Ohne Eltern erwachsen werden

Hier können Sie sich über Belastungen durch eigene oder fremde schwere Erkrankungen, aber auch den Umgang mit Tod und Trauer austauschen.
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HappyGoLucky
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Ohne Eltern erwachsen werden

Beitrag Mi., 16.05.2012, 21:35

Hallo,

ich suche andere Waisen oder Leute mit Tips und Erfahrungen in dem Bereich.

Zu mir: Vater starb mit 5, Mutter mit 6 ( Aids ) Ich kam kurz nach meinem 6. Geburtstag in einer Nacht und Nebelaktion ins Heim -> Pflegefamilie , konnte man vergessen! Die schlimmste Zeit bisher -> wieder Heim bis ich mit 17 in eine Wg zog und seit ich 18 bin alleine lebe.

Früher war ich durch die äusseren Umstände, laut der Aussagen anderer, meinem Alter voraus, sehr selbstständig ect( mit 5 statt mit 6 eingeschult, mit 15 direkt in eine Heimgruppe ohne regelmäßige Betreuung gezogen, weil ich so gut "alleine" klarkam usw... ) Nun haben mich aber meine Altersgenossen quasi "überrundet"
Meine letzten Bezugspersonen waren tatsächlich meine Eltern, ich habe nach ihrem Tod nie "vergleichbares" erlebt. Heißt: z.B. hab ich mich in meiner Teenagerzeit nie abgenabelt, wovon auch? Ich hatte ja keine Person mit der ich mich näher auseinandersetzen konnte.
U. A. deswegen hab ich das Gefühl, dass ich langsamer bis gar nicht erwachsen geworden bin, wobei mir bewusst ist, dass der Begriff " erwachsen" sehr weitläufig ist.
Ich habe das Gefühl, ich müsste noch mal Kind sein, um dann erwachsen zu werden, da ich mich kaum an eine Unbeschwerte Kindheit erinnern kann. Und wenn ich alles was ich braüchte, um das zu Realisieren, in kurze Worte zusammen fassen müsste, lande ich immer bei den 2 Worten: zu Hause, Familie. Das wären die Idealen Bedingungen gewesen, damit ich "wachsen" kann. Da das fehlte bin ich in manchen Bereichen "stehen geblieben" und bestimmte Fähigkeiten, haben sich nicht ausgebildet. Wie holt man sowas nach? Ist das durchaus normal angesichts der Umstände? (Ergänzung: Ersatzfamilien Konzept, also 17 jahre kein Kontakt zur Herkunftsfamilie, durch Inet zwar wiedergetroffen, habe aber keinen Bezug zu den Personen )

Hatte glücklicherweise immer Freunde, Beziehung funktioniert auch, mag aber meinen Freund nicht zuheulen, sondern lieber schauen was ich selbst tun kann. Meine Problematik kennt er. Laut ihm fehlt mir nur "mehr Rückrat"

Kennen andere diese Verschiebungen in der Entwicklung, durch welche Umstände auch immer, auch? Was tut ihr in dem Fall?

Problematik besteht in generell in mehreren Bereichen: Hospitalismus ( stundenlanges hin und her laufen, kam in der Pflegefamile durch Wochen/Monatelangen "Stubenarrest" ) wenig Selbstwergefühl, wenig stressresistent... bin generell irgendwie in der Pflegefamilienzeit stehen geblieben, weil sie echt furchtbar war für mich... Manchmal denk ich, es ist als hätte man einen Teil von mir dort in dem Haus gelassen und nie "abgeholt", der Erlebt auch heute noch manchmal Sachen als wären sie gestern geschehen...

Kurz ne menge Baustellen Aber erst mal interessiert mich die frage mit der "Entwicklungsverschiebung".

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s2510
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Beitrag Fr., 18.05.2012, 07:20

Hej,

ich bin keine Waise, aber ein zu Hause, ein Daheim hatte ich trotzdem nicht.

Kann dein nicht-erwachsenwerden auch nachvollziehen. Ist bei mir nicht viel anders. Ich war auch immer schon voraus, hab immer schon alles gemacht, war aber nie geborgen und beschützt.

Und jetzt ist es bei mir ganz einfach so, dass ich in vielen Lebensbereichen erwachsen bin. Im Job, bei der Vereinsarbeit ... aber ich mir bewusst auch Lebensbereiche geschaffen habe, in denen ich ein bisschen Kind bin. Oft sind es nur Kleinigkeiten ... so musste ich dieses Jahr unbedingt das Waveboard ausprobieren. Ich hab auch Freunde gefunden, die mir oft kindische Reaktionen einfach mal durchgehen lassen...

Richtig "Klick" gemacht hat es bei mir, als ich einfach akzeptiert habe, dass ich zum Teil noch ein Kind bin, und diesen Teil auch akzeptiert habe. Jetzt habe ich damit kaum mehr ein Problem. Nur suche ich immer noch nach Geborgenheit, die ich nie bekommen habe.
----------------------------------------
Am Ende wird alles gut. Wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.
Aufgegeben wird ein Brief, und sonst gar nichts.

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HappyGoLucky
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Beitrag Fr., 18.05.2012, 14:02

Hi,
danke für die Rückmeldung Bin also nicht allein.
Das mit der Geborgenheit kann ich verstehen. Ich denke eine gute Partnerschaft kann einiges leisten, allerdings darf das nicht von vornherein der Anspruch an den Partner sein. So war das bei mir zumindest.

Ich hab ja die Hoffnung, dass ich noch irgendetwas dazu beitragen kann, dass sich das noch "verwächst". Neugierig bin ich auch Und neues ausprobieren, find ich gut.
Meine Freunde haben zum Glück auch nichts dagegen, das ich manchmal ein kleiner Flummi bin.

Was ich meine ist eher so was wie, dass ich mit einer höheren Stimme spreche, als ich eigentlich hab oder so, also das ich mich kindlich fühle und auch so gebe. Ich werde bis heute, als Teenager geschätzt, nicht nur vom Aussehen, sondern auch vom Verhalten und auf Arbeit denken alle Kunden/Klienten immer ich bin der Azubi, dabei hab ich die Verantwortung für den genzen Laden, wenn der Chef nicht da ist und schein zumindest fachlich irgendwie ganz gut zu sein.

Auch ansonsten fühle ich mich häufig überfordert, nicht auf Arbeit erstaunlicher weise,da tut mir Verantwortung sogar richtig gut, aber privat.
Bei kleinsten Unpässlichkeiten kann ich dann nicht mehr schlafen oder würde am liebsten in Tränen ausbrechen und auch wenn meine Eltern schon ca 20 Jahre tot sind, habe ich das dringende bedürfnis z.B. meine Mutter anzurufen, wenn ich Rat brauche. Ich stell mir dann geistig vor ich könnte das tatsächlich, das beruhigt mich dann und gibt mir ein sicheres Gefühl.

Sollte ich in meinem Alter bei Problemen tatsächlich noch mach meiner Mama weinen? Oder mir meinen Papa herwünschen, wenn ich was in meiner Wohnung nicht repariert bekomme ( er war toll in sowas, hat damals unser Haus gebaut )

Haben andere, z.B. wenn sie noch Eltern haben diese Bedürfnisse auch?

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aglaja
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Beitrag Di., 22.05.2012, 12:29

hallo, ich kann was du schreibst irgendwie schon nachvollziehen.

ich habe zwar eltern, allerdings ist meine mutter ein pflegefall, was ich schon als kind mit und abbekommen habe. mein vater war allerdings soweit es ging für mich da, natürlich nicht immer mental, aber die grundbedürfnisse waren abgedeckt. heute bin ich ganz gut unterwegs, aber natürlich gibt es einige narben.

ich finde, man müsste vielleicht überhaupt über die begriffe erwachsen sein und kindsein nachdenken.. ich finde es nicht unbedingt kindisch, gefühlvoll zu sein oder direkt. bzw ist kindisch auch sicherlich nichts negatives. vielleicht geht es darum, darüber nachzudenken, was man als erwachsener, der funktionieren muss, für das kind in einem tun kann.

und eben, wenn du diese wünsche hast, deine mutter anzurufen, ich würde diese zulassen, auch wenn es nicht möglich ist, aber ich finde zulassen ist besser als unterdrücken. ich würde mir räume und menschen suchen, wo dieses zulassen möglich ist.

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Elfchen
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Beitrag Di., 22.05.2012, 12:49

liebe happy

ich kann das alles sehr gut nachvollziehen was du erlebst.
wie ist es, machst du eine therapie? es gibt ansätze, wo therapeuten mit dem inneren kind arbeiten. das sehe ich bei dir als weg.
einerseits denke ich, muss dein inneres kind gepflegt und genährt werden. durch den frühen, tragischen verlust hast du sicher ein trauma erlitten. das kind war niemals sicher, niemals geborgen. die arme einer mutter fehlen, die liebe des vaters. ein daheim, ein nest, die wärme. ich versteh das alles sehr gut, glaub mir.
indem du deine kindlichen anteile ernst nimmst, sie akzeptierst und sozusagen geistig selber in den arm nimmst, kannst du dir viel freiheit geben. geborgenheit, zuwendung, all das kann man dem inneren kind nachträglich geben und sich trösten.
gleichzeitig muss man sich selber mutter sein, das innere kind auf den schoss nehmen, die bedürfnisse wahrnehmen, vielleicht leise wiegen und einfach verstehen.

ich hoffe, es tönt nicht zu abgefahren für dich. ich bin selber auf diesem weg und muss das alles irgendwie auf die reihe kriegen. man kann es schaffen! du vor allem, denn ich nehme dich sehr reflektiert und intelligent wahr. die seele muss da nur noch mitkommen.

einstweilen ein liebes
Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben. Epiktet

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Beitrag Mi., 23.05.2012, 21:10

@ aglaja
Danke für die Antwort. Zulassen tu ich es, es ist ja auch beruhigend Ich bin eher impulsiv und wenn mein Bauch "ist gut" sagt, mach ich das meißt auch. Und wenn ich von mir ein "Nee, lass mal" bekomme, nehm ich Abstand oder bin vorsichtig. Hat sich bisher ganz gut bewährt. Ich meine sowas wie: ich bin "stehengeblieben" in der Zeit in der meine Eltern noch lebten ( zum Teil ) fühlte mich nicht geborgen,beschützt und hab bestimmte "Kompetenzen" nicht ausgebildet. Quasi, weil meine Wurzeln zum wachsen fehlten habe ich nun keine Flügel zum fliegen. Aber losfliegen würde ich gerne

@Elfchen
Auch dir Dankeschön!
Gehört hab ich davon, nur weiß ich nicht, ob das zu den Sachen gehört, die in Deutschland zugelassen sind. Das sind leider nur die Psychoanalyse, die tiefenpsyschologisch fundierte Psychotherapie und die Verhaltenstherapie. Ich war mal kurz bei einer Psychoanalyse, aber das ging nach hinten los. Kann einen Therapie "retraumatisieren"? Wenn ja, dann tut sie das bei mir wohl.
Also überleg ich, ob ich eine Verhaltenstherapie mache, ab Herbst hätte ich auch genug Luft dazu. Denn das wird bestimmt nicht leicht
Das EMDR und SE im Rahmen von Traumabasierter VT angeboten wird, hab ich schon gelesen. Aber ich kann alles, was passiert ist, mittlerweile sehr gut in Worte fassen und SE, klingt zwar gut, aber irgendwie scheint das auch nur die physischen Aspekte eines Traumas zu behandeln und nicht die psychischen mit einzubeziehen.

Ich werd mich bei der Arbeit mit dem Inneren Kind noch mal schlau machen. Was du beschreibst war das, was ich so ähnlich wohl immer schon gemacht habe. In meiner Pflegefamilie, hab ich mich "unbewusst bewusst" "abgespaltet" und mich abends beruhigt und um mich "gekümmert" damit ich schlafen kann. Mir sachen gesagt wie: alles ist gut ect, eben wie der "Beschützer" von dem ich immer geträumt hab, der mich "retten" kommt. Lauter Dinge eben, die ich nie zu hören bekommen habe, die mein Herz aber brauchte.

Ich hatte schon immer eine blühende Phantasie und hab mich in "innere" Bereiche zurückgezogen, wenn es nötig war, wo ich mir die Umgebung und die Personen erschaffen konnte, die ich brauchte, um mich zu beschützen. Und dann hab ich mir die schrecklichen Situationen noch mal vorgestellt und ihnen ein "positives" Ende gegeben. Und wenn es mir schlecht ging hab ich mir die "Glücksgefühle", die ich in der fiktiven Inneren Welt durch die fiktiven "Inneren Erlebnisse und Personen" gehortet und konserviert habe, hochgeholt und "benutzt". Ansonsten hatte ich das Gefühl ich zerspränge in tausende kleine Stücke und es wäre nichts mehr von mir da.

Auch brauchte ich diese Innere Umgebung und die Personen um Wut, Trauer, Glück, Enttäuschung generell noch mal "beschützt" zu erleben und um Stress zu regulieren, der zum Teil so hoch war das ich dachte mein Hirn hat grad einen Overload und wär gleich einfach weiß. Klingt strange, aber es hat sich so angefühlt als hätte man mein Hirn unter "Strom" gesetzt und ich kippe jeden moment um.
Ich glaub das hat mich gerettet, aber damals auch überlastet, so viel zeitgleich sein zu müssen, ich war ja erst 6/7 Jahre alt und es hielt bis zum Teenageralter an. ( der "terror", ich nenn es mal so, weil es wie "terror" für mich war und das Wort dem Zustand von damals am besten entspricht )
Vielleicht kann ich es jetzt, wo ich älter bin, ohne mich zu sehr zu überlasten. Ich bin immer noch "so", aber vielleicht kann ich das unter Anleitung besser "kanalisieren"?

Zu meiner Pflegefamilie kurz: nicht schön. Fast alles was man sich vorstellen kann. Kontrolle vom Jugendamt im Durchschnitt: ein Besuch pro Jahr, eine Std, davon ganze 10 Min um sich mit mir "alleine" zu beschäftigen.

Meine Güte, meine Posts sind immer so lang. Ich werd noch lernen auf den Punkt zu kommen All die Dinge kann ich zwar beschreiben, aber noch nicht kurz und knapp

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Stern41
neu an Bo(a)rd!
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Beitrag Mo., 04.06.2012, 22:41

hallo!
ich mußte ohne vater u. mutter oder großeltern aufwachsen. meinen vater kenn ich nicht habe keinen namen. mit fünf zu
pflegeeltern für ca1-2jahre. mit sieben jahre bekam ich eine schwester ab ihrer geburt schlug mich mein stiefvater er hasste mich, schmieß mir ein messer nach das mich nur streifte. nach drei jahren terror wieder zu den gleichen pflegeeltern mit der schwester. ich hatte lange zeit nur brieflich kontakt mit meiner mutter,auch mußten wir uns heimlich treffen das ja nicht das jugendamt was erfährt. mit 13 bekam ich noch einen bruder,den ich nur heimlich sehen konnte. zwei jahre später starb meine mutter bei einem autounfall. mein bruder wurde nächsten tag zur atoption freigegeben. meine pflegemutter meinte nur zu mir is eh besser für sie das sie tod ist. jetzt fing der psycho-terror bei den pflegeeltern an. es war so schlimm das sich ein pflegekind zu muttertag erhängte,den ich im wald gefunden habe. diese bilder sehe ich noch ganz genau vor mir. nicht ganz 18 zog ich aus. noch heute holt mich die zeit bei den pflegeeltern ein. so ein kleiner auszug von meinen elternlosen leben. wünsch euch eine gute zeit lg.Stern41 ps.meinen bruder suchte ich 24jahre jetzt haben wir guten kontakt.

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