'Emotional zur Verfügung stehen': Gehört es dazu?

Alle Themen, die in keines der Partnerschafts-Foren passen, bei denen es aber in weitestem Sinne um Beziehungen, soziale Kontakte usw. geht, Adoption, Pflege usw.
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SamuelZ.
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'Emotional zur Verfügung stehen': Gehört es dazu?

Beitrag Do., 28.01.2010, 19:58

Thema: "Emotional zur Verfügung stehen": Gehört es zu einer guten Beziehung dazu?

Hallo zusammen,

ich hatte heute ein Gespräch mit einem Bekannten, der wie ich im selben Beruf arbeitet. Es ging darum, dass man in sozialen Berufen häufig emotional gefordert ist.

Die Menschen, mit denen man zu tun hat, versuchen, ihre eigenen inneren Konflikte an einem abzuarbeiten. Das ist eine Tatsache. Leite ich z.B. ein Team, dann werde ich mit vielen Übertragungsgefühlen (positive sowie negative) der Team-Mitglieder zu rechnen haben.

Wir werden von den Menschen, mit denen wir zu tun haben, mit Emotionen konfrontiert (die Ausdruck eines inneren Konfliktes sind, z.B.) und häufig rutscht man dann unbewusst in eine stellvertretende Rolle hinein und übernimmt dabei "korrespondierende Gefühle", die dem anderen helfen, seinen inneren Konflikt nach außen zu tragen und dort abzuarbeiten. Die Gefühle, die man dann durchlebt, sind häufig gar nicht die eigenen. Aber es ist trotzdem total anstrengend und nervraubend.

Mein Bekannter meinte nun, dass es zu sozialen Berufen sowie auch jeder guten Beziehung dazu gehört, sich emotional auf den anderen einzulassen, ihm zur Verfügung zu stehen, mit ihm diesen Konflikt durchzustehen.

Ich sehe es nicht so. Ich arbeite zur Zeit daran, weder beruflich noch privat in die emotionalen Zustände anderer Menschen hineingezogen zu werden, meine Grenzen deutlich zu machen. Ich will von den inneren Konflikten anderer in Ruhe gelassen werden. Ich will ihnen nicht dabei helfen, ihre inneren Ungleichgewichte auszugleichen.

Meine Frage: Seid ihr euch solcher Übertragungen im Alltagsleben bewusst, z.B. in Partnerschaften oder Freundschaften? Denkt ihr manchmal: Der hat ein Problem und läd es jetzt bei mir ab?
Wie geht ihr damit um?
Blockt ihr ab oder lasst ihr es zu?

Lg Sandy

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Eve...
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Beitrag Do., 28.01.2010, 20:13

Wir werden von den Menschen, mit denen wir zu tun haben, mit Emotionen konfrontiert (die Ausdruck eines inneren Konfliktes sind, z.B.) und häufig rutscht man dann unbewusst in eine stellvertretende Rolle hinein und übernimmt dabei "korrespondierende Gefühle", die dem anderen helfen, seinen inneren Konflikt nach außen zu tragen und dort abzuarbeiten. Die Gefühle, die man dann durchlebt, sind häufig gar nicht die eigenen. Aber es ist trotzdem total anstrengend und nervraubend.
Hej, das ist gut beschrieben und genau das, was ich neulich erst in einem "Verband" erlebt habe! (Aus Gründen der Erkennungsmöglichkeit gehe auf die Art der Institution nicht weiter ein.)

Dein Text erklärt mir auch das diffuse Unbehagen, das sich in mir ausbreitete, als ich immer mehr in eine Art emotionale Zange genommen wurde und weder für mich noch für andere eine richtige Erläuterung dafür zusammenbekam, was sich da eigentlich abspielte. Ich ahnte aber schon so etwas in der Richtung, wie Du es oben beschreibst. Das ist eine kuriose Sache, muss ich schon sagen!

Ich habe mich dem dann entzogen, hab "die Brocken hingeworfen", wollte nicht länger Prellbock für diese unterschwelligen, emotionalen Schwingungen sein. Es machte mich komplett wirr, vor allem, da es nicht recht zu deuten war, was da ablief. Weil es nicht zu greifen war, konnte ich dem nicht angemessen begegnen, fühlte mich hin- und hergeworfen zwischen Überreaktion und Hilflosigkeit.

Und ich finde es im Nachhinein auch genau richtig, dass ich gegangen bin. Mittlerweile bin ich wieder zurück, aber in anderer Funktion an anderer Stelle, und meide die Betreffenden, so gut es nur geht. Und ich hüte mich, mich noch einmal in derartiges hineinziehen zu lassen.

Ich sehe es aufgrund dieser Erfahrung und der Federn, die ich dabei gelassen habe, natürlich so, dass jeder das Recht hat, sich abzugrenzen. Mich zum Instrument machen zu lassen bzw. mich dafür zur Verfügung zu stellen, wäre fallweise eine Entscheidung - dazu sollten zumindest aber die Karten offen auf den Tisch gelegt werden.

Gruß, Eve

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metropolis
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Beitrag Do., 28.01.2010, 20:25

Die Beziehung betreffend bin ich der Meinung, dass sich die Qualität einer Beziehung dadurch auszeichnet, inwiefern man in der Lage ist, sich von anderen abzugrenzen und sich nicht in den Emotionsstrudel reinziehen zu lassen. Das spüre ich auch immer wieder in der Beziehung zu meinem Freund: je weniger ich mich von seinen Problemen anstecken lasse, umso besser kann ich für ihn da sein und ihm wieder raushelfen.
Früher als ich diese Abgrenzung noch nicht beherrschte, hatten wir ständig heftigste Streit. Mittlerweile ist es viel harmonischer und ruhiger geworden.
Also, Übertragungsgefühle sind in einer Beziehung auf jeden Fall nicht von Vorteil. Das muss nicht heißen, dass man nicht auch einfühlsam und fürsorglich sein darf.

Ich finde es aber eigenartig, dass ihr auf der Arbeit euch emotional so nahe kommt, dass Übertragungsgefühle entstehen. Ich dachte, da würde es distanzierter zugehen.

LG

metropolis
"Ja und dann? Weißt du nicht mehr? Wenn ich und du nicht gekommen wären und den kleinen Häwelmann in unser Boot genommen hätten, so hätte er doch leicht ertrinken können!"

Theodor Storm

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candle
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Beitrag Do., 28.01.2010, 20:31

Also gerade als Teamleiter hat man da schon eine gewisse Verantwortung. Das heißt ja nicht, dass Du jedem sein Privatleben kennen mußt, aber eben das was vielleicht schlechte Arbeit eines Mitarbeiters (plötzlich) zeigt, schon hinterfragen um eine gemeinsame Lösung zu finden.

candle
Es ist besser ein Kerze anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.
Sommer-Stumpenhorst

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carö
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Beitrag Do., 28.01.2010, 21:03

hallo sandy,

ja ich kenne das auch. also dass ich mich erstens reinziehen lasse und noch mein eigenes paket mit in den ring werfe. das führt dann zu ziemlichen wirren gefühlen... und dass ich zweitens sehr versuche dran zu arbeiten und es auch inzwischen wesentlich besser als früher kann: mich abzugrenzen. es passiert schon noch, dass ich es nicht schaffe und mich in einem emotionalen chaos oder einfach nur unbehagen wiederfinde, aber dann meistens deswegen, weil einer meiner besonders empfindlichen stellen getroffen wird oder dass es sich anhäuft ich lange gelassen bleiben kann und dann - falscher fuss, falscher tag, keine ahnung, der berühmte tropfen fällt, der mich zum überschäumen bringt und mich zu tief reingleiten lässt.
Mein Bekannter meinte nun, dass es zu sozialen Berufen sowie auch jeder guten Beziehung dazu gehört, sich emotional auf den anderen einzulassen, ihm zur Verfügung zu stehen, mit ihm diesen Konflikt durchzustehen.
diese aussage ist mir zu absolut. ich glaube, dass es schon darum geht, sich auch auf jmd. einzulassen, solange die "fronten nicht völlig verhärtet" sind (und auch da gibt es immer noch wege raus) aber eben nur bis zu einem gewissen punkt. eben bis zu meiner inneren grenze, meiner bereitschaft, mich einzulassen, auch verstehen zu wollen. wenn ich merke, dass vom gegenüber nichts oder wenig dergleichen zurückkommt, dann denke ich mir, dass es besser ist, sich klar abzugrenzen. bei menschen, bei denen ich spüre, dass sie selbst ein klärungsinteresse haben, bin ich auch relativ offen. um nicht in so unübersichtliche übertragungsgeschichten hineinzurutschen halte ich es für besonders wichtig, sich selbst ganz gut zu kennen.. also v.a. die eigenen schwachpunkte zu kennen und sich aufgrund dessen auch nicht in etwas hineintreiben lassen, um etwas abzuarbeiten.. weil das tun ja nicht nur die anderen unbewusst, man macht das ja auch selbst.. unbewusst, eben solange, man sich zu wenig selbst kennengelernt hat.

da man sich nie ganz kennen kann, denke ich das es unvermeidlich ist auch mal in so ein übertragungsmuster hineizurutschen. und letztlich ist es ja in einer lebendigen beziehung auch notwendig und wünschenswert, sich aufeinander einzulassen, auch auf die gefahr hin, dass man sich mal unabsichtlich verletzen kann... aber eben auch eine gesunde distanz einnehmen kann zu sich selbst un dem geschehen, um zu fragen, was läuft da eigentlich.

mir hat es immer geholfen, mich zu distanzieren und aus schwierigen unübersichtlichen prozessen wieder herauszunehmen, wenn ich es geschafft habe, zurückzutreten und mal über das nachzudenken, was "mich" da gerade so involviert sein lässt... mit manchen menschen... auch kollegenmenschen kann man da gut ins gespräch kommen, mit manchen eben nicht. ich hab mich da auch ne lange zeit an einer kollegin abgearbeitet... und sie sich an mir... ich hab irgendwann, mehr oder weniger den ausstieg geschafft. es ist zwar immer noch schwierig, aber bei weitem nicht so, wie früher. während sie sich weiter an mir versucht abzuarbeiten. nur mit dem unterschied, das ich mich eben kaum noch zur verfügung stelle.

vielleicht hat dein kollege nicht ganz unrecht, wenn es um eine gute beziehung geht... das heisst für mich aber eben auch, dass das verständigungsinteresse gegenseitig ist und dass es nicht zur inneren selbstzerfleischung führt, sondern dass man aus der klärung heraus immer wieder auch zu einem guten inneren kollegialen abstand finden kann. nur sich "zur verfügung stellen".. ne, darin sehe ich keinen sinn für mich.

nur mal so meine gedanken dazu...

LG
caro
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)

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AnnaK
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Beitrag Do., 28.01.2010, 21:48

Also grundsätzlich halte ich das für ziemlich normal.
Fraglich ist ja nur, in welchem Maße man da herangezogen wird für die "Abarbeitung" (Wahlweise andere selbst heranzieht. Ist ja nicht so, als wären immer nur die anderen die bösen Gefühlsvampire)

In einem gewissen Rahmen stehe ich auch in meiner Partnerschaft zur Verfügung und finde das völlig in Ordnung. Man muss allerdings den Punkt erkennen an dem es einem selbst zu viel Kraft raubt und es sozusagen ans Eingemachte geht. Wann dieser Punkt erreicht ist, hängt ja auch von der eigenen Situation ab, von den eigenen Ressourcen. Geht es mir gerade verdammt gut oder krabbel ich selbst auf dem Zahnfleisch, weil gerade zu viel an mir zehrt?

Eine Partnerschaft ist meiner Meinung nach dann gut, wenn eine Abgrenzung akzeptiert und ausgehalten werden kann ohne dass man sich verlassen, vernachlässigt, unverstanden fühlt.

Für mich ist das immer noch ein Tanz auf dem Vulkan. Ich kann mich immer besser abgrenzen, kann aber mit Menschen die das schlecht oder gar nicht aushalten, nicht umgehen. Ich erkläre mich an dieser Stelle und wenn dann jemand aggressiv (fordernd) darauf reagiert gehe ich immer weiter in den Rückzug. Je weiter und länger gefordert wird, ziehe ich mich bis zum Kontaktabbruch zurück. Immer noch unsicher, ob das in diesen Situationen wirklich die einzige Lösung ist, oder ob das auch anders zu machen gewesen wäre.
Da ich aber während meiner Therapie eine sehr turbulente Zeit durchlebt habe - dabei auch einige frühere Freunde verabschiedet habe - seither aber einen halbwegs stabilen Freundeskreis behalten und neu dazugewonnen habe, glaube ich dass ich das weitestgehend schon ganz richtig mache. Meine Beziehung geht auch schon seit geraumer Zeit ganz schön gut. In meinem neuen Job fühle ich mich auch schon längere Zeit wohl...
Und wer beurteilt das letztlich, richtig oder falsch? Nach welchen Kriterien will man das allgemein gültig beurteilen?


Da man gerade in sozialen Berufen eben mit Menschen konfrontiert ist die entweder grundsätzlich in diesem Bereich massiv defizitär sind oder die in solchen Extremsituationen stecken, dass sie das auch einfach nicht mehr im Griff haben, ist es nach wie vor unvorstellbar für mich, in diesen Bereichen zu arbeiten. Ich fühle mich nicht so stabil, dass ich davon ausgehen könnte auch nach Jahren selbst noch gesund zu sein.

Aber es gibt Menschen die das können, es schon recht lange machen ohne auszubrennen und die eine verdammt gute Balance hinbekommen. Die einzige Instanz die beurteilen kann wie weit man sich da einlassen kann/soll ist doch letztlich jedes Individuum für sich selbst, oder?

Nachdenkliche Grüße
AnnaK

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SamuelZ.
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Beitrag Fr., 29.01.2010, 11:18

Hallo zusammen,

eure klaren Gedanken haben mir bereits geholfen, meine diffusen Ahnungen und Gefühle über das, was da emotional mit mir im Kontakt mit anderen Menschen geschieht, greifbarer zu machen.

Caro, gut dass du den Arbeitsplatz als besonderes Beispiel hervorhebst. Ja, mit einigen Kollegen, die reflektiert genug sind, kann ich über diese Phänomene gut reden.

Seit ich in meinem Job arbeite, wird mir eigentlich regelmäßig vorgeworfen, ich sei zu distanziert, lasse Leute nicht an mich ran. Wenn ich mich mit Kollegen unterhalte, die als "warm" und "nahbar" beschrieben werden, dann höre ich von denen nicht selten, dass sie sich von der Arbeit "aufgefressen" fühlen. Aber letztendlich wird der "nahbare" Kollege mehr geschätzt als die unnahbare Kühle, die sich auf andere emotional nicht einlassen möchte.
Eve hat geschrieben:Ich habe mich dem dann entzogen, hab "die Brocken hingeworfen", wollte nicht länger Prellbock für diese unterschwelligen, emotionalen Schwingungen sein.
Wie fühlst du dich nach solchen "Fluchten"? Du sprichst ja von einem größeren Ereignis (Arbeitsplatzwechsel?). Wie sieht es bei dir in kleineren Situationen aus, z.B. Streitigkeiten am Arbeitsplatz?
Metro hat geschrieben:Das spüre ich auch immer wieder in der Beziehung zu meinem Freund: je weniger ich mich von seinen Problemen anstecken lasse, umso besser kann ich für ihn da sein und ihm wieder raushelfen.
Wie reagiert er darauf, wenn du den "Tanz" nicht mittanzt sondern die Einladung dazu ablehnst? Wie gehst du dabei vor?

@candle: wie du, bin ich Verfechterin konstruktiver, sachlicher Lösungen. Dazu müssen beide Seiten willens und fähig sein. Häufig jedoch machen einem die Emotionen einen Strich durch die Rechnung. Dann wird's schwierig.
caro hat geschrieben:ja ich kenne das auch. also dass ich mich erstens reinziehen lasse und noch mein eigenes paket mit in den ring werfe. das führt dann zu ziemlichen wirren gefühlen...
Manchmal frage ich mich, ob man reingezogen wird, WEIL man ein eigenes Paket hat. Oder gibt es auch so etwas wie ein jungfräuliches, "unschuldiges" zur Verfügung stellen? Also in der Art, dass ich tatsächlich 100% in der emotionalen Welt des anderen verstrickt bin, ohne dass meine eigenen Themen davon angerührt würden. Wäre das eine Missbrauchssituation?

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SamuelZ.
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Beitrag Fr., 29.01.2010, 11:32

caro hat geschrieben:mir hat es immer geholfen, mich zu distanzieren und aus schwierigen unübersichtlichen prozessen wieder herauszunehmen, wenn ich es geschafft habe, zurückzutreten und mal über das nachzudenken, was "mich" da gerade so involviert sein lässt...
Das müsste ich viel häufiger und viel bewusster tun. Vielleicht sollte ich mir dafür tatsächlich 1x pro Tag etwa eine halbe Stunde einplanen. Ist ja auch (neben sportlicher Betätigung) eine Form der Psychohygiene.
ich hab mich da auch ne lange zeit an einer kollegin abgearbeitet... und sie sich an mir... ich hab irgendwann, mehr oder weniger den ausstieg geschafft.
So eine Kollegin habe ich auch. Monatelang habe ich mich immer gefragt, was da los ist. Bis sie mir erzählte, ihre Schwester hieße auch Sandy. Dies erinnerte mich unweigerlich an die Übertragungsgeschichten aus der Frühphase der Psychoanalyse, als sich die Analytiker reihenweise in Patientinnen verliebten bzw. heirateten, weil sie u.a. den selben Vornamen hatten wie die Mutter, Lieblingstante, etc.
Seitdem ahne ich, dass diese Kollegin in einem unbewussten Konkurrenzkampf zu mir steht, weil ich sie mit meinem Vornamen an ihre Schwester erinnere. (Was es so alles gibt.... )

@AnnaK.: "Gefühlsvampire" ist eine treffende Bezeichnung. Häufig fühle ich mich auch wie ein "Prügelmädchen", wenn es sich um negative Übertragungen und Projektionen handelt.
Eine Partnerschaft ist meiner Meinung nach dann gut, wenn eine Abgrenzung akzeptiert und ausgehalten werden kann ohne dass man sich verlassen, vernachlässigt, unverstanden fühlt.
Wichtiger Punkt. Hier müssen dann aber beide Seiten auch akzeptieren können, dass der andere das Recht auf Abgrenzung hat. Ich habe manchmal das Gefühl, von mir werde 120%ige Verfügbarkeit verlangt. Geht soweit, dass ich Sonntags um 21:00 Uhr Anrufe von aufgebrachten Klienten erhalte...
Für mich ist das immer noch ein Tanz auf dem Vulkan. Ich kann mich immer besser abgrenzen, kann aber mit Menschen die das schlecht oder gar nicht aushalten, nicht umgehen. Ich erkläre mich an dieser Stelle
Wie sieht die Erklärung bei dir aus? Was sagst du da?

Viele Grüße
SandyP.


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Beitrag Fr., 29.01.2010, 13:15

metropolis hat geschrieben:Das spüre ich auch immer wieder in der Beziehung zu meinem Freund: je weniger ich mich von seinen Problemen anstecken lasse, umso besser kann ich für ihn da sein und ihm wieder raushelfen.
Diesen Mechanismus begreifen viele nicht. Die sagen dann z. B. der Arzt sei zu distanziert und kalt. Dabei verwechseln sie ihn mit einem Pfarrer. Aber in die Kirche gehen sie auch nicht. Man kann es mit der Distanziertheit natürlich auch übertreiben. Aber wenn ich einem Banker gegenübersitze, werde ich direkt mißtrauisch, wenn der zu persönlich wird, beim Arzt ist das schon anders. Schwierig, da immer die Kurve richtig zu kriegen.

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Eve...
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Beitrag Fr., 29.01.2010, 13:38

Eve schrieb:Ich habe mich dem dann entzogen, hab "die Brocken hingeworfen", wollte nicht länger Prellbock für diese unterschwelligen, emotionalen Schwingungen sein.

Wie fühlst du dich nach solchen "Fluchten"? Du sprichst ja von einem größeren Ereignis (Arbeitsplatzwechsel?). Wie sieht es bei dir in kleineren Situationen aus, z.B. Streitigkeiten am Arbeitsplatz?
Sandy - nein, es war kein Arbeitsplatzwechsel; da wäre ein Ausstieg mit soviel Konsequenzen verbunden gewesen, dass ich so kaum reagiert hätte - es nicht hätte können, gewünscht hätte ich es mir dann wohl auch.(Stell es Dir etwa wie einen Verein vor, in dem ich mit einer leitenden Aufgabe betraut war und Probleme mit dem Widerstand einiger weniger, die sich untereinander gegen mich verschworen hatten, bekam.)

Ich fühlte mich zuerst seltsam, so als hätte ich mir selbst den Stuhl vor die Tür gestellt und müsse nun emotional etwas ausbaden, zu dem ich nichts konnte. Dann, nachdem ich schon in groben Zügen verstanden hatte, dass ich da mit Menschen zu tun hatte, die IHRE Probleme auf MEINEM Rücken auszutragen versuchen, fand ich es richtig gut, aus der Situation rausgegangen zu sein; vor allem dass ich die Sache einfach so hingeschmissen hab - solch einen Schritt hatte ich mir früher schon gewünscht, aber dazu gehört entweder Mut oder ziemliche Verzweiflung bzw. Hilflosigkeit. Oder beides?

Um diese Situation durch Interagieren bewältigen zu können, hätte ich a) mehr Durchblick und b) mehr Rückendeckung gebraucht. Also hatte ich letztlich gesehen, auch keine große Wahl.

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(V)
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Beitrag Fr., 29.01.2010, 14:27

Hi SandyP. !
Die Gefühle, die man dann durchlebt, sind häufig gar nicht die eigenen.
Ich glaube, dass dem nicht so wäre, wenn man nicht auch irgendeine Resonanz zu dem Thema hätte. Ich denke also durchaus schon, dass es die EIGENEN Gefühle sind, nur eben vielleicht im falschen Verhältnis und zum falschen Zeitpunkt, weil diese auf dem persönlichen Lebensweg und Hier und Jetzt gerade nicht gefragt sind.
Wenn man wirklich FREMDE oder gar FIKTIVE Gefühle spüren würde, dann würde ich das Problem in einer andere Kategorie einordnen, nämlich bei einem Problem der Selbstwahrnehmung, nicht des "zur Verfügung" stehen.
Mein Bekannter meinte nun, dass es zu sozialen Berufen sowie auch jeder guten Beziehung dazu gehört, ...
In sozialen Berufen: Ja. Da wird man dafür bezahlt. Mir tun die Therpeuten leid, die permanent für solche Übertragungen zur Verfügung stehen müssen. Vor allem wenn es sich dann um Klienten handelt, die das so toll und heilsam finden, dass sie von nun an glauben, es sei ihr gutes Recht und das auch privat jedem zumuten, dem sie über den Weg laufen.

Übertragungen können sehr nützlich sein, aber bitte doch nur nach vorheriger Erlaubnis und Absprache, und niemand hat ein RECHT dazu es einzufordern oder anderen aufzudrängen. Aber solche Menschen gibt es. Ich nenne sie "egoistisch". Sie BENUTZEN ihre Mitmenschen und zwar ohne sich auch nur einmal zu fragen, wie es dem Gegenüber dabei geht. Sie REDUZIEREN ihren Mitmenschen auf eine Funktion.
(Ich denke, ich muss nicht betonen, wie FURCHTBAR ist das finde!)

Was Partnerschaften angeht, so gehe ich davon aus, dass Partnerschaften idealerweise SOWIESO gleichberechtigt sind und aufgrund von Resonanzen und passenden Muster und Gegenmuster) zustande kommen. Ja, da schleift man sich gegenseitig. Aber dies sollte ausgeglichen sein. Sozusagen wie ein unausgesprochener Vertrag. Daher finde ich schon, dass diese gegenseitige "sich schleifen und fordern" zu einer Partnerschaft dazu gehört. Man lernt miteinander. Entwickelt sich gemeinsam. Und darin sehe ich sogar den Sinn einer Partnerschaft. Mal abgesehen, was wäre es für eine Partnerschaft, wenn man die Gefühle des geliebten Menschen ja nach Laune einfach so ausblenden kann? Nicht an sich ranlässt?

Allerdings kann die gemeinsame Lektion durchaus im Einzelfall darin liegen zu lernen sich abzugrenzen.
Ich will ihnen nicht dabei helfen, ihre inneren Ungleichgewichte auszugleichen.
Verständlich. Aber nicht vergessen: Auch Du kannst nicht bloss in der grauen Theorien an dir selbst arbeiten. Für alle neue Erfahrungen braucht man immer einen Mit/Gegenspieler. Ich kann nur empfehlen, je bewusster man so etwas betreibt und je sicherer der Rahmen drumherum ist (z.B. Therapiestunde, Partnerschaft), um so besser kann man damit umgehen. Doch es wäre eine Utopie, wenn man sich gänzlich davon freisprechen wollte, dass man nun mal auch "Übungspartner" und "Mit/Gegenspieler" braucht, wenn man selbst neue Erfahrungen machen möchte.

Ich selbst erkenne gerade: Je zwanghafter man sich gegen JEDWEDE Übertragung und Projektionen wehrt, um so mehr isoliert man sich selbst. Die Frage ist mE daher nicht OB man so etwas zulässt oder selbst betreibt, sondern WIE, BEI WEM, IN WELCHEN MASS und WELCHEN BEWUSSTSEIN darum.
Seid ihr euch solcher Übertragungen im Alltagsleben bewusst
Permanent. Ich reagiere absolut allergisch darauf, entwickele regelrecht eine Sozialphobie und innere Isolation. Nichts hasse ich mehr. Ich wittere es zehn Meilen gegen den Wind.
Denkt ihr manchmal: Der hat ein Problem und läd es jetzt bei mir ab?
Ständig. Ich fühle mich quasi regelrecht verfolgt.
Wie geht ihr damit um?
Ich blocke völlig. Höchstens eine Warnung vorher. Beim zweiten Mal werde ich sogar recht aggressiv für meine Verhältnisse oder schalte auf absolute Ignoranz und Sturheit. Alles etwas zu sehr im extremen Maß, so dass ich unter dem Strich sagen muss, dass man sich damit selbst in ein Gefängnis sperrt, wenn man die ganze Zeit immer nur damit beschäftigt ist, sich mit Zähnen und Klauen solcher Fremdeinflüsse zu erwehren und sich selbst neue Erfahrungen verweigert...

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AnnaK
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Beitrag Fr., 29.01.2010, 15:56

Wie ich das kommuniziere?

An den punktuellen Konfliktpunkten erkläre ich dass ich gerade dies und jenes nicht kann, dass ich diesen oder jenen Angriff gerade sehr unangebracht und verletztend finde.
Wenn es keine Reaktion darauf gibt, distanziere ich mich.
Oft kann man, wenn die Wogen sich geglättet haben, noch einmal aufeinander zu gehen. Manchmal fühlt der andere sich aber auch abgewiesen und reagiert aggressiv und fordernd.
Im Endeffekt sind es ja dann seltsam anmutende Kleingkeiten an denen sich das entlädt, es ist erst einmal ein diffuses Gefühl da, dass da Aggressionen herrschen, deren Herkunft man gar nicht versteht.

Bei der letzten Freundschaft die auf diesem Weg zerbrochen ist, war ich nach einem Jahr Entwicklung erst in der Lage das so übergreifend zu sehen und habe ihr wirklich sehr ausführlich erklärt, dass ich durchaus ihre Verletzlichkeit sehe, aber nicht anders reagieren konnte, weil meine Ressourcen wirklich zu Neige waren. (Habe mitten in der Scheidung gesteckt und meine Mutter beim Sterben begleitet.) Dass ihre Biestigkeiten daher rührten, dass sie sich verlassen gefühlt hat, ist mir nun langsam auch klar. Aber sie haben verdammt noch mal weh getan, jede einzelne! Sie hat auch nie konkret gesagt: "Du, mir geht´s scheiße, lass uns treffen"
Treffen sollten nach ihren Konditionen stattfinden, immer spontan wenn es ihr gerade danach war. Dass mein kompletter Tagesablauf sowas gar nicht mehr zugelassen hat, und etwas mehr Planung erforderte hat sie als Ablehnung empfunden. Termine für in zwei, drei Tagen hat sie nicht gemacht. Allein deshalb wurden unsere Treffen seltener. Dass sie dann immer taktloser wurde, immer verletztender hat meine Lust sie zu treffen nicht unbedingt gesteigert.

Im Gegenzug wurde in der letzten Aussprache deutlich, dass sie sich gar nicht abgrenzen konnte. Sie habe nächtelang im Bett gelegen und geweint, weil ich ihr so Leid getan hätte und nun würde ich ihr Engagement so danken.
Das sie sich so wenig abgegrenzt hatte konnte ich in dieser turbulenten Zeit nicht sehen. Aber im Rückblick muss ich sagen - auch wenn das hart klingt - so mitleiden hätte sie nicht müssen. Die Menschen die mir zugehört haben und danach mit mir feiern gegangen sind, waren mir mehr Kraftquelle und Stütze als die Freundin die sich auf solche Termine nicht eingelassen hat, und meinetwegen heulend im Bett lag (dass da mehr als mein Trauerfall dahinter steckte unterstelle ich einfach mal so) ...
Ich habe die Geschichte eben schon mal ausführlicher geschrieben, bin aber an den 5000 Zeichen gescheitert. Das sind so krasse Wechselspiele, die so unterschiedlich ausfallen können, wie es Menschen auf dieser Welt gibt.
Aber mehr als sagen: "Pass auf, ich fühle mich verletzt und zwar genau hier, hier und an diesem Punkt. Lass das! Und ich weiß ich habe Dich auch verletzt, es tut mir Leid, ich konnte nicht anders. Lass uns mal schauen was wir noch haben und wie wir es anders machen können." kann ich nicht.
Als sie dann erklärte das könne alles so gar nicht sein, was denn meine wahren Gründe seien habe ich den Kontakt abgebrochen.

An dieser Stelle habe ich erkannt, dass sie mich nicht sehen kann/will. Und dass ich mittlerweile (das ging über ein Jahr) so verletzt bin, dass ich darüber hinweg auch sie nicht mehr sehen will.
Wenn nur noch aggressive Forderungen kommen, Vorwürfe über den Tisch gehen, dann ist die Freundschaft gestorben und für dauerhafte Kriegsschauplätze ist das Leben zu kurz.
Und dabei ist es mir egal wessen "Schuld" das ist. Ich glaube objektive Schuld gibt es da sowieso nicht. Ich hatte ein Recht auf die Unverletzlichkeit meines Raumes, sie hat das Recht mehr von einer Freundschaft zu fordern als ich zu geben in der Lage war zu dieser Zeit. Wir waren einfach zwei Menschen die gegenseitig nicht mehr auf die Bedürfnisse des anderen eingehen konnten. Wenn man sich in so einer Zeit nicht einfach Raum geben kann geht es wohl zwangsläufig irgendwann auseinander. Wie genau sich das dann gestaltet hängt wohl vom einzelnen ab.

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AnnaK
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Beitrag Fr., 29.01.2010, 16:03

@Gothika:
Ich habe so lange an meinem Ding geschrieben, dass Dein Beitrag dazwischen kam.
Je zwanghafter man sich gegen JEDWEDE Übertragung und Projektionen wehrt, um so mehr isoliert man sich selbst. Die Frage ist mE daher nicht OB man so etwas zulässt oder selbst betreibt, sondern WIE, BEI WEM, IN WELCHEN MASS und WELCHEN BEWUSSTSEIN darum.
Dem ist nichts hinzuzufügen!

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AmEnde
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Beitrag Do., 25.03.2010, 11:14

Falls sich das Thema noch nicht erledigt hat....

Ich kann da ein interessantes Buch empfehlen, dass ich mir in Zeiten gekauft habe, wo mich dieses ständige emotionale Zur-Verfügung-stehen (für meinen Partner) extrem angestrengt hat. Wo ich völlig zerrissen war zwischen dem Gefühl, das doch leisten zu wollen/zu müssen (?) in der Partnerschaft und dem nach und nach aufkommenden drängenden Gefühl, dass ich das innere Abgrenzen lernen muss.

Das Buch heißt: "Ich stehe nicht mehr zur Verfügung"
Wie Sie sich von belastenden Gefühlen befreien und Beziehungen völlig neu erleben, von Olaf Jacobsen.

LG. Rotkarierte
"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegard

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SamuelZ.
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Beitrag Do., 25.03.2010, 17:09

Hallo Rotkarierte,

für mich ist das Thema noch nicht erledigt. Das Buch von Jacobson habe ich auch gelesen. Das Thema zum Thread ist in Anlehnung an den Titel entstanden. Mir hat das Buch in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet, viele Wege bereitet, auch wenn mir die esoterischen Erklärungsweisen zeitweise etwas befremdlich vorkamen. Aber jeder versucht diese Phänomene ja auf seine ganz eigene Art und Weise zu verstehen.

Wie äußert sich für dich ein Fortschritt in dieser Thematik?

Ich hadere zur Zeit noch mit dem Gefühl bzw. der Befürchtung mich unbeliebt zu machen, wenn ich mich nicht mehr an anderen emotional verausgabe. Ich halte mich häufig daran auf, richtiges und falsches Verhalten in dieser Hinsicht an mir festzustellen.

LG Sandy

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