Der Tod meiner Tochter, und der damit verbundene Haß

Hier können Sie sich über Belastungen durch eigene oder fremde schwere Erkrankungen, aber auch den Umgang mit Tod und Trauer austauschen.
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aisiola
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Der Tod meiner Tochter, und der damit verbundene Haß

Beitrag Di., 14.09.2010, 10:07

vor 15 jahren wurde meine tochter vom sohn meiner nachbarn erschossen, weil der vater das jagdgewehr nicht entladen hatte. meiner tochter war zwei jahre und der sohn 4 jahre. die nachbarin und ich haben zusammen in der küche gearbeitet, die kinder im nebenzimmer gespielt. keine zwei minuten und es passierte. meine tochter war sofort tot. ich hätte sie nicht aus den augen lassen sollen. ich mache mir fürchterliche vorwürfe. mein nachbar hat nur eine bewährungsstrafe bekommen, und flott weitergelebt. wie mir scheint, ohne schlechtes gewissen. dafür hasse ich meine nachbarn. wir wohnen immer noch nebeneinander. wir haben eine landwirtschaft, und da zieht man nicht so leicht weg. heute weiß ich, daß ich das wahrscheinlich tun hätten sollen. so muß ich mir die nachbarn immer anschauen. meine ältere tochter hat wahrscheinlich auch probleme mit den nachbarn. sie hat ja alles mitbekommen. wir waren mit ihr wohl bei einem psychlogen. aber ich glaube nicht, daß es viel genützt hat. ich bin in psychotherapeutischer behandlung. mein ganzes leben ist ein chaos, und ich weiß nicht wohin mit meinem haß.
viele sagen, ich soll vergeben. aber kann man das als mutter ?

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Gast
[nicht mehr wegzudenken]
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Beitrag Di., 14.09.2010, 10:34

Hallo Aisiola

es tut mir sehr leid, was passiert ist. Wie weh das tut, kann nur jemand wirklich verstehen, dem das auch passiert ist. Eine Selbsthilfegruppe kann da sehr hilfreich sein. Hast du das schon mal probiert?

Ja, ich glaube dennoch, dass man, dass Mutter verzeihen kann und zwar vor allem sich selbst

Du bist nicht verantwortlich für das Geschehen. Niemand kann (und darf) ein Kind permanent kontrollieren.
Im Gegenteil.
Du hast etwas sehr vernünftiges getan. Du hast deinem Kind die Möglichkeit gegeben, die Welt zu erobern.
Sie hatte nicht lange Zeit dafür, aber die Zeit, di e sie hatte, hatte sie diese Freiheit. Das finde ich zählt. Du warst es, die diese Freiheit geschenkt hat. Du bist eine gute Mutter, kannst du dir vorstellen, das sehen lernen zu lernen? Es wäre doch furchtbar, wenn dein KInd nicht hätte erleben dürfen, was es erlebt hat, weil du es permanent kontrolliert hättest. Oder?




Rosenrot

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aisiola
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Beitrag Di., 14.09.2010, 11:34

vielleicht kann ich es mir einmal verzeihen. ich weiß es nicht. bis vor kurzem konnte ich nicht einmal mit meiner therapeuten darüber sprechen. mir ist immer schlecht geworden, wenn es angesprochen wurde. aber eines weiß ich sicher, ich kann es niemals meinen nachbarn verzeihen. auch jetzt, wo ich darüber schreibe und daran denke, fange ich zittern an und mir wird übel. seit kurzen bin ich in einer selbsthilfegruppe, aber bis jetzt ist es nicht zur sprache gekommen. nächste woche gehe ich wieder hin. wir weden sehen, ob ich darüber reden kann.

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aisiola
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Beitrag Do., 16.09.2010, 16:28

hallo, liebe mitleser und schreiber
ich hätte mir gewunschen, daß mehrere rückmeldungen zu meinem thema gekommen wären. vielleicht schreibt wer seine meinung

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today
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Beitrag Do., 16.09.2010, 17:47

Es ist schwer, eine "Meinung" zu haben.
Du suchst eine Lösung. Es gibt nur die in dir.
Wenn es dort kein Verzeihen gibt, dann gibt es keins.
Wenn es in dir keine Möglichkeit gibt, weg vom Ort des Geschehens zu gehen, dann gibt es keine.
Dann kannst du nur lernen, es so zu akzeptieren.
Mehr gibts nicht.

Niemand hier kann es weniger furchtbar machen, was passiert ist.
Aber bestimmt ist es gut, darüber zu reden.
Nur erwarte keinen Trost, wo du untröstlich bist.
Reden wird dir zeigen, wo dir nicht geholfen werden kann und wo dir geholfen werden kann. Wird dir zeigen, was du (mit)teilen kannst und was nicht.

Ansonsten, wenn du magst: Frag dein Kind, wo du nicht weiter weißt.
Erzähl ihm dich. Erzähl ihm, wie zerstört du bist seitdem, wie sehr du dich schuldig fühlst.
Und dann höre ihr beim Weinen um dich zu.
und tschüss, das ist mir zu viel wortzensur hier

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Elfchen
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Beitrag Do., 16.09.2010, 18:52

liebe aisiola

ich glaube auch, dass niemand wirklich nachempfinden kann, was dir da widerfahren ist.
aber versuchen zu verstehen kann man.

ich denke, dass alles ein schreckliches unglück war. niemand kann etwas dafür, niemand. ich hatte für meine kinder damals eine babysitterin, und ich hab ihr vertraut, total vertraut, und meine hände für sie ins feuer gelegt. meine kinder waren immer gut aufgehoben bei ihr, und auch die vielen anderen kinder bei uns aus dem dorf.
im april vor einem jahr ist ihr eigenes, viermonatiges kind bei uns aus unerklärlichen gründen in den fluss gefallen und gestorben. jaja, hätte, hätte, hätte.... warum nicht eines ihrer anvertrauten kinder, warum ihres.... warum, warum, warum...
all diese fragen sind müssig.

aber es ist natürlich traumatisierend, was du erlebt hast, und vielleicht tut dir hilfe zu holen gut. ich bin sicher, der hass zerstört dein leben. ich bin auch sicher, der nachbar wollte das nicht. was müsste er tun, um sühne zu zeigen? wann hätte deine seele ruhe? wenn er sich selber umgebracht hätte?

du weisst nicht, warum das passieren musste. aber offenbar musste es. ich bin halt ein mensch, der das schicksal annimmt. ich kann es ja auch nicht ändern.
vielleicht hilft dir das ein wenig? einfach annehmen, was man nicht ändern kann.... so viele jahre hast du dein leben dem hass geweiht.
versuch es mal anders.

ich wünsche dir die kraft, den hass loszulassen, die tränen zuzulassen und ein neues leben anzufangen, frei von diesen bindenden emotionen.

lg
Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben. Epiktet

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aisiola
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Beitrag Do., 16.09.2010, 19:16

bis vor drei jahren konnte ich überhaupt nicht darüber nachdenken oder sprechen. dann habe ich eine therapie begonnen, weil mir einfach das Leben zuviel geworden ist. es ist alles über mir zusammengebrochen. jetzt, drei jahre nach therapiebeginn, fange ich an, mit meiner therapeutin darüber zu sprechen. oder überhaupt darüber zu sprechen.ich bin jetzt auch in eine selbsthilfegruppe gegangen, weil ich glaube, daß ich wieder unter menschen gehen muß. vielleicht kann ich ja da einmal darüber sprechen, wenn ich etwas vertrauen aufgebaut habe,

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Aditi
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Beitrag Do., 16.09.2010, 19:23

aisiola hat geschrieben:ich mache mir fürchterliche vorwürfe. mein nachbar hat nur eine bewährungsstrafe bekommen, und flott weitergelebt. wie mir scheint, ohne schlechtes gewissen. dafür hasse ich meine nachbarn.
liebe aisiola,

nachdem es so ist, dass alle gefühle ihren sinn haben, kommen mir folgende fragen und vlt. kannst du mit ihnen etwas anfangen.
wozu brauchst du deine vorwürfe an dich? was verhindern sie? wovor schützen sie dich?
du weisst es nicht, ob deine annahme bezüglich des nachbarn stimmt. du vermutest. es ist deine vorstellung, die du nicht überprüft hast. die folge ist hass: wovor schützt dich dieser hass? was wäre, wenn du nicht hassen müsstest?
wie bereits angesprochen: ich denke auch, dass ein wichtiger punkt die selbstverzeihung wäre. was brauchst du, damit du dir selber verzeihen kannst?
ich stelle diese fragen, weil du mir mut gemacht hast und mehr rückmeldungen gewünscht hast.
was mitmenschen möglich ist, mit dir zu trauern.

alles liebe
aditi

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aisiola
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Beitrag Mi., 22.09.2010, 17:10

das gefühl ist einfach da, und es wird nicht weniger,wenn der nachbar mit dem gewehr in der hand bei mir vorüberspaziert, und sein sohn auch noch die jägerprüfung gemacht hat. vielleicht kann ich es mir ja selbst mal verzeihen, aber sicher nicht den nachbarn. dafür ist das verhalten zu provozierend.

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Sahra-Marie
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Beitrag Mi., 22.09.2010, 18:43

aisiola denkst du nicht das der Nachbar und sein Sohn auch Schwierigkeiten haben mit dieser schlimmen Geschichte in das normale Leben zurück zu finden ?
Du siehst nur das Gewehr , das Sie weiterleben - dein Hass auf beide engt deine Lebenqualität so ein , dabei geht es gar nicht mehr um dein Kind . Ich frage mich ob du und der Nachbar über das Drama gesprochen habt , ? Euch ausgesprochen habt , ? Deine Trauer um Dein Mädchen kann ich verstehen , ich hätte das Dorf verlassen ,
LG samie
Wenn Du etwas von ganzem Herzen willst,
dann können Dich nur deine eigenen Ängste aufhalten.
Sergio Bambaren

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aisiola
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Beitrag Fr., 24.09.2010, 17:44

weglaufen hilft ja auch nicht, ich muß irgendwann damit klarkommen. deshalb bin ich ja auch in therapie. und ich weiß, daß der haß nicht weiterhilft. durch die therapie kann ich wenigstens schon darüber schreiben und etwas reden. die mauer, die ich um mich gebaut habe beginnt zu bröckeln.

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Innere_Freiheit
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Beitrag Sa., 25.09.2010, 02:30

Hallo aisiola,

ich habe vor kurzem einen Film gesehen, in dem es mehrere Beerdigungsszenen gab (es war kein tiefgründiger Film - wie er hieß ist deshalb hier an dieser Stelle unwichtig). Jedesmal sprach der Pfarrer sinngemäß folgende Worte: "Für die Hinterbliebenen ist es [der Tod des Angehörigen] ein Grund für Trauer und Wut, doch für die Toten ist es Friede!"

Für mich sind diese Worte sehr bewegend, sind für mich etwas sehr essentielles, im Zusammenhang mit dem Verlust eines Menschen!

Was glaubst du, was die Seele, die Essenz deiner Tochter für Wünsche an dich hätte, wie du trotz ihrem Tod jetzt weiterleben sollst?

Einen tiefen Gruß

Innere Freiheit
Das was ich ablehne, bleibt an mir kleben!

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peter61
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Beitrag So., 26.09.2010, 21:28

Dieses schreckliche Geschehen wollte niemand. Es war Schicksal. Deshalb konntest du es auch nicht verhindern, es ist passiert. Da hilft dir kein Beschuldigen, da hilft kein Vergeben.
Der einzige Ausweg, der dir am Ende bleibt, ist dieses Schicksal zu akzeptieren. Es wurde zum Teil deines Lebens.

lg peter

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