Was man nie vergisst....

Hier können Sie sich über Belastungen durch eigene oder fremde schwere Erkrankungen, aber auch den Umgang mit Tod und Trauer austauschen.
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Was man nie vergisst....

Beitrag Di., 08.12.2009, 22:04

Hallo,
was man nie vergisst ist, wenn man bei jemandem sah was der Krebs aus einem Menschen machen kann.
Angefangen von der Verdachtsdiagnose...
Ich dachte mir, wenn das wirklich Krebs ist, ist das ihr Todesurteil.
Bis hin zur Bestätigung...
Da liegt ein Schleier drüber, man wills nicht wahrhaben.

Dann folgen Untersuchungen, später Chemotherapien, die den Körper noch mehr schädigen als es der Krebs bis dahin getan hat.
Man sieht wie ein Mensch verfällt, immer dünner und karger und schwächer wird, nichts mehr essen und trinken will.
Man sieht wie er weint vor lauter Schmerzen, wie er womöglich auch öfters mal umkippt, weil der Körper nicht mehr will.
Man merkt wie nicht nur der Körper verfällt, sondern auch der Geist, denn die Chemotherapie schlägt sich auch auf die geistige Verfassung.
Man merkt wie die Ärzte und Schwestern immer weniger für den Menschen machen, weil sie ihn sowieso schon von Anfang an keine Hoffnung gaben, und nun wissen, es wird nicht mehr lange dauern.
Wenn man sieht dass der Mensch im Spital nicht mal mehr das Essen hingestellt bekommt, weil er die letzten 3 Tage sowieso "nichts angerührt hat", oder man zu hören bekommt "warum nehmen sie immer so viel zu Essen mit? Das ist Geldverschwendung, sie isst es sowieso nicht..." vergisst man das nie wieder...
Wenn man merkt, die kümmern sich nicht mal um Morphiumpflaster, und der Mensch windet sich jedesmal wenn man kommt vor Schmerz im Bett.
Und wenn man hört, dass einem der Mensch für jemand ganz anderen hält als man ist, weil die Chemotherapie den Geist so sehr verwirrt, tut einem das weh!

Diagnose im Sommer, Tod, 7 Monate später.
7 Monate Hölle und am Ende stand die Beerdigung.

Das war meine Mutter, und nun kommt das alles wieder nach und nach hoch.

Wie kann man solche Erinnerungen verarbeiten?
Ein Stock im Arsc* ist noch lange kein Rückgrat!

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Eve...
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Beitrag Di., 08.12.2009, 22:14

Furchtbar, ja.

Ich bin froh, dass mein Bruder die Chemotherapie verweigert hat. Nach 5 Wochen war er erlöst.

Der medizinische Fortschritt ist sowohl Segen wie Fluch.

Es tut mir leid um Deine Mutter und für Dich.

Eve

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Beitrag Di., 08.12.2009, 22:16

Wenn ich gewusst hätte was die Chemotherapie aus einem Menschen macht, hätte ich auch alles dran gesetzt, dass sie nicht eingesetzt wird!
Ich sehe das gar nicht als medizinischer Fortschritt, zumindest nicht in der Palliativmedizin.
Da is es nur Qual und Schmerzen, und unnötig!!

Auch dir mein herzliches Beileid zum Verlust deines Bruders, Eve!
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reddie
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Beitrag Di., 08.12.2009, 22:24

es tut mir leid, dass du deine mutter verloren hast. es muss ein alptraum sein, nicht helfen zu können.

ich war selbst von krebs betroffen und das war eine horror-erfahrung. vor allem die mitpatienten und deren angehörige zu erleben.

ich lebe immerhin schon vier jahre nach der chemo noch. aber wenn es keine hoffnung mehr gibt, sollte man das jedem wirklich ersparen.

ich wünsche mir dann nur eine gute schmerztherapie oder ne überdosis und einen schnellen tod.

auch dir eve mein beileid.

liebe grüße
reddie

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Eve...
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Beitrag Di., 08.12.2009, 22:27

Danke Euch beiden. Mein Bruder ist schon vor einiger Zeit in die andere Welt gegangen.

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Beitrag Di., 08.12.2009, 22:31

reddie hat geschrieben:es tut mir leid, dass du deine mutter verloren hast. es muss ein alptraum sein, nicht helfen zu können.

ich war selbst von krebs betroffen und das war eine horror-erfahrung. vor allem die mitpatienten und deren angehörige zu erleben.

ich lebe immerhin schon vier jahre nach der chemo noch. aber wenn es keine hoffnung mehr gibt, sollte man das jedem wirklich ersparen.

ich wünsche mir dann nur eine gute schmerztherapie oder ne überdosis und einen schnellen tod.

auch dir eve mein beileid.

liebe grüße
reddie
Super dass du diese heimtückische Krankheit überstanden hast!
Es ist unglaublich wie der Krebs heutzutage wuchert...und wieviele Menschen davon betroffen sind!

Ja, das wäre das Beste, Schmerztherapie und ein schneller Tod.
Aber nicht mal als es so schlecht um meine Mutter stand, glaubte ich dass sie bald gehen müsste...
Und der Tod war dennoch ein Schock.
Man weiß es unterbewusst, wills aber nicht wahrhaben.
Als Patient geht es einem wahrscheinlich nicht viel anders...
Man hat Hoffnung bis zuletzt.

Ich will aber nicht mehr die ganzen Bilder vor Augen haben, wie sie aussah, wie sie weinte, und wie sie sich vor Schmerzen wand.
Wünsch jeden Tag das wäre nie passiert.

Jetzt im Winter, und wo ihr Tod bald schon ein Jahr her ist, ists besonders schlimm.
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AnnaK
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Beitrag Mi., 09.12.2009, 00:08

Wie man diese Bilder verarbeitet?
Wenn ich einen sicheren Weg wüsste...
Ich weiß genau wovon Du sprichst. Meine Mutter ist im September gestorben. Wenn auch ein wenig anders, im Hospiz... ohne Schmerzen. Gnädig ins geistige Nirwana des Morphiumrausches verfrachtet.

Was genau beschäftigt Dich an den Bildern?
Spielt da vielleicht die Angst mit, dass es Dir irgendwann auch so gehen wird?
Mitgefühl für Sie?
Etwas anderes?

Ich hab da meine guten und meine weniger guten Tage.
An den guten Tagen kann ich mich dahin zurückziehen, dass es so etwas wie Hospize gibt und ich mich ganz sicher niemals im Krankenhaus zugrunde richten lassen werde. Ich arbeite im Moment meine Patientenverfügung aus, um meinen Willen auch im Zweifelsfall durchsetzen zu können.
Es war wirklich so angenehm dort, wie so etwas sein kann. Sehr ruhig, gelassen und wenn Angst und Schmerz drohten gab es Medikamente und Menschen die da waren und wirklich gut taten. Meine Mama hat sich erstaunlich wohl gefühlt dort, wohler als zu Hause, weil man ihr dort effektiv helfen konnte, wenn was nicht okay war.
An den guten Tagen kann ich denken, sie hat es hinter sich. Es ist vorbei, jetzt geht es ihr gut und mein Problem damit sollte mein Leben nicht bestimmen, dafür ist es wirklich zu kurz.

An den weniger guten Tagen kann ich all das nicht.
Dann überschwemmen mich diese Bilder einfach, die Angst, die Ohmacht, das Entsetzen wie jemand so jung so abbauen kann, so sehr sich selbst verlieren kann und ich bin wie gelähmt.

Und manchmal denke ich, dass es ganz gut ist, dass sie so dösig wurde... hat bestimmt auch vieles leichter gemacht.

Verarbeiten?
Ich hab eine Therapie hinter mir (aus anderen Gründen) und weiß trotzdem immer noch nicht, wie man verarbeiten tut. Also aktiv diesen Prozess in Gang setzt.
Es ist viel passiert in der Thera, ich habe mich sehr verändert, zum Guten. Es ist passiert. Ich weiß, dass ich da einiges - das meiste - dazu beigetragen habe. Aber eine Anleitung könnte ich nicht draus formulieren, ich könnte es nicht mal wirklich beschreiben.

Aber es waren alles nur Gespräche. Gespräche in denen ich mich sehr ernst genommen gefühlt habe.
Ich denke drüber reden hilft. Und mir hilft es am Besten mit Menschen drüber zu sprechen, die das auch schon erlebt haben. Die Versuche es mit anderen zu tun haben so viel Bestürzung und Überforderung verursacht, dass ich mich unwohl, unverstanden und sogar schuldig gefühlt habe.

Ich denke das was wir hier machen ist ein Teil der Verarbeitung, oder?

Nachdenkliche Grüße
AnnaK


P.S. ich denke, die palliative Chemo kann man nicht so generalisieren. Meine Mutter hat auch Chemo und Bestrahlung bekommen und beides recht gut vertragen. Die Nebenwirkungen sind wirklich sehr gut behandelt worden und sie hatte noch ein gutes halbes Jahr, in dem sie noch sehr vieles wirklich genießen konnte. Ich glaube sie würde es wieder so machen, wenn man sie fragte.

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Jesusechse
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Beitrag Sa., 13.02.2010, 17:54

Hi Ihr Lieben!

Ich hab' auch bis zu ihrem Tod eine Angehörige gepflegt. Sie hatte zwar Krebs, aber sie war zu alt und wurde deswegen nicht mehr behandelt. Sie war einfach alt und wurde immer gebrechlicher und war dement, also ein Schwerstpflegefall zum Schluss. Sie war wundgelegen und hat trotz Morphium wahnsinnige Schmerzen gehabt; sie hat bei jedem Umlagern geschrieen wie am Spieß, hat um sich geschlagen, gekrallt und gekniefen, hat sich mit der letzten Kraft gewehrt und gebettelt, dass wir sie doch in Ruhe lassen sollen, wenn sie einen lichten Augenblick hatte. Das konnten wir aber nicht, wir mussten sie ja doch wenigstens sauber machen und die Wunden versorgen.

Am Schluss, die letzten Tage kam der Pflegedienst. Der Pfleger hat gemeint, er könnte bald auch nicht mehr hin, so stanken die Wunden und die sind ja was gewöhnt, aber der konnte auch nicht mehr.

Meine Schwester hatte auch Krebs, aber er wurde rechtzeitig erkannt. Alles gut im Moment. Aber sie ist noch relativ jung. Wer weiß, ob er wirklich fort bleiben wird?

Das Leben ist so. Es gibt noch schlimmere Fälle, ganz junge Menschen mit Gehirntumoren und was weiß ich. Ein Bekannter von mir hat MS. Ist Anfang 30, hochqualifizierter Elitejob, verheiratet, Geld in Massen, Frau erfolgreich, er erfolgreich, zwei süße kleine Mädels und dann diese Diagnose!

Wir können es nur hinnehmen, wie es kommt. Es gibt ein Lied von Laith Al-Deen "Der Tag"; da gibt's eine Zeile:

Ich nehm's, wie es kommt, sonst nimmt es mich!

Meine Mutter konnte lange nicht vergessen, wie unsere Angehörige geschrieen und gelitten hat. Ich schon. Ich hab' gedacht, wenn es mir hoch kommt, es ist jetzt vorbei; sie spürt es nicht mehr, es geht ihr jetzt gut und es tut ihr jetzt nichts mehr weh.

Es nützt nichts, sich später weiter zu quälen. Das verlangen unser gegangen Angehörigen von uns nicht, dass wir aus Treue weiterleiden und diese Erinnerungen herholen und alles Wiederbeleben.

Mit der Zeit wird es besser. Und wenn nicht, dann ist es ein echtes Trauma, dann sollte man sich an einen Traumatherapeuten wenden. Dann hat es sich im Kopf so festgebrannt, dass man es allein nicht wieder los wird.

Ja, tut mir alles sehr leid, was ich hier gelesen habe. Warum es diese blöden Krankheiten nur geben muss. Sie haben keinen Sinn, sie sind einfach nur da und machen uns das Leben schwer. So ist es leider.

Aber es ist auch eine Erfahrung, die die meisten Menschen irgendwann machen und das verbindet dann auch wieder.

Grüße Euch lieb!

ausgefuchst

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Schwarz-Weiß
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Beitrag Mo., 15.02.2010, 19:29

Ich habe in meinem Leben schon einige mir wichtige Menschen verloren, ich bin immer wieder betroffen, wenn alte Erinnerungen dazu auftauchen.
Das Leben besteht aus Nehmen und Geben - leider.

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today
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Beitrag Fr., 05.03.2010, 20:30

Wie kann man solche Erinnerungen verarbeiten?
Ich glaube gar nicht.
Ich glaube, man kann nur versuchen, dazu so eine Art Akzeptieren zu finden.
Akzeptieren, dass es so war.
Der Wunsch, dass es hätte anders gehen können, kann bleiben.
Als Wunsch.
Nicht als innerer Kampf. Aber bis dahin muss dieser wohl durchgestanden werden.
und tschüss, das ist mir zu viel wortzensur hier

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ohjefisch
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Beitrag Fr., 19.03.2010, 13:42

123456 hat geschrieben:Hallo,
was man nie vergisst ist, wenn man bei jemandem sah was der Krebs aus einem Menschen machen kann.
Angefangen von der Verdachtsdiagnose...
Ich dachte mir, wenn das wirklich Krebs ist, ist das ihr Todesurteil.
Bis hin zur Bestätigung...
Da liegt ein Schleier drüber, man wills nicht wahrhaben.

...

Diagnose im Sommer, Tod, 7 Monate später.
7 Monate Hölle und am Ende stand die Beerdigung.

Das war meine Mutter, und nun kommt das alles wieder nach und nach hoch.

Wie kann man solche Erinnerungen verarbeiten?
Deine traurigen Worte treffen es gut, so war es auch bei meiner Mutter. Februar 2008 war sie noch an der Schulter operiert worden, künstliches Gelenk. In der Reha fing es an mit Bauchschmerzen, im Juni kam die Diagnose Gallengangskrebs mit multiplen Metastasen in der Leber. Chemo hätte wenig Sinn gemacht, sie ist nuklearmedizinisch behandelt worden, allerdings ohne Erfolg.

Aber was Du sagst: Erst der Schrecken der Diagnose, dann der Verfall, nicht wahrhaben, das habe ich Hoffnung genannt. Weil wir doch nicht nur auf das Ende hätten warten können! Ich glaube, meine Mutter hat die Hoffnung früher verloren als ich, und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich denke, ich habe ihr vielleicht was vorgemacht, zu viel gehofft. Aber kann man zu viel hoffen?

Am 28.11.2008 ist sie zu Hause gestorben, in der Nacht habe ich mich zwischen meine Eltern gelegt, und morgens hat sie dann aufgehört zu atmen.

Meine Mutter, die im März noch so fleißig ihre Gymnastik in der Reha gemacht hat, so froh war, dass sie keine Schmerzen in der Schulter mehr hatte, dass sie den Arm wieder besser bewegen konnte. Im August hat sie mit Mühe und Not noch im Garten rumgewerkelt. Meine Mutter, die immer gerne gegessen hat und jetzt künstlich ernährt wurde.

Es war ein Kampf, sie und meinen Vater, der gleichzeitig krank geworden war (sie waren wochenlang im Doppelzimmer im Krankenhaus, dann war er 200 km entfernt in einem anderen Krankenhaus), nach Hause zu kriegen. Die beste Lösung sei doch ein Pflegeheim.

Ich habe eine Haushaltshilfe eingestellt, mein eigenes Leben völlig zurückgestellt, gesagt, ich bleibe, bis es meiner Mutter wieder besser geht . Oder bis sie stirbt, aber das habe ich nicht gesagt. Nach ihrem Tod ging es auch mit meinem Vater deutlich bergab, der ist dann am 07.02.2009 gestorben.

Und ich? Ich bin allein, keine Kinder, keine Verwandten, alle wichtigen tot. Ich habe Freunde und einen Partner, die sich sehr engagiert haben, mir zu helfen. Aber es ist was anderes, und ich weiß auch nicht, wie ich das wirklich verarbeiten soll. Ich denke nicht ständig dran, aber die Bilder, die kommen oft, und dann wie ein Flash das Bewusstsein, meine Eltern sind tot.

Therapie hatte ich aus anderen Gründen schon vor den Geschehnissen angefangen, aber das hilft mir in diesem Bereich nicht.

Die Zeit? Vielleicht. Noch ist vieles zu regeln, nächste Woche muss ich eine Grabplatte und einen Stein bestellen, das Haus weiter ausräumen.

Ich weiß nicht, ob es gut ist, drüber zu reden oder zu schreiben oder zu versuchen, gar nicht dran zu denken. Was Fakt ist, es ist mit mir nach dem Tod meiner Eltern den Berg runter gegangen. Essstörung, zu viel Alkohol und Zigaretten, ich bin nicht mehr die Frau, die mein Partner kennen gelernt hat.

Die möchte ich gerne wieder werden.

Grüße,

Monika

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Beitrag Sa., 20.03.2010, 03:59

Danke für eure Posts.
Danke Monika, du hast es gut beschrieben, man ist nach so einer Erfahrung anders...

Wisst ihr, ich habe eigentlich schon seit klein-auf Angst vor dem Tod. Nicht vor dem Sterben, sondern vor dem was danach kommt. Oder eher was wahrscheinlich nicht danach kommt.
Woher seit Kleinauf? Keine Ahnung. Meine Kindheit war nicht überwältigend schön, es gab viele unschöne Szenen daheim, besonders mit meiner Mutter, evtl. kommt es daher.
Ich hatte glaube ich auch immer unbewusst Angst, meine Mutter zu verlieren, was ja nun geschehen ist.

Als sie verstorben war, habe ich sie noch 3 mal gesehen. 2 mal war ich in der Pathologie, und 2 Wochen später bei der Beerdigung, ich machte den Sarg auf, und gab ihr einen Ring mit, und einen Brief.
Es war nicht so, dass da eine "Hülle" lag, wie so viele beschreiben, da lag meine Mutter.
Sie war kalt, starr, und hatte, besonders beim letzten mal, schon stärkere Leichenflecken, und Todesanzeichen. Klar...
Aber sie sah entspannt und friedlich aus...das zu sehen tat mir gut...
(auch logisch, nach dem Sterben, entspannen sich die Muskeln...)

Aber, obwohl ich nie wirklich an ein Jenseits oder einen Gott glaubte, hielt mich immer der Gedanke aufrecht, es könnte ja was geben. Der Tod-das Mystische...
Vielleicht...seh ich sie ja wieder wenn ich auch mal nicht mehr bin, eventuell gibt es ja doch was.
Das konnte ich mir manchmal einreden, auch wenns oft schwer war, aber es ging.

Ich musste vor einigen Wochen einen meiner Hunde einschläfern. Genauer gesagt war es ihr Hund, er war eher ihr zugetan, nicht mir.
Sie war 14, starb aber nicht an Altersschwäche, sondern auch an Krebs. Wie nett makaber.
Sie "kroch" den letzten Tag nur noch dahin, konnte nicht mal mehr ihren Kopf oben behalten, aber sie guckte, und schaute...war hellwach...
Wollte, wie zuvor jahrelang, um keinen Preis der Welt "drinnen" ihr Geschäft erledigen, kroch...regelrecht zur Tür...
Ich trug sie raus, sie urinierte, blieb dort liegen, oder einen Tag zuvor,...wollte sie gehen, und brach zusammen...und blieb einfach hilflos im kaltem Schnee liegen....seufzte, und schaute....
Bis ich sie wieder reintrug...
Wieder ein paar Bilder mehr, in meinem Kopfkino die ich nicht mehr loswerde...
Das letzte "Wesen" was ich mit meiner Mutter in Verbindung brachte, ist also nun auch nicht mehr. Und obwohl ich vor vielleicht 2 jahren noch den Gedanken hatte...meine Mutter wird traurig sein, wenn mein/ihr Hund mal sterben wird, denn sie mag ihn ja so...überlebte der Hund meine Mutter, und starb aber im Endeffekt an der selben verfluchten Krankheit....
Mit dem Hund habe ich das Gefühl, die Verbindung zu meiner Mutter noch mehr verloren zu haben.
Und den Hund sterben zu sehen,...es war das erste mal dass ich dabei war wie ein Lebewesen stirbt.
Ich dachte/redete mir immer ein...beim Sterben...da muss doch irgendwie was mystisches zu spüren sein...etwas zu spüren...irgendwas....dass die Seele jetzt fortgeht, dass es ihr besser geht.
Oder auch nur dass die Krankenschwestern in den Hospitzen und Spitälern nicht umsonst die Fenster aufmachen, nachdem jemand im Zimmer verstorben ist, aus Aberglaube dass man damit die Seele frei lässt....
Aber da war rein garnichts.
Mein/ihr Hund bekam eine Narkoseinjektion, dann eine noch stärkere, sie fing an sehr stark zu atmen...und dann bekam sie die Giftspritze die die Atmung lähmte, und sie hörte auf zu atmen, langsam..und war gestorben.
Da war nichts. Kein erlösendes Gefühl, kein jenseitiges Gefühl, kein göttliches Gefühl, einfach nichts.

Ich hatte mal eine Operation hinter mir, aus der mich die Schwestern mit "Guten Morgen.." aufwecken wollten.
Ich hörte es, wollte atmen, mich bewegen, aber es ging nicht. Hatte wohl noch zuviel narkosemittel in mir.
Bekam Panik, weil ich nicht atmen konnte, und es innerlich bei der Lunge irgendwie leicht zu brennen anfing, ....die Panik ging allerdings schnell, und ich dachte mir...was solls...dann sterbe ich eben...egal...
Die warteten so um die 15/20 Sekunden auf eine Atmung, als nichts geschah, spürte ich dass sie mir wieder irgendwas in die Lungen reinpumpten, Sauerstoff...keine Ahnung.
Und weg war ich wieder...und dann wieder da...machte einen tiefen Atemzug, und dann zogen sie mir die Schläuche aus dem Rachen...
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Beitrag Sa., 20.03.2010, 04:00

Jeder der schon mal eine Operation hinter sich hat, wird wissen was ich meine. Man bekommt eine Narkose, die Sinne schwinden einem, und man ist einfach weg...ohne Träume, ohne Erinnerung, ohne zeitgefühl....dann wacht man wieder auf....dazwischen sind vielleicht Stunden vergangen, aber für einem selber war da garnichts, keine Zeit...

So kam es mir bei meinem Hund vor. sie bekam die Narkose und war weg. Nur dass sie eben nicht mehr aufwachte...denn dann hörte sie auf zu atmen, und dann war sie nicht mehr...
Eine ewige Zeitlosigkeit....
So stelle ich mir den Tod vor...Nichts....

Der Halt den ich davor hatte, das Einreden dass da eventuell ja doch was sein könnte....ist jetzt weg.
Das zieht mir den Boden unter den Füßen weg.

Ich habe auch niemanden um den ich mich kümmern müsste. Keine Aufgabe mehr, die ist mit meiner Mutter mitgestorben.
Keine Kinder, denn Kinderpläne kamen bei mir immer zu kurz.
Auch keinen Partner, und ich habe auch nicht das Bedürfnis danach.
Und den Freundeskreis baute ich ab, während der Krankheit, und nach dem Sterben meiner Mutter.
Das ewige blabla...alles was mich früher interessierte, interessiert mich jetzt nicht mehr...
Da jammern die Leute rum, um verlorene "Exen", und finden keine Freundin, und der/die mag mich nicht...h ja, Weltuntergang...es interessiert mich nicht, ich kanns nicht nachvollziehen, Banalitäten für mich, denn mein Kopf ist voll mit Tod und wirklichen.... Leiden mancher Menschen und Lebewesen...

Sorry, habe ungute Erfahrungen gemacht, eh auch letztes Jahr, als jemand der mir erklärte, ich könnte mit seiner Untestützung rechnen, aber genau die Verletzlichkeit nach dem Tod meiner Mutter auszunützen versuchte, und mich anbaggerte. Die ärgsten Dinge über mich erzählte...wir wären zusammen so quasi, und ich "will ihn jeden Tag"....
Ahja, ich war so voll Beruhigungsmittel, dass ich sogar das erst später realisierte, und wenn ich jetzt darüber nachhdenke, denke ich mir, wie pietätlos kann man eigentlich noch sein??
Und als er merkte, er kommt auf die Tour nicht weiter, über mich schimpfte...
Ich könnte kotzen...!! Charkterlos durch und durch!


Das alles, also die Trauer, schlägt sich bei mir auch auf den Körper. Ich bekomme eine Allergie nach der anderen. Mittlerweile ist es so dass mich mein ganzer Körper juckt als wäre ich in einem Nest voller Gelsen gelandet.
Das war schon letztes Jahr nach der Beerdigung meiner Mutter so, mein Arzt verabreichte mir eine Infusion mit Kortison, und Kortisontabletten.
Dieses Jahr hat es sich gesteigert...da ist letztes Jahr noch garnichts dagegen gewesen.
Meine Ohren, alleine die juckten so...ich wachte vorvorige Nacht auf, und habe mir während des Schlafens beide Ohren blutig zerkratzt. Gennauso auf den Beinen, auf den Oberarmen usw...im Gesichtsbereich ists natürlich am schlimmsten, man kanns nicht so gut verstecken...
Ich nehme täglich 2 Allergietabletten, es hilft rein garnichts.
Ich bin immer nur müde, mir tut alles weh, wie ewige Grippe fühlt sich das an, und am liebsten würde ich mich in einem Eck verkriechen, und gar nichts mehr machen.


Es ergibt alles keinen Sinn für mich, soviel Leid, während eines Lebens, und dann kommt der Krebs dazu, und man leidet noch mal um einiges mehr ehe man stirbt, und man lebt um danach nicht mehr da zu sein.
Ich würde das alles am liebsten aus mir rausdrängen, und eine Mauer aufstellen, über die ich nicht sehen kann. Mir ist das zuviel.
Ich habe kein Halt mehr und keine Zukunftsperspektiven, keine Freude an nichts mehr...
Ich möchte nichts mehr hören und nichts mehr sehen, und nicht mehr denken und grübeln müssen...
Ich habe Angst vor der Nicht-Existenz nach dem Sterben, und trotzdem sehn ich sie mir oft herbei, weil ich momentan einfach nicht mehr will... :(((

Nachdem meine Schwester starb, ist meine Mutter,...sicher nicht wirklich absichtlich, aber ich denke auch nicht völlig unbeabsichtig, mit dem Auto gegen einen Baum gefahren. Sie hats schwer verletzt überlebt.
Mittlerweile kann ich das sogar nachvollziehen, wenn man genug erfahren hat im Leben, und man die Hoffnung verloren hat, und einem nichts mehr freut, dass man zu solchen Kurzschlussreaktionen fähig ist.

Früher war mir sowas unbegreiflich, jetzt versteh ichs...
:(
Ein Stock im Arsc* ist noch lange kein Rückgrat!

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ohjefisch
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Beitrag Sa., 20.03.2010, 19:23

Liebe 1234 usw.,

[quote="123456"]Wisst ihr, ich habe eigentlich schon seit klein-auf Angst vor dem Tod. Nicht vor dem Sterben, sondern vor dem was danach kommt. Oder eher was wahrscheinlich nicht danach kommt.
Woher seit Kleinauf? Keine Ahnung.[quote="123456"]

Genauso ist es mir auch gegangen. Ich konnte weder sagen noch schreiben 'tot', 'sterben', jetzt tu ich es, weil es die Wahrheit ist, die Gegenwart, die Zukunft.

[quote="123456"] Meine Kindheit war nicht überwältigend schön, es gab viele unschöne Szenen daheim, besonders mit meiner Mutter, evtl. kommt es daher.
Ich hatte glaube ich auch immer unbewusst Angst, meine Mutter zu verlieren, was ja nun geschehen ist.[quote="123456"]

Meine hat mir, glaube ich, eine gewisse Verlustangst vermittelt, einerseits, weil sie so sehr sich immer Sorgen um ihre Familie gemacht hat, andererseits, in meiner Kindheit, weil sie, wenn sie es mal 'satt' hatte, einfach gegangen ist. Nach 1 Stunde oder so ist sie zurückgekommen, aber ich hatte jedes Mal Angst, sie geht für immer, verlässt uns.

Naja, irgendwie ist es so ja auch gekommen. Mein Vater war fast 10 Jahre älter als sie, und dass er sie überlebt, sie uns alleine lässt, daran hätten wir früher nie gedacht. Mein Vater hat ein Testament zu ihren Gunsten gemacht, sie hat öfter gesagt 'wenn ich mal Witwe bin'. Ich sehe gerade im Moment erst, wie die Parallelen zu früher sind.[quote="123456"]

[quote="123456"] Als sie verstorben war, habe ich sie noch 3 mal gesehen. 2 mal war ich in der Pathologie, und 2 Wochen später bei der Beerdigung, ich machte den Sarg auf, und gab ihr einen Ring mit, und einen Brief.
Es war nicht so, dass da eine "Hülle" lag, wie so viele beschreiben, da lag meine Mutter.[quote="123456"]

Als meine den Tag zu Hause tot im Bett gelegen hat, da war es für mich noch meine Mutter. Ein paar Tage später beim Bestatter aufgebahrt hatte ich allerdings das Gefühl, das ist sie nicht mehr. Also anders als Du.

[quote="123456"]Aber, obwohl ich nie wirklich an ein Jenseits oder einen Gott glaubte, hielt mich immer der Gedanke aufrecht, es könnte ja was geben. Der Tod-das Mystische...
Vielleicht...seh ich sie ja wieder wenn ich auch mal nicht mehr bin, eventuell gibt es ja doch was.
Das konnte ich mir manchmal einreden, auch wenns oft schwer war, aber es ging. [quote="123456"]

Ich kann leider nicht glauben an irgendwas, ich denke, es ginge besser, wenn man was glaubt. Schon in meiner Jugend habe ich gesagt, 'wenn es einen Gott gibt, dann ist er ein Sadist. Setzt die Leute in die Welt, die rackern sich ab, um nachher zu sterben.

[quote="123456"]Ich musste vor einigen Wochen einen meiner Hunde einschläfern. Genauer gesagt war es ihr Hund, er war eher ihr zugetan, nicht mir... Das letzte "Wesen" was ich mit meiner Mutter in Verbindung brachte, ist also nun auch nicht mehr.[quote="123456"]

Beileid mit dem Tod von dem Hund! Und das die Verbindung zu Deiner Mutter dadurch noch mal durchbrochen wurde, das ist wahrscheinlich der Tropfen auf den heißen Stein.

[quote="123456"] Oder auch nur dass die Krankenschwestern in den Hospitzen und Spitälern nicht umsonst die Fenster aufmachen, nachdem jemand im Zimmer verstorben ist, aus Aberglaube dass man damit die Seele frei lässt....[quote="123456"]

Seltsamerweise habe ich das gemacht, als meine Oma gestorben war. Nachdem wir gegen Morgen aus dem Krankenhaus gekommen sind, alle Fenster auf, raus in den Garten ...

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Beitrag Sa., 20.03.2010, 19:29

Ich höre jetzt mal auf mit dem quote, das hat nicht so geklappt ...

Das mit den Problemen in Beziehungen oder gar mit Sex, das finde ich inzwischen für mich auch irrelevant. Wobei es noch andere Schicksale gibt, die vielleicht schlimmer sind. Vorgestern bei meiner Hausärztin eine total hübsche junge Frau im Wartezimmer mit einem Bein!

Ich möchte aber nicht, dass wir uns jetzt gegenseitig in den Ruin reden. Vielleicht schaltet sich noch jemand ein, der einen anderen Blickwinkel hat. Schreib mir doch mal ne PN!

Liebe Grüße,

Monika

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