Soll man Thera überhaupt sagen dass man 'verliebt' ist?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

isabe
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Beitrag Do., 28.07.2016, 22:59

Liebe schließt auch das Für-den-Anderen-leiden-Wollen ein, wenn es nötig wäre. Eltern würden dies für ihre Kinder tun, und Partner für einander. Eine Therapeutin würde nicht für den (alle? oder nur auserwählte...?) Patienten leiden, insofern sie nicht für ihn "ans Ende der Welt" gehen würde, wie das liebende Menschen tun würden. Eine Therapeutin "liebt" im Rahmen ihrer Berufsausübung, d.h., sie zeigt, wie der Patient sich um sich selbst kümmern kann. DAMIT er sich irgendwann kümmern kann. Das ist aber kein Liebesgefühl im Sinne des intensivsten Gefühls, das man überhaupt für einen Menschen empfinden kann.

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ziegenkind
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Beitrag Do., 28.07.2016, 23:03

am ende von analysen passiert es häufig, dass das gebot der abstinenz, das eh nie vollständig sein kann, gelockert wird. wie gesagt, in meiner therapie wurde über gefühle ausgesprochen, je länger sie dauerte, desto offener. und in den letzten neun monaten, in denen es um die geburt des abschieds von der therapie ging, sprach meine therapeutin auch hin und wieder über ihr gefühle für mich, nicht nur über ihre liebe, auch über ihre wut und ihre angst (um mich und vor mir in manchen situationen).

ich weiß, meine therapeutin will nicht mir mir leben und ich nicht mit ihr (u.a. weil sie einen echt schrägen geschmack in bezug auf farben hat). ich weiß auch, sie ist wichtiger für mich als ich für sie. wie auch nicht? und doch ist da liebe auf beiden seiten.

ansonsten: nicht meine welt, liebe kontrollieren und dosieren, nur einer und sonst keiner, liebe an der leidensbereitschaft zu messen. das ist für mich gefährlich romantisch und gleichzeitig verbohrt.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


mio
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Beitrag Do., 28.07.2016, 23:07

ziegenkind hat geschrieben:(u.a. weil sie einen echt schrägen geschmack in bezug auf farben hat)
Ja, das ist natürlich ein stichhaltiger Grund. Optische Umweltverschmutzung kann eine Beziehung schon sehr belasten und Augenkrebs verursachen, selbst dann wenn man liebt.


isabe
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Beitrag Do., 28.07.2016, 23:32

Wenn jemand einen Menschen liebt - und ich meine wirklich "lieben" und nicht eines der vielen anderen Worte, mit denen man Sympathie bezeichnen kann -, dann wird er natürlich für den Anderen leiden, wenn es darum geht, ihm zu helfen. In diesen Situationen zeigt sich die Liebe. Und ebenso zeigt sich dort der Unterschied zwischen der Zuneigung eines Therapeuten und der Liebe eines Menschen zu seinem Kind oder seinem Partner. Die sogenannte Liebe des Therapeuten ist so allgemein, dass sie austauschbar ist (auch wenn es diese "besonderen" Patienten natürlich gibt, und klar, wer wäre nicht gerne ebendieser Patient...). Alle, für die dieses Wort ein Therapie-Thema ist, haben schon gelesen von Therapeuten, die in ihren Büchern genau davon berichten. Aber es ist eben nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Ich mag mir nicht vorstellen, wie ein Therapeut aussieht, der all seine Patienten liebt. Mögen, schätzen, gerne haben, attraktiv finden, Mitgefühl haben, alles sollte irgendwie vorhanden sein, mal mehr, mal weniger. Aber Liebe eher nicht. Weil Liebe sich binden möchte.

Ich halte es für mindestens irreführend, wenn diese sogenannte Liebe als mögliche oder wünschenswerte Begleiterscheinung einer Therapie propagiert wird, so ein bisschen nach dem Motto: "Je besser die Therapie, desto größer die Liebe, desto größer der Patient". Das mag für Einige etwas Beruhigendes haben; für Andere ist es womöglich der Beginn eines Alptraums ("nun ist es also doch wahr, dass Therapeuten ihre Patienten lieben!" - und noch mal: Wer wünscht sich das nicht?). Das sind ähnliche Metaphern wie die von der "Tiefe" der Beziehung oder der "Tiefe" der Störung. Weil "tief" sich nach mehr anhört als "nicht tief" - wobei diese Assoziation nicht von mir kommt, sondern von einem Gutachter, der sagt, er halte Anträge für nicht glaubwürdig, in denen das Wort "tief" auftaucht.

Nichts gegen intensivste Gefühle, gerne auch auf beiden Seiten - wenn's passiert, passiert's halt. Meist sowieso ohne jeglichen "Grund". Aber solange der Therapeut nicht explizit sagt: "Ich liebe Sie", wäre ich sehr vorsichtig, was die Bewertung SEINER Gefühle betrifft. Und wenn jemand das zu seinem Patienten sagt (und zwar SO und nicht anders), dann wäre ich vorsichtig damit, das öffentlich zu machen, weil es falsche Erwartungen wecken könnte.

Und wenn mit "Liebe" kein "intensivstes Gefühl" gemeint ist, nun, dann redet man sowieso aneinander vorbei.

Ich habe damals sehr viele Sätze von meinem Therapeuten gehört, natürlich weil ich sie hören wollte. Da war alles dabei; eigentlich hat nur die Kamera gefehlt ("ich liebe Sie, aber nicht so, wie Sie das wollen" / "ich habe Sie nie geliebt"). Es lebt sich wesentlich entspannter ohne die drängende Frage: "Werde ich geliebt?" - aber auch da gilt: Wenn die Frage auftaucht, taucht sie auf. Und dann ist sie auch wichtig. Wichtig ist aber auch die geeignete Antwort darauf.

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Flowfalls
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Beitrag Do., 28.07.2016, 23:35

Re: Soll man Thera überhaupt sagen dass man 'verliebt' ist?

Eigentlich schon. Es sei denn, PatientIn ist noch in der Kennenlernphase und steigt selbst aus.


Speechless
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 07:08

Finde es etwas kleingeistig, dass hier Liebe ausschließlich als die Liebe in einer festen Partnerschaft akzeptiert wird, so als gäbe es nichts anderes. Da bin ich doch froh, dass ich da offener und freier bin für Liebe, ohne diese unbedingt zurückzufordern oder zwingend ausleben zu müssen.

Und jemand anderem seine Liebesgefühle absprechen zu wollen, ist übrigens auch ziemlich daneben.


isabe
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 07:28

Die Liebe ist ein besonderes Gefühl, der Superlativ unter den Gefühlen. Sie nimmt auf einer Skala der Gefühle eine Extremposition ein. Menschen, die zu Pathos neigen oder die in ihrem Leben eine Lücke füllen möchten, neigen dazu, das Wort zu entwerten, indem sie es auf alles anwenden, was zwar in dieselbe Richtung geht, was aber in Bezug auf die Intensität des Fühlens noch weit von diesem Superlativ entfernt ist. Das trifft auch auf andere Einstellungen und Gefühle zu: Alles ist entweder ganz toll oder ganz furchtbar. Entweder man wütet und hasst oder man liebt. Was ist mit den vielen Gefühlsqualitäten und -schattierungen dazwischen? Zählen die nicht? Zählt es nicht, jemandem wohlgesinnt zu sein? Ist das schon zu wenig? Das wäre traurig.

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**AufdemWeg**
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 07:35

Für mich bedeutet die Aussage: ich liebe dich
weniger als das Gefühl zu lieben.
Worte sind so schnell daher gesagt.
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ziegenkind
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 07:37

liebe beginnt auf jeden fall jenseits der rigorosität - sich selbst und anderen gegenüber. ist ein langer weg. aber er lohnt sich.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


Speechless
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 07:38

Warum hat man es nötig, jemanden, der hier von Liebesgefühlen in Bezug auf die Therapeutin schreibt, diese Gefühle so zu entwerten. Das finde ich traurig. Ich spreche für mich persönlich so gut wie nie von Liebe, ich habe in meinem Leben einmal geliebt (und nein, nicht meine Therapeutin) und dies war im Gegensatz zu sonst gerade nicht in einer festen Partnerschaft.
Man kann den Leuten schon noch selbst überlassen, welches Gefühl sie für sich beanspruchen wollen oder auch nicht.

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**AufdemWeg**
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 07:41

Ich glaube ziegenkind ist so fest verankert, dass sie selbst sich davon nicht beeinflussen läßt
dass andere Menschen diese Liebe entwerten.
Ich hoffs jedenfalls.
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Schnuckmuck
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 08:24

Natürlich kann man das Wort verliebt und Liebe zerpflücken in seine mögliche Bedeutung. Es ist aber doch auch klar, dass es meistens bei dem Thema um das eine verliebt und das eine Wort liebe geht,

Sonst wäre es ja eine erlaubte GefühlsVerbindung mitmöglichem happy end.


ziegenkind
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 08:49

gott bewahre, dass es in einer therapie um erlaubtes ginge ...

sorry, schnuckschnuck. ich mein es nicht böse. manchmal hilft vielleicht ein bisschen humor.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Schnuckmuck
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 09:10

Mit erlaubt meine ich Liebesbeziehungen zwischen Thera und Patient.
Und wenn das erlaubt wäre würde Humor auch nicht unbedingt helfen.


ziegenkind
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Beitrag Fr., 29.07.2016, 09:17

ich hab das schon verstanden, schnuckschnuck. ich wollte nur humorvoll nachfragen, warum es in der therapie nicht auch um erlaubte formen der liebe geben darf. ich stelle die frage nicht von ungefähr. mitunter scheint die angst vor der zu recht sanktionierten form der liebe in der therapie, bei der ein oder dem anderen sicher mit gutem grund, so stark zu sein, dass der therapie gleich ganz radikal jede form der liebe ausgetrieben werden muss. das finde ich traurig genug, um darüber zu reden.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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