Bruder in Klinik wg. Selbstmordgedanken

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Grümmi
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Bruder in Klinik wg. Selbstmordgedanken

Beitrag So., 02.08.2009, 20:15

Hallo, ich weiß nicht so genau ob ich mit meinem heutigen Problem hier rein gehöre. Ich habe heute von meinen Eltern erfahren, dass mein Bruder seit Mittwoch im Krankenhaus ist, da er mit seinem Leben nicht mehr zu Rande kommt und mit dem Gedanken spielt sich das Leben zu nehmen.

Meine Eltern haben mich darüber erst heute informiert, da ich bis gestern in Urlaub war. Und sie wußten, dass ich sie heute besuchen kommen werde.

Jetzt fühle ich mich wie gelähmt. Unsere Familiengeschichte ist hin und hin etwas kompliziert und sie holt mich selber immer wieder ein. Ich habe genau aus diesem Grund auch nicht das innige Geschwisterverhältnis zu meinem Bruder, dass ich mir gewünscht hätte bzw. vielleicht immer noch wünsche.

Irgendwie bin ich nun etwas ratlos was ich jetzt tun soll. Ich weiß nicht mal ob er mich sehen möchte. Ich weiß nicht ob ich ihn sehen kann ohne zu weinen. Was hilft ihm das?

Wahrscheinlich ist das so aus dem Zusammenhang gerissen auch schwer zu verstehen. Aber wo soll ich jetzt anfangen???

Vielleicht sollte ich auch nicht überreagieren, weil immerhin hat er sich noch selber einweisen lassen. Aber irgendwie reißt es einem schon den Boden unter den Füßen weg (oder mir zumindestens).

Ich frage mich halt - was kann oder soll ich jetzt tun.
Auch wenn wir kein inniges Verhältnis haben/hatten - irgendetwas muss ich doch tun??????

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Hamna
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Beitrag So., 02.08.2009, 20:25

Hallo Grümmi,

empfindet dein Bruder eure Beziehung auch als nicht so innig, weißt du das? Darf ich fragen, wie alt er ist, bzw. ob jünger oder älter als du?
Ich weiß nicht mal ob er mich sehen möchte. Ich weiß nicht ob ich ihn sehen kann ohne zu weinen. Was hilft ihm das?
Fahr doch in die Klinik und lass dich anmelden bei ihm durch eine Schwester oder einen Pfleger. Dann weißt du, ob er dich sehen will oder nicht. Und offensichtlich ist es dir doch ein Bedürfnis, ihn zu besuchen.

Was hilft es ihm, wenn du deine Tränen nicht zurückhalten kannst? Er sieht, dass deine Gefühle für ihn scheinbar doch inniger sind als du (er?) denk(s)t. Das kann ihm möglicherweise schon helfen - zu spüren, dass er dir wichtig ist und du Anteil nimmst. Trau dich mal, folge deinem Gefühl!

Ich habe übrigens den Eindruck, dass du schon innige Geschwisterliebe zu ihm empfindest, das aber zwischen euch äußerlich nie so ausgedrückt wird/wurde, kann das sein?

Kopf hoch und alles Liebe

Rilke

Edit:
nicht das innige Geschwisterverhältnis zu meinem Bruder, dass ich mir gewünscht hätte bzw. vielleicht immer noch wünsche
Ups, das hab ich eben iwie überlesen.
Also, diese Ausnahmesituation jetzt kann ja auch ein neuer Anfang für euch sein. Zu einem innigen Verhältnis gehört mMn auch, seine Gefühle zu zeigen. Und darum halte auch deine Tränen nicht zurück, wenn du ihn siehst und sie unbedingt rauswollen. Vielleicht platzt da ein Knoten zwischen euch, und er öffnet sich dir auch. Alles Gute für euch!

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lovely25
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Beitrag So., 02.08.2009, 20:31

hallo grümmi,
Rilke hat geschrieben:Ich habe übrigens den Eindruck, dass du schon innige Geschwisterliebe zu ihm empfindest, das aber zwischen euch äußerlich nie so ausgedrückt wird/wurde, kann das sein?
das gefühl habe ich auch...
und vorsichtig nachzufragen, wie rilke schon sagte beim pflegepersonal, da kann er sich dann entscheiden ob er das möchte, ist mit sicherheit nicht verkehrt.
manchmal merkt man auch erst in schwierigen situationen, wie nah man sich doch ist.
ich wünsche dir ganz viel kraft für diese schwere zeit und alles liebe für dich und deinen bruder.

lg, vera.
Hoffnung ist nicht die Gewissheit, dass etwas gut ausgeht, sondern das alles Sinn macht egal wie es ausgeht!

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MrN
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Beitrag So., 02.08.2009, 20:37

Hallo Grümmi,
das muß ein ziemlicher Schock für Dich sein. Und das auch noch gleich nach dem Urlaub!

Was ich gut finde, daß Dein Bruder anscheinend keinen Versuch angestellt hat, sondern sich von selbst diesem Problem gestellt hat. Das bedeutet dann vermutlich auch, daß er bereit ist, sein bisheriges Leben zu überdenken und wesentliche Änderungen an seiner Lebenseinstellung vorzunehmen.

Kurz, die Lebenskrise ist eine große Chance. Für ihn, aber auch für Dich, wenn Du etwas für Euer Verhältnis zueinander tun möchtest. Natürlich kenne ich ja keine Einzelheiten, aber ich würde einfach "Ja" sagen zu allem, was Dir da jetzt durch den Kopf geht. Und Du solltest ihn besuchen, so bald es nur geht.

Es kommt gar nicht so sehr darauf an, was Du da sagst oder tust.
Allein schon, wenn du zeigst, daß Du jetzt für ihn da sein möchtest, kannst Du ihm helfen.

Sonst kann ich dazu jetzt nicht mehr sagen. Aber ich glaube, auch für Dich könnte es wichtig sein zu sehen, wie er auf dich reagiert...
Dann müßtest Du zumindest nicht mehr soviel grübeln.

LG
MrN

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Grümmi
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Beitrag So., 02.08.2009, 21:08

Danke für eure Antworten.

Ich checke gerade nicht wie das mit dem Zietieren geht drum muss ich so meine Anworten geben:

Wie sieht/empfindet er unsere Beziehung?

Ich weiß nicht wie er unsere Beziehung empfindet. Wir haben uns im September 2007 gesehen und dann erst heuer mal wieder auf einer Familienfeier (das sagt ja einiges aus). Ich habe ihm immer zum Geburstag ein SMS geschrieben, aber angerufen habe ich ihn auch nie. Er hat sich in dieser Zeit nie bei mir gemeldet. Ich war unter anderem auch immer mal wieder ein Grund warum er sich mit meinem Vater oft in die Haare gekriegt hat. Die brave Tochter die immer alles richtig macht und er war nur das schwarze Schaf. Aber in unsere Familie ist natürlich noch viel mehr passiert.
Mein Bruder ist übrigens 36 Jahre. Ich habe auch noch eine zweiten Bruder der ist 1 Jahr älter als ich und wohnt noch bei meinen Eltern. Der weiß von der ganzen Sache nichts (sagt auch wieder was über unsere Familie aus).

"Trau dich mal, folge deinem Gefühl"

Das ist für mich ganz schwierig, denn ich erwarte von mir selbst immer in solchen Situationen ganz stark für den anderen sein zu müssen. Ich fühle mich dann schlecht, wenn ich jetzt leide, den er ist es doch dem es schlecht geht und der jetzt Hilfe braucht und nicht ich. Ich glaube, dass ich einfach nicht stark genug bin, ihm jetzt Mut zu machen.

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Aneurysm
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Beitrag So., 02.08.2009, 21:34

Was hilft es ihm, wenn du deine Tränen nicht zurückhalten kannst? Er sieht, dass deine Gefühle für ihn scheinbar doch inniger sind als du (er?) denk(s)t. Das kann ihm möglicherweise schon helfen - zu spüren, dass er dir wichtig ist und du Anteil nimmst. Trau dich mal, folge deinem Gefühl!
Das würde ich nicht so unterstreichen...ich war ja auch schon in der Psychiatrie und wenn meine Eltern oder sonst jemand, der mich besuchte, vor mir in Tränen ausgebrochen wäre, dann wäre es mir noch dreckiger gegangen. Ich hätte mir Vorwürfe gemacht, dass es der jeweiligen Person wegen mir schlecht geht etc.

Kannst du ihn nicht anrufen und mal fragen wie es ihm geht und ober Besuch möchte?
Wenn die Seele weint, sieht man die Tränen nicht.

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stern
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Beitrag So., 02.08.2009, 22:12

Puh, tut mir leid für dich.
Ich weiß nicht mal ob er mich sehen möchte. Ich weiß nicht ob ich ihn sehen kann ohne zu weinen.
Ich würde auch erstmal versuchen, ihn zu fragen, ob er Besuch möchte.

Davon abgesehen würde ich auch nicht 100%ig davon ausgehen, dass die Klinik sofort Besuch zulässt. Muss nicht sein, kann aber. Nehme das dann nicht persönlich.

In der Klinik in der ich war (auch mit Selbsteinweisung, wobei in der Psychosomatik i.d.R. auch keine akut suizidgefährdeten Patienten aufgenommen werden, zumindest nicht in der Klinik, in der ich war) wurde das auch so gehandhabt, dass manche Patientengruppen erstmal verstärkt wieder zu sich finden sollten. So dass diese gerade in der Anfangszeit gar keinen Kontakt nach außen hatten. Für mich galt das nicht... aber teilweise wird das (Kontaktsperre) wohl so gehandhabt. Habe ich jedenfalls auch schon von einer Bekannten so vernommen.

Daher wäre es vielleicht eine andere Möglichkeit zu versuchen, zunächst mit dem behandelnden Arzt oder Therapeuten zu sprechen, wie diese zu einem Besuch stehen. z.B. könnte es ja auch sein, dass dein Bruder gerade dzt. so depressiv ist, dass er im Moment eh noch nicht so gut erreichbar/ansprechbar ist . Vielleicht können die Behandler dir bzw. deinen Eltern insoweit eine Einschätzung geben, wie es ihm geht. Und/oder ihn auf einen Besuch vorbereiten bzw. mit ihm abklären, ob er das im Moment schon möchte. Wenn er es noch nicht möchte, so nehme das auch nicht persönlich... denn bei einer ausgewaschenen Depri kann auch eine augeprägte Interessenlosigkeit Symptom sein. Und vermutlich ein schwacher Trost für dich: Aber zumindest ist er gut und in einem geschützten Rahmen aufgehoben.

Und bei allem: Da es auch für dich schwer sein kann, wäge auch für dich ab, wann du einen Besuch packst... denn im Moment schreibst du ja, dass es dir den Boden und der Füssen wegzieht... was ich nachvollziehen kann.
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stern
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Beitrag Mo., 03.08.2009, 07:10

So und nun noch dazu:
Grümmi hat geschrieben:Das ist für mich ganz schwierig, denn ich erwarte von mir selbst immer in solchen Situationen ganz stark für den anderen sein zu müssen. Ich fühle mich dann schlecht, wenn ich jetzt leide, den er ist es doch dem es schlecht geht und der jetzt Hilfe braucht und nicht ich. Ich glaube, dass ich einfach nicht stark genug bin, ihm jetzt Mut zu machen.
Puh, so hart das nun auch klingen mag: Aber du bist nicht für ihn verantwortlich. Lade dir also nicht so große Verantwortungsübernahmepäckchen auf, unter denen du selbst zusammen klappst.

Du kannst ihm gleichwohl signalisieren, dass du für ihn da bist, Anteilnahme/Mitgefühl zeigen, und dass du hinter ihm stehst, etc. Und das ist sehr viel wert.

Aber du kannst ihm nur bedingt seine Päckchen auf deinen Rücken schnallen und für ihn irgendwann ablegen. Er ist jetzt vielmehr in einer Klinik, die ihm hilft, wieder gesund zu werden... und die einen angemessenen geschützten und entlastenden Rahmen bietet, dass er wieder auf die Beine kommt. Eine entsprechende Krankheitsbehandlung könntest du auch gar nicht leisten.

Und Mitpatienten, die zuvor in einer psychiatrischen Klinik waren, haben mir erzählt, dass gerade psychiatrische Kliniken teils einen sehr geschützten und entlasteten Rahmen bieten... wohl noch mehr als z.B. in der Psychosomatik, die (so wurde mir von meinen Behandlern gesagt) schon einen gewissen Grad an Stabilität voraussetzt. Gehe also auch davon aus, dass für ihn dzt. gut und soviel wie nötig für ihn gesorgt wird. Soviel wie er im Moment braucht, um wieder auf die Beine zu kommen.

Dass dir das auch nahe geht und Gefühle auslöst, ist menschlich... und die stehen dir auch zu zu. Auch wenn es ihm dzt. schlecht geht. Und ich meine: Es wird immer einen geben, dem es noch schlechter geht. Nur ist das kein Grund, dass deswegen keine eigenen Gefühle da sein dürfen.

Und das mit dem Mut machen ist auch so eine Sache. Ich weiß nicht, wie es ihm dzt. geht. Depression ist weder gleich Depression. Es gibt unterschiedliche Schweregrade. Und auch implizieren Selbstmordgedanken bei weitem nicht gleich eine Absicht oder gar akute Gefährdung, etc. !! Insofern weiß ich nicht, ob es realistisch ist, dass du ihm Mut machen kannst. Insbes. wenn er dzt. eher apathisch sein sollte und/oder er in irgendwelchen depressiven, krankheitsbedingten Sinn- und/oder Hoffnungslosigkeitenkreiseln hängen sollte. Kann sein, muss aber nicht so sein. Insofern erwarte nicht von dir, dass du ihm Mut machen kannst, zumal vermutlich auch er das nicht erwartet. Dass er da wieder rauskommt, deswegen ist er vermutlich in eine Klinik gegangen. Was du machen kannst, ist z.B. Mitgefühl zeigen, vgl. oben. Aber du kannst eben nur bedingt helfen... und schon gar nicht eine Krankheitsbehandlung leisten. Wenn du halt selbst hinreichend gefestigt dafür bist.
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Grümmi
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Beitrag Mo., 03.08.2009, 21:58

Danke für eure Gedanken, das hilft schon sehr.

Ich habe den Tag soweit gut über die Bühne gebracht. In manchen Momenten hat mich die Angst überfallen, aber auch wenn es blöd klingt, mein Job hat nach meinem Urlaub verlangt, dass ich mich darauf konzentrieren.

Am Abend habe ich meinen Bruder dann angerufen. Und ich denke ich habe mich auch ganz gut geschlagen. Es war schon hart, weil er doch (so denke ich) starke Medikamente bekommt und er sehr langsam in seinen Gedanken und beim Reden war.

Aber jetzt kommt der Hammer. Er hätte für kommenden Donnerstag einen Urlaub gebucht und mir erzählt, dass er vor hat das Krankenhaus wieder zu verlassen, weil die ihm nicht wirklich helfen. Er hat das Gefühl, die wollen ihn nur von seinen Problemen ablenken. Haben ihm Ergotherapie angeboten (habe ich auch nicht ganz verstanden). Er hatte erste 1 Sitzung mit einer Psychotherapeutin und die meinte auch, dass es ihm vielleicht gut tun würde mal raus zu kommen. Ich habe mir nur gedacht HALLO??????

Ich hatte echt das Gefühl, dass er voll unter Medikamenten steht. Und dann das??? Er hat auch keinen Plan wie es nach den 10 Tagen Urlaub weiter gehen soll. Ich habe ihm halt geraten, dass er sich das vielleicht noch überlegen soll, bevor er weg fährt, weil sonst holt ihn die Geschichte im Urlaub wieder ein und dann ist er ganz weit weg (will mit Freunden nach Spanien).

Meine Eltern und ich haben keine Ahnung mit welchen Freunden er dort hin fahren will und ob die in der Lage sind ihn im worst case aufzufangen.

Irgendwelche Vorschläge was wir/ich tun sollen.

Er meinte auch, dass ihm das ihm KH nichts bringt, weil die ihn nur ablenken wollen und ihm nicht wirklich helfen. Das Personal auf der Station meinte, dass es noch viel zu früh sei die Klink zu verlassen, aber wenn er das will können sie ihn zwingen zu bleiben. Er kann sich auch nach den 10 Tagen wieder einweisen lassen. Aber das will er auch gar nicht, aus eben oben genannten Gründen (helfen mir nicht....)

Soll ich jetzt darauf hoffen, dass alles doch nicht so schlimm ist und er schneller wieder auf die Bein gekommen ist / kommt, als ich dachte. Darauf vertrauen, dass der Umgebungswechsel ihm mehr hilft und nicht schadet?????

Aufjedenfall denke ich, dass ich es schaffen werde ihn morgen zu besuchen. Dann hört ihr wahrscheinlich wieder von mir.

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stern
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Beitrag Mo., 03.08.2009, 23:38

Ich habe den Tag soweit gut über die Bühne gebracht. In manchen Momenten hat mich die Angst überfallen, aber auch wenn es blöd klingt, mein Job hat nach meinem Urlaub verlangt, dass ich mich darauf konzentrieren.
Puh... entsprechendes kenne ich auch, wobei ich nicht von mir auf dich schließen kann. Ich hatte teils Phasen, in denen ich versuchte, mich mit eine Stürzen in Arbeit/Aktivitäten abzulenken. Klar... da gab es auch gewichtige Gründe dafür, weil eben xy anstand, und weswegen ich auch weiter funktionieren wollte. Heute weiß ich aber, dass da auch ein gutes Stück weit Ablenkung von den eigenen Gefühlen dabei war, teils sogar recht radikal. Und na ja, Gefühle kann ich schon recht gut ausblenden, was dann auch ermöglichte, dass ich selbst bei Schicksalschlägen noch einige beachtliche Leistungen vollbringen konnte. Hat also Vorteile. Aber eben auch gewisse Nachteile, so dass ich ich aus heutiger Sicht versuchen würde, etwas ausgewogener vorzugehen.
Es war schon hart, weil er doch (so denke ich) starke Medikamente bekommt und er sehr langsam in seinen Gedanken und beim Reden war.
Hört sich für mich intuitiv nach folgenden 2 Möglichkeiten an: Entweder bekommt er Neuroleptika... die können verlangsamen. Oder Beruhigungsmittel (Benzodiazepine). Ist es insbes. letzteres, so ist auch nicht unbedingt jedes Wort als bare Münze zu nehmen.

Ich habe es jedenfalls mal in der Klinik auch einmal erlebt, wie das gleiche Benzo, das ich auch ab und an als Notfallmedi nahm bei dieser Patientin im Gegensatz zu mir anschlug . Manche fühlen sich anscheinend eher "high" danach, während mich das gleich Medi eher runterbrachte (insbes. in Angstzuständen). Von "aufgedreht oder gar euphorisch" war da bei mir bisher jedenfalls noch nie eine Spur. Aber vielleicht sagte er das mit dem Urlaub in einem Anflug von Euphorie, bedingt durch die Medikamente, keine Ahnung.
Aber jetzt kommt der Hammer. Er hätte für kommenden Donnerstag einen Urlaub gebucht und mir erzählt, dass er vor hat das Krankenhaus wieder zu verlassen, weil die ihm nicht wirklich helfen. Er hat das Gefühl, die wollen ihn nur von seinen Problemen ablenken. Haben ihm Ergotherapie angeboten (habe ich auch nicht ganz verstanden). Er hatte erste 1 Sitzung mit einer Psychotherapeutin und die meinte auch, dass es ihm vielleicht gut tun würde mal raus zu kommen. Ich habe mir nur gedacht HALLO??????
Selbst habe ich keine Psychiatrieerfahrung. Und weiß nur aus Erzählungen, dass es solche und solche gibt. Einige MitpatientInnen waren mir ihrem Psychiatrieaufenthalt und den Behandlungsansätzen sehr zufrieden, und erachteten eine Vorabaufenthalt und den sehr geschützten Rahmen dort somit als sehr hilfreich. Anscheinend gibt es aber auch die Kliniken, in denen vorwiegend auf medikamentöse Behandlung gesetzt wird.

So erzählte eine Mitpatientin, dass sie in einer Psychiatrie einige Monate lang mehr oder weniger stark medikamentös ruhig gestellt wurde, kaum Psychotherapie erhalten hat und ihr zu guter letzt auch noch eine schlechte Prognose "ausgestellt" wurde (studiumsmäßig Abbruchempfehlung plus Empfehlung lebenslanger hoher, stark dämpfender Medikamentation oder so ähnlich). Was ihr halt dann auch nicht so viel brachte, abgesehen von einer gewissen Ernüchterung. Im Gegensatz zu der Klinik, in der dann verstärkt auch psychotherapeutisch gearbeitet wurde. So dass sie wieder mehr Hoffnung schöpfte und es auch schaffte, die Medis wieder herabzusetzen und ihr Studium wieder aufzunehmen.

Gut... die andere Seite ist die, ob ein Patient für eine intensivere Psychotherapie überhaupt schon stabil genug iss. Denn evtl. muss erst eine gewisse Stabilität hergestellt sein bzw. akute starke Symptome abgelindert sein, um einer Psychotherapie hinreichend zugänglich sein zu können. Und das kann ich natürlich nicht abschätzen, wie tief er gerade drinnen hängt. Selbst bei mir war für manche intensivere psychotherapeutische Behandlungsansätze die momentane Stabilität auch hin und wieder Thema ... denn Überforderung würde im Zweifel vielleicht erst recht kontraproduktiv sein. Unter dem Strich habe ich das jedoch gut gemeistert, meine ich.
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Beitrag Mo., 03.08.2009, 23:39

Und ich tendiere daher dahingend, dass es gut wäre, wenn er schauen würde, dass er auch gute psychotherapeutische Unterstützung erhält... und nicht nur sporadisch/selten. Zumindest evtl. sobald er stabil genug dafür ist, was ich natürlich nicht abschätzen kann. Und das so bald wie möglich. Es gibt ja in Klinik meist mehrere unterschiedliche Abteilungen/Stationen, gerade wenn es keine ganz kleine Klinik sein sollte. Wie das vorgesehen ist, kann ich jedoch dem Posting nicht entnehmen.

Ansonsten: Doch, Gruppentherapien sind eigentlich üblich in Kliniken (aber wohl besteht auch eine Abhängigkeit von der Art und Schweregrad der Beschwerden). Und oft auch sehr hilfreich. Gut... und Ergotherapie geht dann wohl in die Richtung wie er verschiedene Lebensbereiche besser bewältigen kann.

Und klar iss: Er ist freiwillig in der Klinik... und im Zweifel kann er sich also verlassen, wann er mag. Insofern haben die Ärzte schon recht, wenn sie sagen, dass sie ihn nicht zwingen können zu bleiben.

Und auf offenen Stationen ist es, so meine ich, auch üblich und sogar förderlich, wenn Patienten auch mal rausgehen... also im Sinne von Aktivitäten außerhalb der Klinik, wobei man natürlich zu Therapien zu erscheinen hat und auch bestimmte Bettzeiten einhalten muss. Wie restriktiv und wie freizügig das gehandhabt wird, ist wohl auch teils von Klinik zu Klinik abhängig... und auch vom Patienten. Aber ein 10-Tage-Urlaub kommt einem Therapieabbruch gleich

Dass es dir/euch Angst/Sorgen macht, wenn er den Aufenthalt ganz abbricht, kann ich gut nachvollziehen. Aber ich denke, mehr als mit ihm darüber reden, wie du es bereits gemacht hast, könnt ihr kaum =>
Ich habe ihm halt geraten, dass er sich das vielleicht noch überlegen soll, bevor er weg fährt, weil sonst holt ihn die Geschichte im Urlaub wieder ein und dann ist er ganz weit weg (will mit Freunden nach Spanien).
Und erwähnen, dass es auch andere Behandlungsmöglichkeiten als vorwiegend medikamentöse gibt (sofern das überhaupt so vorgesehen ist).

Denn wie gesagt: So hart es klingt. Aber er ist für sich selbst verantwortlich. Und er kann auch mit seinen Behandlern sprechen, wenn die Behandlung für ihn nicht stimmig ist. So lässt sich vielleicht auch etwas anderes finden. Und zur Not kann er auch die Klinik wechseln. Intuitiv habe ich aber eher den Eindruck, dass die Frage insbes. ist, ob er das überhaupt will? Oder ob er eher auf Abbruch und Urlaub fixiert ist.
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Aneurysm
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Beitrag Di., 04.08.2009, 05:57

Ich kann aus Erfahrung sprechen, dass die ersten 1-2 Wochen in einer Klinik sehr hart sind. Auch ich wurde in dieser Zeit nur mit starken Medikamenten vollgestopft ... ich wäre aber wohl auch nicht therapiefähig gewesen Ich kann mich noch sehr gut an meinen ersten Tagebucheintrag in der Klinik erinnern, den ich am dritten Tag geschrieben habe: "Was mache ich hier? Die können mir sowieso nicht helfen! Mit Medikamenten vollstopfen kann ich mich selbst auch!" Nach 5 Wochen ging es mir allerdings wirklich wieder sehr gut, ich habe mich wieder auf mein Leben außerhalb der Klinik gefreut. In dieser Zeit nahm ich auch an sehr vielen Therapien bzw. Aktivitäten teil. Täglich Ergotherapie, zwei Mal pro Woche Gesprächsgruppe, Psychodramatherapie, Maltherapie, konzentrative Bewegungstherapie, Psychoedukation, Wahrnehmungsgruppe, Trommelgruppe, Stadausflüge, Kommunikationsgruppe, Spielegruppe usw. Zusätzlich ca. 2 Mal pro Woche Einzelsitzungen mit einer Psychotherapeutin. Im Übrigen ist es meiner Erfahrung nach normal, dass man anfangs nicht gleich an allen Therapieangeboten teilnimmt. Anfangs gab es auch bei mir nur Ergotherapie, alles andere kam erst im Laufe der Zeit dazu. Zuletzt hat man dann schon einen richtigen Stress, weil man von Therapie zu Therapie hetzen muss *g* Da sehnt mich sich dann teilweise wieder nach der Zeit, in der man nur einmal täglich zur Ergotherapie "musste".

Auch wenn ich die leichtfertige Vergabe von Medikamenten in dieser Klinik heute sehr kritisiere, so hat mir der Aufenthalt in der Klinik zumindest damals wirklich große Erleichterung verschafft. Mein letzter Tagebucheintrag (in der letzten Woche meines Aufenthalts) sah dann so aus: "Mir geht es jetzt seit einiger Zeit gut und ich bin zuversichtlich, dass dies auch weiter anhalten wird."

Es ist natürlich festzuhalten, dass es mit einem Klinikaufenthalt NICHT getan ist! Ambulante Psychotherapie und fachärztliche Kontrolltermine sind auch nach dem Klinikaufenthalt erforderlich.

Es gibt übrigens tatsächlich auch sehr schlechte Psychiatrien, die ihre Patienten NUR ruhig stellen ... in so einer war ich auch schon, da wurde ich allerdings damals zwangsweise hinverfrachtet und bin auch ganz schnell wieder auf Revers gegangen. Aber alleine die Tatsache, dass sich die Ärzte anscheinend Gedanken machen, spricht schon für die Klinik deines Bruders.

Nun, was den Urlaub betrifft: Wenn sich dein Bruder in der Lage sieht, jetzt in Urlaub zu fahren und Spaß zu haben, dann würde ich ihm dringend dazu raten, dies auch zu tun! Wenn er nämlich noch dazu in der Lage ist, so stelle ich in Frage, ob ein Klinikaufenthalt momentan überhaupt notwendig ist oder nicht vielmehr eine ambulante Psychotherapie die geeignetere Variante wäre. Ich kann das natürlich nicht beurteilen, aber meiner Meinung nach sollte ein Klinikaufenthalt nur dann in Anspruch genommen, wenn eine ambulante Psychotherapie nicht (mehr) ausreicht.

Also ich wäre vor meinem oder während meinem Klinikaufenthalt nicht in der Lage gewesen, Urlaub zu machen...ich war nicht einmal in der Lage, mein Bett zu verlassen... sogesehen ist es ein sehr gutes Zeichen, dass dein Bruder mit diesem Gedanken spielt.

Liebe Grüße,

Aneu
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Beitrag Sa., 08.08.2009, 20:29

Mein Bruder hat auf eigenen Wunsch die Klinik wieder verlassen. Ich hatte ganz lange Gespräche mit ihm und hoffe, dass ich mir im Moment keine ernsthaften Sorgen machen muss. Er ist jetzt auch in den schon vorher geplanten Urlaub gefahren. Die Ärzte meinten zwar, sie finden dass es noch zu früh ist, dass er die Klink verlässt, aber wenn es sein ausdrücklicher Wunsch ist, könne sie ihn nicht halten. Er sollte jetzt noch Medikamente nehmen, die wirklichen "Hämmer" haben sie aber wieder abgesetzt.

Grundsätzlich gibt es laut Ärzte Meinung keine generelle Aussage ob etwas gut oder schlecht ist. Erscheint mir natürlich auch logisch, hätte wir sonst nicht alle schon für jedes Problem unsere Lösung gefunden. Also was für den einen gut ist kann für den anderen genau das verkehrte sein.

Ich denke mir halt, dass er ein wenig zu leichtfertig damit umgeht. Er fährt jetzt 10 Tag weg und hat dann keinen Plan wie es weiter gehen soll. Aber nun bleibt uns nichts als einfach mal abzuwarten. Ich wünsche ihm vom ganzen Herzen, dass er nicht wieder in diese Loch fällt und die Gedanken sich nicht mehr aufhören im Kreis zu drehen. Aber wir haben auch besprochen, dass es wenn er keinen Ausweg sieht es immer die Möglichkeit gibt wieder in die Klinik zugehen und das es nichts ist wofür man sich schämen müsste. Ich hoffe, dass kann er im Ernstfall auch wirklich so sehen und annehmen.

Euch, dir ihr mir eure Gedanken mitgeteilt habt, danke ich auch. Es war eine gute Hilfe um nicht ganz den Boden unter den Füßen zu verlieren.

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