Keine Trauer?

Hier können Sie sich über Belastungen durch eigene oder fremde schwere Erkrankungen, aber auch den Umgang mit Tod und Trauer austauschen.
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Wurstel
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Keine Trauer?

Beitrag So., 09.11.2014, 16:34

Wurstel


Am Sonntag, den XX.XX. 2014 ist mein Vater gestorben. Eigentlich kam sein Tod unerwartet (er hätte an jenem Tag vom Krankenhaus heimkommen sollen). Am Dienstag ist seine Beerdigung.

Es ist nun so, daß ich keine Trauer empfinde. Und ich frage mich, warum das so ist.

Auch als meine Mutter im Jahr 200X gestorben ist, habe ich nicht wirklich Trauer empfunden. Danach hat mir meine Familie vorgeworfen, schuld am Tod meiner Mutter zu sein (das bekomme ich heute noch zu hören). Ich hoffe, daß es jetzt nicht auch noch heißt, daß ich schuld am Tod meines Vaters habe!

Aber ich würde gerne wissen, wieso ich fast keine Trauer beim Tod meiner Mutter gespürt habe und keine Trauer jetzt beim Tod meines Vaters.

Vielmehr mache ich mir Sorgen um die Zukunft, weil ich ja jetzt Haus und Hof übernehmen soll, und ich habe keine Lebensgefährtin und keine Kinder. (Okay, meine Schwester und ihr Mann werden mir helfen.) Mein Therapeut hatte mir ja schon vor mehr als einem Jahr prophezeiht, daß ich unser Haus finanziell nicht erhalten können werde; das heißt, daß möglicherweise die monatlichen Kosten des Hauses höher sind als mein Monatsgehalt. (Wissen tue ich nicht, wieviel der Betrieb unseres Hauses kostet, da mein Vater die ganzen Rechnungen weggeschmissen hat und praktisch keine Unterlagen dazu da sind.) Und deshalb bin ich besorgt und unsicher, ob sich das alles finanziell ausgehen wird.

Als ich in meiner Schulzeit in eine Mitschülerin verliebt war, diese mich aber nicht "erhört" hatte, da habe ich jahrelang fast jede Nacht geweint - eigentlich hat diese Trauerarbeit von 198X bis ca. 200X gedauert. (Zuerst habe ich monatelang nur durchgeheult, später dann langsam seltener, aber immer wieder.)

Als im Jahr 200X die Beziehung zu meiner Freundin begann (wir hatten keine Partnerschaft und auch keinen Sex miteinander, sondern zogen miteinander um die Häuser), hatte ich gemischte Gefühle. Einerseits war ich glücklich, daß ich mit damals 4X Jahren endlich meine erste Freundin hatte, andererseits hatte ich oft Probleme mit ihr, und schon in dieser Zeit kam es oft vor, daß ich dann zuhause weinen mußte. Erst recht, als meine Freundin im Herbst 2006 aufgrund eines Vorfalles (eine Frau, die sich als "beste Freundin meiner Freundin ausgab" hatte sich sehr viel Geld von mir ausgeborgt, und ich war dann zahlungsunfähig und konnte meine Freundin nicht mehr einladen und sie auch nicht mehr besuchen, weil ich kein Geld für Diesel hatte) den Kontakt zu mir abbrach, habe ich sehr viel geweint (und war gleichzeitig auf diese "beste Freundin meiner Freundin" wütend, weil sie die Ursache des Beziehungsabbruches war. Erst ein halbes Jahr später konnte ich die Beziehung zu meiner Freundin wieder herstellen (ich habe ihr einen Wunsch ermöglicht, außerdem war ich dann wieder zahlungskräftig), da sind wir dann wieder um die Häuser gezogen. Jedoch kam es im Herbst/Winter 200X dann zum kompletten Kontaktabbruch zwischen mir und meiner Freundin. (Der Grund dafür war, weil ich einem Freund nicht einen hohen Geldbetrag geborgt habe - der hat dann gegen mich intrigiert und meiner Freundin einen Blödsinn über mich erzählt und behauptet, ich sei schuld daran, daß sie keine Karriere gemacht hat.) Es kam dann leider zu Gerichtsverhandlungen zwischen mir und meiner Freundin. Ich war in dieser Zeit gleichzeitig traurig und wütend - da ging es mir richtig schlecht, und ich habe dann jahrelang geweint (und weine oft auch heute noch).

Bei meiner Freundin empfand ich also sehr viel Trauer (obwohl da ja immer noch die Möglichkeit besteht, sie zurückzu"gewinnen"), bei meinen Eltern (die ja sehr viel für mich getan haben und mit denen ich ja von meiner Geburt bis zu deren Tod zusammen war und bei denen nicht die Möglichkeit besteht, daß sie zurückkommen) empfinde ich hingegen fast keine (Mutter) oder gar keine (Vater) Trauer. Verkehrte Welt?

Woran liegt das?
Kennt das wer hier?


Wurstel

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blade
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Beiträge: 3100

Beitrag So., 09.11.2014, 17:33

der Gedanke, der mir kommt wenn ich Ihren offenen Beitrag lesen darf ist:

"Aha. Das ist einer von der alten Art."

(die alte Art, die ich meine ist eine gute Art)

eine Kaskade aus gut gemeinten Ratschlägen würde nichts bringen. Vor allem, da ich glaube, daß mit Ihnen mehr in Ordnung ist als mit Ihrem Umfeld.
Die Trauer wird kommen, wenn die Zeit dafür passt.
Ich glaube nicht dass Sie schuld am Tod Ihrer Eltern sind (es sei denn Sie hätten derem Ableben tatsächlich nachgeholfen)
Vulgärpsychologie und Schuldzuschreibungen werden oft von Geringeren als Sie es offenbar sind eingesetzt.

Bleiben Sie doch einfach so wie Sie sind und suchen Sie sich eine Partnerin, die ebenfalls von der alten Art ist.

Die wird Ihnen dann helfen, so wie Sie Ihr jederzeit und mit allem was Sie haben und sind helfen werden.

Ihr Umfeld scheint es allerdings vor allem auf Geld abgesehen zu haben.

Wenn Sie das Erbe Ihrer Eltern antreten, dann haben Sie diese hoffentlich darauf vorbereitet.
Wenn nicht, dann sind Sie auch nicht dazu verpflichtet. Ihre Entscheidung.

Außerdem sind Sie sogleich als Forumsunterstützer eingestiegen. Also haben Sie einen Gerechtigkeitssinn in Sich, der vermutlich Seinesgleichen in Ihrem Umfeld nicht finden wird.
Ich rate Ihnen nicht zynisch zu werden, denn das wäre falsch. Aber Sie sind vermutlich der Einzige Gerechte in Ihrem Umfeld.
Kein Grund größenwahnsinnig zu werden, aber ein Wurstel sind Sie nicht.
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Nozi
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Beiträge: 355

Beitrag So., 09.11.2014, 20:30

Man empfinde Trauer, wenn Menschen sterben, die dir ein liebevolles und wertschätzendes Gefühl entgegengebracht haben. Der Mensch ist weg, mit ihm das Gefühl, man trauert. Aus deiner Geschichte, die ich ja schon länger verfolge, les ich sowas bzgl deiner Eltern aber nicht heraus. Im Grunde könntest du jetzt sogar Erleichterung empfinden, ich fände das legitim.
Lg
Nozi

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Schneerose
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Beiträge: 1134

Beitrag Mo., 10.11.2014, 07:43

Lieber Wurstel,

ich kann nachfühlen wie es dir gehen mag, mir erging es in meinem Leben sehr sehr ähnlich...
und ich kann aus meiner Erfahrung kann ich mich der Antwort von Nozi anschließen.
Wobei auch dies ein sehr individuelles Thema und Gefühl ist, ich denke man kann es nicht allgemein erklären.

Wir haben diese Tage einen nahen Angehörigen beerdigt. Für mich war das Begleiten von ihm im Sterben eine tiefe Ehre,
er war schwer krank und konnte und wollte nicht mehr, sein Loslassen hat mich tief beeindruckt und demütig gemacht vor dem Leben;
seine Frau ist in tiefe Trauer verfallen - ja fast depressiv, da sie Jahrzehnte nie ohne ihn war - eigentlich abhängig...

sie ist religiös, ich empfinde mich als spiriatuell,
sie ist abergläubisch, ich glaube an das Licht...

es sind die Weisen alles zu betrachten, zu begreifen so verschieden...
So auch, die Sicht deiner Geschwister, oder anderer Angehörigen, sie haben ihre Geschichte, auch mit euren Eltern, du hast deine...
versuche, deren Geschichte bei ihnen zu lassen, das ist deren Sorge, nicht deine,
trau dir zu, dein zu leben, nicht das was andere erwarten,
und das auch in der Trauer,
wenn du Erleichterung fühlst, oder auch nichts, dann ist das gut so, für dich,
wichtig ist, dass dein Gefühl für dich stimmig ist,
du bist niemanden was schuldig, auch nicht in der Trauer.
"Der Einzige, der sich wirklich vernünftig benimmt ist mein Schneider, er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich sieht" :->

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Wandelröschen
Forums-Gruftie
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Beiträge: 994

Beitrag Mo., 10.11.2014, 09:01

Hallo Wurstel,

kann mich meinen Vorrednern Nozi und Schneerose nur anschließen.
Trauer ist ein intimes Gefühl, dass man gegenüber liebgewonnenen Menschen empfindet, denen man emotional sehr nahe steht.

Auch ich hatte deine früheren Postings verfolgt und empfinde es daraus als keineswegs ungewöhnlich, dass du jetzt keine Trauer empfindest. Das ging mir mit meinen Eltern genauso. Mein aufkommendes Gefühl war da eher Erleichterung. Gegenüber einer verstorbenen Freundin konnte ich sehr wohl Trauer empfinden.
Du brauchst dir da wirklich keine Schuld vorzuwerfen, die ist mit Sicherheit fehl am Platz.
Gruß
Wandelröschen

Wann, wenn nicht jetzt. Wo, wenn nicht hier. Wer, wenn nicht ich.

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wind of change
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Beiträge: 3669

Beitrag Mi., 03.12.2014, 21:51

Hallo Wurstel,
ich habe in der Vergangenheit einige deiner Beiträge verfolgt. Jetzt war ich doch etwas getroffen, als ich gelesen hab, dass Dein Vater gestorben ist (ohne jemals mit Dir "kommuniziert" zu haben ).
Was die Gefühle angeht: entweder sie sind da oder sie sind nicht da. Erzwingen kann man nichts. Es ist nun mal so wie es ist (gefühlsmässig). Nimm es doch einfach so hin, ohne es irgendwie zu bewerten. Es hat denke ich Gründe, wenn Gefühle nicht "wunschgemäss" oder "konformgemäss" da sind. Mach Dir doch keine Vorwürfe oder etwas in der Richtung !
Ja, jetzt hast Du das Haus und den Hof geerbt. Ich wünsche Dir wirklich wirklich viel viel Kraft das alles zu "stemmen" !!!
Beneiden tu ich Dich nicht darum, ganz ehrlich ! Nach dem was Du die letzten Beiträge erzählt hast. Ich hätte glaub ich einen Horror davor !
Wirklich, viel viel Kraft wünsche ich Dir, und auch Hilfe !!!
Und vielleicht ist ja dennoch irgendetwas positives dabei.
Liebe Grüsse
wind of change
Gehe so weit, wie du sehen kannst. Wenn du dort ankommst, wirst du sehen, wie es weitergeht.
(Autor unbekannt)
Wege entstehen, indem man sie geht. (Franz Kafka)
Glaub nicht alles was du denkst (Heinz Erhardt (?))

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