind, als Menschen bei sowas alles andere als unfehlbar.

Also eine Aussage "ich nehme sie soundso wahr" ist korrekt. Das ist ein Angebot, und man kann das ohne grosse Probleme korrigieren, wenn man das anders sieht.
Eine Aussage, "sie sind soundso" ist nicht korrekt. Das ist eine Zuschreibung, die einen in die Enge treibt, man wird in eine Schublade gesteckt und fertig.

Betti hat geschrieben: Wie kann ich endlich zum Reden kommen?i

Hm, du reitest immer so auf dem Reden rum. Ich meine, Reden über irgendwas kann toll sein und alles, stimmt schon, aber ehrlich gesagt finde ich, dass es häufig überbewertet wird. Der grössere Teil der menschlichen Kommunikation läuft nonverbal. Mit einem Menschen zusammen schweigen kann 1000 Mal mehr aussagen und einem auch 1000 Mal mehr geben als mit ihm zu reden.

Schweigt doch einfach mal gemeinsam eine Stunde. Aber evtl hält sie das nicht aus?


Wenn die antidepressive Medikation dich nach so langer Ziet immer noch nur zusätzlich fertig macht ohne irgendwas zu helfen, dann setz sie ab. Bringt doch nichts, das noch weiter zu nehmen, und dich damit zu quälen, bis du den Termin hast. Und ja, Antidepressiva können fiese Nebenwirkungen haben, die NICHT weggehen.
Du hast ein Kind um das du dich kümmern musst, du kannst nicht vor lauter Nebenwirkungen im Bett flacken, hoffend, dass das vieleicht noch was wird. Nach 4 Wochen wird da nicht mehr nenenswert was. Und dann lass dir bei dem Psychiater dann einen Notfalltermin geben um zu sehen was du alternativ machen sollst. Weil dir geht es wirklich schlecht, du bist ein Notfall. So massive Medikamentennebenwirkungen sind etwas was SOFORT besprochen und geklärt gehört, nicht erst wenn man am St. Nimmerleinstag einen regulären Termin hat.

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Gelli
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Beitrag Mi., 26.08.2015, 06:22

@münchnerkindl

Hm, du reitest immer so auf dem Reden rum. Ich meine, Reden über irgendwas kann toll sein und alles, stimmt schon, aber ehrlich gesagt finde ich, dass es häufig überbewertet wird. Der grössere Teil der menschlichen Kommunikation läuft nonverbal. Mit einem Menschen zusammen schweigen kann 1000 Mal mehr aussagen und einem auch 1000 Mal mehr geben als mit ihm zu reden.

Was sagt das aus,wenn sich Therapeut und Klieent anschweigen?Klar gibt es Situationen und Momente wo sich Therapeut und Klieent auch mal anschweigen,das kannte ich aus meiner Therapiezeit auch so,aber das schweigen sollte nicht die Stunde beherschen,denn dafür ist die Zeit doch einfach zu schade.
Es gibt Momente,da kann man nicht auf eine Frage oder Gedanken antworten,dann kann man schweigen,und dieses schweigen macht dann was mit einen,mein Thera meinte immer:immer wenn ich schweige oder schwieg dann muß etwas in mir geschehen sein,oder er muß auf einen wunden Punkt getroffen haben.
Damit lag er immer richtig.
Zu Anfang der Therapie war es ein anderes schweigen,ich schwieg weil ich Ihm noch nicht vertrauen konnte,ich schwieg aus Scham,ich schwieg aus Unsicherheit,ich schwieg weil ich schweigen wollte und lieber zuhörte oder dankbar war das er mir Fragen stellte die ich beantworten durfte.
Zu Anfang also die ersten zwei Monate las er aus meinem Tagebuch vor weil ich bis zu dem Zeitpunkt nur schriftlich sagen konnte was mit mir ist,welche Gedanken mich bewegen,irgentwann sagte er,so ich möchte,das Sie lernen sich selbst und mir vorzulesen was sie da schreiben,denn sich selber hören was geschrieben stand ist anders als wenn der Thera vorliest.
Und mit dem vorlesen beginnt schon das eigene Reden,auszusprechen was geschrieben steht.Denn nichts ist wertvoller in der Therapie als das reden,denn mit dem reden,mit dem aussprechen fange ich an zu verarbeiten,fange ich an mir zuzuhören,mich ernst zu nehmen,und mein Thera bekommt neue Informationen ob es die Augen,die ganze Mimik im Gesicht,das gibt dem Thera viele neue Informationen über den Klieenten.
Was bringt dann also das ewige anschweigen?
Ich finde das anschweigen wenn dieses Stunde für Stunde geht,das bringt für beide Klieent oder Thera auf Dauer nur Unzufriedenheit.Thera wird schweigen von Klieenten genug kennen,weiß auch das Klieenten damit manches profozieren oder testen wollen,aber ich glaube nicht,das Theras es gut finden wenn jede Stunde nur geschwiegen wird.

@Betti
Ich mach gleich bei dir weiter.
GUT DING WILL WEILE HABEN

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Gelli
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Beitrag Mi., 26.08.2015, 06:54

@Betti

Immer wieder bin ich beeindruckt wie gut und ausführlich du dich hier im schreiben mitteilen kannst.Und klar das hängt viel damit zusammen,das du uns hier nicht sehen kannst,du sitzt uns nicht gegenüber,und sofern du deiner Thera gegenüber sitzt,kommt da in die wieder und wieder die große Blokade,dann setzt das ewige schweigen ein.
Deine Thera hat recht,dieses schreiben zeigt viel welche Gedanken dich bewegen,was dir Angst macht,und Theras lesen aus Zeilen noch mehr heraus als wir User hier.
Und es ist wirklich auf Dauer nicht damit getan der Thera ständig nur Mails zu senden,sie liest sie dir in den Therastunden vor und geht zwar auf den ein oder anderen Punkt näher ein,aber im Grunde bleibt es beim anschweigen.
Wenn es das wenige Vertrauen ist zu ihr(was durchaus normal wäre)dann muß man es ihr sagen,wenn es noch immer Angst ist,vor was auch immer(das kann auch normal sein)dann muß sie es gesagt bekommen,wenn es so ein Gefühl ist:dir wird der Mund zugehalten,dann wäre es wertvoll auch das ihr zu sagen.
Weißt du,es geht immer darum,das deine Thera es wissen muß,sie kann nicht alles in dir genau vor Augen sehen,und das geht eben nur über Informationen von dir,und wenn du es aufschreibst,aber sie weiß es dann eben.
Irgentwo schriebs du ja schon mal,du könntes es dir garnicht vorstellen das was du an deine Thera schreibst,ihr vorzulesen.
Kannst du dir selbst im eigenen Schlafzimmer für dich allein es vorlesen?
Etwas oben schrieb ich schon das mein THera irgentwann mir ans Herz legte und es Stück für Stück mich drauf hinarbeitete,das ich selbst vorlese was ich Ihm schreibe.Das war zu Anfang ganz schwierig weil ich ja jedesmal rot wie eine Tomate anlief,aber das verging auch wieder,und mit jedem male wurde es besser.
Weißt du,es ist ein Unterschied,wenn du zum beispiel deiner Thera auf einem Zettel schreibst,ich bin traurig weil.....,sie liest es als eine Information,wenn du aber diesen Zettel nimmst und liest selbst ihr vor,ich bin traurig weil.....dann geschieht damit was in dir,du bist näher an dir dran,und deine Thera hört dein inneres,und wenn du irgentwann ihr gegenüber sitzt und mit weicher Stimme sagts ich bin traurig weil..... dann spürt sie was in dir los ist,das gibt euch beiden Nähe und Vertrauen.
Also dieses ewige vorlesen lassen das wird auf Dauer keine Lösung sein,ich finde damit macht man es sich auch irgentwie bequem,ach ich schicke eine mail zu ihr,ich setzt mich dann ihr gegenüber wo dann die Blokade einsetzt,und was habt ihr am Ende der Stunde erreicht?Sie liest wieder mal ein paar Informationen von dir und das wars.
Mein Thera würde mit dir schon längst dran arbeiten das du selbst anfängst ihr das vorzulesen,und wenn es zu Anfang erst zwei drei Sätze sind,aber es wäre ein Anfang.Und wenn du dich darin sträuben würdes,so war das zumindes bei mir,dann würde er herausfinden wollen warum man sich sträubt.
Und er war auch jemand der mir klar machte,das man sich der Angst stellen muß,denn ewig davor weg laufen macht es nicht besser,sondern schlimmer,und diese Angst hat er mir auf behutsame Weise stück für stück genommen.
Vor sich selbst weg zu laufen das ist ein altes Muster von dir geworden,das fällt dir leicht und du wendes es immer und überall an weil es eben etwas ist was dir vertraut ist,und alles was einem vertraut ist,gibt Sicherheit.Wie willst du also je aus diesem vertrauten Muster heraus gehen wenn du ewig deiner Thera gegenüber sitzt und in die Starre gehst und anschweigst.
GUT DING WILL WEILE HABEN

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münchnerkindl
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Beitrag Mi., 26.08.2015, 08:55

Gelli hat geschrieben: Was sagt das aus,wenn sich Therapeut und Klieent anschweigen?.


Ich meine nicht ANschweigen, sondern schweigen. Es gibt ganze Klosterorden wo nur geschwiegen wird, Schweigeklausuren, es gibt Meditation bei der geschwiegen wird. Also muss Schweigen ja wohl auch an sich einen Wert haben, oder?

Wenn man etwas wirklich schlimmes erlebt hat, das einem so die Sprache verschlägt, dass man einfach nichts mehr sagen kann, dann schweigt man gemeinsam mit einer geliebten Person.


Ich sage jetzt nicht, immer schweigen, aber am Schweigen an sich ist jetzt erst mal absolut nichts verkehrt. Im Schweigen mit einem anderen Menschen kann eine ganz besonders intensive Form von Nähe entstehen.

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