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Do., 02.09.2021, 08:10
Mhm, worum geht es in einer Therapie? Ich denke, dass man dadurch - egal wer man ist - erstmal einen besseren Zugang zu sich (also Bedürfnissen, Grenzen, Macken) bekommen soll. Erst wenn man sich etwas kennt, kann man etwas verändern oder auch akzeptieren, wer man nun mal ist und damit seinen Frieden schließen - letzteres halte ich für das bessere Therapieziel, als sich ständig selbst optimieren zu wollen. Soweit ich weiß, sind Achtsamkeitsstrategien da auch hilfreich - nennt sich MBSR. Ich habe damit keine Erfahrungen, weil ich aufpassen muss, dass bei mir Introspektion nicht in eine nächste schmerzhafte Krise führt. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass das für wirklich viele Menschen hilfreich sein kann. Therapie, so wie ich das verstehe, ist sowieso Hilfe zur Selbsthilfe und ein guter Therapeut versucht Ressourcen herauszuarbeiten, sie zu aktivieren - also wird auch in Therapie davon ausgegangen, dass Lösungen in den Menschen selbst liegen. Und genau davon geht ja auch Achtsamkeit aus. Daher denke ich, dass das eigentlich einen Versuch wert ist. Damit aktiviert man womöglich wirklich die eigenen Ressourcen, nimmt sich mal Zeit für sich und tut sozusagen etwas für sich (es wird ja immer mal wieder erwähnt, dass das der erste positive Effekt einer Therapie ist: Menschen nehmen sich mal ernst, nehmen sich Zeit für sich und schon das wird als positive Veränderung erlebt.) Was man eben nicht erhält: Feedback eines Therapeuten, neue Strategien, neue Denkansätze - aber vielleicht sollten die sowieso, damit ein nachhaltiger Effekt auftritt, aus einem selbst heraus kommen?
Junglebook, ich lese es bei dir so, dass du an einer Selbstoptimierung interessiert bist? Ich - ganz persönlich - denke immer, dass das der Wahnsinn in unserer Gesellschaft ist. Wenn du zum Beispiel nicht so kommunikativ bist, wie du es gerne wärst: Warum nimmst du dich damit nicht an? Vielleicht hat das mit eigenen Unsicherheiten zu tun? Vielleicht musst du erstmal akzeptieren, wer du bist und dich anfangen zu mögen, um die SElbstsicherheit zu erlangen, die es braucht, wenn man mit anderen Menschen kommuniziert? Ich weiß jetzt nicht, was du mit unkommunikativ meinst, stelle mir aber vor, dass du aber vielleicht einfach nicht so gut mit fremden Menschen ins Gespräch kommst? Dass du vielleicht auch in engen Beziehungen nicht so stark alles ausdrücken kannst, was du gerne ausdrücken würdest? Wenn das so ist, dann hilft es nicht, sich da zu überwinden, Strategien anzuwenden, denke ich. Man kann sich doch auch so akzeptieren, sich trotzdem mögen, oder? Und nicht jemanden dafür bezahlen, dass er einen noch in seinem Nichtmögen verstärkt, indem man mit ihm oder ihr an einem "Problem" arbeitet, dafür Lösungen sucht, wo man doch vielleicht einfach so ein Mensch ist und das gar nicht so zentral problematisieren muss?
Naja, egal, mich stört es einfach, dass es eine Selbstoptimierungsindustrie gibt, dass Menschen meinen, sie müssten immer besser werden, weil man ihnen das einredet. An solchen Sachen kann man meiner Meinung nach sehr gut selber arbeiten - an richtigen psychischen Problemen, da bin ich mir immer nicht so sicher., aber ich denke Selbstoptimierungs"wahn" macht auch krank, ist ungesund und macht Menschen letztlich sehr unglücklich, weil man eben nie perfekt ist und es scheint mir wichtig, dass man das erst einmal annimmt und akzeptiert und nicht in die Vorstellung verfällt, man müsse ein neuer Mensch werden.
Sorry, etwas Off Topic. Ich weiß nicht, ob man sich selbst therapieren kann. Ich denke eigentlich nicht, dass das so richtig funktioniert, weil Therapeuten und Therapeutinnen eben Menschen im Außen sind und man selbst diese Außensicht nie erreichen kann. Das macht ja eine Therapie aus, dass man mit jemandem gemeinsam versucht, zu verstehen, was man selbst nicht begreifen kann. Ich meine damit, dass Menschen so in Situationen verstrickt sind, die ihnen nicht gut tun und da nicht hingucken wollen und daher nichts verändern können. Wie oben beschrieben, kann ich mir aber vorstellen, dass MBSR auch zu einer besseren Selbstwahrnehmung beitragen kann und dabei helfen kann, wichtige Veränderungen anzustoßen, die notwendig sind, damit es einem wieder besser geht.
Ich hab an Gestern nicht gedacht und nicht an Morgen
Es ist Nacht, ich steh am Fenster
Und für einen Augenblick leb ich im Jetzt
von: Keine Zähne im Maul aber La Paloma pfeifen