Wie kann ich meinen Freund verstehen?
Wie kann ich meinen Freund verstehen?
Mein Freund ist ein Philosoph, der zuweilen unter Aggressionsattacken leidet. Dann beschuldigt er die Gesellschaft der Repression und des Faschismus. Die Gesellschaft ist schuld an „seiner Kaputtheit“, gleichzeitig WILL er die Selbstzersetzung und das Grauen, es ist sein Projekt des Entsetzens, aus dem irgendwann ein literarischer Erguss fliessen sollte. Das alles beunruhigt mich nicht so sehr, wie die Tatsache, dass er manchmal ganz grausame splettermässige Phantasien äussert, die er mit Kindern oder Polizisten anstellen möchte. Wirklich nicht salonfähig! Dass er sich dann im Affekt noch selber schlägt, berührt mich mehr als unangenehm.
Ich finde es etwas kompliziert ihn zu verstehen, weil er einerseits sich für dieses Entsetzen bewusst zu entscheiden scheint, und andererseits den Aggressionen wie einer Krankheit ausgeliefert zu sein scheint. Zwischen bewusstem sich gegen die Gesellschaft und die Welt zu entscheiden und einer Art Sozialphobie ausgesetzt zu sein ist ein schmaler Grad, den er zu beschreiten scheint. Wie ein sich-Verbünden mit der Krankheit, oder ein radikales sich selber sein wollen. Auch wenn das dann bedeutet, dass man nicht arbeiten will, nicht unter die Leute gehen, die Gesellschaft und die Kleinbürgerlichkeit verachtend. – Aber eben dann auf der anderen Seite, extrem schamhaft sein, ja nicht auffallen wollen. Auffallend eitel ist er auch noch.
Ich finde es etwas kompliziert ihn zu verstehen, weil er einerseits sich für dieses Entsetzen bewusst zu entscheiden scheint, und andererseits den Aggressionen wie einer Krankheit ausgeliefert zu sein scheint. Zwischen bewusstem sich gegen die Gesellschaft und die Welt zu entscheiden und einer Art Sozialphobie ausgesetzt zu sein ist ein schmaler Grad, den er zu beschreiten scheint. Wie ein sich-Verbünden mit der Krankheit, oder ein radikales sich selber sein wollen. Auch wenn das dann bedeutet, dass man nicht arbeiten will, nicht unter die Leute gehen, die Gesellschaft und die Kleinbürgerlichkeit verachtend. – Aber eben dann auf der anderen Seite, extrem schamhaft sein, ja nicht auffallen wollen. Auffallend eitel ist er auch noch.
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Hallo Nanna,
das klingt ja sehr heftig, was du beschreibst. Er entrüstet sich über seine "Kaputtheit" und gleichzeitig zelebriert er sie richtiggehend, als wolle er die Karriere mancher Schriftsteller nachleben, die ihr Leben im "Elfenbeinturm" verbrachten, fast oder wirklich durch sich und das Leben zerstört wurden, aber dabei schöpferisch immerhin genial waren.
Wie äußert sich denn seine "Kaputtheit" sonst, außer dass er sich so zurückzieht und aggressiv wird, WEGEN dieser? Therapie wird er vermutlich ablehnen, oder war er schonmal in einer?
Wie lebt ihr denn? Diese Verachtung gegenüber der Gesellschaft, der Kleinbürgerlichkeit und so, macht doch Aktivitäten ziemlich schwierig? Ich kenne auch einen Philosophen, der ebenfalls sein "Anderssein" zelebriert, seine Verachtung gegenüber der Kleinbürgerlichkeit und der Bigotterie hegt und pflegt und versucht sich ohne Verpflichtungen (Job, beziehung) durchs Leben zu "schlängeln". Allerdings fehlt bei ihm die völlige Zurückgezogenheit und Aggressionen hat er auch nicht. So kenne ich die Einstellung deinen Freundes schon ein bisschen aber in Kombination, dass es ihm damit scheinbar alles andre als gut geht, ist das antürlich eine furchtbare Situation.
Macht es dir keine Angst, dass er sich zielgerichtet auf diese Entsetzen zubewegt? Welchen Stellenwert hat da eure Beziehung für ihn?
Liebe Grüße,
Mosaik
das klingt ja sehr heftig, was du beschreibst. Er entrüstet sich über seine "Kaputtheit" und gleichzeitig zelebriert er sie richtiggehend, als wolle er die Karriere mancher Schriftsteller nachleben, die ihr Leben im "Elfenbeinturm" verbrachten, fast oder wirklich durch sich und das Leben zerstört wurden, aber dabei schöpferisch immerhin genial waren.
Wie äußert sich denn seine "Kaputtheit" sonst, außer dass er sich so zurückzieht und aggressiv wird, WEGEN dieser? Therapie wird er vermutlich ablehnen, oder war er schonmal in einer?
Wie lebt ihr denn? Diese Verachtung gegenüber der Gesellschaft, der Kleinbürgerlichkeit und so, macht doch Aktivitäten ziemlich schwierig? Ich kenne auch einen Philosophen, der ebenfalls sein "Anderssein" zelebriert, seine Verachtung gegenüber der Kleinbürgerlichkeit und der Bigotterie hegt und pflegt und versucht sich ohne Verpflichtungen (Job, beziehung) durchs Leben zu "schlängeln". Allerdings fehlt bei ihm die völlige Zurückgezogenheit und Aggressionen hat er auch nicht. So kenne ich die Einstellung deinen Freundes schon ein bisschen aber in Kombination, dass es ihm damit scheinbar alles andre als gut geht, ist das antürlich eine furchtbare Situation.
Macht es dir keine Angst, dass er sich zielgerichtet auf diese Entsetzen zubewegt? Welchen Stellenwert hat da eure Beziehung für ihn?
Liebe Grüße,
Mosaik
Hallo Mosaik
er sagt:
"Angst ist sehr wohl politisch. Du bist einer Angst ausgeliefert, einer staatlichen Repression ausgeliefert zu werden, Angst vor dem Sozialamt, die dich nach Hilfeleistungen suchen lässt, die eben nicht da sind. Die schwer Depressiven unserer Gesellschaft haben nicht die Option depressiv zu sein, weil du bist ja dann arbeitsunfähig, weil du dann ja nicht reich bist. Nein, du hast die Option nicht.
Das Entsetzen ist politisch, vielleicht ist es die Forderung, dass es politisch ist."
...
Liebe Grüsse
Nanna
er sagt:
"Angst ist sehr wohl politisch. Du bist einer Angst ausgeliefert, einer staatlichen Repression ausgeliefert zu werden, Angst vor dem Sozialamt, die dich nach Hilfeleistungen suchen lässt, die eben nicht da sind. Die schwer Depressiven unserer Gesellschaft haben nicht die Option depressiv zu sein, weil du bist ja dann arbeitsunfähig, weil du dann ja nicht reich bist. Nein, du hast die Option nicht.
Das Entsetzen ist politisch, vielleicht ist es die Forderung, dass es politisch ist."
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Liebe Grüsse
Nanna
Seine Wut ist politisch. Seine Politik ist die Wut. Sein Verstand rettet ihn in die Theorie. Er wäre sonst Terrorist geworden.
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Das ist eine Ausrede dafür nicht für sein Glück selbst verantwortlich sein zu wollen.Nanna hat geschrieben:Seine Wut ist politisch..
Ja, die politische Situation ist zT nicht schön, aber wir leben in einem Land wo die Bürger nicht am Verhungern sind und es gibt schlicht und ergreifend noch andere Aspekte des Lebens, wo die politischen Zustände keinen Einfluss haben. Wenn ich zB mit dem Rad bei dem schönen Wetter durch den Park radle und den Vögeln zuhöre kann ich auch mal aufhören mich nur mit den negativen Aspekten die das Leben auch hat zu beschäftigen und das geniessen.
Der Mann ist ein blasierter Misanthrop, der zu faul, zu feige oder zu unfähig ist, was positives aus seinem Leben zu machen und die Verantwortung dafür bequem auf "die Gesellschaft" abwälzt.
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Das kann sehr gut ein Ausdruck einer psychischen Krankheit sein.Nanna hat geschrieben:und andererseits den Aggressionen wie einer Krankheit ausgeliefert zu sein scheint. Zwischen bewusstem sich gegen die Gesellschaft und die Welt zu entscheiden und einer Art Sozialphobie ausgesetzt zu sein ist ein schmaler Grad, den er zu beschreiten scheint..
Interessant, der Mann ist ein blasierter Misanthrop. Das ist er wohl, aber trotzdem ist denn sein Frust nicht doch etwas politisch? Er hat ein marxistisches Menschenbild, danach ist es nicht das Bewusstsein, das sich ändern muss, sondern die Produktionsbedingungen. "Der Mensch ist kein ausser der Welt hockendes Wesen", er ist ein Produkt der Gesellschaft, deshalb muss man auch die Amokläufer verstehen und nicht etwa dämonisieren.
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Das ist doch aufgrund dem nicht entsprechend entwickelten Bewusstsein der führenden Teilnehmer in den ehemaligen Ostblockstaaten spektakulär schief gegangen.Nanna hat geschrieben:danach ist es nicht das Bewusstsein, das sich ändern muss, sondern die Produktionsbedingungen.
Der Kommunismus scheitert an der genau gleichen menschlichen Eigenschaft wie der Kapitalismus, nämlich der menschlichen Gier, dem menschlichen Egoismus und der menschlichen Aggressivität.
Und er mit seiner Aggressivität ist genau einer dieser Leute die daran schuld sind warum der Kommunismus nicht funktioniert. Weil ein Kommunismus der funktionieren soll muss aus auf Altruismus und Mitmenschlichkeit gegründet sein weil sonst wird heute das System gestürzt, morgen bilden sich Räte aus den Führern der Revolution und übermorgen haben wir die nächste Diktatur. Das hatten wir ein paar Mal zu viel in den letzten Jahrtausenden.
Ich habe solche Feigenblattsozialisten echt gefressen..
Von der psychologischen Seite her kann man sagen, daß er da einen inneren Konflikt um den es eigentlich geht externalisiert,
Warum nicht ein bisschen kritisch sein, vieles deutet immer wieder auf Sozialabbau. Man verweist Rentenbezüger auf Beschäftigungsarbeiten, ohne dass sie etwas verdienen, so wird eine Art Sklaverei betrieben, nach der nur der Arbeitende eine Existenzberechtigung zu haben scheint. Ein übliches leistungsorientiertes Denken. Und das ist, da hat mein Freund recht, grausam. Es sind nicht alle für die Arbeitswelt geschaffen, viele sind zu empfindsam für diesen alltäglichen Wahnsinn. Das ist eben die Realität, dann kannste dann lange kommen, mit, ja, suche den Fehler bei dir selbst, und - was haste davon, wenn du ihn da gefunden hast, meinst Du, das ändert was. Die Arbeitsunfähigkeit und soziale Unverträglichkeit lässt sich auch mit gutem Willen nicht weg therapieren.
Hallo Nanna,
ich frage mich gerade, was jetzt genau das Thema hier ist. Geht es darum, ob dein Freund mit seiner Einstellung recht hat bzw. wie das zu verstehen ist oder darum, wie es dir mit seinem Denken und Verhalten geht. Du schreibst ja, dass dich seine Phantasien beunruhigen. Vielleicht macht dir das auch Angst? Wie stehst du denn dazu und kannst du ihm das sagen? Versucht er dich zu missionieren? Hast du Angst, dass wenn du ihn nicht verstehst und nicht auf seiner Seite stehst, du dann auch in sein Feinbild passen könntest? Glaubst du, dass er krank ist? ...
ich frage mich gerade, was jetzt genau das Thema hier ist. Geht es darum, ob dein Freund mit seiner Einstellung recht hat bzw. wie das zu verstehen ist oder darum, wie es dir mit seinem Denken und Verhalten geht. Du schreibst ja, dass dich seine Phantasien beunruhigen. Vielleicht macht dir das auch Angst? Wie stehst du denn dazu und kannst du ihm das sagen? Versucht er dich zu missionieren? Hast du Angst, dass wenn du ihn nicht verstehst und nicht auf seiner Seite stehst, du dann auch in sein Feinbild passen könntest? Glaubst du, dass er krank ist? ...
Es ist echt schwierig zu sagen, wie krank er ist. Er hat sicher mindestens leichte Persönlichkeitsstörungen, die ins Autistische und Depressive gehen, das Aggressive könnte auch einen narzistischen oder sogar psychotischen Aspekt haben. Aber bei allem Diagnostizieren will ich ihn ja auch als Mensch ernst nehmen, und wenn er sagt, dass es auch um Politik geht, dann kann ich das nachvollziehen. Wir leben in unserer Zeit, wir müssen uns mit den Bedingungen der Zeit arrangieren oder wir krepieren, und ihm scheint ein Leben vorzuschweben, in dem er möglichst wenig mit der Gesellschaft zu tun hat, also nicht arbeitet, dafür die geistige Entwicklung vorantreiben will, indem er liest und liest und liest.
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Besonders kommunistisch ist das jetzt aber nichtNanna hat geschrieben: und ihm scheint ein Leben vorzuschweben, in dem er möglichst wenig mit der Gesellschaft zu tun hat, also nicht arbeitet, dafür die geistige Entwicklung vorantreiben will, indem er liest und liest und liest.
Ich denke er sollte mal einen kompetenten Psychiater aufsuchen. HAt er denn bei der ganzen Sache irgend einern Leidensdruck?
Indem er soviel liest, hat er auf geistiger Eben natürlich trotzdem sehr viel mit Gesellschaft und Kultur zu tun, aber eben nicht direkt mit Menschen....
Den letzten Psychiater den er besucht hat, hat bei ihm Hasszustände ausgelöst. Es war ein faschistisches Arschloch, der mit einem völlig falschen Ansatz an seine Persönlichkeit herangegangen ist. Wie Du siehst, braucht es schon sehr viel Glück, dass ein Psychiater ihn "nehmen" kann. Aber, Du hast recht, er müsste in Behandlung. Finde ich auch. Wenn ich dereinst ein Kind von ihm will, haben dann seine Spletterphantasien keine Duldung mehr verdient.
Den letzten Psychiater den er besucht hat, hat bei ihm Hasszustände ausgelöst. Es war ein faschistisches Arschloch, der mit einem völlig falschen Ansatz an seine Persönlichkeit herangegangen ist. Wie Du siehst, braucht es schon sehr viel Glück, dass ein Psychiater ihn "nehmen" kann. Aber, Du hast recht, er müsste in Behandlung. Finde ich auch. Wenn ich dereinst ein Kind von ihm will, haben dann seine Spletterphantasien keine Duldung mehr verdient.
Randfrage:
Ziehen wir uns nicht alle ein Stück weit auch an der "nicht so schönen Situation heute" hoch?
Insofern machts Dein Freund gar nicht so viel anders als die allermeisten: Das, was in Ordnung ist, beseite schieben und sich am vermeintlich Schlechten orientieren. Das kann so weit gehen, dass daraus Selbstmordgedanken entstehen, und doch ist alles das im Endeffekt eine Frage der Sicht.
Wer mit grau eingefärbter Brille gucken WILL, nimmt sie nicht ab. DU musst schauen, ob DU das aushältst, nicht ob Du ihn ändern kannst, aus der Hand schlagen kannst Du ihm die frei gewählte Brille jedenfalls nicht.
War sie es je? Wenn ja: Wann?Ja, die politische Situation ist zT nicht schön
Ziehen wir uns nicht alle ein Stück weit auch an der "nicht so schönen Situation heute" hoch?
Insofern machts Dein Freund gar nicht so viel anders als die allermeisten: Das, was in Ordnung ist, beseite schieben und sich am vermeintlich Schlechten orientieren. Das kann so weit gehen, dass daraus Selbstmordgedanken entstehen, und doch ist alles das im Endeffekt eine Frage der Sicht.
Wer mit grau eingefärbter Brille gucken WILL, nimmt sie nicht ab. DU musst schauen, ob DU das aushältst, nicht ob Du ihn ändern kannst, aus der Hand schlagen kannst Du ihm die frei gewählte Brille jedenfalls nicht.
Ja, da magst Du recht haben. Ich muss schauen, ob ich damit klar komme, anstelle damit zu rechnen ihn ändern zu können. Aber er hat auch viele gute Seiten. Im praktischen Leben ist es mit ihm sehr unkompliziert, er ist sehr lieb, kann mich stundenlang streicheln ohne eine Gegenleistung zu erwarten, kennt sich mit Computern aus (was ich von mir nicht behaupten kann leider), hat, wenn er sich nicht gerade in Aggressionen verliert einen klaren Verstand. Ich glaube also nicht, dass ich mich je von ihm trennen werde. Aber ich denke, er ist in seinem Elternhaus etwas moralisch gebrochen worden. Er hat eine MUtter, zwar auch mit scharftem Verstand und Zunge, die meistens immer nur das Schlechte sieht und sich auch lauthals darüber aufregt. Ich finde das dann immer etwas befremdend. Dafür regt es die Differenzierungsfähigkeit des Verstandes an. Nicht einverstanden zu sein, macht Menschen zu guten Demokraten.
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