Umgang mit dem Verhalten meiner Großmutter

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Luna84
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Umgang mit dem Verhalten meiner Großmutter

Beitrag Mi., 16.05.2012, 23:28

Hallo,

Mein lieber Opa väterlicherseits verstarb leider letzten Sommer.
Meine Oma hat sich seitdem extrem verändert, was natürlich zu einem weiten Teil auch verständlich ist. Sie waren sich trotz vieler Streitereien auf ihre Weise in Freundschaft verbunden, sie vermisst ihn sehr. Wobei ich sagen muss, dass es manchmal schon den Eindruck erweckt, als wäre sie zumindest manchmal vorwiegend auf Mitleid aus (ich bin die letzte unserer Familie, die das meint, hatte sie sehr lange verteidigt).

Gewisse Dinge begannen schon vor fast 2 Jahren. Sie war wirklich immer unglaublich topfit für ihr Alter (lief jeden Tag in der Stadt herum, etc.) stürzte eines Tages jedoch und bekam ein künstliches Hüftgelenk. Sie geht bis heute tw. schlecht, aber hauptsächlich aus psychischen Gründen, sie hat von jeher zu wenig geübt, ist immer unselbstständiger geworden, weil sie Angst hat sie könnte erneut stürzen.

Sie begann damals plötzlich großteils nur mehr über ihre Leiden zu sprechen, was so weit ging, dass sie sich sogar in Runden tatsächlich Schwerkranker (Krebs, Schlaganfall, Parkinson, etc.) als zumindest genauso krank darstellte. So war sie vor dem Sturz nie. Sie versucht mittlerweile auch gar nicht mehr etwas an der Situation zu ändern. Mit ihrem Stock und Rollator ginge sie richtig flott, geniert sich aber damit, weshalb sie diese selten selten verwendet und lieber auf das Einhängen bei anderen angewiesen ist. Beschwichtigungen, wieviele andere dieselben Hilfen benötigen, kommen bei ihr nicht an.

Meine Oma spricht fast nur mehr darüber, wie arm sie nicht ist. Sei es wegen dem Gehen oder den Zähnen, die sie erneuert bekommen hat. Habe oft das Gefühl, sie sucht richtig nach Mitleid und - so muss ich leider mittlerweile sagen - auch Aufmerksamkeit.

Dafür habe ich noch Verständnis, aber das ist leider nicht alles.

Sie ist zu einer launischen, kratzbürstigen Egoistin geworden, die anderen Dinge unterstellt und uns versucht emotional zu erpressen.

Mein Vater, der unter Depressionen leidet, ist nicht erst einmal vollkommen fertig von ihr zurück gekommen. Wenn er sie nicht mindestens 4mal pro Woche besucht, macht sie Terror. Wenn er sie mal nicht anruft, ruft sie mich panisch an, egal wie spät es ist.

Sie redet meinem Vater ein, dass er ja nur mehr sie hätte und was aus ihm würde, wenn sie nicht mehr wäre. Vor uns (meiner Mutter, Schwester, mir) sagt sie auch unverblümt, dass sie ja nur mehr meinen Vater hätte.

Sie versteht Dinge prinzipiell miss und legt sie als böse gegen sich selbst oder meinen Vater aus. Unterstellt Dinge, die man nicht mal im entferntesten gesagt hat.
Wenn man sie darauf anspricht, rechtfertigt sie sich auf sehr fadenscheinige Weise. Man merkt, sie will stets im Recht sein, gibt Fehler nicht zu.

Und schließlich zieht sie auch über meine Mutter her. Meine Mutter, die immer selbtlos für alle da ist, immer alles für alle tut! Schon auf so vieles verzichtet hat (wie etwa auf Reisen, weil mein Vater Fliugangst und Verlustängste hat, etc.). Sie schupft auch zuhause alles.

Es beginnt mit so Aussagen wie, dass mein Vater ja nur mehr sie, also seine Mutter, hätte. Es ist meine Mutter, die am meisten für meinen Vater da ist! Was sie sich schon alles bieten hat lassen - aber das gehört hier nicht her.

Dann beschwert sie sich meine Oma bei ihm, dass meine Mama sich so selten bei ihr melden würde. Gibt ihr die Schuld, dass er sich ein neues Auto gekauft hat. Beschwert sich, dass er meine Mama mit einer Freundin verreisen lässt (kleine Entschuldigung: meine Oma "muss" deshalb mit meinem Vater verreisen, weil er es alleine nicht aushält, meine Oma möchte aber eigentlich nicht). usw. Meine Oma und meine Mama hatten eigentlich ein gutes Verhältnis. Es gab nie diese klischeehafte "Schwiegermonster"-Beziehung.

Oma beschwert sich auch und erpresst emotional, weil meine Eltern es wagen alle paar Wochen mal zu verreisen, vor allem weil sie für nächstes Jahr eine große Reise planen.
Es wirkt, als würde sie das Leben als Film und sich als Hauptdarstellerin sehen.

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Luna84
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Beitrag Mi., 16.05.2012, 23:31

Meine Schwester kann das ganze zu einem Ohr rein, zum anderen wieder raus lassen. Mich beschäftigt und belastet es aber oftmals leider sehr.

Ich kann auch leider schwer ein Verständnis entwickeln. Betrachte alle Menschen als gleich, nicht nach ihrem Alter. Ich meine damit, dass ich Probleme habe mir zu denken "Sie ist 89, bla bla bla". Das ist vermutlich auch der Grund, warum ich mit Kindern nicht so kann. Ich erwarte irgendwie von allen Menschen einen zumindest durchschnittlichen Respekt anderen gegenüber und ein entsprechendes Verhalten.

Ich merke halt zunehmend, dass ich leider immer weniger Verständnis und Mitgefühl aufbringen kann.

Warum ich hier schreibe ist, weil ich mir denke, dass vll jemand von euch ähnliche Erfahrungen gemacht hat? Wie kann man mit so einem Verhalten lernen umzugehen, es vll tw. rationalisieren, Verständnis entwickeln oder sich zumindest distanzieren, wenn es einen gerade nicht selbst betrifft? Mir geht das alles leider wirklich nahe.

Alles Liebe
Luna

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münchnerkindl
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Beitrag Do., 17.05.2012, 00:27

Hat sie denn noch irgendwelche eigenen sozialen Kontakte ausser ihrem Sohn und deiner Familie?

Oder hockt sie den ganzen Tag zuhause und hat keinen Sinn im Leben mehr und nichts weiter zu tun den ganzen lieben langen Tag als euch auf Trab zu halten?

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Luna84
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Beitrag Fr., 18.05.2012, 22:48

Hallo,

Danke für deine Antwort.

Das ist leider ein weiteres Problem. Sie war früher sehr viel draußen, mit Freundinnen und auch in Seniorenclubs.

Ihre engsten Freundinnen verstarben leider schon vor ein paar Jahren, sie unternahm aber noch öfters etwas mit jüngeren Freundinnen und zweimal die Woche war der Club ein Fixtermin.

Das hat sich nun leider auch geändert. Sie besucht die Clubs seltener und ist, wenn, eher mit drei Frauen aus demselben Wohnhaus zusammen, die aber 15-20 Jahre jünger als sie selbst sind. Davon verbringt sie die meiste Zeit mit einem Ehepaar, das ihr schon geholfen hat, als mein Opa noch lebte. Wie sehr da wirklich eine Freundschaft besteht, ist fraglich, denn sie helfen ihr entgeltlich (wie meinem Opa früher) zB beim Strümpfe anziehen, gehen mit ihr ein bisschen, kaufen für sie hin und wieder ein und sie isst manchmal bei ihnen. Meine Oma spricht manchmal eher schlecht über die Frau, inwieweit das womöglich harmloseres Lästern ist, kann ich nicht beurteilen. Aber es kam zumindest einmal vor, dass die Frau schlecht über unsere Familie bei anderen sprach. Meine Oma will aber die Hilfe von ihr und nicht von zB einer Pflegerin.

Ich fürchte also so richtige Freundschaften wie früher hat sie leider nicht mehr. Ermutigungen wieder öfters in den Club zu gehen, woe sie ja gute Bekannte hat, prallen leider ab. Im selben Wohnhaus gäbe es noch eine Witwe in ihrem Alter, mit der möchte sie aber keinen näheren Kontakt, weil diese unbeliebt ist.

Mein Vater schlug ihr einmal ein Altersheim vor, in dem viele frühere Bekannte von ihr wohnen. Sie möchte aber noch in kein Heim, was ich prinzipiell auch verstehen kann. Sowas ist sicherlich eine sehr große Umstellung.

Ich kann voll verstehen, wenn sich meine Oma einsam fühlt und sollte mehr Verständnis für ihr Verhalten aufbringen. Ich würde ihr ja auch gerne helfen, nur nimmt sie meine Vorschläge leider nicht an.

Hatte gehofft, die ganze Situation würde sich mit der Zeit wieder bessern, aber es scheint leider schlimmer zu werden. Mache mir auch Sorgen, dass sie die Wohnung bald gar nicht mehr verlässt, weil sie beim Gehen psychisch immer unsicherer wird.

Alles Liebe
Luna

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Majoran
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Beitrag Sa., 22.08.2020, 11:31

Hallo ihr Lieben,

ich würde gern mal wissen, was ihr zu der Situation mit meiner Oma meint, vielleicht hat da jemand Erfahrung was man in einer solchen Situation macht?

Also es ist so, dass mein Opa vor 2 Jahren gestorben ist und meine Oma jetzt alleine ist. Meine Mutter und ich wohnen aber im gleichen Mietshaus, also wir sind jeden Tag bei ihr.

Mein Problem ist, dass meine Oma depressiv ist, was auch schon immer so war, dazu kommt eine hohe Aggressivität. Sie lässt sich aber nicht behandeln.
Ich habe immer Mitleid mit ihr und kann sie nicht alleine sehen, bzw. wenn sie so traurig am Küchentisch sitzt. Sie hat keine Freunde, will nicht mit den Nachbarn sprechen, hat keinen Führerschein und ist nicht mehr so gut zu Fuß bzw. mit dem Fahrrad kann sie nicht mehr so weit fahren. Sie geht seit 40 Jahren nicht zum Friseur aber es fällt ihr immer schwerer sich selbst die Haare zu schneiden. Manchmal mache ich das, es braucht aber einen halben Tag Überredung meinerseits.
Ich kann sie einfach nicht mit den wilden Haaren rumlaufen sehen, zumal sie sich dann noch weniger draußen zeigen will. Sie lässt sich dann unter Zetern die Haare schneiden, als ob ich ihr eine Glatze schneiden will, ist danach aber total froh, dass sie wieder ordentlich aussieht und beim nächsten Mal geht das Theater von vorne los.
Sie schleppt ständig schwere Blumentöpfe, Gießkannen etc., obwohl sie uns jederzeit um Hilfe bitten könnte. Sie verletzt sich manchmal in ihrem Garten, so dass ich Angst habe, es könnte mal richtig schwere Verletzung sein, ohne dass es jemand merkt, dass sie eine Blutvergiftung bekommt. Sie geht nur widerwillig zum Arzt, nur wenn es GANZ SCHLIMM ist und um ihre Blutdruck-Tabletten zu holen, aber sie lügt den Arzt auch an, dass alles in Ordnung sei. Meine Mutter und meine Tante rufen hinter ihrem Rücken beim Arzt an und erzählen Ihm die Beschwerden meiner Oma und er spricht sie dann drauf an und hat ihr sogar schon ein Antidepressivum verschrieben etc. Sie bräuchte eigentlich Krankengym. für ihren Rücken, will das aber nicht machen, obwohl es ganz nah an Zuhause ist.
Wenn ich ihr anbiete, sie zum Einkaufen zufahren, schnauzt sie mich an, dass sie keinen Hilfe braucht. Sie ist auch null dankbar, dass wir überhaupt da sind.

Ich fühl mich immer so schlecht, wenn ich sie nicht besuche, weil sie ja alleine ist. Ich denke dann immer daran, dass sie sich früher immer um mich gekümmert hat. Allerdingt war sie auch früher ein echter Haustyrann und hat uns alle beschimpft, gestresst und tyrannisiert. Keiner hat den Kontakt zu ihr abgebrochen, da sie auch immer gute Momente hat, helfen will, etc. Aber irgendwie wird und wurde das immer von ihrer ich möchte sagen narzisstischen Art überlagert. Ich glaube sie hat ein Trauma durch Krieg (als Kind) und Hunger in der Nachkriegszeit. Hat ihr Leben nie genossen, sich nie etwas gegönnt, nie etwas genießen können...nie Urlaub, nie Freude, immer nur Zank und Streit und Arbeit. Es war die Hölle mit ihr früher und dennoch fühlen wir uns jetzt alle so verantwortlich für sie. Meine Mutter geht nach 8 Std. Arbeit erstmal sofort zu ihr und hört sich den ganzen depressiven Mist an. Meine Mutter macht eine Psychothera. wegen PTBS. Mein Opa war oft das Opfer ihrer Aggressionen und wurde jeden Tag von ihr angemeckert, sogar nachts. Dabei war er am Ende der Einzige außer uns, der noch bei ihr war.

Wenn ich das alles lese denke ich nur: "lass die links liegen, sie ist selbst schuld mit ihrer Gehässigkeit, vergiss es."
Aber ich kann das einfach nicht und meine Mutter auch nicht. Ich denke dann einfach daran, dass sie allein und traurig in ihrer Wohnung sitzt und kann mich nicht entspannen.

Meine Oma ist einfach nicht mehr so ganz unabhängig lebensfähig, sie vergisst sogar zu essen bis es 3 Uhr nachmittags ist, kümmert sich nicht um sich, würde da sitzen und versauern...Sie guckt auch tags kein Fernsehen oder so, sitzt einfach nur da und schraubt sich in depressive Gedanken und weint.
Ich persönlich finde, dass sie einen Tagestreff oder eine Gruppe besuchen könnte, wir würden sie ja da hinbringen. Zumindest einmal die Woche andere Menschen treffen, sich austauschen.
Sie will es nicht. Sie will auch kein "Essen auf Rädern", damit sie nicht selbst kochen braucht.

Ich werde bald umziehen, dann ist sie den ganzen Tag allein und ich mache mir Gedanken...

Sie WILL keine Hilfe, sie braucht aber auch Menschen außer uns, sie braucht einen Tagesablauf...

Das war jetzt viel, aber vielleicht habt ihr ja eine Idee, wie man damit umgehen kann oder wie man das zumindest im Kopf klar kriegt.

Liebe Grüße,
Majo

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leuchtturm
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Beitrag Sa., 22.08.2020, 11:57

hmmm...Ich nehme jetzt mal heraus, was mir auffiel:
deine Oma kann, wie du sagst, nicht alleine zurecht kommen
deine Oma will keine Hilfe
Deine Oma will kein Essen auf Rädern
deine Oma will keine Hilfe beim Einkaufen
deine Oma will die Haare nicht geschnitten bekommen usw

ich werde jetzt nicht sagen, du solltest sie links liegen lassen
Denn das willst du nicht

aber vll solltest du daran arbeiten, deiner Oma ihre eigenen Vorstellungen zu lassen und dich mit deinen Vorstellungen ("sie sollte ein Tagestreff besuchen) zurückzuhalten.

Sie will nicht.
Dann drück ihr doch bitte nichts auf.

Da deine Mutter mit ihr im selben Haus wohnt, ist ja doch eine gewisse Kontrolle da, dass die Oma nicht das Haus ansteckt o.Ä.

die Oma ist alt genug. Sie ist nicht entmündigt.
Lass sie so sein, wie sie es will.

Wenn sie merkt, sie wird nicht mehr bevormundet und will selbst etwas ändern, können deine Mutter und du immer noch organisatorisch tätig werden. Aber das wird nur mit der Oma gehen, nicht gegen sie.

Das Problem scheint mir weniger die Oma zu sein als euer Miteinander. Daran könntest du arbeiten ;)

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Majoran
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Beiträge: 9

Beitrag Sa., 22.08.2020, 15:40

Leuchtturm ich glaube was dir entgangen ist, ist dass sie leidet und depressiv ist und es schwer mit anzusehen ist.

Es geht nicht darum, dass sie nicht das Haus ansteckt. Es geht darum dass man weiß ein Mensch ist da dem es nicht gut geht, will sich nicht helfen lassen. Wenn man eine Familie ist möchte man dass es den anderen gut geht.

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Candykills
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Beitrag Sa., 22.08.2020, 17:44

Sie will sie nicht helfen lassen, also lass sie.
Sie ist alt genug selbstständig zu entscheiden, wann und ob sie Hilfe annehmen will. Wenn es für sie OK ist den ganzen Tag depressiv in der Wohnung herum zu hängen, dann hat sie sich selbst das so ausgesucht.
Du wirst das nicht ändern können, du wirst sie nicht ändern können.
Lebe dein Leben, besuch sie ab und zu und versuche zu akzeptieren, dass deine Oma nicht so funktioniert, wie du es gerne hättest und sie es DIR leichter machen würde.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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saffiatou
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Beitrag Sa., 22.08.2020, 18:38

Wenn deine Großmutter keine Hilfe will und noch so weit klar denken kann, dass sie selbst entscheiden kann, ist es übergriffig, für die zu bestimmen, was und wNn sie etwas tun oder lassen soll.

Auch wenn es dich schmerzt, wie sie lebt, es ist alleine ihre Entscheidung. Du kannst ihr sagen, dass du für sie da bist und ihr helfen möchtest, wenn sie das will, kann sie dich kontaktieren, ansonsten würde ich da Abstand nehmen, denn das will sie, wenn ich da richtig verstanden habe. Es ist ihr Recht. Da du nicht weißt warum sie so geworden ist, solltest du sie nicht weiter unter Druck setzen. Stell dir mal vor, wie es für dich wäre, nur weil du alt bist und etwas anders lebst, machen dir andere Vorschriften.

Saffia
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Waldschratin
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Beitrag So., 23.08.2020, 12:09

Hallo Majoran,
ich schreib jetzt mal "von der anderen Seite" her betrachtet, denn ich habe eine langjährige, sehr gute Freundin (Eigentlich ist sie mehr sowas wie eine meiner "Ersatzmütter" ), die mittlerweile auf die 80 zugeht, inzwischen wegen körperlicher Behinderung im Pflegeheim ist, im Kopf allerdings nach wie vor helle und ganz "da", aber seit Jahr und Tag depressiv und passiv-aggressiv, wohl auch wegen unverarbeiteter Kindheitstraumata. (Sie hat als ganz Kleine Kriegsende "am eigenen Leib" miterlebt).

Mir fällt an deinem Geschriebenen dieser Satz hier ins Auge:
Majoran hat geschrieben:Mein Problem ist, dass meine Oma depressiv ist, was auch schon immer so war, dazu kommt eine hohe Aggressivität. Sie lässt sich aber nicht behandeln.
Du schreibst sehr richtig, dass es dein Problem ist, dass deine Oma depressiv ist.
Ihres scheint es weitaus weniger zu sein, denn
Sie lässt sich aber nicht behandeln.
Ich kenne das von meiner Freundin ähnlich. Sie selber leidet unter ihren etablierten Bewältigungsstratgien zwar auch, aber nicht "genug", damit sie sich andere aufmacht zu suchen/entwickeln.
Für sie "funktioniert" ihr Konzept der passiven Aggressivität recht gut, im Rahmen ihrer Möglichkeiten und lange Jahrzehnte "eingeübten" Verhaltens.

Aus deiner Sicht (und vielleicht auch eigener gemachter Erfahrung?) ist es aber nicht nur ein Weg, eine Möglichkeit, sondern wohl eher "selbstverständlich", dass sie sich verändern könnte und sollte, dazu auch Unterstützung bekommt und und und... Und alles "kein Problem" heutzutage, außer der eigenen Auseinandersetzung damit.

Deine Oma kommt da aber aus ner ganz anderen "Sozialisation" und "Welt".


Dann das hier:
Majoran hat geschrieben:Ich habe immer Mitleid mit ihr und kann sie nicht alleine sehen, bzw. wenn sie so traurig am Küchentisch sitzt.
Wieder die "andere Seite" der Sicht drauf von mir: Du kannst sie "so" nicht sehen.
Und : Du hast "Mitleid" mit ihr.
Ist dir klar, wie sehr du sie damit "degradierst" und "klein machst"?

Sie ist deine Oma, d.h., sie hat schon ihr Leben erfolgreich bewältigt bekommen.
Trotz all der Dinge, die sie hat erleben müssen. :!!:

Sie lebt und "ist" nicht so, wie es deiner Vorstellung nach in einem "guten Leben" zu sein hat - und das sagt sehr viel über deine "Ansprüche" an ein "gutes Leben" aus. Und sonst nichts.

Du hast "Mitleid" : Stell dir das mal dir gegenüber vor. Wenn es dir mies geht, du depressiv bist, jede Menge tatsächlich erlebter Gründe dafür anführen kannst - und dann kommt jemand aus deiner Familie daher, der dich "bemitleidet".
Ehrlich gesagt, würde ich demjenigen gepflegt ins Gesicht hüpfen dann.

Um wieder auf mein "Beispiel" am Anfang zurückzukommen:
Meine Freundin hat eine Tochter, die begegnet ihrer Mutter ähnlich wie du deiner Oma.
Sie hält es nicht aus, dass ihre Mutter (und auch sonst jemand aus ihrem näheren Umfeld) nicht so drauf ist, wie es ihr am dienlichsten wäre.
Und auch sie meint es "besserzuwissen", was meine Freundin "zu brauchen hat" in "ihrem Zustand", versäumt es aber gleichzeitig, meine Freundin auch nur ein Mal vorher danach offen zu fragen und dabei auch zuzuhören, was denn meiner Freundin guttun würde oder sie sich wünscht.

Wenn man "eine Familie" ist, dann will man natürlich nicht, dass jemand davon leidet oder sich in etwas verliert etc.
Aber : Man respektiert auch dessen Willen und Wollen und setzt nicht einfach die eigenen Bedürfnisse drüber.

Der springende Punkt dabei : Reflektiere, was das Verhalten deiner Oma in dir auslöst, reflektiere deine Bedürfnisse und Wünsche deshalb und bleib damit ganz bei dir und dann erst, wenn du das hinkriegst, widme dich deiner Oma entsprechend. Sonst überträgst du ihr nur noch zusätzlich zu "Ihrem" auch noch "Deins".

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Majoran
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Beitrag Di., 25.08.2020, 20:29

Hallo,

anscheinend muss man hier ganz schön einstecken, wenn man sich um seine Oma Sorgen macht.

Ich danke aber auch für die hilfreichen Beiträge, da war vieles dabei, womit ich was anfangen konnte.

Na gut, dann geh ich da mal tiefer rein. Ich denke mal jeder von euch hat auch so Sachen, die ihn triggern. Das Verhalten meiner Oma triggert Angst in mir. Weil sie mich erzogen hat, weil ich darauf getrimmt wurde, zu schauen, dass es ihr gut geht.
Waldschratin, du hast es auf den Punkt getroffen:
Ich kenne das von meiner Freundin ähnlich. Sie selber leidet unter ihren etablierten Bewältigungsstratgien zwar auch, aber nicht "genug", damit sie sich andere aufmacht zu suchen/entwickeln.
Für sie "funktioniert" ihr Konzept der passiven Aggressivität recht gut, im Rahmen ihrer Möglichkeiten und lange Jahrzehnte "eingeübten" Verhaltens.
Es ist jahrelang eingeübt...ich muss mich um meine Oma kümmern. Deshalb ist es auch nicht leicht, einfach mal sie ihr eigenes Leben leben zu lassen. Sie will ja auch irgendwie diese Aufmerksamkeit. Manchmal will ich auch gar nicht mehr hingehen. Sie hat ja auch nie irgendwas alleine gemacht und jetzt soll ich einfach sagen: ok dann mach mal dein eigenes Ding, dann sei mal depressiv, dann sprich halt tagelang mit keinem...es macht mich fertig, echt jetzt. Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich das mache. Naja ich erwarte jetzt darauf hier keine Antwort, sonst heißt es wieder, es geht mir nur um mich und ich will, dass meine Oma funktioniert.

Ja wenn ich so alt wäre wie sie...keine Ahnung, ich würde schon was machen wollen, damit es mir besser geht. Ich kämpfe auch als junger Mensch jeden Tag darum, dass es mir seelisch gut geht. ich will das auch im Alter machen.

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saffiatou
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Beitrag Di., 25.08.2020, 20:55

Du könntest ihr einfach sagen, dass du da bist, wenn sie dich braucht und ansonsten zurückziehen. Nur weil du (jetzt) meinst, du willst, dass man sich im Alter um dich kümmert, gilt das nicht für andere. Ich würde nur eingreifen, wenn sie nicht mehr in der Lage ist für sich zu sorgen.

Es geht darum jemanden zu akzeptieren wie er ist und sich dein Leben vorstellt. Versuche dich mal hineinzuversetzen, wie das für dich wäre, wenn dir immer jemand sagt, was du wann und wie zu machen hast.

Es geht in unseren Posts auch nicht darum, dass du „einstecken“ musst, sondern einfach um unsere Sichtweise. Manche hier haben das oft ertragen müssen, dass andere entscheiden, was sie zu tun und zu lassen haben, da reagiert mancher empfindlich.

Ja, es ,mag dich triggern, weil du Angst hast, gewohnt bist dich um sie zu kümmern, ist das nicht ehr eine Zurückweisung, die du nun fühlst und die schmerzt. Sie braucht dicht ihrer Meinung nach jetzt nicht, du bist frei. Das hat doch auch etwas für sich.

Es bedeutet nicht, dass du dich nicht mehr melden sollst, nur eben die Verantwortung abgeben und etwas Abstand, so verstehe ich es.
never know better than the natives. Kofi Annan

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Majoran
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Beitrag Di., 25.08.2020, 21:06

Ich würde nur eingreifen, wenn sie nicht mehr in der Lage ist für sich zu sorgen.
Ja das ist halt die Sache...ich weiß, dass das richtig wäre.

Nee es geht nicht um Zurückweisung. Ich fühle mich halt, als würde ich sie im Stich lassen. Es gibt mir nichts mich um sie zu kümmern, ich hab auch keine Lust dazu. Also ich brauche das nicht für mich.

Keine Ahnung ob hier Leute denken, ich würde sie bevormunden...tu ich ja nicht, sie lässt sich ja nichts sagen.
Ich versuche sie so gut es geht zu unterstützen, auch ohne das sie es merkt. Vielleicht ist es zu viel ja. Ich sollte mal den Schalter suchen, um meine Programme auszuschalten und die ausschalten, ist ja auch ganz easy.

Ich schreib da jetzt nichts mehr zu hier. War ein Fehler, sich zu öffnen.

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Tröte
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Beitrag Mi., 26.08.2020, 06:08

Hallo Majoran,
vielleicht noch eine Idee von mir.
Hast Du sie mal gefragt, was sie sich wünschen würde?
Wenn jemand stirbt, mit dem man den größten Teil seines Lebens verbracht hat, bricht die Stütze, Struktur und das komplette Leben ein. Das ist soweit klar. Meine Vermutung ist, dass sie mit dem alleinsein nicht klar kommt und mit ihrem Verhalten nach Aufmerksamkeit lechzt.
Ihr Schmerz ist riesengroß und ich vermute, dass die Vorschläge von Euch nicht fruchten, weil Deine Oma etwas sucht, was den Verlustschmerz kompensiert und da gibt es nichts.
Somit gibt es (aus meiner Sicht) nur die Alternative ihr zu zeigen, dass man mitfühlt und nachvollziehen kann, wie schwer ihre derzeitige Situation ist und sie zu fragen, wie man ein wenig unterstützen kann. Was sie sich wünscht was man tut. Darauf aufbauend (wenn sie denn was anderes sagen sollte, als "ich will nicht mehr leben") kann man dann vlt. einen Plan aufstellen, dass sie sich gebraucht und unterstützt fühlt.
Nicht einfach, keine Frage, aber vlt. wäre dies ein Weg.

VG
Tröte
"But these stories don't mean anything, when you got no one to tell them to. It's true, I was made for you "


Waldschratin
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Beitrag Mi., 26.08.2020, 07:03

Majoran hat geschrieben:Ich schreib da jetzt nichts mehr zu hier. War ein Fehler, sich zu öffnen.
Oh, ein Fehler war das ganz bestimmt nicht! :hugs:
Es gibt hier weitaus mehr Leute, die dich nur allzu gut verstehen aus eigenem Erleben, als du dir vorstellen kannst. :ja: Ich schrei auch gleich mal wieder "Hier!" :hello: :->

Ich finde, du hast es an sich schon gut erkannt, was da grad abgeht und warum es dir gar so viele Probleme macht:
Majoran hat geschrieben:Na gut, dann geh ich da mal tiefer rein. Ich denke mal jeder von euch hat auch so Sachen, die ihn triggern. Das Verhalten meiner Oma triggert Angst in mir. Weil sie mich erzogen hat, weil ich darauf getrimmt wurde, zu schauen, dass es ihr gut geht.
Nur suchst du die Lösung des Ganzen noch im "perfekten Erfüllen" dessen, wozu deine Oma dich zeitlebens "benutzt" hat.
(Und sicher nicht nur dich).

Und DA liegt des Pudels Kern. :!!:

Du bist das "System an sich" nicht anders gewohnt, also "kannst" du im Moment nur diese Richtung sehen als Weg : Bring Oma in Frieden und erfülle alle ihre Wünsche, und wenn es IHR gutgeht, dann erst darf es auch DIR gutgehen oder so ähnlich jedenfalls.

Da dran seh ich, dass das Konzept deiner Oma, ihre eigenen Bewältigungsstrategien für sich, mehr als gut funktionieren.

Da mach ich der Oma jetzt mal keinen Vorwurf draus, das war halt so bisher, sie hats nicht besser hingekriegt, hatte und hat ihre Hintergründe dazu. Und du hattest bisher noch keinen Anlass, das mal besser bewusst zu bekommen, da du da ja drin aufgewachsen bist.

Jetzt ist aber dein:!!: Leidensdruck inzwischen groß genug dafür, dass du dir Veränderung wünschst.

Deine Oma wirst du nicht geändert bekommen.
Ihre Strategie, dass DU (und alle Welt sonst) sich um ihre Bedürfnisse zu kümmern haben, ist ein Selbstläufer. Der "darf" gar nicht erfüllt werden, sonst verliert er seinen Sinn.

Und in dieser Sackgasse stehst du nun vor der "Wand" und brauchst ne Lösung.

Der wichtigste Punkt an dem Ganzen ist aber : DU brauchst diese Lösung für dich und dein Leben, nicht deine Oma.
Und da es dein Leben ist, darfst du dich auch abnabeln und dir dein Eigenes "nehmen", unabhängig von der Oma (und anderen Leuten).

Und das bedeutet nicht, dass du jetzt "ganz oder gar nicht" machen musst mit Familie und dich um die Oma kümmern. :!!:

Das kann eine Weile mal nötig sein (Bei mir war es so mit meiner Mutter), damit du überhaupt mal ein Erleben und Gefühl dafür bekommst, wer du als Eigenperson eigentlich bist.

Jetzt weiß ich nicht : Bist du grade in Therapie? Wenn ja, wäre das der perfekte Anlass, genau solche Themen da mal auf den Tisch zu packen. Weil es da gelinde gesagt ums persönliche Eingemachte in einem geht. Wer bin ich eigentlich, was sind meine Grundstrukturen, welche "Urgefühle" liegen da bei mir eigentlich vor, auf denen ich mich "abspiele" etc.
Was hab ich gelernt und beigebracht bekommen und wie "passt" das eigentlich zu mir oder wo will und brauche ich da ein Rauswachsen aus den gelernten alten Mustern?

So, Abhandlung Ende. :->

Vielleicht kannst du ja ein bissl was damit anfangen. :hugs:

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