Exjunkie und 60 Jahre

Dieser Bereich dient zum Austausch über Entzug, Entwöhnung und Therapie von substanzbezogenen Abhängigkeiten (wie Alkohol, Heroin, Psychedelische Drogen, Kokain, Nikotin, Cannabis, Zucker,..)
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schreinerin
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Exjunkie und 60 Jahre

Beitrag Di., 03.02.2015, 17:55

Hallo, ich bin neu hier.
Gibt es bei Euch jemanden in meinem Alter, mit dem ich mich austauschen könnte?
Gruß

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Admin
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Beitrag Di., 03.02.2015, 23:14

Liebe schreinerin,

ich denke, es wäre zum Anstoß eines "Austausches" nützlich, wenn Sie zunächst ein wenig über Ihre Situation schreiben.

Freundliche Grüße und herzlich willkommen im PT-Forum!
admin

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schreinerin
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Beitrag Mi., 04.02.2015, 15:32

Ok, danke für den Tipp!

Ich war mit Mitte 20 Junkie und hab alles mitgenommen, was ich so kriegen konnte. Das Ganze lief gottseidank nicht so ewig ( ca 1,5 Jahre ). Ich wurde zusammen mit meinem Freund verhaftet, nach U-Haft Bewährung mit Auflagen und dann kam ich gleich in eine Drogentherapie. Ich war so froh und dankbar, aus dem ganzen Scheiß rausgerissen zu werden! Die Therapie war in einer anderen Stadt und ich bin dann auch nie wieder in meine Heimatstadt zurückgezogen und habe deshalb alle Kontakte abgebrochen, was einfach meine Rettung war.
Ich habe die Kurve gekriegt, einen Beruf gelernt, gearbeitet, eine Familie gegründet (3 Kinder, die ich sehr liebe),usw...

Aber jetzt kommt der Punkt über den ich mich gerne mit Anderen austauschen würde:

Seit einigen Jahren merke ich immer öfter, dass ich in depressive Stimmungen abrutsche. Am Anfang war es nur im Herbst, aber dieses Mal ist es besonders schlimm und ich kämpfe seit letzten Herbst die ganze Zeit mit Depressionen. Ich mache Sport, gehe tanzen... aber alles hilft nur kurz. Ich habe einfach keine Freude am Leben und was das Schlimmste ist, ich habe immer eine unbestimmte starke Sehnsucht nach irgendwas, nach einem anderen Leben.... Es ist, als ob mir nichts Freude machen kann, weil ich was ganz anderes will.....
Vor 2 Wochen kam dieser Tatort im Fernsehen, wo`s um Cristal Meth ging. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen : ich sehne mich nach diesen irren Gefühlen und Erlebnissen zurück !!!!! Nach dieser Intensität !!!
Und jetzt bin ich völlig geschockt über mich selbst. Ich habe überhaupt nichts vergessen von damals !! Es macht mich total fertig.

Gibt es hier im Forum jemanden, der das auch kennt??? Ich muss da wieder rauskommen.....


Vincent
[nicht mehr wegzudenken]
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Beitrag Mi., 04.02.2015, 15:37

Hallo Schreinerin,

wie hast du denn die letzten ca. vier Jahrzehnte empfunden? (Du gibst ja an, sechzig zu sein, und mit Anfang Zwanzig für relativ kurze Zeit Drogen genommen zu haben. Dazwischen liegt mein ganzes bisheriges Leben.)
"Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu." (Horvàth)

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schreinerin
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Beitrag Mi., 04.02.2015, 16:14

Hallo Vincent,
ich hab mein Leben als ziemlich anstrengend empfunden. Mir ist nichts richtig leicht gefallen- außer vielleicht, die Kinder großzuziehen .Da hatte ich erstaunlicherweise immer großes Vertrauen. Auch die Beziehung zu meinem Mann war ewiglang anstrengend und kompliziert. Zur Zeit machen wir grade Paartherapie (zum zweiten Mal) und das tut uns gut.
Ich hab auch erst mit 39 Jahren angefangen, Kinder zu kriegen - sie sind alle gesund und gutgeraten.
Gruß

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Verocasa
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Beitrag Mi., 04.02.2015, 17:30

Das, wonach Du Dich sehnst, ist eine Illusion - das weißt Du, oder? Denn das, was Du mit Mitte Zwanzig hattest, käme niemals zurück, ob mit oder ohne Drogen. Nur wäre es "mit" mit Sicherheit das Ende, jetzt mit 60...

Verschaff Dir anders Sensationen, besteige einen Berg, fliege nach Afrika in die Wüste oder mach sonst was - aber mach das, was Dir am Ende etwas gibt, nicht alles nimmt, wie es die Droge tut.

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schreinerin
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Beitrag Do., 05.02.2015, 13:45

Danke, Verocasa!
ich hab auch nicht vor, rückfällig zu werden.
Ich brauche bloß einen neuen Sinn für mein Leben. Und da bin ich ziemlich hilflos. Ich glaub, ich hab auch Angst vor dem Altern.

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Verocasa
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Beitrag Do., 05.02.2015, 14:18

Ja, das verstehe ich nur zu gut, Schreinerin! Das Alter ist eine Herausforderung, aber hallo! Es ist gut, früh genug damit zu beginnen, älter zu werden.

Ich werfe schon mal einen Blick voraus, ob ich mir etwas Ehrenamtliches suche ...

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Mohnstrudel
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Beitrag Di., 10.02.2015, 14:25

Hallo Schreinerin,
hier bin ich, Junkie seit gut 45 Jahren und aktuell 60+ Jahre alt. Einmal Junkie, immer Junkie, auch wenn ich heute nicht mehr schieße und grundsätzlich wesentlich bedachter mit Drogen umgehe als "damals" in der "guten alten Zeit"
Ich hab' "nur" zwei Kinder, die sind schon um die 30, drogenfrei, und was mir fast noch wichtiger erscheint, wir sind echte Freunde.
Beruflich hab' ich auch einiges weitergebracht, trotz aller wirklich heftigen Süchte und Exzesse.
Probleme habe ich keine, wenn überhaupt, könnte ich nur auf sehr hohem Niveau klagen. Klar, man wird nicht jünger, aber das Alter ist nun einmal die Zeit der Reflexion. Das bedeutet keinesfalls, daß man nur dasitzen und über die eigene Vergangenheit nachgrübeln sollte. Sogar das kann einen auf neue Wege führen - man muß sie nur beschreiten. "Es gibt nichts Gutes, es sei denn, man tut es." sagte Kästner einmal. Ein guter Spruch, der in jedem Stammbuch stehen sollte
Von mir aus steht einem Gedankenaustausch nichts im Wege
Gruß vom Mohnstrudel

PS: Gedanken (und natürlich auch Finger) weg vom Crystal, das wäre viel zu anstrengend (ganz abgesehen von den anderen Nachteilen) für uns ältere Semester !

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schreinerin
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Beitrag Di., 10.02.2015, 21:24

Hallo Mohnstrudel!!

Keine Sorge, ich hab nicht vor wieder rückfällig zu werden.
Aber ich bin grade in einer richtigen Krise. Das Leben erscheint mir nur noch fade.

Sag mal, bist du jetzt eigentlich völlig suchtfrei? Ich nicht. Wahrscheinlich findest du das witzig, aber ich schwanke immer zwischen Schokoladenexzessen , Alkohol und Abdriften in Filme und Serien. Irgendwie ertrage ich das Leben nicht ohne.
Gruß Schreinerin

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Samt&Seide
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Beitrag Di., 10.02.2015, 21:49

Was ich hier lese, kommt mir vor wie "Kriegsgeschichten austauschen".

Obwohl ihr doch Erinnerungen haben müsst, die furchtbar sind (was ist wirklich schön an Suchterlebnissen?) und Einsichten, die euch zum Aufhören bewegt haben, zieht es euch geradezu wehmütig zu dieser Zeit zurück?

Bei mir würde ein Warnglöckchen läuten.

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Mohnstrudel
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Beitrag Mi., 11.02.2015, 09:35

Samt&Seide hat geschrieben:Was ich hier lese, kommt mir vor wie "Kriegsgeschichten austauschen".

Obwohl ihr doch Erinnerungen haben müsst, die furchtbar sind (was ist wirklich schön an Suchterlebnissen?) und Einsichten, die euch zum Aufhören bewegt haben, zieht es euch geradezu wehmütig zu dieser Zeit zurück?

Bei mir würde ein Warnglöckchen läuten.
So kann man sich auf der ganzen Linie irren, Samt&Seide
Es gehört zu den urmenschlichen Eigenschaften, negative Dinge eher zu verdrängen (sie verblassen auch von selbst im Laufe der Zeit) und positive länger im Gedächtnis zu behalten. Ganz speziell gilt das im Bereich Drogen. Die meisten jener Menschen, die keine Drogenerfahrung haben, vergessen, daß das Zeug einfach verdammt gut ist. Ich will da jetzt nicht über Drogen referieren, das wäre oT. Aber Du hast doch sicher schon einmal einen kleinen Rausch gehabt (Bier, Wein). Und ? Wie war's ? Ganz angenehm nehme ich an. Es gäbe da aber auch die Möglichkeit zu übertreiben und relativ schnell süchtig zu werden ...
Ich gehöre übrigens zur relativ seltenen menschlichen Unterart der Nichttrinker (gar nix und das seit einer "Testphase" in meiner Jugend).
Die Sucht hat mich sehr, sehr viele Dinge gelernt, brauchbare Dinge, wichtige Dinge. Aber von Wehmut kann keine Rede sein.
Übrigens, ich habe vor einigen Wochen aufgehört zu rauchen. Nach 49 Jahren. Ganz spontan.

@Schreinerin - was Dir Probleme bereitet ist mM nach eigentlich eine recht "normale" Geschichte, die man vielfach hört von Menschen, die "nichts mehr zu tun haben". Die Kinder sind weg, im Beruf kräht keiner mehr nach einem, alles Scheiße ... (die Sternchen habe nicht ich gemacht, es handelt sich um ein häufig gebrauchtes deutsches Substativ, von mir NICHT als Fäkalausdruck gewählt). Das ist durchaus vergleichbar mit dem "Loch" nach einem Substanzentzug. Da geht es einem, egal welchen Alters man ist, sehr ähnlich. Man meidet die vertraute Umgebung mit den vertrauten Leuten, es fehlen die Rituale der Sucht und es fehlt natürlich etwas im Kopf - das Feeling, an das man sich gewöhnt hat.
Vielleicht ist es diese Ähnlichkeit, die Dich an Drogen denken ließ.
Was macht man in solchen Situationen ? Man sucht etwas, womit man das Loch füllen kann. Die Möglichkeiten sind vielfach. Wer da im Wege steht, das ist der innere Schweinehund. Den muß man überwinden, dann geht's voran. Jene Dinge, die jetzt folgen könnten, klingen fast schon zu banal, man hört sie viel zu oft und viel zu selten werden sie umgesetzt: ein (neues) Hobby, Sport, etc. usw. usf.
Ich würde meinen, Du solltest etwas unternehmen, um Dein Selbstwertgefühl zu steigern. Da hapert's.

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Samt&Seide
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Beitrag Mi., 11.02.2015, 10:08

Die meisten jener Menschen, die keine Drogenerfahrung haben, vergessen, daß das Zeug einfach verdammt gut ist.
Solche Bemerkungen finde ich (zumindest einem Ex-Junkie gegenüber) unnötig bis fatal, für mich geht es (mit Kokain/Heroin/Morphin) hin zur Glorifizierung einer gefährlichen Substanz, tut mir leid. Die Rede ist nicht von Bonbons.

Da Du fragst: Einen Rausch durch Alkohol muss ich nicht haben. Ich finde ihn nicht angenehm. Wobei ein Glas Wein entspannen kann nach einem harten Tag, aber auch das sage ich jetzt nur der Ehrlichkeit halber, ich würde keinem Ex-Alkoholiker davon vorschwärmen.

Zwei Ex-Abhängige, die sich gegenseitig schwelgerisch von den "guten alten Zeiten" erzählen - wären wahrscheinlich auch nicht das, was die Abstinenzgruppen empfehlen würden; ich denke, in diesen wird nicht umsonst auf die Sucht-Abgründe der Schwerpunkt gelegt.

---

Um nicht missverstanden zu werden, ich sage meine Meinung, aber selbstverständlich will ich hier niemandem vorschreiben, was bzw. wie er "zu schreiben hat".

Und deinen letzten Absatz, Mohnstrudel, finde ich gut!

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Mohnstrudel
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Beitrag Mi., 11.02.2015, 10:34

Samt&Seide - wer erzählt hier von "guten alten Zeiten" ? Wer glorifiziert etwas ? Wer schwärmt wovon ? Antwort bitte !
Es ist eine REALITÄT, daß (Rausch)Drogen "gut" wirken, darum nehmen sie so viele Menschen. Das hat absolut nichts mit Glorifizierung zu tun ! Gar nichts !
Fatal finde ich hingegen, diese Realität auszublenden.
Ich erwähnte in meiner ersten Post folgendes: "Einmal Junkie, immer Junkie." Auch das ist eine Realität - zumindest in der Mehrzahl der Fälle. Und ich meinte es als Warnung, denn wer einmal gekostet hat, ist fast immer gefährdeter, als jemand, der's nicht tat. Um das bewußt zu machen, habe ich es geschrieben. Von wegen Glorifizierung !
Den Alkoholrausch mußt Du nicht haben - gut so - dennoch kann ein Glas Wein entspannen, also positiv wirken, meinst Du und Du hast bestimmt recht damit. Nicht mehr und nicht weniger wollte ich zum Ausdruck bringen. Aber deshalb wird kaum ein Ex-Alkoholiker zu trinken anfangen. Und wenn ich, ohne eine Droge zu nennen, meine, daß sie idR ebenfalls angenehm wirken auf die Konsumenten, wird das kaum dazu beitragen, irgendjemand in eine Sucht zurückzuführen.

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Samt&Seide
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Beitrag Mi., 11.02.2015, 11:46

wird das kaum dazu beitragen, irgendjemand in eine Sucht zurückzuführen.
Wenn du meinst… Meine Meinung darf ich aber trotzdem haben?

Und nun störe ich hier auch nicht mehr weiter. Tschau.

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