wie weit Abgrenzung-wann ist es Verantwortungslosigkeit

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Tassie
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wie weit Abgrenzung-wann ist es Verantwortungslosigkeit

Beitrag Mi., 10.11.2010, 12:30

Hallo an alle!

Meine Mutter ist seit ca. 10 Jahren offiziell eingesetzte Betreuerin meines Bruders (40), der in eigener Wohnung im Haus meiner Eltern lebt (Mutter Ende 60, Vater über 79). Sie macht praktisch alles für den Bruder - Haushalt, Kochen, Papierkram, Sozialkontakte, Geldzuteilung, ärztliche Versorgung etc.. Diese Konstellation ist suboptimal, aber andere Experimente bis dato gescheitert - monatelange Psychatrieaufenthalte und Suizidversuch waren Folgen.

Mein Verhältnis zu meine Eltern ist gestört, das meiner Schwester ebenso. Ich habe mich nach schwieriger Kindheit und Pubertät losgelöst, großen Abstand zwischen uns gelegt, eine Therapie wegen Depression und Angsterkrankung gemacht und nehme dauerhaft Antidepressiva. Den Kontakt habe ich nur deswegen nicht vollständig abgebrochen, weil es halt meine Eltern sind, aber wir sehen uns höchstens 4-mal im Jahr und telefonieren monatlich. Vor Besuchen graut es mir und ich brauche auch danach eine Weile, um mein Gleichgewicht wiederzufinden. Ein Austausch über Probleme ist nicht wirklich möglich. Oberflächlich wird die Form gewahrt und wir helfen uns gegenseitig bei praktischen Dingen.

Meine Mutter ist ebenfalls depressiv veranlagt, dabei aber dominant, aggressiv, leicht erregbar, kritikunfähig und das in Verbindung mit Intelligenz sowie relativ großem angelesenem Wissen über psychische Erkrankungen. Das oben beschriebene Familiensystem gerät nun aus den Fugen.

Die Mutter weigert sich neuerdings aus Gründen, die nicht nachvollziehbar sind, Ihre Antidepressiva zu nehmen, richtet ihre Aggressionen gegen den Vater - das immer angespannte Klima bei Besuchen ist nun vollends unerträglich für mich, nach dem letzten Mal ging es mir trotz Medikamenten wochenlang schlecht. Ein Gespräch darüber wird verweigert, Briefe nicht beantwortet. Was mir persönlich ja relativ schnuppe sein könnte, würde ich mich nicht um meinen Bruder sorgen, der diesem vergifteten Klima täglich ausgesetzt ist und für den auch ich eine gewisse Verantwortung trage - oder nicht?

Nach einem halben Jahr hatte ich meine Mutter soweit, daß sie einwilligte mit mir ein Wochenende in einer Ferienwohnung zu verbringen. Meine Hoffnung war, daß sie sich in entspannter Umgebung vielleicht doch öffnen würde und wir reden könnten. Sobald ich jedoch auf das Thema Medikamente kam, machte sie dicht. "Wir wollen darüber nicht sprechen". Das Ganze endete in einem großen Krach und belastet mich nun doch, weil ich nicht mehr weiß, wie ich damit umgehen soll. Schütze ich mich und halte mich komplett raus bis der große Knall kommt oder muß ich mich um meinen Bruder und meine alten Eltern kümmern und wenn ja, wie, ohne das ich selbst kaputtgehe?
Ich habe auch eine eigene Familie mit einem nicht eben pflegeleichten Sohn in der Pubertät und bin schwerbehindert.

Obwohl ich mich kurzfassen wollte, ist es doch recht viel Text geworden. Danke für's lesen.
Zuletzt geändert von Tassie am Do., 11.11.2010, 10:04, insgesamt 1-mal geändert.

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Ive
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Beitrag Mi., 10.11.2010, 13:16

Hallo!
für den auch ich eine gewisse Verantwortung trage - oder nicht?
Da Du so fragst: Ich finde, eher nicht.

Die Verantwortung solltest Du da lassen, wo sie auch rechtlich ist. Inwieweit die Betreuung so nicht mehr tragbar ist, diese Frage zu klären, könnte und sollte eine Sache für den Rechtsträger sein, Du musst Dich damit nicht persönlich belasten, meine ich.

So wie es bisher gelaufen ist, zeigt schon, dass Du Dich durch Deine Intervention nicht nur vergeblich aufreibst, sondern auch noch den Familienfrieden aufs Spiel setzt. Besser wirds ja offenbar trotz Deines Einschaltens nicht, Vater und Bruder leiden eher noch mehr.

Zudem: Deine Mutter ist mit Ende 60 eigentlich noch nicht sooo alt, vielleicht machst Du Dir da zu viele Sorgen.

Alles Gute.
Ive


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Tassie
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Beitrag Mi., 10.11.2010, 15:35

Danke, Ive, für die schnelle Antwort.
Inwieweit die Betreuung so nicht mehr tragbar ist, diese Frage zu klären, könnte und sollte eine Sache für den Rechtsträger sein
Der Rechtsträger (Amtsgericht) wird ja nur tätig, wenn er informiert wird. Es ist die Frage, wer ihn informiert und wie man überhaupt einschätzen kann, ob eine Betreuung nicht mehr tragbar ist. Soweit ich überhaupt Bescheid weiß, ist meine Mutter gerade für weitere 7 Jahre als Betreuerin bestätigt worden.

Damit die Betreuung geändert werden kann, müßte entweder mein Bruder selbst oder ich als Angehörige einen entsprechenden Antrag beim Amtsgericht stellen, was ja auf eine faktische Denunziation der Mutter hinauslaufen würde - so nach dem Motto, die Olle wird langsam gaga und packt das nicht mehr. Aber das ist eigentlich noch gar nicht das Thema.

Unser Kontakt war ja abgesehen von seltenen Besuchen und Telefonaten aus gutem Grund sehr distanziert. Damit konnte ich in den letzten 25 Jahren auch relativ gut leben, auch wenn es natürlich manchmal sehr wehtat. Ich habe mich auch schon sehr lange von der Vorstellung verabschiedet, das Verhältnis zu meinen Eltern ändern zu können. Es ist wie es ist. Sie haben ihr Bestes versucht - es hat nicht gereicht. Meine Mutter hatte es nicht leicht in ihrem Leben. Sie konnte mir nicht das geben, was ich gebraucht hätte, aber ich denke, ich trage ihr das nicht mehr nach, weil ich mit den Jahren eine Menge Verständnis für sie entwickelt habe. (Umgekehrt ist das mit dem Verständnis leider nicht so.)

Dieser gestörte Kontakt macht es nun aber schwierig, die Lage bei meinen Eltern einzuschätzen. Dazu muß ich noch sagen, daß meine Mutter dazu neigt, allen Behörden, Ärzten und Institutionen zu mißtrauen, was einerseits aus schlechten Erfahrungen mit ebendiesen herrührt, andererseits aber bereits krankhafte Formen angenommen hat. So werden z.B. Informationen nicht mehr unbedingt am Telefon weitergegeben, weil man ja nicht weiß, wer mithört. Gespräche mit meiner Mutter laufen so, daß sie einen Monolog über die Schlechtigkeit der Welt, die Sinnlosigkeit des Lebens, die Unfähigkeit der Politiker etc. hält, sich dabei immer mehr echauffiert und man als Gegenüber nur noch auf Durchzug stellt und tunlichst nichts darauf antwortet, weil es sonst endlose Schleifen dreht. Das gipfelte neulich in der Aussage, sie ist zu alt für irgendwelche Therapie und wartet nur noch auf den Tod.
So wie es bisher gelaufen ist, zeigt schon, dass Du Dich durch Deine Intervention nicht nur vergeblich aufreibst, sondern auch noch den Familienfrieden aufs Spiel setzt
Ich habe bisher eigentlich nicht interveniert, sondern nur versucht ihre Beweggründe herauszufinden, warum sie die Tabletten nicht mehr nehmen will, obwohl sie doch weiterhin die Verantwortung für meinen Bruder trägt. Frieden hat es in dieser Familie, soweit ich denken kann, nie gegeben - insofern kann ich da nichts auf's Spiel setzen.

Der Wunsch, über die Zukunft meines Bruders nachzudenken und zu reden, kam übrigens nicht von mir, sondern von meiner Mutter selbst. Mein Bruder sagte mir dann, als ich ihn deswegen ansprach, daß er sich ebenfalls Sorgen um seine Zukunft macht und sieht, daß die Mutter überlastet ist und es ihr psychisch nicht gut geht. Ich könnte es mir hier natürlich einfach machen und sagen, geht mich alles nix an, warte ich eben, bis der Erste der drei die Nerven verliert (hatten übrigens unter näherer Verwandschaft 3 erfolgreiche Suizide und zwei Versuche). Hat man nicht doch, auch wenn man sich nicht sonderlich versteht, eine gewisse Fürsorgepflicht?

Einerseits will sie reden (über meinen Bruder), andererseits weigert sie sich zu reden (über sich selbst) - es ist aber alles miteinander verknüpft. Das macht mich ganz wuschig. Ich bekomme ja noch nicht einmal Antwort auf meine Frage, ob sie denn die Betreuung abgeben will. Weil ich mir dann aber nicht mehr den Mund verbieten lasse, sondern (ruhig) weiterrede, bin ich nun der "nervtötende Giftzwerg", undankbar sowieso. Wir geraten sofort aneinander. Das ist aber so, weil sie eben die Tabletten nicht nimmt, sonst wäre sie ruhiger. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Ich muß (muß ich?) mit ihr reden, damit sie die Medikamente nimmt, aber ein Gespräch ist nicht möglich weil ... siehe oben.

Ich sehe nicht so recht, wie es weitergehen kann, und leide darunter. Meine bisherige Strategie funktioniert nicht mehr. Und dann kommt natürlich der ganze unaufgearbeitete Vergangenheitsmüll wieder hoch. Es ist so kompliziert, ich will das eigentlich überhaupt nicht. Der Kontakt zu meinen Eltern würde mir auch überhaupt nicht fehlen. Aber wenn meinem Bruder etwas passiert - ich weiß nicht, ob ich mir verzeihen könnte, wenn ich nicht alles versucht hätte.

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Ive
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Beitrag Mi., 10.11.2010, 15:39

Hallo Tassie!

Ja, der Vergangenheitsmüll spielt sicherlich hinein. Genau deshalb fehlt sicherlich auch ein Stück Objektivität in der Beurteilung der Situation.

Ich kann nur nochmal anraten, Dich nicht so sehr emotional einzubringen. Du bist für Deinen kranken Bruder nicht verantwortlich. Dass Du besorgt bist, ist nachvollziehbar - dennoch: nicht auf alles im Leben können wir Einfluss nehmen bzw. sollten wir das auch nicht auf Biegen und Brechen versuchen. Das ist meine Meinung, mag sein, dass andere das ganz anders sehen.

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