Oma (94) ist ins Heim gekommen - wie aufheitern?

Hier können Sie sich über Belastungen durch eigene oder fremde schwere Erkrankungen, aber auch den Umgang mit Tod und Trauer austauschen.
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Kolja
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Oma (94) ist ins Heim gekommen - wie aufheitern?

Beitrag Mo., 16.05.2011, 21:41

Hallo, Forumer,

Vorgeschichte:
Es geht um meine 94 jährige Oma. Bis vor zwei Wochen wohnte Sie noch bei meinen Eltern. Meine Mutter hat sie über 2 1/2 Jahre betreut, gepflegt und betüdelt. Leider hat meine Oma teilweise Demenzerscheinungen. Sie ist nicht völlig dement, aber ganz gesund ist ihre denkzentrale definitiv nicht mehr. Sie ist nicht bettlägrig oder so, sondern noch einigermaßen -mehr schlecht als recht- am Stock unterwegs gewesen im Haus. Weitere Touren wurden dann doch mittels Rollstuhl erledigt.
Meine Mutters Nerven liegen blank und sie ist über die Jahre, wo der Stress mit ihrer Mutti zu Hause immer größer und schwieriger wurde, auch massiv in Depressionen gestürzt, hatte an nix mehr Freude, null Antrieb mehr, und sie hat viel geweint vor Überforderung. Nun ist meine Oma vor zwei Wochen wegen eines schwersten Gebärmuttervorfalls ins Krankenhaus gekommen, von wo aus sie 14 Tage später, letzte Woche ins Heim kam. Meine Mutter KANN sie nicht mehr zu Hause betreuen.
Meine Mutter ist in dieser Hinsicht ein sehr geduldiger Mensch mit viel Ruhe, aber meine Oma ist in ihrer Art schon immer etwas schwieriger und Egobezogener gewesen. Nun ist zusätzlich zur Schwierigkeit, daß meine Oma tüdelig gewiorden ist, ständig zeterte und meine Mutter kommandierte und sie beleidigt weinte, wenn meine Mutter nicht auf der Stelle spuhrte. Meine Mutter konnte nicht mehr in den Garten, nciht mehr Einkaufenund auch Telefonieren war nciht mehr länger als 2-5 Minuten geduldet, weil meine Oma einfach kein Zeitgefühl mehr hat.

Hauptthema:
Nun ist meine Oma, nachdem ihr Gebärmuttervorfall operativ behoben wurde, in Heim gekommen. Meine Oma denkt, es ist Kurzzeitpflege, weil wir ihr die Option gaben, zurückzukönnen, wenn sie wieder schafft, Treppen zu steigen (meine Eltern wohnen im zweiten Stock). Sie wird es nimmer schaffen. Das wissen wir -und es war heimlich auch so gehofft.
Meine Mutter möchte meine Oma lieber jeden tag im Heim besuchen, und wieder nett und freundlich sein können, als sich zu Hause nur noch mit ihr streiten und zanken und dann evtl. Gefahr zu laufen ungerecht zu werden.
Im Heim weint meine Oma jetzt viel... und meine Mutter zu Hause... Oma ist sehr depressiv geworden, und gestern nahm sie meine Hand und sagte, daß sie Angst hätte, es würde nicht mehr werden. Sie hätte keine Kraft mehr, sie wolle nach Hause, meine Mutter solle kommen, und sie könne auch den Rollstuhl nciht mehr verlassen, weil ihre Beine sie nciht tragen, und immer wieder: sie hätte Angst...
Außerdem würden die Schwestern da immer Dinge mit ihr machen, das sei alles ganz, ganz schrecklich! (Sie schnallt es nchit mehr, daß Anziehen, Waschen und zu Bett bringen, Windeln (sie ist seit 5 Jahren inkontinent) nichts böses ist. Da sind fremde Leute, die mit ihr Dinge machen, die sie nciht will, sie hat auch bei meiner Mutter immer sehr geschimpft und sich gewehrt, wenn es ums Umziehen und Waschen ging))

Meine Frage:
Was sagt man einem alten Menschen? Sie ist teilweise klar, dann erzählt sie über ihre großen Ängste, umklammert meine Hand und mag nicht mehr loslassen, hat Angst vorm Alleinsein, Angst vorm Sterben, Angst, daß es nciht mehr wird und weint...
U einen Augenblick später ist sie wieder durcheinander und erzählt von ihrer Schwester, daß sie da unbedingt noch hinwolle, und wir gucken sollten, ob sie noch schläft. Tja... ihre Schwester ist vor 8 Jahren gestorben. Und wieder verzweifelt sie daran, ihre Schwester nciht zu sehen, weil sie ihren Tod vergessen hat und nciht begreift, daß das alles schon vor 8 Jahren passiert ist...
Mit anderen Heimbewohnern reden ist nciht. Meine Oma will sich nciht unterhalten, sie will unterhalten werden (war schon immer so). Die anderen im Heim starren auch nur mit leeren Blicken auf die Tische oder in ihren Schoß...

Was sage ich ihr? Wie tröste ich sie? Wie kann ich ihr "Mut" zusprechen? Gestern hab ich bei ihr über eine Stunde Akkordeon gespielt (worüber sich die anderen Heimbewohner auch freuten). Das hat sie einerseits aufgeheitert, aber auch ein bißchen Emotionen und Erinnerungen geweckt, von denen Sie mir im Rahmen ihrer Möglichkeiten, teilweise wirr und unverständlich mit schwacher Stimme erzählte.
Ich würde so gerne etwas sagen können, worte finden können, wo sie ein bißchen, ein klitzekleines Bißchen Kraft oder Licht aufnehmen könnte. aber alles, was ich wohl nur tun kann, ist, sie jedes WE zu besuchen, Akkordeon zu spielen, ihre Hand halten und einfach da sein.
Was könnte man sonst noch für einen so alten Menschen tun? Oder ihm sagen? Habt Ihr Erfahrungen? Oder eine Idee?

Mich macht es traurig, zuzusehen, wie sie mehr und mehr kleiner wird und abbaut, wie sie vor allem unter der schweren Traurigkeit und Einsamkeit leidet. auch meine Mutter kommt sie besuchen. Jeden Tag zweimal für je 2-3 Stunden.

LG; Kolja
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Goldbeere
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Beitrag Mo., 16.05.2011, 22:31

Hallo Kolja,

habt ihr ueber ein psychiatrisches Gutachten nachgedacht? Ich erinnere mich duester, in einem Sachbuch ueber Demenz etwas darueber gelesen zu haben, dass bestimmte Antidepressiva auch bei Demenz gut greifen. Vielleicht kann das etwas Erleichterung bringen.

Liebe Gruesse
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Kolja
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Beitrag Di., 17.05.2011, 11:49

die idee werd ich mal weiter fragen, danke.

aber es ist halt auch so, daß bei demenz manche medikamente ganz anders wirken; das sagten die ärzte im krankenhaus.

so wurden von schlafmitteln manche patienten noch wacher und unruhiger und meine oma sollte nachts etwas mehr zur ruhe kommen, bekam eine halbe dosis -und war für 3 tage erschlagen...

ich denke in diesem heim, wo es auch eine demenzabteilung gibt, werden sie wohl auch die eine oder andere erfahrung haben?

oder mal einen neurologen fragen...

aber trotzdem, um die frage aufrecht zu halten, was kann ich evtl. noch tun...?
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carö
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Beitrag Di., 17.05.2011, 12:03

liebe kolja,

du tust sehr viel... auch deine mutter.

ich glaube, es ist sehr schwer etwas zu TUN. gerade in einer solchen situation ist es mehr als verständlich, dass deine omi viel weint und sehr traurig ist. sie und ihr alle spürt, dass ein lebensabschnitt zu ende gegangen ist. der neue lebensabschnitt im heim macht große angt, auch weil er auf das ende des lebens hinweist.
was man tun kann, weiss ich nicht so wirklich ... ich glaube, dass es darum geht, diese situation mit ihr gemeinsam zu tragen. ihr auch nicht das gefühl zu geben, als müsste sie unbedingt fröhlich sein. selbst wenn es schön ist, wenn es euch gelingt für manche momente oder stunden zusammen auch wieder zu lachen, dann ist traurigkeit über diesen abschied eigentlich "normal" und braucht raum. so denke ich zumindest darüber.

ich habe mit meinem vater und meiner omi auch erlebt, wie sie in diese phase gekommen sind, dass sie nicht mehr konnten und weiss, wie schwer es ist, die angst und die verzweiflung des anderen auszuhalten ... es führt einem auch so unerbittlich die eigene hilfosigkeit vor augen, weil man so wenig wirklich tun kann. und es könnte angst machen, wenn man an sich selbst denkt... wie es einem selbst ergehen wird. irgendwann... nicht gerade leicht.

ich glaube, dass viel trost gerade über das körperliche gehen kann. die hand zu halten oder sie in den arm zu nehmen, wenn sie trost suchst. oder zusammen lieder zu singen und von früher zu reden... sich zusammen erinnern...

wüsche dir viel kraft!
LG
carö
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)

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montagne
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Beitrag Di., 17.05.2011, 19:23

Meine Mutter möchte meine Oma lieber jeden tag im Heim besuchen, und wieder nett und freundlich sein können, als sich zu Hause nur noch mit ihr streiten und zanken und dann evtl. Gefahr zu laufen ungerecht zu werden.
Und das ist eine gute, vernünftige und menschliche Entscheidung, die euch allen gut tun wird.

Wie carö sagte, dementiell-erkrankte kann man ganz gut und bis ins Spätstadium über Körperkontakt erreichen. Es gibt auch Ratgeber im Inet, Bücher, Beratungsstellen. Dort kann man kurz und bündig erfahren wie man mit solchen Menschen umgeht. Aus eigener Erfahrung würde ich sagen, das sind verblüffend wirksame und einfache Kommunikationsregeln. Das würde ich dir und deiner Mutter wirklich ans Herz legen. So wird viel Streit und Wut vermieden und Nerven geschohnt.

Ansonsten würde ich sagen, aus der Erfahrung mit meiner Omi. Es ist die Anfangsphase, die ist oft echt schlimm. Das wurde mir auch in der Pflege-WG gesagt, in die ich meine Omi gab. Das würde man öfters sehen. Weinen, Aggressionen, Depressionen. Meist geht es vorbei. Es ist doch ein arger Verlust und ein Trauerprozess der Alten, wenn sie in Pflege kommen. ist schon nicht schön, wenn man sich in deren lage versetzt. Hand aufs Herz, will man das für sich so? Ich konnte das schon verstehen, auch wenns schwer war und mir weh tat wie Oma sich benahm.
Omi hatte mich in den ersten paar Tagen auch beschimpft und war sehr aggressiv und abweisend zum Personal.

Später dann wars echt okay und wir konnten noch einige echt schöne Nachmittage verleben, richtig schicken essen gehen im Restaurant oder was Oma so geliebt hat Kaffee und Kuchen in einem einschlägigen Coffeeshop verköstigen. Das war nicht drin, als sie noch zu Hause war, dazu hat meine Kraft nicht gereicht.
amor fati

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Nozi
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Beitrag Di., 17.05.2011, 19:40

schau mal unter "validation", ein sehr einfaches, aber geniales konzept für den umgang mit demenzkranken!
http://www.alzheimer-organisation.de/HA ... n_1997.pdf
und hier das ganze nochmal in der praxis:

lg
nozi

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