Freundin mit schweren psychischen Problemen - ratlos

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medieval
neu an Bo(a)rd!
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männlich/male, 24
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Freundin mit schweren psychischen Problemen - ratlos

Beitrag So., 17.02.2013, 02:42

Hallo,

Ich bin 24 Jahre alt und meine Freundin (ebenfalls 24 Jahre alt) hat schwere psychische Probleme.

Es ist eine Mischung aus Depression, Panikattacken und insbesondere Angststörungen (Sozialphobie). Das geht schon seit über 4 Jahren so dahin. Ich weiß nicht mehr was ich mit ihr tun soll. Sie nimmt seit 3 Jahren täglich Medikamente [Antidepressiva → selektiver Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI)], die laut ihrer Aussage aber gar nichts helfen. Sie war schon bei mehreren Therapeuten und Psychiatern. Laut ihr haben die ihre Probleme nur noch schlimmer gemacht und sie hat alle Therapien nach sehr kurzer Zeit wieder abgebrochen. Wo genau die Ursache für ihre psychischen Probleme liegt (die seit ihrer frühen Jugend bestehen), ist völlig unklar. Seit ca. 1 Jahr verweigert sie nun komplett jegliche professionelle Hilfe. Wenn man sie darauf anspricht, reagiert sie aggressiv, zynisch bzw. gleichgültig.

Sie weint sehr viel (sogut wie täglich), ritzt sich manchmal (z.b. nachdem wir wiedermal einen schweren Streit gehabt haben), besitzt keinen Freundeskreis, ist seit 4 Jahren mehr oder weniger sogut wie durchgehend arbeitslos (die Jobs die sie in der Zeit gemacht hat, hat sie allesamt nach 1 oder 2 Tagen wieder hingeschmissen, weil sie es wegen ihrer Angststörung nicht mehr aushielt). Sie lebt völlig zurückgezogen und isoliert und hat außer mir und ihrer Familie eigentlich gar niemandem im Leben. Sie hört auf keine Ratschläge. Sie ist mehr oder weniger total von mir abhängig. Sehr oft fühle ich mich mehr wie in einer Vater-Tochter Beziehung, als wie in einer Partnerschaft zwischen zwei erwachsenen Menschen.

Ich weiß nicht mehr was ich tun soll. Zu Beginn der Beziehung ging es ja noch irgendwie, aber die Belastung stieg und steigt auch für mich selbst konstant an. Ich trinke und rauche viel zu viel, mein Schlafrhythmus ist ein einziges Desaster (Schlafstörungen), mein Leben habe ich wegen der psychischen Probleme meiner Freundin teilweise schon ordentlich zurückschrauben müssen (Job, Freundeskreis, Urlaub, usw.). Bei jeder Aktion oder Handlung muss ich zuerst überprüfen, ob es überhaupt möglich ist, meine Freundin mitzunehmen oder ob es nicht zu gefährlich/risikoreich für sie ist. Da ich z.b. meinem Freundeskreis nicht die volle Wahrheit erzählen will, muss ich immer richtige Lügenkonstrukte und zig Ausreden erfinden.

Was mir außerdem noch ganz, ganz besonders großes Kopfzerbrechen bereitet:

Ich kann es schwer einschätzen, aber sie hat mir auch schon oft gedroht, dass sie Suizid begeht, falls ich sie je verlassen würde. Sie hatte noch nie einen ernsthaften Selbstmordversuch hinter sich, aber ich habe das Gefühl, sie würde das im Falle einer Trennung tatsächlich machen, vor allem deswegen weil sie so stark abhängig von mir ist. Es ist einfach unberechenbar.

Ich finde solche Art von Drohungen sind einer der schlimmsten Dinge, die man in einer Beziehung überhaupt sagen kann und sage ihr diese Meinung auch ins Gesicht. Ihre Standard-Antwort darauf: „Warum? Wenn du mich wirklich liebst, brauchst du dir doch überhaupt gar keine Sorgen um meinem Suizid machen. Und wenn du dir doch Sorgen machst, dann ist das doch lediglich ein Beweis dafür, dass du mich nie wirklich geliebt hast.“ Ich finde diese Aussagen sehr heftig und fühle mich gegenüber diesen Drohungen ziemlich hilflos. Dieses Gefühl engt einen ungemein ein und schnürt einem regelrecht die Luft ab.

Das macht mir sehr zu schaffen. Ich liebe sie sehr, weiß aber nicht mehr weiter. Fühle mich wie in einer Sackgasse mit dem Rücken zur Wand. Kein Schritt vorwärts, kein Schritt rückwärts, völliger Stillstand.

Ich liebe sie sehr und will ihr helfen, aber gleichzeitig steigt die Belastung für mich täglich an. Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Ich will mein Leben mit ihr teilen, ich will das sie wieder auf die Beine kommt und ein selbstständiges, halbwegs normales Leben führen kann. Gleichzeitig verweigert sie aber jede professionelle Hilfe und ich verstehe einfach nicht warum sie das tut. Wie kann man jemandem überreden und dazu bringen, endlich professionelle Hilfe (wieder) anzunehmen?

Und ist für psychische Probleme dieser Richtung (Angststörung/Sozialphobie, Depression, Panikattacken) professionelle Hilfe wie eine Psychotherapie wirklich der einzig mögliche Ausweg oder gibt es Alternativen?

Diese psychische Belastung zehrt immer mehr an meinen Kräften. Ich will sie nicht verlassen, habe aber große Angst, dass sie sich ernsthaft etwas antut (Selbstmord), falls die Beziehung wirklich zerbrechen sollte. Ich könnte es einfach nicht verkraften, falls sie sich je etwas antun sollte. Bin einfach nur ratlos und verzweifelt. Ich habe keinen blassen Schimmer, wie ich mich jetzt am besten verhalten soll.

Ich bin sehr, sehr dankbar für jeden Ratschlag.

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peppermint patty
[nicht mehr wegzudenken]
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Beiträge: 1931

Beitrag So., 17.02.2013, 10:09

Moin medieval,

zunächst willkommen bei uns im Forum.

Mensch Du klingst echt verzweifelt und zwar zu recht, denn das ist Psychoterror. Du übernimmst gerade zwei Rollen die Du aber nicht erfüllen kannst. Freund und Therapeut/Papa. Das sind zwei konträre Rollen, die niemals gleichzeitig erfüllt werden können. Da Du nun mal der Partner bist und sein solltest, solltest Du auch genau diese Rolle ausfüllen, insofern rate ich Dir kümmer Dich vor allem um Dich selbst.

Du bist nur für DICH und Dein Handeln verantwortlich, nicht NIEMALS für das Verhalten Deiner Freundin. Wenn Deine Freundin professionelle Hilfe verweigert kannst Du gar nichts tun. Jedenfalls nicht für sie. Aber hol Dir selbst Hilfe, unbedingt, denn der Druck in Deiner Beziehung ist enorm hoch und Du schon längst nicht mehr in der Lage frei zu handeln und zu entscheiden. So eine Beziehung ist zwangsläufig zum Scheitern verurteilt, weil Druck und Abhängigkeit nicht die Mittel der Wahl für eine gesunde Beziehung sind.

Wie ist es, wohnt ihr zusammen? Tust Du noch was für Dich? Sport, Freunde? Hast Du freie Tage/Abende?

Ich an Deiner Stelle würde mich klipp und klar trennen und zwar unverzüglich! Wenn Du dies aber nicht willst bzw. kannst würde ich ihr alles was Du hier geschrieben hat sagen und das Du damit vollkommen überfordert bist. Und das Du nur ein Fortbestehen in der Beziehung siehst wenn sie sich bzw. ihr Euch Hilfe holt.

Dir ganz viel Kraft!
LG,
pp

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Dilemma
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 44
Beiträge: 111

Beitrag So., 17.02.2013, 10:31

Hallo Medieval,
das klingt nach Sackgasse.

Hier hilft meiner Meinung nach nur noch ein ehrliches und offenes Gespräch. Aufgrund deiner Angst, deine Freundin könnte sich etwas antun, würde ich mir an deiner Stelle professionelle Hilfe suchen. Ich fürchte du steckst da gerade in einer Spirale, aus der du dich nicht alleine bereien kannst. Du opferst dich zu sehr auf und gehst dabei selbst vor die Hunde. Die Verantwortung liegt alleine bei deiner Freundin und ihre Erwartungshaltung an dich ist definitiv zu hoch.

Ihr Leid ist sehr hoch und sie hat jetzt den "bequemen" Weg für sich gewählt, sie hängt sich an dich und kann das Leben so irgendwie aushalten. Hier liegt meiner Meinung nach der Fehler. Wenn du weiterhin so auf sie eingehst und alles stillschweigen akzeptiert, wird sie nicht ändern. Das ist für euch beide nicht tragbar.

Du kannst sie nicht zwingen, sich Hilfe zu suchen, aber du kannst dich schützen und Grenzen setzen.

Ich befürchte nur, dass du die Sorge und Angst nicht aushälst, um diese Grenzen zu setzen. Hole dir Hilfe, lasse dich beraten. Durchbreche auch deiner Freundin zu liebe diesen Teufelskreis.

Es muss nicht gleich auf eine Trennung hinauslaufen, wichtig ist, dass du dir Freiräume schaffst, Verantwortung an deine Freundin zurückgibst und das alles ohne Schuldgefühle. So wie es jetzt läuft, trägst du eine Menge dazu bei, dass dieser Teufelskreis nicht endet. Geh mit bestem Beispiel voran, vielleicht wird sie dir folgen...

Viel Erfolg
Dilemma


Eremit
[nicht mehr wegzudenken]
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anderes/other, 80
Beiträge: 8876

Beitrag So., 17.02.2013, 10:39

Mein Rat, aus eigener Erfahrung: Mach', das Du aus dem Staub kommst. Wenn sie keinen Grund hat, etwas zu verändern, weil ihr eh alles zugetragen wird, wird sie auch nichts ändern. Allein die Androhung mit dem Selbstmord ist eine Frechheit. Für mich liest sich das allerdings mehr nach Borderline-Persönlichkeitsstörung als nach "echten" Depressionen oder Phobien.

Je länger Du bei ihr bleibst, desto mehr Schaden wirst Du nehmen. Besser wird es aber nicht, so lange ihr zusammen bleibt. Klingt alles furchtbar zynisch, aber ich spreche aus Erfahrung und habe solche Fälle schon zu oft beobachten müssen.

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linaa
Forums-Insider
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weiblich/female, 37
Beiträge: 188

Beitrag So., 17.02.2013, 11:10

Hallo medieval,

das kannst Du nicht tragen.

Ich gebe allen Vorschreibern recht.

Einen Tip, den ich allerdings auch für sehr wichtig halte, ist, daß Du auch nach Außen hin offen mit der Problematik umgehen solltest.

Gerade ihren Eltern, der Familie und dem Bekannteskreis gegenüber, aber auch Deinem Bekanntenkreis gegenüber.

Sag ihr das auch ruhig, und mach es auch offen vor ihren Augen, so gibst Du schon mal einen Großteil der Verantwortung ab, mußt sie zumindest nicht mehr alleine tragen, und gibst auch ihr zu verstehen, daß Du nicht alleine für alles verantwortlich sein kannst, und es nicht bist.

Ich kenne Deine Situation sehr gut, aus eigener Erfahrung, es ist ein Taufelkreis, den es unbedingt zu unterbrechen gilt, für Dich alleine ist aber zu viel.

Liebe Grüße
Linaa

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Chancen
Forums-Gruftie
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Beiträge: 674

Beitrag So., 17.02.2013, 11:27

Whoa Medieval!

Das ist ja ein starkes Stück. Unter solchen Bedinungen kann doch wirkliche Liebe gar nicht gedeihen. Denn das was deine Freundin da macht ist angedrohte Erpressung. Das hat auch von ihrer Seite nichts mit Liebe zu tun (Liebe ist eine Produkt der Freiheit!) sondern mit Angst. Und wie sollst du sie denn lieben können, wie sollst du spüren können, ob du sie überhaupt liebst, wenn du gar keine Wahl hast, weil du befürchten musst, dass sie sich etwas antut? Da kann doch keine Liebe entstehten bzw. fortbestehen.

Ob es hier einen Ausweg gibt? Ich denke, nicht ohne Hilfe!
Mit dem Erpressungsschalthebel hat deine Freundin die totale Kontrolle. Und die muss sie abgeben. Weil sie das wahrscheinlich nicht freiwillig tun wird (aufgrund ihrer Angst), wirst du sie ihr entreißen müssen, wenn du das Ganze in gesunde Bahnen lenken willst. Das heißt, du darfst ihre Erpressung keinesfalls akzeptieren. Ansonsten habt ihr beide verloren.

Du könntest es zur Bedingung des Fortbestands der Beziehung machen, dass sie die Therapie wieder aufnimmt und sich Hilfe sucht. Sobald sie einen Therapeuten hat, bedeutet das auch mehr Freiheit und Luft zum Atmen für dich. Denn momentan hast du die Therapeutenrolle inne und das geht in einer Liebesbeziehung einfach nicht.

Erst wenn sie sich Hilfe holt (und du dir auch!) habt ihr eine Chance herauszufinden, ob ihr zusammenbleiben wollt. Ich denke, es ist auch wichtig, dass du jemanden zum Reden findest. Wenn du vor deinen Freunden Lügenkonstrukte aufbauen musst, ist das extrem belastend und anstrengend. Wäre es möglich, dass du dir auch ein paar Stunden bei einem Therapeuten nimmst, mit dem du die Situation frei besprechen kannst? Ich denke, das würde dir gut tun, und diesen enormen Leidensdruck unter dem du stehst entschärfen.


Chancen

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Henrike76
Forums-Gruftie
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Beiträge: 621

Beitrag So., 17.02.2013, 11:44

Hallo medieval

Du hast ja schon den richtigen Schritt getan und suchst nach Hilfe! Mein Lob und Respekt. Und Du hast es Klasse strukturiert beschrieben.

Das sind massig Ratschläge die tendenziell alle stimmen aus meiner Sicht. Danke Euch guten Helfern.
Es sind für mich aber auch etwas viel Tips inzwischen.

Ich würde nicht sofort zu einer Trennung raten (bin aber sowieso ewiger Single sodass ich das sicher mit etwas mehr Abstand sehen darf).

Ich würde diese Ratschläge sammeln und selbst zu einem professionellen Helfer gehen (Psychologe, Paar-oder Familien-Beratung). Fern-Beziehungsdiagnosen sollte man ja auch kaum machen. Übrigens auch nicht zum Borderline-Thema.

Wartezeiten beim Psychologen lassen sich umgehen (kann Dir den Link dazu schicken). Du sprichst von Nikotin- und anderem Missbrauch. Da habe ich als selbst Betroffener vollstes Verständnis für. Nicht dass sich das aber bei Dir chronifiziert. Dann hast Du nen richtiges Problem.

Also wenn Du es schaffst, bitte etwas mehr Abstand zu Deiner Freundin schaffen und richtig Hilfe holen.

Ich habe mir in anderen Fällen ne kleine Aktionspunktliste gemacht (um das etwas klarer sehen zu können). Also was wird wann mit wem (von wem ) gemacht, was ist noch offen, was mache ich später (ggf. wann).

Und nutze Deine eigenen Freundschaften um auf andere Gedanken zu kommen. Dieses Faustpfand nutzt Du aber sicher bereits!

Ich denke Du hast sehr gute Chancen die Sache zu lösen!
Dafür möchte ich Dir Mut machen.


Eremit
[nicht mehr wegzudenken]
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anderes/other, 80
Beiträge: 8876

Beitrag So., 17.02.2013, 12:33

Ich glaube, eine Suizid-Androhung dürfte durchaus tauglich dazu sein, die Wartezeiten zu verkürzen, dafür braucht es keine suchtgebundenen Stoffe...

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