Narzisstische Persönlichkeitsstörung

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Persönlichkeitsstörungen und Schizophrenie, Bipolaren Störungen ('Manisch-Depressives Krankheitsbild'), Wahrnehmungsstörungen wie zB. Dissoziationen, MPS, Grenzbereichen wie Borderline, etc.
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Goldbeere
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Beitrag Mo., 03.03.2008, 10:32

Hallo thorn, hey marsil,
das Erwarten von Zuwendung von außen, das Abschieben der Verantwortung für die eigenen Gefühle auf andere Personen
Das ist mir nicht klar.

Das Erwarten der Zuwendung von außen, damit man sich fühlt, das ist keine gute Strategie. Wieweit überträgt man damit aber die Verantwortung für seine eigenen Gefühle auf andere? Wenn ich mich verlassen und nichtbeachtet fühle, dann weiß ich doch, dass das mein Gefühl ist. (Hier hilft übrigends der Hit-Counter, da sieht man dass es "wenigstens" gelesen wurde .

Meinst du damit, ich lasse mich von den Reaktionen der anderen in den Zustand versetzen? Das ist natürlich auch mein Mitwirken, aber nicht alle Gefühle kann man in der Form dann auch einfach gedanklich nicht fühlen...
Wie würdest
Du überhaupt reagieren, wenn Dich jemand gerne und trotz einiger
Macken dauerhaft "aushielte"?
Ist zwar nicht an mich gerichtet, aber sei's drum.
Bei Freunden kann ich es inzwischen akzeptieren, dass sie mit mir klarkommen. Liebe - keine Chance. So schnell kann man gar nicht über alle Berge sein.
Hätte da nicht mal jemand was Nettes, Tröstendes schreiben können ...
Da bin ich doch glatt auf deinemeine eigene Strategie reingefallen. In deinem Post klang nur der letzte Absatz ein bisschen nach unglücklichsein, der Rest schien eher gefasst und ruhig. So verkauf ich auch oft Dinge, und dann fühl ich mich unglücklich, weil niemand mein unausgesprochenes Bedürfnis nach Trost stillt.

... immer schön im Kreis laufen ...

lieben Gruß
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thorn
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Beitrag Mo., 03.03.2008, 11:18

Huhu marsil
marsil hat geschrieben:Vielleicht "musste" sie Dir ja genau dies verweigern?
Zumindest von sich aus konnte sie es wohl gar nicht anders. Ich bin inzwischen aber auch recht froh darüber, weil ich das von ihr wohl wirklich nicht gewollt hätte. (Find's immer wieder krass zu erleben, wie wahllos einen die Angst macht - egal wer, bitte stille jemand meine Bedürfnisse )
marsil hat geschrieben:Wie würdest Du überhaupt reagieren, wenn Dich jemand gerne und trotz einiger Macken dauerhaft "aushielte"?
Es wird, es wird ... Hab ja noch andere Freunde, und gerade letzte Woche habe ich verstärkt gemerkt, dass sie mich akzeptieren können und wollen - und das ist inzwischen tatsächlich ein sehr schönes Gefühl, viel weniger bedrohlich als früher.
marsil hat geschrieben:Da wird an beidem etwas dran sein. Ich kann jemanden ja auch bis zur Weißglut reizen und dann sagen: ätschbätsch, für diese Gefühle bist Du selbst verantwortlich. Gut möglich, dass sowas dann als "unfreudschaftlich" aufgefasst wird
Es stimmt schon, dass ich die Schiene "du bist selbst verantwortlich" bei ihr viel krasser fahre als bei anderen, was für mich daran liegt, dass sie die Schiene "alle anderen sind verantwortlich" viel krasser fährt als andere. Das löst in mir einerseits heftigen Widerstand und Trotz aus, und andererseits schon auch ein Gefühl von Überlegenheit. Fällt mir schwer, ihr gegenüber entgegenkommend zu sein, weil ich mich narzisstisch besetzt und funktionalisiert fühle. Das übrigens nicht erst seit diesem Streit, von daher trifft mich ihr "Schluss machen" letzten Endes auch nicht wirklich. Wir kommen zwar (behaupte ich jetzt mal) beide aus der narzisstischen Ecke, sitzen aber an entgegengesetzten Punkten, und ich glaube, das hätte jetzt, wo für uns beide offenbar eine Grenze erreicht war, nur noch den totalen Kampf bedeuten können. Und ja, ich bin grad einigermaßen froh darüber, dass ich mich nie wirklich auf diese Freundschaft eingelassen habe. Fühle mich aber umso motivierter, mich in meine anderen Freundschaften mehr einzubinden, auch wenn ich da recht schnell an meine Können-Grenzen stoße. Aber inzwischen spüre ich auch immer stärker so eine Sehnsucht nach gesunden, stabilen Beziehungen - das wird bestimmt irgendwie


Hey Goldbeere
Goldbeere hat geschrieben:Wieweit überträgt man damit aber die Verantwortung für seine eigenen Gefühle auf andere? Wenn ich mich verlassen und nichtbeachtet fühle, dann weiß ich doch, dass das mein Gefühl ist.
Die Frage ist wohl eher die, wie man mit dem Gefühl umgeht. Gebe ich die Schuld dafür anderen - "DU hast mich verletzt" - und übertrage ihnen damit auch die Verantwortung dafür, dass ich mich besser fühle (und mache Vorwürfe, wenn das nicht passiert, wie ich sie in besagtem "Klärungs"gespräch haufenweise um die Ohren gehauen bekommen habe), oder suche ich das bei mir selbst. Früher trug halt tatsächlich jemand anderes die Verantwortung für unsere Gefühle, nämlich Mama, und wenn die ihren Job nicht gut gemacht hat, schleppen wir das ewig mit uns rum.
Goldbeere hat geschrieben:Das ist natürlich auch mein Mitwirken, aber nicht alle Gefühle kann man in der Form dann auch einfach gedanklich nicht fühlen...
Hmm? Den Satz versteh ich nicht.
Goldbeere hat geschrieben:Da bin ich doch glatt auf deinemeine eigene Strategie reingefallen. In deinem Post klang nur der letzte Absatz ein bisschen nach unglücklichsein, der Rest schien eher gefasst und ruhig. So verkauf ich auch oft Dinge, und dann fühl ich mich unglücklich, weil niemand mein unausgesprochenes Bedürfnis nach Trost stillt.
Häm ja, also für mich war das schon ziemlich viel Offenheit Aber danke für das Feedback, ist schon interessant zu sehen, wie krass die Wahrnehmungen da auseinanderklaffen können ...

Wie gesagt, ich bin froh darüber, dass der Trost hier nicht kam, als ich ihn gebraucht habe. Und dass mich auch niemand drauf aufmerksam gemacht hat, dass ich die Verantwortung abgeben will (dieses "Akzeptier mich doch mal jemand mit meiner Wut, ich selbst kann's nicht"), weil ich so selbst drauf kommen und das Ganze sehr bewusst wahrnehmen konnte. Das empfinde ich als großen Verdienst meiner Thera, dass ich sowas überhaupt von alleine sehen kann, und dass es viel schneller geht als früher. Auch wenn ich natürlich trotzdem immer erst mal ins Muster falle(n muss)


Liebe Grüße,

thorn

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Goldbeere
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Beitrag Mo., 03.03.2008, 11:44

Hey thorn,
Häm ja, also für mich war das schon ziemlich viel Offenheit
Genau das. So fühle ich mich dann auch. Denn für meine Verhältnisse hab ich dann schon furchtbar viel erzählt, aber es passiert nix.

Gestern habe ich jemandem etwas trauriges erzählt, wo ich gerne getröstet hätte werden wollen, aber offensichtlich klang das so als gelassene Feststellung, dass ich eigentlich gar keine wirkliche Reaktion zurückbekam. Dann war ich in der Küche und fühlte mich schlecht. Also bin ich wieder zurückgegangen und hab die Person darum gebeten, mich in den Arm zu nehmen . Da hat mein Gegenüber auf einmal begriffen, dass es mir mit dieser "Tatsache" gar nicht gut ging und mich geknuddelt, und ich hab begriffen, dass ich mich nicht wirklich verständlich gemacht hatte.

Das ist natürlich auch mein Mitwirken, aber nicht alle Gefühle kann man in der Form dann auch einfach gedanklich nicht fühlen...
Hmm? Den Satz versteh ich nicht.
Ähm, naja, jetzt wo ich ihn lese - versteh ich ihn auch nicht. Was ich schreiben wollte:
Wenn mein Gefühl eine Reaktion auf das Verhalten des anderen ist, dann ist es aber doch da, auch wenn es nicht die Schuld des anderen ist, dass ich so fühle. Aber wenn ich weiß, dass es meine Reaktion ist, und diese vielleicht noch nicht einmal angemessen, kann ich mich aber doch nicht dagegen wehren, ersteinmal so zu fühlen? Gefühle situativ umlernen?
Wie gesagt, ich bin froh darüber, dass der Trost hier nicht kam, als ich ihn gebraucht habe.
Geht mir auch so, aber irgendwie ist es dann nachher trotzdem wieder schön, getröstet zu werden.

lieben Gruß
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thorn
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Beitrag Mo., 03.03.2008, 12:29

Goldbeere hat geschrieben:Also bin ich wieder zurückgegangen und hab die Person darum gebeten, mich in den Arm zu nehmen
Wow, klasse! Ich bin mal wieder echt verblüfft - du schaffst immer wieder Sachen scheinbar "mal eben so", die ich noch nach Jahren des Rumquälens nicht hinkriege ... Ich find's total genial, dass du auf diese Weise für deine Bedürfnisse eingestanden bist. Wie war das denn für dich? Große Überwindung zuerst? Und hinterher?
Goldbeere hat geschrieben:Aber wenn ich weiß, dass es meine Reaktion ist, und diese vielleicht noch nicht einmal angemessen, kann ich mich aber doch nicht dagegen wehren, ersteinmal so zu fühlen?
Warum denn immer "dagegen wehren"? Genau das sorgt ja dafür, dass die Wunde nie verheilen kann und führt die Depression herbei.
Goldbeere hat geschrieben:Geht mir auch so, aber irgendwie ist es dann nachher trotzdem wieder schön, getröstet zu werden.
Klar ist das schön Und es ist ja auch wichtig, sich wirklich trösten lassen zu können. Ich persönlich lasse meistens eh niemanden an mich heran, wenn ich Trost brauche, aber wenn ich es doch mal tue, befriedigt mich der Trost des anderen oft nicht. Weil ich eigentlich mehr bräuchte, weil "normaler" Trost das innere Loch nicht stopfen kann. Von daher geht das schon irgendwie Hand in Hand, denke ich, und darf und muss beides sein.

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Goldbeere
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Beitrag Mo., 03.03.2008, 18:42

Also jetzt fühl ich mich fast unwohl, bei so viel Lob ... soviel also zu "zu Bedürfnissen stehen".

Naja, ich hab mich daran festgeklammert, dass ich weiß, dass diese Person es sagen würde, wenn es für sie nicht ok ist. Also hab ich gefragt. Klang vermutlich wie, könntest du mir bitte mal den Zucker geben, das hab ich dann mit auf den Boden gucken kompensiert. ...

Bei den meisten Freunden hätte ich aber auch ganz massive Probleme gehabt. Vor allem, Freunde, die mich schon lange kennen. Da würde sich vielleicht ihr Bild von mir ändern ... und so kommen sie ja gut mit mir zurecht, da schleicht sich dann wieder die Angst, was falsches zu tun, selbst wenn es etwas richtiges wäre. Die Wahl der geeigneten Person ist also essentiell, bei anderen würd ich mich zu Tode schämen, Gefühle zuzugeben.

Hinterher war ich erleichtert, weniger durch den Trost, denn durch die Tatsache, dass ich tatsächlich gefragt habe. Schließlich war ich verkrampft, weil ich nicht wollte, dass die ganze Traurigkeit dann rausschwappt. Fazit: Es war nicht halb so schlimm, wie ich es mir vorgestellt hatte.

Dafür habe ich letzte Woche einen anderen guten Kumpel beinahe "weggebissen", als er mich berührt hat.

Ich glaube, die Freunde, die mich schon länger kennen, würden mich auch kaum einfach so in den Arm nehmen, selbst wenn sie das Gefühl hätten, es wäre gut, einfach weil sie mich als Person kennen, bei der man das nicht macht. Früher war ich auch selbst sehr viel sparsamer mit Körperkontakt. Da hatte ich ganz große Skrupel, jemandem mal die Hand auf die Schulter zu legen, selbst wenn sie sich die Augen ausgeheult hat.
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Goldbeere
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Beitrag Mo., 03.03.2008, 22:10

Aber wenn ich weiß, dass es meine Reaktion ist, und diese vielleicht noch nicht einmal angemessen, kann ich mich aber doch nicht dagegen wehren, ersteinmal so zu fühlen?
Warum denn immer "dagegen wehren"? Genau das sorgt ja dafür, dass die Wunde nie verheilen kann und führt die Depression herbei.
Das ist ein Punkt, da hakts bei mir. Was soll ich denn sonst machen? Wenn ich mich verlassen und eifersüchtig fühle, wenn meine Freunde was ohne mich unternehmen? Natürlich fühle ich das - aber ich will nicht. Mir ist auch nicht recht klar, wie das abheilen soll?

Muss ich das einfach fühlen bis es wieder weggeht? Und dann? Kommt es wieder. Da fühl ich mich meinen Gefühlen total hilflos ausgeliefert. Das ist einfach nur bäh!
Irgendwie hab ich auch den Verdacht, ich mach da bei unterschiedlichen Gefühlen nochmal Unterschiede, Trauer ist eher ok als komische andre Sachen.

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thorn
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Beitrag Di., 04.03.2008, 01:04

Hey Beerchen,

ich zitier mal was:
A. Miller hat geschrieben:Eine wirkliche Sättigung kann es ja nicht mehr geben, denn ihre Zeit ist unwiderruflich verpaßt. Das damalige Kind gibt es nicht mehr, auch die damaligen Eltern nicht. (...) In der Gegenwart gibt es Erfolg und Anerkennung, aber diese können nicht mehr sein, als sie sind, sie können das alte Loch nicht ausfüllen. Die alte Wunde kann wiederum nicht heilen, solange sie in der Illusion, d.h. im Rausch des Erfolges verleugnet wird. Die Depression führt in die Nähe der Wunde, aber erst die Trauer über das Vermißte, das in der entscheidenden Zeit Vermißte, führt zur wirklichen Vernarbung.
und
H.-P. Röhr hat geschrieben:Die Arbeit beginnt damit, daß man sich selbst als das verletzte Kind in seiner Bedürftigkeit sieht. Ist vor dem geistigen Auge der oder die kleine XY erschienen, kann man sich selbst an die Stelle der guten Mutter setzen und dem Kind all die Dinge geben, die die wirkliche Mutter nicht in der Lage war zu geben: vor allem Verständnis und Trost. Wichtig ist, daß die Botschaft gefühlt wird.
Das eine ist die Trauerarbeit, das andere das Aufbauen "positiver Elternbilder", sprich, sich selbst das zu geben, was einem im tiefsten Innern fehlt. Ich weiß nicht, inwieweit du damit bereits Erfahrung gemacht hast. Ich selbst habe im Laufe der Therapie angefangen, trauern zu lernen, und das als sehr heilsam empfunden. Ich glaube nicht, dass ich schon "zu meinem Kern" vorgedrungen bin, weil's da noch viele Barrieren in mir gibt, aber in letzter Zeit habe ich wieder mehr das Gefühl, mich an mich selbst herantasten zu können.

Jedenfalls glaube ich, dass das der Weg sein muss, um mit sich selbst in Kontakt zu kommen und Frieden schließen zu können. Die Gefühle eben nicht zu verdrängen, sondern sie auszuhalten, ganz und gar zu erleben, darum zu trauern, dass man überhaupt so fühlen muss, weil es dieses Loch in einem gibt. Sich selbst zu halten in seinem Schmerz und dem Gefühl der Verlassenheit und zu spüren, dass man es aushalten kann. Dass man sich halten kann, sich selbst nicht hilflos ausgeliefert ist.

Eigentlich halte ich diese Gefühle der Verlassenheit und Einsamkeit inzwischen viel mehr für ein Geschenk als etwas Negatives, weil sie mich in Kontakt mit mir bringen. Sie sind jedes Mal eine Möglichkeit, mir selbst zu begegnen, ich muss nur durch diese Tür gehen, statt wieder zu verdrängen und mich abzulenken. Naja, "nur" ist wieder mal gut gesagt, ich tu's einfach viel zu selten. Ich wünsch mir aber, dass ich, wo derzeit mein Bewusstsein für diese Dinge wieder geschärft ist, "wach" bleiben und mutig sein kann.

Goldbeere hat geschrieben:Also jetzt fühl ich mich fast unwohl, bei so viel Lob ...
Also annehmen musst du eh nix, weißte hoffentlich Aber was genau ist es eigentlich, was sich in dir gegen Lob und Komplimente sperrt? Kannst du das ausmachen?
Goldbeere hat geschrieben:Bei den meisten Freunden hätte ich aber auch ganz massive Probleme gehabt.
Was ist denn das Besondere an dieser Person, bei der du es konntest? Wüsstest du bei deinen anderen Freunden nicht, dass sie dir sagen würden, wenn es für sie nicht ok wäre? Wäre es für dich überhaupt ok, wenn es für sie nicht ok wäre? Und wäre es für dich wirklich ok gewesen, wenn diese andere Person es nicht ok gefunden hätte?

Ich kenn das auch gut, diese Angst davor, langjährigen Freunden etwas Neues von sich zu offenbaren. Was ich voll paradox und blöd finde, weil man ja gerade denen vertrauen können müsste. Aber statt dessen zementiert man da so ein Bild von sich, dessen Rahmen man sich nie zu sprengen traut. Das trägt bei mir stark zu dem Gefühl des "inneren Gefängnisses" bei, worüber ich manchmal einfach nur schreien könnte. Da staut sich manchmal irre viel Wut in mir an, der ich aber nie ein Ventil geben kann. Fühlt sich jedes Mal echt schlimm an

Wie kommt es eigentlich, dass du diese Hemmungen bei Körperkontakt hast, wo doch Berührungen mit deiner Mutter unproblematisch zu sein scheinen?


Liebe Grüße erst mal,

thorn

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Goldbeere
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Beitrag Di., 04.03.2008, 01:38

Hallo Thorn,
Wie kommt es eigentlich, dass du diese Hemmungen bei Körperkontakt hast, wo doch Berührungen mit deiner Mutter unproblematisch zu sein scheinen?
Das frage ich mich auch.

Als ich klein war, wurde ich viel gekuschelt, da hat Papa einem den Rücken gekrault, ich bin zu meinen Eltern ins Bett geschlüpft, wir sind alle zusammen auf der Couch gelegen. Mit zunehmendem Alter nahm das dann sehr ab und meine Scheu wuchs. Erst seit ich zum Studium ausgezogen bin und dadurch sehr viel Alltagskonfliktpotential weggefallen ist, kuscheln meine Mutter und ich uns wieder vor dem Fernseher zusammen oder gehen untergehakt einkaufen etc.

Andere Leute sind schwierig. Da sind Berührungen ganz schnell zu nah. Rituelle Handlungen wie Tanzen oder die klassische Begrüßungs/Abschiedsumarmung sind ok, da wird auch meist nicht erwartet, dass tatsächlich Kontakt stattfindet. Wenn ich mit fühlen beschäftigt bin, dann geht Anfassen gar nicht. In dem Moment brauch ich Luft um mich herum, sonst fühlt sich das bedrohlich an. Am liebsten möchte ich dann auch nicht angeschaut werden und selbst niemanden ansehen. Dann ist auch das Umarmt-werden für mich eine Überwindung. Es fühlt sich gut an, wenn der erste Berührungsschock mal vergangen ist, aber bis dahin ist es unangenehm.

Beides macht meine Grenzen löchrig, Gefühle und Berührungen, und wenn ich fühle und mich jemand anfasst, dann kann es sein, dass ich in Tränen ausbrechen möchte, und dann ist es vorbei. Dann will ich nur noch um mich schlagen, bis die Person weggeht. Manchmal hat auch schon ein Telefonat gereicht, wenn im Gespräch dann Gefühle hochkamen, mit denen ich nicht zurechtkam, wurde ich verletzend.
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Goldbeere
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Beitrag Di., 04.03.2008, 02:21

Was ist denn das Besondere an dieser Person, bei der du es konntest?
Keine alte Freundin. Und ich habe sie unabhängig von meinen anderen Freunden hier kennengelernt, auch wenn sie alle zumindest Bekannte sind. Vielleicht auch das Gefühl, dass ich für sie einfach so ok bin. Nicht komisch-ok, sondern ok.

Kannst du beschreiben, was bei dir der schlimmste Hinderungsgrund ist?
Wüsstest du bei deinen anderen Freunden nicht, dass sie dir sagen würden, wenn es für sie nicht ok wäre?
Bei einigen bin ich mir nicht sicher, ob es überhaupt das wäre, um was ich gebeten hätte, aka Trost. Da hätte ich das Gefühl, sie würden mich einfach umarmen und das wars.
Und wäre es für dich wirklich ok gewesen, wenn diese andere Person es nicht ok gefunden hätte?
Hoffentlich. Wirklich sagen könnte ich es nur, wenn es tatsächlich passiert wäre, aber mein Kopf weiß, dass ein Nichtberührungswunsch keine persönliche Ablehnung darstellt, so wie einem danach ist, ist dem anderen eben nicht danach. Wobei ich mir selbst sehr hart tue, Berührungsangebote auszuschlagen, wenn mir nicht danach ist. Die Sinnlosigkeit des schlechten Gewissens ....
Ich kenn das auch gut, diese Angst davor, langjährigen Freunden etwas Neues von sich zu offenbaren. Was ich voll paradox und blöd finde, weil man ja gerade denen vertrauen können müsste. Aber statt dessen zementiert man da so ein Bild von sich, dessen Rahmen man sich nie zu sprengen traut.
Das ist der wichtigerere Punkt. Wenn ich sie nicht mit einer solchen Bitte total vor den Kopf stoßen wollte, müsste ich erklären, wie es mir eigentlich geht. Und naja, da bin ich wohl zwei, drei Jahre im Rückstand. Dazu kommt, dass ich mich während/nach meinem Nervenzusammenbruch vor anderthalb Jahren total zurückgezogen habe. Und als irgendwann auffiel, dass offenbar irgendwas falsch war, hatte ich so wenig wie möglich erklärt.
Da die volle Wahrheit zu sagen, hätte auch bedeutet, ihnen zu sagen, dass ich ihnen mit Absicht nichts gesagt habe. Also hab ich alles runtergespielt. Und angefangen, mit parallel auch andere Freunde zu suchen. Eigentlich ganz schön erbärmlich.

Auf der anderen Seite sind die meisten, die mich länger kennen, weggezogen, und mit ein bisschen Abstand kann man ein tolles Leben präsentieren Da fällt es auch nicht so auf, wenn man wegen Unistress mal zwei Monate nicht telefoniert...

Der einzige, der mein Theater so gut wie immer durchschaut hat, war X, und bei meiner "neuen" Freundin versuche ich es mal mit mehr Offenheit und Ehrlichkeit.
weil man ja gerade denen vertrauen können müsste
Solange es sich aber auch nicht oder zumindest nicht genug danach anfühlt, dass man dann "einfach" über den Spalt springen kann, ist es obsolet. Mir hat es dann trotz allem gut getan, auch nach neuen Kontakten zu suchen, da bestand immer die Möglichkeit, ein bisschen was anders zu machen. Natürlich auch falsch ... dennoch ist das Risiko nicht so hoch, weil man die Bekanntschaft ja nicht weiterführen muss.
Das trägt bei mir stark zu dem Gefühl des "inneren Gefängnisses" bei, worüber ich manchmal einfach nur schreien könnte.
Ja. Man ist in der Rolle total gefangen. Und denkt/hofft, die anderen müssten doch erkennen, dass es eine Rolle ist, wird man aber damit konfrontiert, dann sind die Rolläden dicht und die Tanzkompanie tritt an, um das Theater vom Stapel laufen zu lassen. Und man muss mich schon wirklich kennen, und sehr mögen, um zu riskieren, dann zu sagen, hey, Goldbeere, lass das, das funktioniert bei mir nicht.

So viel Angst. Und so viel Einsamkeit. Und
manchmal irre viel Wut
Bist du auf dich wütend oder auf die Menschen, denen gegenüber du das Theater nicht lassen kannst, oder beides? Hat das dann konkrete Anlässe?

Ich finde es bewundernswert, dass du klar wahrnehmen kannst, wenn du wütend bist. Bei mir traut sich das nicht raus. Allenfalls mit kleinen Filmchen im Kopf, bzw. Schmerzen in den Wangen, weil meine Kiefermuskulatur total verspannt ist. Ungefähr so

Wie lässt du dann deine Wut frei oder schmorst du dann im eigenen Saft?


Vielen Dank für die Zitate, die gehen genau in die richtige Richtung, aber ich brauch erstmal eine Mütze Schlaf, bevor ich darüber nachdenken kann

lieben Gruß
Goldbeere
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thorn
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Beitrag Di., 04.03.2008, 06:05

Gumo
Goldbeere hat geschrieben:Rituelle Handlungen wie Tanzen oder die klassische Begrüßungs/Abschiedsumarmung sind ok, da wird auch meist nicht erwartet, dass tatsächlich Kontakt stattfindet.
Die Begrüßungsumarmungen finde ich bei Freunden wunderbar (und bei einigen haben unsere Umarmungen etwas sehr Verbindliches, beiderseits, wie ich glaube), aber tanzen ginge gar nicht bzw. höchstens mit jemandem, der mir seeehr vertraut ist. In einem Tanzkurs mit einem fremden Tanzpartner würde ich ne komplette Krise kriegen. Hängt vllt. auch damit zusammen, dass man bei ner Umarmung einander nicht ins Gesicht sieht/sehen kann - aber wie die konkreten Zusammenhänge sind, null Ahnung
Goldbeere hat geschrieben:Kannst du beschreiben, was bei dir der schlimmste Hinderungsgrund ist?
Um Trost zu bitten? Hmmm ... Weil das Nähe herausfordert? Von der ich gar nicht weiß, ob ich sie aushalte? Ich weiß nicht, ich verbinde Trost eigentlich gar nicht mit Berührungen (obwohl, trösten schon) - habe diesbezüglich null Bedürfnis bzw. spüre es nicht. Ansonsten komme ich oft schon in arge Bedrängnis, wenn ich aus akuten Deprigefühlen heraus sagen soll, wie's mir geht. Ich dachte lange Zeit, ich wäre ein sehr offener Mensch, habe früher mit Freundinnen auch über sämtliche meiner Probleme geredet. Erst in der Therapie vor ca. zwei Jahren ist mir aufgefallen, dass ich eigentlich nie mit jemandem geredet habe, wenn's mir akut schlecht ging. Immer erst im Nachhinein, ohne Hemmungen dann. Aber auch ohne Gefühle, sondern schön sachlich und geordnet. Dass ich jemanden anrufe, weil's mir gerade nicht gut geht, kommt höchst selten vor, meistens habe ich gar kein Bedürfnis danach. Finde ich aber auch okay soweit. Womit ich regelmäßig Probleme kriege, ist, wenn ich angerufen werde, wenn's mir gerade nicht gut geht. Dann den Mund aufzukriegen und zu sagen, was Sache ist, ist fast unmöglich. Weil ich einfach nicht das Recht dazu habe, den anderen auf meine Stimmungslage runterzuziehen, viel zu unwichtig bin und zu egozentrisch ... Dagegen anzugehen finde ich extrem schwierig.

Was ich voll schön finde, ist, dass eine meiner Freundinnen, der ich auch höchstens hinterher erzähle, wenn's mir irgendwann nicht gut ging, manchmal sagt, ich könne jederzeit anrufen, wenn was wäre, sie würde mich dann schon wieder aufbauen Auf so ne ganz herzliche, liebe Art, überhaupt nicht fordernd oder so. Das tröstet mich meistens dann nachträglich noch. Und ich würde das Angebot total gerne irgendwann mal in Anspruch nehmen können. Weil ich ihr glaube, und weil ich ihr gerne mehr von mir zeigen würde. Weil ich zu ihr gerne eine tiefere Bindung hätte.

Glauben deine Leute eigentlich, dass das, was du von dir zeigst, "schon alles ist"? Ich meine, selbst wenn du nie was von deinen Deprilaunen preisgibst, müssten sie doch eigentlich trotzdem wissen, dass du die wie jeder andere Mensch hast (oder vllt. sogar noch mehr, gerade weil du nichts davon preisgibst). Sind diese Beziehungen wirklich so oberflächlich? Oder schätzt du deine Freunde da vielleicht falsch ein ..?
Goldbeere hat geschrieben:Bist du auf dich wütend oder auf die Menschen, denen gegenüber du das Theater nicht lassen kannst, oder beides?
Eigentlich weder noch. Ich glaub, ich bin dann einfach wütend auf "die Umstände"; nicht auf mich, aber auf das Nicht-Können. Das ist dann auch mehr so ne verzweifelte Wut, die leicht in pure Verzweiflung umschlägt. Wut finde ich eigentlich gar nicht so schwierig, auch wenn ich manchmal denke, dass ich an den "falschen" Stellen wütend werde und an den "richtigen" vielleicht zu wenig. An sich hab ich mit dem Fühlen und Wahrnehmen nicht so die Probleme, damit, diese Gefühle zu zeigen, aber umso mehr. Ergo
Wie lässt du dann deine Wut frei oder schmorst du dann im eigenen Saft?
schmore ich dann regelmäßig im eigenen Saft ... Außer wenn ich auf "Dritte" oder auf Dinge wütend bin - das kann ich "Zweiten" ganz hervorragend zeigen, wenn's nicht grad mit Schwächen von mir zu tun hat *g*

Wie ist das bei dir, wirst du nie wütend auf z.B. die Ungerechtigkeit in der Welt, den unfreundlichen Busfahrer und so Sachen? Spürst du sowas?


Muss jetzt zur Arbeit, danach geh ich auch schlafen ... (Schlafrhythmus wieder voll gaga )


LG,

thorn

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Goldbeere
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Beitrag Di., 04.03.2008, 11:49

Guten Morgen,
Glauben deine Leute eigentlich, dass das, was du von dir zeigst, "schon alles ist"? Ich meine, selbst wenn du nie was von deinen Deprilaunen preisgibst, müssten sie doch eigentlich trotzdem wissen, dass du die wie jeder andere Mensch hast (oder vllt. sogar noch mehr, gerade weil du nichts davon preisgibst). Sind diese Beziehungen wirklich so oberflächlich? Oder schätzt du deine Freunde da vielleicht falsch ein ..?
Eigentlich hatte ich das immer angenommen, aber so ganz stimmt das wohl nicht. Was wohl ankommt ist die Botschaft zwischen den Zeilen, nämlich "lass mich in Ruhe, das geht dich nix an". Und akzeptieren, dass ich nicht darüber reden will, a la, so is'se halt, die Goldbeere. Ob sie mir nun glauben, wie auch immer es mir "angeblich" geht, keine Ahnung. Von einzelnen weiß ich, dass sie zwar wissen, dass ich nichts sage, aber er in dem Fall kann nicht sagen, was nun echt ist und was nicht. Insgesamt vermute ich, ist klar, dass ich spiele, nur wann und ob ist die Frage.

Eine Freundin, von der ich auch ein stehendes Angebot für alle Lebenslagen habe, meinte, sie denkt, dass ich weiß, dass sie für mich da wäre, und dann ist es an mir, darüber zu reden. Hat sie ja auch recht. Tu ich mir hart mit.

Sie hat mir auch als erste gesagt, dass sie von mir eigentlich nur zwei Emotionen kennt ... Ärger, wenn Leute irgendwelche komischen Dinge tun, mit denen ich zurecht kommen muss, und die daraus resultierende Überforderung, wenn es um Gefühle geht.
(Und was den Ärger angeht, bin ich mir dessen offenbar nur selten überhaupt bewusst)

X hat sich in so einer Situation einfach mal mir gegenüber gesetzt und meinte, Goldbeere, du kannst mich nicht belügen, ich weiß, dass du leidest, also hör endlich auf so zu tun, als ob und erzähl was los ist. Das hat funktioniert, was das spezifische Problem anging, ich hab mich X gegenüber furchtbar geschämt, weil ich es dann irgendwann erzählt habe und mich noch mehr hilflos verhalten als sonst. Und hab mich hinterher deswegen elend gefühlt, weil ich dachte, er könne mich wegen des Problems nicht mehr mögen und weil ich mich so hilflos verhalte.

Die andere Strategie ist wohl gesünder.
Aber auch ohne Gefühle, sondern schön sachlich und geordnet. Dass ich jemanden anrufe, weil's mir gerade nicht gut geht, kommt höchst selten vor, meistens habe ich gar kein Bedürfnis danach. Finde ich aber auch okay soweit.
Manchmal rufe ich dann jemanden an, um einfach zu plaudern. Bevorzugt Leute, die, vermute ich, dann schon den Verdacht haben, mir ginge es nicht gut, aber das soweit akzeptieren, und erst in der Mitte des Gesprächs fragen, warum ich überhaupt anrufe (abgesehen von X ... )
Womit ich regelmäßig Probleme kriege, ist, wenn ich angerufen werde, wenn's mir gerade nicht gut geht.
Ich geh dann konsequent nicht an Telefon/Haustür. Deshalb schreck ich auch immer furchtbar hoch, wenn es läutet, dann überlege ich, ob Gesellschaft gerade ok ist, und wenn nicht dann verkriech ich mich irgendwo, wo mich keiner sehen kann und warte bis es wieder ruhig wird.
In einem Tanzkurs mit einem fremden Tanzpartner würde ich ne komplette Krise kriegen.
Dann liegt es eher am Fremden, denn am Berühren?
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Beitrag Do., 06.03.2008, 04:58

Hey Goldbeere
Goldbeere hat geschrieben:Was wohl ankommt ist die Botschaft zwischen den Zeilen, nämlich "lass mich in Ruhe, das geht dich nix an". Und akzeptieren, dass ich nicht darüber reden will, a la, so is'se halt, die Goldbeere. (...) Insgesamt vermute ich, ist klar, dass ich spiele, nur wann und ob ist die Frage.
Das ist doch eigentlich total schön. Dass sie dich so annehmen, wie du dich zeigst. Sich nicht bedroht fühlen, nicht manipulieren oder rumbohren, und dass sie "da" bleiben. Ich weiß nicht, wie's dir damit geht. Mich selbst hat dieses "So isse halt" früher öfter verletzt, weil ich eigentlich wollte, dass sie hinter die Fassade blicken, meinen Schmerz sehen und am besten gleich noch perfekt damit umgehen, mir genau das geben, was ich brauche, ohne dass ich das verbalisieren muss. Heute, wo ich davon ein ganzes Stück abgerückt bin, weiß ich ein "So isse halt" sehr zu schätzen. Sicher einerseits, weil es "mich in Ruhe lassen" bedeutet, weil ich irgendwie vom einen Extrem ins andere gerutscht bin (Pseudounabhängigkeit). Aber auch, weil ich (wieder erst kürzlich mit besagter Freundin) die Erfahrung gemacht habe, dass es manche Menschen verunsichert, dass ich nicht so viel von mir zeige, und sie dann anfangen, fordernd zu werden oder aggressiv. Und ich selbst bin auch so jemand, der mit Verborgenem nicht gut klar kommt; fühl mich leicht bedroht dadurch, empfinde den anderen als unberechenbar. Von daher genieße ich die Gelassenheit und Akzeptanz sehr, die in diesem "So isse halt" steckt. Dass man mich auch in meiner Unperfektheit (sprich der Unfähigkeit, mich zu öffnen und verletzbar zu machen) annehmen kann.

Bei dir klingt es danach, dass du dich eigentlich schon nach jemandem sehnst, der dich durchschauen kann (siehe X), oder?

Goldbeere hat geschrieben:Das hat funktioniert, was das spezifische Problem anging, ich hab mich X gegenüber furchtbar geschämt, weil ich es dann irgendwann erzählt habe und mich noch mehr hilflos verhalten als sonst. Und hab mich hinterher deswegen elend gefühlt, weil ich dachte, er könne mich wegen des Problems nicht mehr mögen und weil ich mich so hilflos verhalte.
Und noch später? Ist dieses schlechte Gefühl irgendwann verschwunden?

Ich bin inzwischen mehr denn je auf dem Trip "Ich rede/mache, wenn ich will". Ich hab mich schon öfter von anderen dazu bringen lassen, über Dinge zu reden oder Dinge zu tun, ohne mich wirklich bereit dafür zu fühlen, oder mich selbst dazu gezwungen. Kann mich nicht erinnern, damit schon mal nachhaltig gute Erfahrungen gemacht zu haben. Über kurz oder lang, so erleichternd und richtig es sich im jeweiligen Moment auch angefühlt haben mag, hat mich mein Elendsgefühl wieder eingeholt und meine ursprüngliche Vorsicht sich auch manchmal als völlig berechtigt herausgestellt.
Man macht sich ja auch ein Stück weit hilflos, wenn man sich in seiner Verletzlichkeit "gewaltsam aufmacht". In dem Moment, wo ich selbst eigentlich gar nicht mit etwas umgehen kann und mich aber trotzdem öffne, gebe ich meinem Gegenüber Macht über mich. Wenn man dann nicht in der Lage oder bereit ist zu vertrauen, kann sowas eigentlich nur schief gehen *denk*. Aber in dem Moment, wo ich mich bewusst dafür entscheide(n kann), jemandem zu vertrauen - dem für mich halt das Gefühl vorausgehen muss, es ist okay -, kann ich auch die Verantwortung für mich übernehmen und mich selbst auffangen, wenn es dann trotzdem schief geht.
Mag sein, dass meine Einstellung (zu) sehr von Misstrauen geprägt ist, aber ihr wohnt auch eine Form von Bewusstheit und Handlungs- bzw. Entscheidungsfähigkeit inne, die mir gut tut. Ich hab mich früher viel zu oft als Spielball anderer Menschen gefühlt ...

Goldbeere hat geschrieben:Ich geh dann konsequent nicht an Telefon/Haustür. Deshalb schreck ich auch immer furchtbar hoch, wenn es läutet, dann überlege ich, ob Gesellschaft gerade ok ist, und wenn nicht dann verkriech ich mich irgendwo, wo mich keiner sehen kann und warte bis es wieder ruhig wird.
Ja, ich meistens auch. Allerdings krieg ich zunehmend Probleme, je mehr ich mich in meine Freundschaften einbinde. Das löst einen Gewissenskonflikt aus, mit dem ich nicht gut klarkomme. Eigentlich, finde ich, ist es mein gutes Recht, nicht jederzeit und für jeden erreichbar, verfügbar zu sein. Andererseits merke ich schon, dass dem zugrunde eine große Angst liegt, durch andere kontrolliert zu werden. Ergo kontrolliere ich verstärkt, um dem zu entgehen. Das ist wohl ein klassisches Nähe-Distanz-Problem, weil ich mich in Kontakten schlecht abgrenzen kann. Also grenze ich mich von Kontakten ab (und schließe andere damit aus meinem Leben aus).

Genau das wurde mir von besagter Freundin übrigens auch vorgeworfen, nachdem ich ein paar Tage telefonisch nicht erreichbar war. So gut ich das auch nachvollziehen kann, fand ich's von ihr nun wieder extrem, weil ich ihr immerhin mitgeteilt hatte, dass ich grad in Rückzugsstimmung sei und ein bisschen Zeit für mich bräuchte. (Was ich einen guten Kompromiss finde, mit dem ich auch vermeiden kann, mich "fordernd zurückzuziehen", also Verantwortung wegzuschieben.) Später sagte sie mir, dass sie jeden Tag versucht hätte, mich anzurufen, weil sie sich Sorgen gemacht hätte ... Sie äußerte auch, dass sie meine Einstellung schrecklich fände, dass ICH allein darüber entscheide, wann ich wie viel über mich selbst erzähle. Naja, darauf hab dann ich wieder aggressiv meine Grenzen und Autonomie verteidigend reagiert, hab da völlig dicht gemacht. Da sind echt zwei Extreme aufeinandergekracht

Goldbeere hat geschrieben:Dann liegt es eher am Fremden, denn am Berühren?
Hm, ja. Die Berührung selbst ist wohl eher nicht das Problem. Eigentlich hab ich immer (ganz massiv) Angst davor, ein anderer könnte mich, "aus der Nähe betrachtet", abstoßend finden. Ich glaub zwar nicht, dass es das ist, worum's da wirklich geht, aber es ist das, was ich jedes Mal fühle.

Bei dir ist es aber auch nicht das Berühren an sich, das Probleme bereitet, oder? Weil
Goldbeere hat geschrieben:rituelle Handlungen wie Tanzen oder die klassische Begrüßungs/Abschiedsumarmung sind ok, da wird auch meist nicht erwartet, dass tatsächlich Kontakt stattfindet. Wenn ich mit fühlen beschäftigt bin, dann geht Anfassen gar nicht.
Mir fällt da ein, wie bzgl. des inneren Kindes immer von "Kontakt zu sich selbst" die Rede ist. = Du kannst (Körper)Kontakt ab, wenn du mit dir nicht in Kontakt bist? Nähe zu dir selbst verträgt sich nicht mit Nähe zu anderen? Was bedeuten denn Berührungen, wenn du gerade "mit Fühlen beschäftigt" bist?


LG,

thorn

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Goldbeere
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Beitrag Do., 06.03.2008, 10:39

Hallo thorn,

so viel Stoff am frühen Morgen .
Eigentlich hab ich immer (ganz massiv) Angst davor, ein anderer könnte mich, "aus der Nähe betrachtet", abstoßend finden. Ich glaub zwar nicht, dass es das ist, worum's da wirklich geht, aber es ist das, was ich jedes Mal fühle.
Im körperlichen Sinne abstoßend oder als Ganzes? Hast du dieses Gefühl nur, wenn es um Berührungen geht oder auch wenn jemand dir räumlich nah ist?
Mir fällt da ein, wie bzgl. des inneren Kindes immer von "Kontakt zu sich selbst" die Rede ist. = Du kannst (Körper)Kontakt ab, wenn du mit dir nicht in Kontakt bist? Nähe zu dir selbst verträgt sich nicht mit Nähe zu anderen? Was bedeuten denn Berührungen, wenn du gerade "mit Fühlen beschäftigt" bist?
Ich weiß nicht, ob ich dann noch die Kontrolle über mich selbst hätte.
Das wäre wie wenn jemand bei einem Staudamm den Stöpsel zieht. Ich hätte Angst, dass das filigrane Segelboot im Stausee das nicht überlebt.

Dann kommen Gefühle hoch, gegenüber denen ich mich hilflos fühle, die ich nicht zulassen möchte. Nicht alle auf einmal.
Den nötigen geistigen Gegendruck zu erzeugen, damit die Schachteln alle im Regal bleiben, macht mich dann erstmal zum Zombie, ich friere innerlich ein und dann sind auch die anderen Gefühle, also die, die grad ganz vorsichtig ihre Köpfchen rausgestreckt haben, schön plattgebügelt. Dann bin ich wieder perfekt rational und gefasst und sachlich, aber ich hab Schwierigkeiten, das Zittern/innere Zittern zu unterdrücken, bin verspannt und mir ist kalt.
Was bedeuten denn Berührungen, wenn du gerade "mit Fühlen beschäftigt" bist?
So kann ich das gerade gar nicht beantworten, nur eben beschreiben, was es aus meiner Sicht mit mir macht.
Von daher genieße ich die Gelassenheit und Akzeptanz sehr, die in diesem "So isse halt" steckt. Dass man mich auch in meiner Unperfektheit (sprich der Unfähigkeit, mich zu öffnen und verletzbar zu machen) annehmen kann.
Ein sehr schöner Gedankengang! Danke.

Ja, da ist wohl viel Wahres dran. Hm, an Stellen, wo ich dann tatsächlich meine Wünsche geäußert habe, z.B. nach ein bisschen Kontakt, nachdem ich aus meiner Rückzugsphase wieder raus war, sind sie mir dann auch entgegengekommen.

Das ist eine wirklich gute Betrachtungsweise.

Es hätte halt manches leichter gemacht, wenn ich die Verantwortung auf die anderen hätte abschieben können.
Früher hab ich einfach alles an Verantwortung genommen, das ich kriegen konnte, und mich damit verrückt gemacht. Aber es ist wohl besser, meinen Teil davon zu behalten und nur den Rest zurückzugeben.

Und wenn man mich nicht gefragt hat, dann war es schon total schwierig überhaupt über die tatsächlichen Vorkommnisse zu sprechen, und darüber zu reden, tat gelegentlich schon gut. Also nicht über meine Gefühle, sondern nur über das, was passiert ist.

Inzwischen erzähl ich da manches von selbst, aber manchmal würd ich mir wünschen, dass jemand einfach nur feststellt, dass es mir nicht gut geht, also mir mitteilt, dass er meine lächelnde Fassade durchschaut, ohne nachzubohren. Aber es liegt in meiner Verantwortung, da dann einfach nicht zu lächeln, ich muss ja anschließend auch nicht einmal drüber reden, wenn ich nicht mag.
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Goldbeere
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Beitrag Do., 06.03.2008, 13:11

Bei dir klingt es danach, dass du dich eigentlich schon nach jemandem sehnst, der dich durchschauen kann (siehe X), oder?
In diesem Sinne, ja.

Aber,
Das hat funktioniert, was das spezifische Problem anging, ich hab mich X gegenüber furchtbar geschämt, weil ich es dann irgendwann erzählt habe und mich noch mehr hilflos verhalten als sonst. Und hab mich hinterher deswegen elend gefühlt, weil ich dachte, er könne mich wegen des Problems nicht mehr mögen und weil ich mich so hilflos verhalte.
Und noch später? Ist dieses schlechte Gefühl irgendwann verschwunden?
das war eigentlich falsch. Der Sachverhalt, um den es ging, war, dass ich etwas getan hatte, dass ich gar nicht tun wollte, weil ich mich nicht abgrenzen konnte.
Und eigentlich ist mir mit X in der Situation dasselbe passiert.

Es ist paradox. Obwohl ich mich elend gefühlt habe, wollte ich nicht darüber reden, was konkret passiert war, und schon gar nicht mit X.
Aber ich konnte mich auch nicht gegen ihn zur Wehr setzen und bin unter dem Druck dann eingebrochen. Eigentlich war das nicht fair. Eigentlich hätte ich mir in der Situation gewünscht, dass jemand meinen Schmerz zur Kenntnis nimmt, und mich tröstet, ohne mich dabei zu verletzen.

Insgesamt hat die ganze Episode unserem Verhältnis nicht gut getan.
X war zwar da, aber es fühlte sich für mich an, als wäre er innerlich hunderte von Kilometern weit weg. Ich vermute, er war im Nachhinein auch nicht besonders glücklich über das, was ich dann erzählt habe ...

Keine schöne Erinnerung, insgesamt.
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kamikatze
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Beitrag Do., 06.03.2008, 21:58

Liebe alle!
ich bin ein paar tage (oder wochen?) auf einem selbstauferlegten internet-entzug gewesen. ich hatte das gefühl, ich tummle mich einbisschen zuviel und ausgiebig im virtuellen rum, um mich vor anderem (anstehendem) zu drücken. ,habe also versucht, mir da einbisschen gegensteuer zu geben. sorri für meine funkstille.

ich habe eure beiträge gelesen. ich finde es toll, wie mutig ihr euch zeigt in den fragilen seiten. und die tummelwiese wirklich dazu verwendet, neue muster auszuprobieren oder alte zu hinterfragen. ich glaube daran, dass so ein forum ein sprungbrett für neues im leben sein kann. so wie therapie ja eigentlich auch.

ich habe vor meinem therap-fritze grosse achtung, bin beeindruckt über mancherlei. vor allem freut mich das unabdingbare in der "beziehung". und es geht mir allmählich ein licht auf, dass ich nichts spektakuläres machen muss, dass er mich als mensch annimmt. ich finde das ein enorm grosszügiges geschenk.

eure letzten posts beere und thorn, lese ich vor allem als ein ringen um eine balance im hochseilakt um nähe und distanz austariereren in allen möglichen und unmöglichen beziehungen. und ich finde es eine gute idee, sich selbst erst annehmen zu lernen, bevor frau sich wieder auf eine beziehung einlässt. ich lebe das so auch seit fast einem jahr. ich habe auch meine einsamen episoden, zur zeit erfüllt es mich sehr. ich habe letzthin jemanden kennengelernt, da wusste ich: "diese type mann muss es sein. meine deckelsorte gibts offenbar doch". so weiss ich nun, dass es diesen silberstreifen am horizont tatsächlich geben kann. mehr brauche ich zur zeit nicht.

Nehmt ihr mich wieder in euren zirkel der tummelwiese auf? liebe grüsse, kuschelkatze

P-S- Beerchen: Ist (Auto) Aggression nicht auch eine Form von Nähe (zeigen)???
Ich rotiere höchstens,
wenn ich Opfer des Rotationsprinzips werde...

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