Hey Goldbeere
Goldbeere hat geschrieben:Was wohl ankommt ist die Botschaft zwischen den Zeilen, nämlich "lass mich in Ruhe, das geht dich nix an". Und akzeptieren, dass ich nicht darüber reden will, a la, so is'se halt, die Goldbeere. (...) Insgesamt vermute ich, ist klar, dass ich spiele, nur wann und ob ist die Frage.
Das ist doch eigentlich total schön. Dass sie dich so annehmen, wie du dich zeigst. Sich nicht bedroht fühlen, nicht manipulieren oder rumbohren, und dass sie "da" bleiben. Ich weiß nicht, wie's dir damit geht. Mich selbst hat dieses "So isse halt" früher öfter verletzt, weil ich eigentlich wollte, dass sie hinter die Fassade blicken, meinen Schmerz sehen und am besten gleich noch perfekt damit umgehen, mir genau das geben, was ich brauche, ohne dass ich das verbalisieren muss. Heute, wo ich davon ein ganzes Stück abgerückt bin, weiß ich ein "So isse halt" sehr zu schätzen. Sicher einerseits, weil es "mich in Ruhe lassen" bedeutet, weil ich irgendwie vom einen Extrem ins andere gerutscht bin (Pseudounabhängigkeit). Aber auch, weil ich (wieder erst kürzlich mit besagter Freundin) die Erfahrung gemacht habe, dass es manche Menschen verunsichert, dass ich nicht so viel von mir zeige, und sie dann anfangen, fordernd zu werden oder aggressiv. Und ich selbst bin auch so jemand, der mit Verborgenem nicht gut klar kommt; fühl mich leicht bedroht dadurch, empfinde den anderen als unberechenbar. Von daher genieße ich die Gelassenheit und Akzeptanz sehr, die in diesem "So isse halt" steckt. Dass man mich auch in meiner Unperfektheit (sprich der Unfähigkeit, mich zu öffnen und verletzbar zu machen) annehmen kann.
Bei dir klingt es danach, dass du dich eigentlich schon nach jemandem sehnst, der dich durchschauen kann (siehe X), oder?
Goldbeere hat geschrieben:Das hat funktioniert, was das spezifische Problem anging, ich hab mich X gegenüber furchtbar geschämt, weil ich es dann irgendwann erzählt habe und mich noch mehr hilflos verhalten als sonst. Und hab mich hinterher deswegen elend gefühlt, weil ich dachte, er könne mich wegen des Problems nicht mehr mögen und weil ich mich so hilflos verhalte.
Und noch später? Ist dieses schlechte Gefühl irgendwann verschwunden?
Ich bin inzwischen mehr denn je auf dem Trip "Ich rede/mache, wenn
ich will". Ich hab mich schon öfter von anderen dazu bringen lassen, über Dinge zu reden oder Dinge zu tun, ohne mich wirklich bereit dafür zu fühlen, oder mich selbst dazu gezwungen. Kann mich nicht erinnern, damit schon mal
nachhaltig gute Erfahrungen gemacht zu haben. Über kurz oder lang, so erleichternd und richtig es sich im jeweiligen Moment auch angefühlt haben mag, hat mich mein Elendsgefühl wieder eingeholt und meine ursprüngliche Vorsicht sich auch manchmal als völlig berechtigt herausgestellt.
Man
macht sich ja auch ein Stück weit hilflos, wenn man sich in seiner Verletzlichkeit "gewaltsam aufmacht". In dem Moment, wo ich selbst eigentlich gar nicht mit etwas umgehen kann und mich aber trotzdem öffne, gebe ich meinem Gegenüber Macht über mich. Wenn man dann nicht in der Lage oder bereit ist zu
vertrauen, kann sowas eigentlich nur schief gehen *denk*. Aber in dem Moment, wo ich mich bewusst dafür entscheide(n
kann), jemandem zu vertrauen - dem für mich halt das Gefühl vorausgehen muss,
es ist okay -, kann ich auch die Verantwortung für mich übernehmen und mich selbst auffangen, wenn es dann trotzdem schief geht.
Mag sein, dass meine Einstellung (zu) sehr von Misstrauen geprägt ist, aber ihr wohnt auch eine Form von Bewusstheit und Handlungs- bzw. Entscheidungsfähigkeit inne, die mir gut tut. Ich hab mich früher viel zu oft als Spielball anderer Menschen gefühlt ...
Goldbeere hat geschrieben:Ich geh dann konsequent nicht an Telefon/Haustür. Deshalb schreck ich auch immer furchtbar hoch, wenn es läutet, dann überlege ich, ob Gesellschaft gerade ok ist, und wenn nicht dann verkriech ich mich irgendwo, wo mich keiner sehen kann und warte bis es wieder ruhig wird.
Ja, ich meistens auch. Allerdings krieg ich zunehmend Probleme, je mehr ich mich in meine Freundschaften einbinde. Das löst einen Gewissenskonflikt aus, mit dem ich nicht gut klarkomme. Eigentlich, finde ich, ist es mein gutes Recht, nicht jederzeit und für jeden erreichbar,
verfügbar zu sein. Andererseits merke ich schon, dass dem zugrunde eine große Angst liegt, durch andere kontrolliert zu werden. Ergo kontrolliere
ich verstärkt, um dem zu entgehen. Das ist wohl ein klassisches Nähe-Distanz-Problem, weil ich mich
in Kontakten schlecht abgrenzen kann. Also grenze ich mich
von Kontakten ab (und schließe andere damit aus meinem Leben aus).
Genau das wurde mir von besagter Freundin übrigens auch vorgeworfen, nachdem ich ein paar Tage telefonisch nicht erreichbar war. So gut ich das auch nachvollziehen kann, fand ich's von ihr nun wieder extrem, weil ich ihr immerhin
mitgeteilt hatte, dass ich grad in Rückzugsstimmung sei und ein bisschen Zeit für mich bräuchte. (Was ich einen guten Kompromiss finde, mit dem ich auch vermeiden kann, mich "fordernd zurückzuziehen", also Verantwortung wegzuschieben.) Später sagte sie mir, dass sie jeden Tag versucht hätte, mich anzurufen, weil sie sich Sorgen gemacht hätte ... Sie äußerte auch, dass sie meine Einstellung schrecklich fände, dass ICH allein darüber entscheide, wann ich wie viel über mich selbst erzähle. Naja, darauf hab dann ich wieder aggressiv meine Grenzen und Autonomie verteidigend reagiert, hab da völlig dicht gemacht. Da sind echt zwei Extreme aufeinandergekracht
Goldbeere hat geschrieben:Dann liegt es eher am Fremden, denn am Berühren?
Hm, ja. Die Berührung selbst ist wohl eher nicht das Problem. Eigentlich hab ich immer (ganz massiv) Angst davor, ein anderer könnte mich, "aus der Nähe betrachtet", abstoßend finden. Ich glaub zwar nicht, dass es das ist, worum's da wirklich geht, aber es ist das, was ich jedes Mal fühle.
Bei dir ist es aber auch nicht das Berühren an sich, das Probleme bereitet, oder? Weil
Goldbeere hat geschrieben:rituelle Handlungen wie Tanzen oder die klassische Begrüßungs/Abschiedsumarmung sind ok, da wird auch meist nicht erwartet, dass tatsächlich Kontakt stattfindet. Wenn ich mit fühlen beschäftigt bin, dann geht Anfassen gar nicht.
Mir fällt da ein, wie bzgl. des inneren Kindes immer von "Kontakt zu sich selbst" die Rede ist. = Du kannst (Körper)Kontakt ab, wenn du mit dir nicht in Kontakt bist? Nähe zu dir selbst verträgt sich nicht mit Nähe zu anderen? Was bedeuten denn Berührungen, wenn du gerade "mit Fühlen beschäftigt" bist?
LG,
thorn