Prestige - wenn Vorlieben Täuschungen sind
Prestige - wenn Vorlieben Täuschungen sind
In einem anderen Thread ging es (hoffentlich richtig) zusammengefasst darum, ob für einen Menschen, der nicht sieht, die Frage nach der Attraktivität des Anderen überhaupt eine Rolle spielen "darf". Nee, das ist schon zu viel Interpretation von mir, aber es ist die Frage, die sich anschließt an die Diskussion darüber, wieso das Aussehen eines Anderen für jemanden, der nicht sieht, so wichtig ist.
Und das erinnert mich an eine meiner Lieblingsfragen überhaupt: Ist es besser, in einem hässlichen Haus zu wohnen und den Ausblick auf die gegenüberliegende Jugendstilvilla zu haben - oder umgekehrt? Ich fürchte, unsere Vorlieben sind keine wirklichen Vorlieben, sondern Täuschungen. Wir mögen nicht etwas, weil wir es mögen, sondern weil wir denken, dass wir selbst gemocht werden, wenn wir dieses Ding mögen. Weil wir uns selbst nicht mögen.
Also, die Frage danach, ob für einen Menschen, der nicht sieht, Äußerlichkeiten überhaupt eine Rolle spielen "dürfen", finde ich in ihrer Radikalität so erfrischend klar. Reflexartig würde man natürlich sagen: "Aber natürlich 'darf' auch der Nicht-Sehende einen Sinn fürs Schöne haben" ('darf' er natürlich eh). Aber wenn wir es uns so einfach machen, dann betonen wir damit doch nur unsere eigene Oberflächlichkeit. Wieder: Natürlich 'darf' auch ein Nicht-Sehender oberflächlich sein! Darum geht's mir jetzt nicht. Eher um das Entlarven überhaupt. Darum, dass man der Frage "bin ich der, der ich sein will?" mal näher kommen könnte. Wenn nun niemand sehen würde - welche Rolle würde dann z.B. die Figur des Anderen spielen? Wer bestimmt dann noch, ob es das Konzept von "Schönheit" überhaupt geben darf? Vielleicht stellen plötzlich alle Menschen fest, dass sie es viel schöner, weil weniger kantig und knochig, finden, wenn der Körper des Anderen weich (sehende Menschen würden sagen: "wie eine Tonne") ist?
Wieso ist es uns so wichtig, Klamotten zu tragen, in denen wir uns "wohlfühlen", wenn "wohlfühlen" doch eher selten mit Highheels assoziiert wird? Gibt es überhaupt Menschen, die sich in Jogginghosen unwohl fühlen? Wie ist das möglich, sich unwohl zu fühlen, wenn man etwas trägt, das nicht einengt, das weich und kuschelig ist? Wieso also zwängen wir uns in Kleidung, in der wir uns nicht wohlfühlen? Weil wir schön sein wollen, nein: weil wir wollen, dass Andere uns schön finden. Und wenn wir uns auch in den eigenen vier Wänden so anziehen, dann nur deshalb, weil wir uns phantasieren, der Andere sei quasi anwesend - weil wir uns selbst nicht genügen. Immer müssen wir uns so verhalten, dass Andere das attraktiv finden. Und besonders absurd wird es dann, wenn wir wissen, dass der Andere uns eh nicht sieht und er wiederum Andere beauftragt, uns zu beschreiben: damit es mit den Kategorien wieder passt.
Man sieht einander nicht; dennoch ist man überzeugt davon, dass ohne die Zuschreibungen ("bist du schön genug für mich?") kein befriedigender Kontakt möglich ist. Ich vermute, dass all das damit zusammenhängt, dass wir uns selbst als Menschen nicht annehmen.
Und das erinnert mich an eine meiner Lieblingsfragen überhaupt: Ist es besser, in einem hässlichen Haus zu wohnen und den Ausblick auf die gegenüberliegende Jugendstilvilla zu haben - oder umgekehrt? Ich fürchte, unsere Vorlieben sind keine wirklichen Vorlieben, sondern Täuschungen. Wir mögen nicht etwas, weil wir es mögen, sondern weil wir denken, dass wir selbst gemocht werden, wenn wir dieses Ding mögen. Weil wir uns selbst nicht mögen.
Also, die Frage danach, ob für einen Menschen, der nicht sieht, Äußerlichkeiten überhaupt eine Rolle spielen "dürfen", finde ich in ihrer Radikalität so erfrischend klar. Reflexartig würde man natürlich sagen: "Aber natürlich 'darf' auch der Nicht-Sehende einen Sinn fürs Schöne haben" ('darf' er natürlich eh). Aber wenn wir es uns so einfach machen, dann betonen wir damit doch nur unsere eigene Oberflächlichkeit. Wieder: Natürlich 'darf' auch ein Nicht-Sehender oberflächlich sein! Darum geht's mir jetzt nicht. Eher um das Entlarven überhaupt. Darum, dass man der Frage "bin ich der, der ich sein will?" mal näher kommen könnte. Wenn nun niemand sehen würde - welche Rolle würde dann z.B. die Figur des Anderen spielen? Wer bestimmt dann noch, ob es das Konzept von "Schönheit" überhaupt geben darf? Vielleicht stellen plötzlich alle Menschen fest, dass sie es viel schöner, weil weniger kantig und knochig, finden, wenn der Körper des Anderen weich (sehende Menschen würden sagen: "wie eine Tonne") ist?
Wieso ist es uns so wichtig, Klamotten zu tragen, in denen wir uns "wohlfühlen", wenn "wohlfühlen" doch eher selten mit Highheels assoziiert wird? Gibt es überhaupt Menschen, die sich in Jogginghosen unwohl fühlen? Wie ist das möglich, sich unwohl zu fühlen, wenn man etwas trägt, das nicht einengt, das weich und kuschelig ist? Wieso also zwängen wir uns in Kleidung, in der wir uns nicht wohlfühlen? Weil wir schön sein wollen, nein: weil wir wollen, dass Andere uns schön finden. Und wenn wir uns auch in den eigenen vier Wänden so anziehen, dann nur deshalb, weil wir uns phantasieren, der Andere sei quasi anwesend - weil wir uns selbst nicht genügen. Immer müssen wir uns so verhalten, dass Andere das attraktiv finden. Und besonders absurd wird es dann, wenn wir wissen, dass der Andere uns eh nicht sieht und er wiederum Andere beauftragt, uns zu beschreiben: damit es mit den Kategorien wieder passt.
Man sieht einander nicht; dennoch ist man überzeugt davon, dass ohne die Zuschreibungen ("bist du schön genug für mich?") kein befriedigender Kontakt möglich ist. Ich vermute, dass all das damit zusammenhängt, dass wir uns selbst als Menschen nicht annehmen.
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Das erinnert mich an den Ausdruck "jemand lässt sich gehen". Diese Verachtung, die diese Worte ausdrücken! Was ist eigentlich daran so falsch, sich gehen zu lassen? Wörtlich verstehe ich das so, dass jemand sich treiben lässt und zuguckt, wohin "es" mit ihm geht. Ohne ständig einzugreifen in Form von Styling und Selbstoptimierungswahn. "Sich-gehen-Lassen" ist so dermaßen negativ konnotiert, im Gegensatz zum "Sich-Zusammenreißen", das eigentlich niemals pejorativ gemeint ist: "der reißt sich aber zusammen!" ist immer anerkennend gemeint. Vielleicht möchte man ihm - großzügig, wie man ist - gerne mal raten, ein bisschen (aber nur ein bisschen) zu relaxen (vielleicht ein Wellnesswochenende in der deutschen Provinz Mallorca?).
Warum müssen wir um jeden Preis vermeiden, uns gehen zu lassen? Wo hört die positiv konnotierte "Entspannung" auf und wo fängt das verpönte "Sich-gehen-Lassen" an? Entspannung ist offenbar nur dann gut, wenn sie punktuell - und keinesfalls mehr - die Anspannung unterbricht; die Anspannung und den Drang, sich darstellen zu müssen; etwas zu verkörpern; einen guten Eindruck zu hinterlassen.
Offenbar haben wir Angst davor, einfach abzuwarten, was passieren würde, wenn wir uns alle mal gehen lassen. NB: Es geht nicht mal um schwer Depressive, die nicht aus dem Bett kommen, sondern um Menschen, die im Alltag durchaus funktionieren, die nur keinen Wert legen auf ihre Außenwirkung.
Warum müssen wir um jeden Preis vermeiden, uns gehen zu lassen? Wo hört die positiv konnotierte "Entspannung" auf und wo fängt das verpönte "Sich-gehen-Lassen" an? Entspannung ist offenbar nur dann gut, wenn sie punktuell - und keinesfalls mehr - die Anspannung unterbricht; die Anspannung und den Drang, sich darstellen zu müssen; etwas zu verkörpern; einen guten Eindruck zu hinterlassen.
Offenbar haben wir Angst davor, einfach abzuwarten, was passieren würde, wenn wir uns alle mal gehen lassen. NB: Es geht nicht mal um schwer Depressive, die nicht aus dem Bett kommen, sondern um Menschen, die im Alltag durchaus funktionieren, die nur keinen Wert legen auf ihre Außenwirkung.
Ich vermute, dass es mindestens zwei Kategorien von Vorlieben gibt: echte, innere Vorlieben, und von außen getriggerte Vorlieben.isabe hat geschrieben: Ich fürchte, unsere Vorlieben sind keine wirklichen Vorlieben, sondern Täuschungen. Wir mögen nicht etwas, weil wir es mögen, sondern weil wir denken, dass wir selbst gemocht werden, wenn wir dieses Ding mögen.
Typisches Beispiel: Reisen und Reisezeiele. Bei mir ist es so, dass ich schon immer gern gereist bin, weil mir Reisen und das Entdecken anderer Städte, Länder, Landschaften immer schon ein inneres Bedürfnis war, das u.a. meiner Neugier und meinem Wissensdrang geschuldet ist. Die Meinung anderer Leute ist mir dabei egal - oft erzähle ich gar niemandem von meinen Reisen. Ein guter Freund von mir jedoch scheint wiederum großen Wert auf die Außenwirkung seiner Reisen zu legen. Das sieht man z.B. daran, dass er reichlich Postkarten verschickt und überall herum erzählt, wo er gewesen ist.
Bei Kleidung geht es mir so, dass ich wirklich nur das trage, worin ich mich wohl fühle (in der Regel ist es die bequeme, aber wenig repräsentative T-Shirt/Jeans/Turnschuh-Kombination).
Mein Musikgeschmack (viel Klassik) wäre zwar dazu geeignet, andere damit zu beeindrucken, aber auch hier ist es so, dass ich normalerweise niemandem davon erzähle, wenn ich ins Konzert oder in die Oper gehe. Das mache ich nur für mich, weil es mir gefällt, weil es meine Vorlieben sind. Was andere darüber denken ist mir egal.
Mich stört hier dieses "wir" und habe den Eindruck es geht wieder um deine erotische Ausstrahlung auf Therapeuten. Was hat das mit Blindheit zu tun?
Ich kann mich auch außerhalb bequem anziehen. Naja, mir fällt hier in diesem Kuddelmuddel Thema gerade nicht mehr ein.
candle
Ich kann mich auch außerhalb bequem anziehen. Naja, mir fällt hier in diesem Kuddelmuddel Thema gerade nicht mehr ein.
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Now I know how the bunny runs!
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@ Isabe:
Natürlich wäre auch mein Urteil ein anderer, wenn alle nicht sehen würden. Für einen Maulwurf sind sicher andere Dinge schöner als für Menschen.
Aber: Auch als blinder Mensch wird man geprägt. Man kann nicht aus. Auch ich schalte Abends gewohnheitsmäßig das Licht ein, habe Lieblingsfarben und solche, die ich nie tragen würde. Sogar wird man stärker äußerlich geprägt, um nicht aufzufallen.
Um nur mal eine Beschreibung einer Wiesenliegerin zu zitieren, die sich bräunte: Etwa 20 Meter vor uns liegt eine massiv gefüllte Haut, vermutlich serbischer Herkunft. Sei froh, dass du das nicht sehen musst.
Wenn ich mir dann ins Gedächtnis rufe, dass massiv gefüllte Häute träge sind, male ich mir auch noch den entsprechenden Charakter dazu aus. Träge, verantwortungslos usw.
Mir ist klar, dass das überzogen ist und ich gebe daher den meisten auch eine Chance. Aber das Emotionale, die Vorurteile sind schneller, ehe ich begreife, was los ist und sie bewusst unterdrücke.
Natürlich wäre auch mein Urteil ein anderer, wenn alle nicht sehen würden. Für einen Maulwurf sind sicher andere Dinge schöner als für Menschen.
Aber: Auch als blinder Mensch wird man geprägt. Man kann nicht aus. Auch ich schalte Abends gewohnheitsmäßig das Licht ein, habe Lieblingsfarben und solche, die ich nie tragen würde. Sogar wird man stärker äußerlich geprägt, um nicht aufzufallen.
Um nur mal eine Beschreibung einer Wiesenliegerin zu zitieren, die sich bräunte: Etwa 20 Meter vor uns liegt eine massiv gefüllte Haut, vermutlich serbischer Herkunft. Sei froh, dass du das nicht sehen musst.
Wenn ich mir dann ins Gedächtnis rufe, dass massiv gefüllte Häute träge sind, male ich mir auch noch den entsprechenden Charakter dazu aus. Träge, verantwortungslos usw.
Mir ist klar, dass das überzogen ist und ich gebe daher den meisten auch eine Chance. Aber das Emotionale, die Vorurteile sind schneller, ehe ich begreife, was los ist und sie bewusst unterdrücke.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]
luftikus:
Aber irgendwie klingt es auch komisch, wenn man dann sagt, dass man niemandem davon erzählt - findest du nicht? Als ob das Verbergen ein Beweis wäre für die Echtheit? Aber es stimmt schon: Wenn es niemand weiß, dann ist deutlich, dass man es für sich selbst tut. Aber gerade bei den Reisen fällt mir dann wieder die Frage ein, WARUM man sich für eine bestimmte Region interessiert. Jetzt mal abgesehen von den "DomRep"-Urlaubern, die in den 90ern damit angeben konnten, sooooooooooooooo weit weg gewesen zu sein usw.
Hat das wirklich nur was mit sich selbst zu tun, wohin man gerne fährt? Ich würde z.B. niemals mehr freiwillig in die USA reisen; dabei kann es dort u.U. ganz interessant sein. Aber ich traue es diesem Land irgendwie nicht zu, interessant zu sein. Während ich die Sahara sehr faszinierend finde (obwohl ich nur mal einen Fuß hineingesetzt habe; mehr war es wirklich nicht). Woher kommen dann diese Vorlieben und Abneigungen? Ich glaube nicht, dass es wirklich etwas mit dem Land selbst zu tun hat, sondern dass man letztlich auch damit so eine Art Imagepflege betreibt (USA wirkt irgendwie billig; der Maghreb wirkt intellektuell...). Warum findet man überhaupt etwas anziehend? Sprachen, Länder, Menschen, Stoffe, Farben?
Ich denke mir tatsächlich, dass damit ein Selbstbild konstruiert werden soll, das gekoppelt ist daran, wie Andere das finden, was wir tun, selbst wenn wir es ihnen nicht sagen. Als würde ein unsichtbarer Begleiter sagen: "Tu dies, weil...". Mag sein, dass es Ausnahmen gibt (wie du sie ja beschrieben hast), aber eigentlich nehme ich eher an, dass selbst die "Selbstfindung" nur den Zweck hat, Anderen zu zeigen: "Guck mal, ich finde mich selbst". Ansonsten wären Yoga-Kurse usw. nämlich überhaupt nicht nötig. Wenn man wirklich mal man selbst wäre, dann würde das, glaub ich, tierisch viel Angst machen.
Aber irgendwie klingt es auch komisch, wenn man dann sagt, dass man niemandem davon erzählt - findest du nicht? Als ob das Verbergen ein Beweis wäre für die Echtheit? Aber es stimmt schon: Wenn es niemand weiß, dann ist deutlich, dass man es für sich selbst tut. Aber gerade bei den Reisen fällt mir dann wieder die Frage ein, WARUM man sich für eine bestimmte Region interessiert. Jetzt mal abgesehen von den "DomRep"-Urlaubern, die in den 90ern damit angeben konnten, sooooooooooooooo weit weg gewesen zu sein usw.
Hat das wirklich nur was mit sich selbst zu tun, wohin man gerne fährt? Ich würde z.B. niemals mehr freiwillig in die USA reisen; dabei kann es dort u.U. ganz interessant sein. Aber ich traue es diesem Land irgendwie nicht zu, interessant zu sein. Während ich die Sahara sehr faszinierend finde (obwohl ich nur mal einen Fuß hineingesetzt habe; mehr war es wirklich nicht). Woher kommen dann diese Vorlieben und Abneigungen? Ich glaube nicht, dass es wirklich etwas mit dem Land selbst zu tun hat, sondern dass man letztlich auch damit so eine Art Imagepflege betreibt (USA wirkt irgendwie billig; der Maghreb wirkt intellektuell...). Warum findet man überhaupt etwas anziehend? Sprachen, Länder, Menschen, Stoffe, Farben?
Ich denke mir tatsächlich, dass damit ein Selbstbild konstruiert werden soll, das gekoppelt ist daran, wie Andere das finden, was wir tun, selbst wenn wir es ihnen nicht sagen. Als würde ein unsichtbarer Begleiter sagen: "Tu dies, weil...". Mag sein, dass es Ausnahmen gibt (wie du sie ja beschrieben hast), aber eigentlich nehme ich eher an, dass selbst die "Selbstfindung" nur den Zweck hat, Anderen zu zeigen: "Guck mal, ich finde mich selbst". Ansonsten wären Yoga-Kurse usw. nämlich überhaupt nicht nötig. Wenn man wirklich mal man selbst wäre, dann würde das, glaub ich, tierisch viel Angst machen.
Candle:
Dass du Schwierigkeiten damit hast, dich in die Fragen und Gedanken der anderen User hineinzuversetzen, ist ja nun nicht neu. Meinetwegen musst du nicht jeden Thread damit kommentieren.
Dass du Schwierigkeiten damit hast, dich in die Fragen und Gedanken der anderen User hineinzuversetzen, ist ja nun nicht neu. Meinetwegen musst du nicht jeden Thread damit kommentieren.
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Ich finde den Gedanken auch sinnlos, blinde wären da anders. Rührt vermutlich daher, sich abzugrenzen oder eine Möglichkeit zu finden, der menschengemachten Welt zu entkommen. Habe schon genug Leute getroffen, die in mir einen besonderen, weil unvoreingenommenen, Menschen gesehen haben. Es gibt aber sehende, weit unvoreingenommenere Menschen als ich es vermutlich je sein werde.
Aber was hilfts. Ich bin kein besonderer Mensch, mich stört meine Oberflächlichkeit nicht und wer sich etwas Anderes erwartet hat, den muss ich grob enttäuschen.
Aber was hilfts. Ich bin kein besonderer Mensch, mich stört meine Oberflächlichkeit nicht und wer sich etwas Anderes erwartet hat, den muss ich grob enttäuschen.
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Broken Wing:
Es wäre ja auch fies, ausgerechnet von jemandem, der nicht sehen kann, zu verlangen, dass er sich dann bitte schön nur auf die inneren Werte ausrichten mag... Aber dennoch wird für mich an dieser Stelle die ganze Absurdität der Äußerlichkeiten offensichtlich: dass dir da ein Anderer etwas vorinterpretiert, was du eh nicht siehst?! Er könnte genauso gut sagen: "Da liegt eine Frau mit einem weichen Körper, deren Schlüsselbein und Rippen einem nicht die Augen ausstechen". Die Frage ist dann, ob du dir den anderen Menschen anhand der Bewertung durch Dritte vorstellst - oder ob du dir "das Objekt" nach deinen eigenen Maßstäben vorstellst und dir zutraust, eigene Maßstäbe zu entwickeln. Vielleicht sind für einige Menschen die haptischen Erfahrungen von "weich und dick" angenehmer als von "hart und dünn"?
Nun, du schreibst aber von deiner Blindheit; und zwar durchaus im Zusammenhang mit anderen Themen. Da finde ich es seltsam, wenn du das nun wieder mit einem "ich bin genauso wie jemand, der sieht" relativierst. Mal so, mal so?
Es wäre ja auch fies, ausgerechnet von jemandem, der nicht sehen kann, zu verlangen, dass er sich dann bitte schön nur auf die inneren Werte ausrichten mag... Aber dennoch wird für mich an dieser Stelle die ganze Absurdität der Äußerlichkeiten offensichtlich: dass dir da ein Anderer etwas vorinterpretiert, was du eh nicht siehst?! Er könnte genauso gut sagen: "Da liegt eine Frau mit einem weichen Körper, deren Schlüsselbein und Rippen einem nicht die Augen ausstechen". Die Frage ist dann, ob du dir den anderen Menschen anhand der Bewertung durch Dritte vorstellst - oder ob du dir "das Objekt" nach deinen eigenen Maßstäben vorstellst und dir zutraust, eigene Maßstäbe zu entwickeln. Vielleicht sind für einige Menschen die haptischen Erfahrungen von "weich und dick" angenehmer als von "hart und dünn"?
Nun, du schreibst aber von deiner Blindheit; und zwar durchaus im Zusammenhang mit anderen Themen. Da finde ich es seltsam, wenn du das nun wieder mit einem "ich bin genauso wie jemand, der sieht" relativierst. Mal so, mal so?
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@ Isabe: Für mich war meine Blindheit nie ein Thema außer im negativen Sinne. Ich habe mich nicht mit anderen Verglichen, wie deren Weltsicht ist, ich habe mich nicht positioniert. Sowohl in der Therapie als auch hier im Forum ist das ja selten Hauptthema bei mir und das soll auch so bleiben. Ich werde vielleicht mal darüber nachdenken, wenn ich alt bin und Zeit habe und dann vielleicht in Form eines Buches die Welt ein wenig mit Moralinsäure verätzen. Als letzter Racheakt sozusagen.
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Hm, so sehe ich das nicht. Ich "verberge" meine Reiseaktivitäten nicht (es ist also nicht so, dass ich aus meinen Reisen ein Geheimnis machen würde. Vielmehr habe ich einfach keine besondere Motivation, von meinen Reisen überall herum zu erzählen. Es ist mir nicht wichtig, ob andere Leute wissen oder nicht, wo ich gewesen bin.)isabe hat geschrieben:luftikus:
Aber irgendwie klingt es auch komisch, wenn man dann sagt, dass man niemandem davon erzählt - findest du nicht? Als ob das Verbergen ein Beweis wäre für die Echtheit? .
Warum ich mich für manche Reiseziele besonders begeistern kann? Naja, zum Beispiel, weil ich die Landessprache besonders reizvoll finde. Oder weil ich die Weite und Einsamkeit der Landschaften (und das Klima) gern mag... oder das Essen... oder die Leute und ihre typischen Eigenschaften... oder das landestypische Essen... und so weiter. Meistens ist es eine Kombination aus mehreren Faktoren, die ein Reiseziel für mich reizvoll macht.
Imagepflege? Ich glaube, dass ich vergleichsweise wenig Imagepflege betreibe. Wie gesagt: meistens ist mir egal, was andere Leute über meine Reisen denken. Meine Kleidung ist bequem-sportlich, aber nicht übermäßig repräsentativ. Meine Wohnung ist klein (mir ist es wichtiger, dass die Entfernung zu den Bibliotheken, Theatern, Kinos etc. relativ kurz ist). Ein Auto habe ich auch nicht... und so weiter.
Übrigens: diesen Eindruck teile ich nicht. Wieso und in wiefern sollten die USA "billig" wirken? Ich bin früher gern in den USA herumgereist, und einige der Nationalparks gehören zum Faszinierendsten, was ich bisher gesehen habe. Meine USA-Reisen habe ich hauptsächlich deswegen eingestellt, weil mir die Einreiseprozeduren immer komplizierter und undurchsichtiger vorkommen. Deswegen bin ich inzwischen beispielsweise auf andere Reiseziele ausgewichen, die ähnlich attraktive Landschaften haben wie die USA. Beispielsweise habe ich festgestellt, dass das (vermutlich momentan als wenig intellektuell geltende) Gran Canaria in einigen Teilen der Insel durchaus grandiose Landschaften aufzuweisen hat.isabe hat geschrieben:(USA wirkt irgendwie billig; der Maghreb wirkt intellektuell...).
isabe,isabe hat geschrieben:In einem anderen Thread ging es (hoffentlich richtig) zusammengefasst darum, ob für einen Menschen, der nicht sieht, die Frage nach der Attraktivität des Anderen überhaupt eine Rolle spielen "darf". Nee, das ist schon zu viel Interpretation von mir, aber es ist die Frage, die sich anschließt an die Diskussion darüber, wieso das Aussehen eines Anderen für jemanden, der nicht sieht, so wichtig ist.
Und das erinnert mich an eine meiner Lieblingsfragen überhaupt: Ist es besser, in einem hässlichen Haus zu wohnen und den Ausblick auf die gegenüberliegende Jugendstilvilla zu haben - oder umgekehrt? Ich fürchte, unsere Vorlieben sind keine wirklichen Vorlieben, sondern Täuschungen.
was ich schon mal komisch finde, Attraktivität auf einen unserer fünf Sinne zu beschränken.
Ich geh mal davon aus, dass Nichtsehende bis aufs Nichtsehen durchaus ähnlich, gleich ticken, wie der Rest der Menschheit.
Mag ja Menschen geben, die „Attraktivität“ allein von einer ihrer fünf Möglichkeiten, wahrzunehmen, abhängig, machen, die meisten dürften mischen, denke ich.
Bei mir zählt in Sachen Attraktivität sicher das Sehen, aber doch nicht allein. Wehe, eine Stimme quält mein Ohr, Gerüche meine Nase, die womöglich sichtbare „Attraktivität“ wäre keine mehr.
Welche Äußerlichkeit auf wen wie wirkt, wirken kann, wirken darf? Ein sehr weites Feld.
Wer auf die Idee kommt, ein fehlender Sinn bewirke, dass Mensch „Äußerlichkeiten“ in Gänze nicht mehr wahrnimmt, wahrnehmen kann, zeugt auf jeden Fall von eigener Gefangenheit, ner doch arg eingeschränkten Wahrnehmung dessen, der so denkt. Schade, grad dem fehlen dadurch Wahrnehmungsmöglichkeiten.
Schon das ließe sich wohl als oberflächlich deuten.
Unsere Vorlieben? Auf jeden Fall werden sie überwiegend erst mit der Zeit welche. Viele gehen auch mit der Zeit.
Mensch ist als soziales Wesen ja nicht autark darin etwas zu mögen oder es abzulehnen.
Hätte ich 100 Jahre früher gelebt, bin mir sicher, meine Vorlieben hätten anders als die heute ausgesehen.
Auch schön/häßlich, die Wertung des wortes „Prestige“, das was ich darunter verstehe, was ich dann gut oder auch schlecht dran finde? Ich tippe all das sähe ich anders, lebte ich zu einer anderen Zeit, oder auch nur in einer anderen Region mit anderen Anschauungen, einer anderen mich beeinflussenden Kultur.
Natürlich mag auch mal was täuschen, führen womöglich grad auch äußere Einflüsse zu Irrtümern, Annahmen, es sei schlecht, obwohl dem nicht so ist, es sei toll, schön, erstrebenswert, obwohl man später das vielleicht gar nicht mehr so sieht. Aber ….. sooo feststehend ist das doch alles nicht, finde ich.
Manches, das mir vorgestern noch gefiel, gefällt mir heute nicht mehr. Oft ohne dass ich geneu sagen könnte warum dem so ist. Dass deshalb dann meine ehemalige Vorliebe nur ne Täuschung war? Nicht dass es nicht auch so was mal geben kann, ich hab es noch nicht erlebt.
LG hawi
„Das Ärgerlichste in dieser Welt ist, daß die Dummen todsicher
und die Intelligenten voller Zweifel sind.“
Bertrand Russell
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Bertrand Russell
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- [nicht mehr wegzudenken]
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@ Hawi: Es ging wohl darum, dass ich mich nicht bloß auf die verbleibenden verlasse. Ich achte darauf, mich nicht zum Affen zu machen, herzeigbare Freunde und einen ansehnlichen Partner zu haben.
Eher laufe ich allein oder mit einem Hund rum als mit einem Übriggebliebenen, es sei denn er heißt Einstein. Ist halt wie beim Kleiderkauf: Da kaufe ich auch nicht den letzten Fetzen, sondern spare auf etwas Besseres.
Das Gröbste wird ohnehin vom Gehör und Gefühl rausselektiert. Beim Rest ist es bloß eine Vergewisserung. Und es ist nicht einseitig. Ich werde ebenfalls gefragt, was ich von dieser und jener Person halte.
Am Beispiel des Kleiderkaufs möchte ich noch einen Zusammenhang schildern: Die Dinge, die sich in meiner Hand schön anfühlen, werden auch von meiner Begleitung gut bewertet. Andererseits, wenn ich etwas als Omikleid empfinde oder sich beim Anfühlen des Stoffs alle Nackenhaare aufstellen, fällt die sehende Bewertung ebenfalls negativ aus.
Bei Menschen ist das ähnlich. Erstens gibt's bei mir Schubladen: Typ Lehrer/Mama/Onkel/Professor etc. Die Zuordnung ist natürlich keine Fakten-, sondern Gefühlssache.
Zweitens passt jemand, mit dem ich mich anfreunden kann, meistens auch optisch und umgekehrt. Im Zweifel rettet natürlich die beste Optik nichts, wenn jemand einfach nicht mein Fall ist.
Ich denke, da hat jeder seine Methode und Schubladen, anders wird es kaum gehen.
Eher laufe ich allein oder mit einem Hund rum als mit einem Übriggebliebenen, es sei denn er heißt Einstein. Ist halt wie beim Kleiderkauf: Da kaufe ich auch nicht den letzten Fetzen, sondern spare auf etwas Besseres.
Das Gröbste wird ohnehin vom Gehör und Gefühl rausselektiert. Beim Rest ist es bloß eine Vergewisserung. Und es ist nicht einseitig. Ich werde ebenfalls gefragt, was ich von dieser und jener Person halte.
Am Beispiel des Kleiderkaufs möchte ich noch einen Zusammenhang schildern: Die Dinge, die sich in meiner Hand schön anfühlen, werden auch von meiner Begleitung gut bewertet. Andererseits, wenn ich etwas als Omikleid empfinde oder sich beim Anfühlen des Stoffs alle Nackenhaare aufstellen, fällt die sehende Bewertung ebenfalls negativ aus.
Bei Menschen ist das ähnlich. Erstens gibt's bei mir Schubladen: Typ Lehrer/Mama/Onkel/Professor etc. Die Zuordnung ist natürlich keine Fakten-, sondern Gefühlssache.
Zweitens passt jemand, mit dem ich mich anfreunden kann, meistens auch optisch und umgekehrt. Im Zweifel rettet natürlich die beste Optik nichts, wenn jemand einfach nicht mein Fall ist.
Ich denke, da hat jeder seine Methode und Schubladen, anders wird es kaum gehen.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]
luftikus:
Nun, beim Reisen bin ich vermutlich wirklich ein bisschen speziell... Die Nationalparks in den USA interessieren mich z.B. am allerwenigsten. Ich bin denen regelrecht ausgewichen. Vielleicht ist das auch so eine Art Aspie-Ader von mir, dass ich mit bestimmten Ländern und Regionen bestimmte räumliche Positionen verbinde, die mir Sicherheit "versprechen" oder Gefahr "androhen". Aber das führt zu weit, vermutlich.
hawi:
Bei mir ist es umgekehrt: Gerade in Bezug auf die Kleidung gefallen mir jetzt noch Sachen (Stoffe, Muster, Farben), die ich als Kind schon geliebt habe. Und ich ärgere mich regelrecht darüber, dass es das SO nicht mehr gibt. Und WENN es das gäbe, würde es altersmäßig irgendwie komisch aussehen.
Ich finde auch gar nicht, dass es unbedingt oberflächlich ist, wenn jemand sagt, er steht auf Dicke / Dünne / Große / Kleine /Blonde /Dunkelhaarige usw. Aber wenn er diejenigen nicht einmal sieht? Dann steht derjenige doch nur auf das Urteil, das Andere an seiner Stelle für ihn fällen? Weil er damit bestimmte Vorstellungen verbindet: "Wenn ich xy sehen könnte, würde mich das stören" usw. - aber derjenige SIEHT den Anderen ja nicht. Wenn einer nicht hört und sagt: "Ich mag keine Menschen mit einer tiefen Stimme", dann sorgt das zumindest dafür, dass ich innehalte und verwirrt bin, weil ich das nicht zusammenkriege, diesen Bewertungsmaßstab an dieser Stelle.
Nun, beim Reisen bin ich vermutlich wirklich ein bisschen speziell... Die Nationalparks in den USA interessieren mich z.B. am allerwenigsten. Ich bin denen regelrecht ausgewichen. Vielleicht ist das auch so eine Art Aspie-Ader von mir, dass ich mit bestimmten Ländern und Regionen bestimmte räumliche Positionen verbinde, die mir Sicherheit "versprechen" oder Gefahr "androhen". Aber das führt zu weit, vermutlich.
hawi:
Bei mir ist es umgekehrt: Gerade in Bezug auf die Kleidung gefallen mir jetzt noch Sachen (Stoffe, Muster, Farben), die ich als Kind schon geliebt habe. Und ich ärgere mich regelrecht darüber, dass es das SO nicht mehr gibt. Und WENN es das gäbe, würde es altersmäßig irgendwie komisch aussehen.
Ich finde auch gar nicht, dass es unbedingt oberflächlich ist, wenn jemand sagt, er steht auf Dicke / Dünne / Große / Kleine /Blonde /Dunkelhaarige usw. Aber wenn er diejenigen nicht einmal sieht? Dann steht derjenige doch nur auf das Urteil, das Andere an seiner Stelle für ihn fällen? Weil er damit bestimmte Vorstellungen verbindet: "Wenn ich xy sehen könnte, würde mich das stören" usw. - aber derjenige SIEHT den Anderen ja nicht. Wenn einer nicht hört und sagt: "Ich mag keine Menschen mit einer tiefen Stimme", dann sorgt das zumindest dafür, dass ich innehalte und verwirrt bin, weil ich das nicht zusammenkriege, diesen Bewertungsmaßstab an dieser Stelle.
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