ich arbeite seit einem Monat als Betreuungskraft in einem Altenheim.
Der Job ist genau das, was ich immer machen wollte, auch wenn viele in meinem Umfeld mir davon abgeraten haben.
Nach dieser kurzen Zeit habe ich schon feststellen können, dass ich mit reichlich idealistischen Vorstellungen an diese Tätigkeit rangegangen bin. Viele Bewohner sind unzufrieden und nörgelig und die dementen Menschen sind natürlich auch nicht so einfach im Umgang. Auch gibt es eine Mitarbeiterin vom sozialen Dienst, dir mir das Leben schwer macht. Fast alles, was ich mache, wird von ihr abgewertet.
Zu einem alten Herrn, der mir von Anfang an besonders sympathisch war, habe ich inzwischen einen innigen Kontakt. Schon nach kurzer Zeit wurde ich immer überschwänglich von ihm begrüßt und mich rührte es, dass er sich so über meine Besuche freut. Inzwischen ist er so etwas wie mein Rettungsanker geworden.
Wann immer ich zwischendurch Zeit habe, besuche ich ihn, und das täglich. Er wärmt mir dann meine ständig kalten Hände und scherzt mit mir. Danach geht es mir besser, nicht nur wegen meiner dann warmen Hände, sondern auch wegen seiner strahlenden Augen und seinem Lachen. Vor einer Woche muss es wohl sehr auffällig gewesen sein. Als ich Feierabend hatte, sprach mich eine Kollegin an, dass ich so strahle. Die Betreuungskraft, die mich eingearbeitet hat, meinte säuerlich, dass nur der Herr M..... das schaffe.
Schon vor einiger Zeit äußerte er den Wunsch, mich mal zu knuddeln, aber ich verhielt mich distanziert. Ich dachte, er würde damit eine Grenze überschreiten. Doch dann las ich irgendwo im Internet, dass viele Heimbewohner sich einsam fühlen und sich nach körperlicher Nähe sehnen und sie ihnen guttut.
Anfang der Woche kullerten bei ihm ein paar Tränen, weil "Mutter nicht mehr da ist". Ich gehe davon aus, dass er seine verstorbene Frau damit meinte. Ich legte ihm tröstend einen Arm um die Schulter. In dem Moment drückte er mich ganz fest an sich. Ich machte mich wieder los und er drückte mich noch mal an sich. Er sagte, dass ich eine ganz Liebe sei und nannte mich "Möbbelchen".
Seitdem knuddeln wir erst mal eine Runde, wenn ich in sein Zimmer komme. Ich hoffe, dass ich damit nicht zu weit gehe. Doch er macht ja nichts Schlimmes, versucht weder mich zu küssen noch mir an die Brust zu fassen, streichelt nur manchmal mein Gesicht. Anschließend setze ich mich zu ihm und er hält meine Hand, während wir uns unterhalten.
Findet ihr, es geht zu weit oder ist es in Ordnung, dass es zu körperlichem Kontakt kommt?
Oder müsste ich mich da abgrenzen?
Uns beiden geht es ja gut damit. Nur darf ich nicht an den Tag denken, wo er stirbt und ich vielleicht noch dort arbeite. Schließlich ist er schon 88. Das ist ein Punkt, der mich sehr beschäftigt, weil ich schon ziemlich auf ihn fixiert bin und ihn ins Herz geschlossen habe, diesen süßen Opi.

Liebe Grüße,
Talya