Beitrag
Fr., 07.01.2022, 19:45
@ Miss
Ich will mich nicht mit Dir streiten. Zunächst habe ich dies nur eingebracht, weil Du schriebst, dass bei ALG II-Bezug Erben ohnehin anders läuft, offensichtlich in dem Sinne, dass dann eben ewig kein Bezug mehr möglich ist, das Erbe sich so nicht lohnt o.ä. Ich wollte den Hinweis geben, dass dies so nicht sein muss, niemand allein deshalb auf sein Erbe verzichten sollte.
Jetzt muss ich aber betonen:
Der wesentliche Punkt ist, dass es sozialrechtlich möglich ist, aus einem einmaligen hohen Betrag wie Erbe durch kurzzeitige Komplettabmeldung aus dem ALG II Vermögen zu machen und es somit zu einem großen Anteil aus der Einkommensanrechnung zu holen, indem man temporär komplett auf das ALG II verzichtet und in dieser Zeit einen Teil für die Lebenshaltungskosten aufwendet.
Der Hinweis, dass das hier in dem Bundesland so, wie ich beschrieben habe, möglich ist, bezog sich auf keinen Fall auf eine persönliche Erfahrung von mir in dem Sinne von mir und einer entscheidenden Jobcenter-Mitarbeiterin o.ä. Ich persönlich hatte diese Konstellation für mich nicht. (Aber Erfahrungen mit tiefgehenden Streitigkeiten über Erbthemen in der Familie schon.) Ich beziehe kein ALG II.
Ich habe Deinen Link natürlich vor meinem nochmaligen Post gelesen und wollte nochmals betonen, dass das nicht so ablaufen muss. (Rechtsanwalts-Erklärungen sind keine Bundesgerichtsurteile, sondern können unterschiedlich ausfallen. Es gibt bspw. konservative Rechtsanwälte und es gibt sozial engagierte Rechtsanwälte.) Jedoch kann es sein, dass es abhängig ist, welche lokale Sozialpolitik dahinter weht, denn das Recht gibt diesen Spielraum her.
Die Sechstel-Regel wurde unter rauheren Wind ursprünglich eingeführt, um eine solche Abmeldung aus dem ALG II zu vermeiden. Natürlich können die Jobcentermitarbeiter aber nicht verbieten, sich komplett aus dem ALG II abzumelden und zu einem späteren Monat mit Vermögen innerhalb der Freigrenze im Hintergrund wieder anzumelden.
Und bei einem hohen Erbe kann auch eine längere Abmeldung so ausfallen, dass man sich in dieser Zeit einen höheren Lebensstandard leisten und sich in Ruhe Sachwerte anschaffen kann. Auf keinen Fall kann das Job Center dann erwarten, dass man seine Monatsausgaben auf ALG II - Höhe hält, bis das Erbe aufgebraucht ist.
Ich rede hier von legalen Vorgehen, deshalb ist es dabei unwesentlich, dass dem Jobcenter Kontoauszüge vorgelegt werden müssen. Ich rede von der legalen Vermögensfreigrenze.
Bei Selbstständigen kenne ich es genauso: Sich vor dem Honorareintreffensmonat abmelden. Natürlich muss man die Versicherungen dann selbst tragen. Später kann man sich aber wieder anmelden und das überschüssige Honorar aus dem Vormonat gilt als Vermögen.
Dass es als eine der Ideen innerhalb des Hartz Vier - Abschaffungsplanes entstanden ist, die Vermögensfreigrenze wesentlich zu erhöhen (auf 60 000 Euro von vorher 8 000 Euro) zeigt auch, dass es eine politische Diskussion über die Vermögensanrechnung bei ALG II gibt. Und wenn eine solche Diskussion im Gange ist, so ist in einer solchen Phase auch oft mit weniger strengen De Facto-Regelungen zu rechnen.
Zuletzt noch zu Deinem Beispiel von Deinen Bekannten, die ein marodes Haus geerbt haben: Meist ist es wohl in der Tat eine Immobilie, die zu einem erwarteten Erbe führt. Eben das geerbte Haus. Wenn dies aufgrund von solchen Problemen zunächst nicht verkauft werden kann, wird es viel schwieriger. Denn bei weiterlaufenden Bezug von ALG II wird dann nach der Verwertung der nicht selbst bewohnten Immobilie gefragt, aber meines Wissens kann dann beschrieben werden, dass es aufgrund bestehender Streitigkeiten mit den Miterben derzeit nicht verwertet werden kann etc.
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard