Unterscheidung von Phantasie, Spiel und Realität

Fragen und Erfahrungsaustausch über sexuelle Problembereiche wie Sexualstörungen, rund um gleichgeschlechtliche Sexualität und sexuelle Identität, den Umgang mit sexuellen Neigungen wie Fetischismus, S/M usw. - ausser Aufklärungs-Fragen.
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Maya
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Unterscheidung von Phantasie, Spiel und Realität

Beitrag Mi., 22.07.2009, 18:13

Hallo zusammen,

ich hänge im Moment mal wieder ziemlich fest, grübele und traue meiner Wahrnehmung nicht. Im Hier und Jetzt hab ich keine Probleme damit, Realität, Phantasie, Traum und Spiel zu unterscheiden, aber wenn es um Situationen aus meiner Kindheit geht, bekomme ich das häufig nicht auseinander dividiert. Besonders schwierig ist es, wenn es um sexuell gefärbte Erinnerungen geht. Ich weiß einfach nicht, was ich gespielt und was vielleicht nur geträumt habe oder Sonstiges. Das macht mich echt irre, zumal häufig zwei Erinnerungsspuren parallel zu laufen scheinen (z.B. einmal war ich alleine, einmal nicht).

Ich fürchte, dass das wahrscheinlich ziemlich unmöglich sein wird, aber ich frag trotzdem mal: Hat jemand von Euch eine Idee, die eine Unterscheidung erleichtern könnte?

Nachdenkliche Grüße, Maya
Komplexe PTBS - ein Therapieversuch
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MrN
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Beitrag So., 26.07.2009, 04:28

Hallo Maya,
auf Deine Frage gibt es bestimmt keine befriedigende Antwort. Erinnerungen sind nun einmal nicht mehr die Realität, sondern nur noch ein Abbild davon...
Am Ende wirst Du also nur daran glauben können, daß die eine Erinnerung real war und eine andere nicht.

Dein Realitätssinn kann Dir dabei helfen, das ein wenig auseinander zu dividieren:
In der Realität gibt es immer irgendwelche Nebensächlichkeiten, welche nicht ins Bild gehören oder passen, die aber einfach mit dabei sind. Im Kern bleibt die Realität aber immer schlüssig, entwickelt sich und folgt einer gewissen Logik.

In Träumen, Phantasien (und leider auch Erinnerungen) werden die Nebensächlichkeiten eher ausgeblendet und dafür kann die Logik widersprüchlich, die Entwicklung episodenartig sprunghaft und der Gesamtzusammenhang unschlüssig sein.

Hilft das ein wenig weiter?
LG
MrN
Dein Problem, das dir Probleme macht,
ist nicht wirklich
dein Problem.


(frei nach Lao Zi)



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Beitrag Di., 13.07.2010, 18:06

@ MrN, inteessanter Artikel, den Du da verlinkt hast ("Lügen ist Schwerstarbeit"). Ich habe mal jemanden geschlagen, und der hat mich angezeigt. Dabei übetrtrieb er meinen körperlichen Einsatz (hatte sich sogar selbst noch eine Verletzung beigebracht), während ich stur bei meiner Einlassung blieb, der Gegner sei im Handgemenge gestürzt und habe sich am Treppengeländer die Prellung zugezogen. . Der ("Volks"-)Polizist fragte jeden vielleicht 5x dasselbe, und ich merkte, daß er meiner punktgenau immer gleichen Aussage mißtraute. Nur - der Anzeigeerstatter verhedderte sich in seinem Lügengebäude, und so wurde die Anzeige abgewiesen.

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samth
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Beitrag Mo., 02.08.2010, 20:55

.....meine therapeutin sagte mir damals es sei egal, ob real passiert oder nicht, weil die erinnerungen für mich existieren, haben sie somit realität und müssen bearbeitet werden......


Jenny Doe
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Beitrag Mo., 02.08.2010, 21:18

.meine therapeutin sagte mir damals es sei egal, ob real passiert oder nicht, weil die erinnerungen für mich existieren, haben sie somit realität und müssen bearbeitet werden......
Klienten, die sinnlos leiden, weil sie das in Wahrheit gar nicht erlebt haben, sehen das jedoch etwas anders als deine Therapeutin. Ihnen hätte viel Leid erspart werden können, wenn es nicht so viele Therapeuten gäbe, denen es egal, ob etwas real passiert ist oder nicht, die eine Traumatherapie an/mit falschen Erinnerungen machen.
Und auch klienten, die sich solche Fragen wie Maya stellen, ist es offensichtlich nicht egal.

Viele Grüße
Jenny
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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münchnerkindl
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Beitrag Mo., 02.08.2010, 21:42

Jenny Doe hat geschrieben:
.meine therapeutin sagte mir damals es sei egal, ob real passiert oder nicht, weil die erinnerungen für mich existieren, haben sie somit realität und müssen bearbeitet werden......
Ihnen hätte viel Leid erspart werden können, wenn es nicht so viele Therapeuten gäbe, denen es egal, ob etwas real passiert ist oder nicht, die eine Traumatherapie an/mit falschen Erinnerungen machen.
MOMENT MAL. Wenn solche Bilder auftauchen muss es in einer Therapie in der Tat bearbeitet werden, egal ob es wirklich passiert ist oder nicht. Weil auch wenn es eine Fantasie ist hat es Relevanz, daß gerade DIESE ART von Fantasien auftauchen.

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carö
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Beitrag Mo., 02.08.2010, 21:53

hallo,

ich finde es schon wichtig, zwischen der historischen vergangenheit und den vorstellungen und erinnerungen zu unterscheiden. oft kann man die historischen tatsachen nicht mehr rekonstruieren, hat aber seine vorstellungsbilder oder gar erinnerungen. ich verstehe das eher so, dass diese erinnerungen nicht bedeuten, dass etwas genauso real passiert sein muss, aber dass es sich um eine innere realität des betreffenden handelt. und die innere realität beeinflusst ganz stark unser handeln und erleben der aktuellen wirklichkeit. ist also sehr ernst zu nehmen.

die innerer realität ist aber meistens/oft etwas anderes als tatsachen. sie zeigt, wie sich die person fühlt, erlebt, bewertet etc... und weniger, was wirklich geschehen ist.

also anders ausgedrückt: erinnerungen sollten nicht als "tatsachenberichte" verkannt werden. das gedächtnis konstruiert sich kommunikativ, d.h. durch erzählen und durch darüber nachdenken verändern sich erinnerungen, werden immer neu konstruiert... sie sind ein teil der inneren realität, aber eben nicht ein abbild der äußeren welt.

EDIT: ansonsten seh ich das wie münchnerkindl, jepp.

LG
carö
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)

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MrN
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Beitrag Mo., 02.08.2010, 22:07

Hallo samth und münchnerkindl,
natürlich müssen traumatische Erinnerungen verarbeitet werden, egal ob real oder nicht.

Dennoch denke ich, daß Erinnerungen an reale Erlebnisse schwerer wiegen. Wenn man Phantasien erst einmal als solche identifiziert und angenommen hat, dann ist z.B. die Beteiligung von Außenpersonen undenkbar. Dadurch kann man sich evtl. leichter von Schuldgefühlen bzw. -zuweisungen frei machen, weil die ja dann unbegründet sind.

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münchnerkindl
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Beitrag Mo., 02.08.2010, 22:27

MrN hat geschrieben: Dennoch denke ich, daß Erinnerungen an reale Erlebnisse schwerer wiegen..
Nicht unbedingt. Es sind einfach zwei verschiedene Dinge.


Jenny Doe
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Beitrag Mo., 02.08.2010, 22:29

Wenn solche Bilder auftauchen muss es in einer Therapie in der Tat bearbeitet werden, egal ob es wirklich passiert ist oder nicht.
Sicher! Aber die Behandlung unterscheidet sich. So wie man jemanden, der unter Verfolgungswahn leidet anders behandelt als jemand, der wirklich Stalkingopfer ist, so behandelt man auch jemanden, der wirklich etwas schlimmes erlebt hat anders als jemanden, der nur Fantasien hat oder der nicht in der Lage ist, Fantasie von Realität zu unterscheiden. Von daher ist es nicht egal, ob Erinnerungen wirklich real sind oder ob diese nur für einen existieren.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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samth
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Beitrag Mi., 04.08.2010, 16:05

@ Jenny Doe

Zit.: Jenny Doe: "Klienten, die sinnlos leiden, weil sie das in Wahrheit gar nicht erlebt haben, sehen das jedoch etwas anders als deine Therapeutin. Ihnen hätte viel Leid erspart werden können, wenn es nicht so viele Therapeuten gäbe, denen es egal, ob etwas real passiert ist oder nicht, die eine Traumatherapie an/mit falschen Erinnerungen machen.
Und auch klienten, die sich solche Fragen wie Maya stellen, ist es offensichtlich nicht egal.

meiner therapeutin und auch mir war es nie egal, ob meine erinnerungen real sind oder nicht, nur leider konnte ich/ wir es nicht mehr wirklich heraus bekommen.......deshalb habe ich/ wir die erinnerungen so genommen, wie sie sind, nämlich als nicht verifizierbar/ falsifizierbar....und haben so auch mit ihnen gearbeitet......

hierzu finde ich die kommentare von müchnerkindl und carö gut!!!

Zitat: carö "dass diese erinnerungen nicht bedeuten, dass etwas genauso real passiert sein muss, aber dass es sich um eine innere realität des betreffenden handelt. und die innere realität beeinflusst ganz stark unser handeln und erleben der aktuellen wirklichkeit. ist also sehr ernst zu nehmen.....das gedächtnis konstruiert sich kommunikativ, d.h. durch erzählen und durch darüber nachdenken verändern sich erinnerungen, werden immer neu konstruiert... sie sind ein teil der inneren realität, aber eben nicht ein abbild der äußeren welt."

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MrN
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Beitrag Mi., 04.08.2010, 17:10

@ münchnerkindl
Fallbeispiel, was ich irgendwo aufgeschnappt habe (aus meinem Gedächtnis - es ging um mögliche Risiken einer Therapieform):

Eine Patientin war traumatisiert wegen sexuellen Mißbrauchs durch den Vater vom frühen Kindesalter an. Im Laufe der Therapie tauchten Erinnerungen auf, daß die Mutter bei vielen Mißbrauchsfällen mit anwesend gewesen wäre und hämisch lachend bzw. mit obszönen Bemerkungen das Geschehen beobachtet hätte.
Die Mutter war zu jenem Therapiezeitpunkt noch die wichtigste Bezugsperson der Patientin. Das Vertrauensverhältnis der beiden wurde durch die mit neu auftauchenden Gedächtnisbildern entstandene Retraumatisierung nachhaltig beschädigt.
Erst nachdem sich die neuen Bilder verfestigt hatten, wurde in einer anderen Therapie versucht, diese auf ihren Wahrheitsgehalt zu analysieren. Dabei fiel auf, daß unabhängig von den unterschiedlichen Handlungen des Vaters, welche für sich detailliert ausgemalt werden konnten, diese "Erinnerungen" an die Mutter eher stereotyp waren. - Vermutlich ein Ausdruck heimlicher Ängste der Patientin, die Mutter könne doch etwas von den Vorfällen gewußt und alles geduldet bzw. befürwortet haben, welche sich unter die realen Erinnerungen gemischt hatten. Der offensichtlich falsche Eindruck von der Mutter ließ sich auch im Laufe die Folgetherapie nicht mehr vollständig austherapieren.


Ich denke schon, daß eine rechtzeitige Unterscheidung von realen und fiktiven Erinnerungen gleich zu Beginn der Fehlentwicklung während der ersten Therapie der Patientin viel Leid hätte ersparen können. Erst, als sich die falschen Erinnerungen verfestigt hatten, haben sie faktisch das gleiche Gewicht bekommen wie die realen.

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carö
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Beitrag Mi., 04.08.2010, 17:24

hallo MrN

ich kann das bsp. gut nachvollziehen. ich war zeitweilig in meiner eigenen therapie geneigt mich in derartige vorstellungsbilder "hineinzusteigern". gut war, dass mein therapeut von anfang an immer darauf aufmerksam gemacht hat, dass wir das nicht wirklich überprüfen können, nicht wissen können wie die fakten sind und mich v.a. damit konfrontiert hat, was denn wäre, wenn.. tatsächlich bzw. welche funktion derartige vorstellungen für mich haben könnten... also zB auch abwehr anderer dinge, indem man sich in solche bilder "hineinsteigert"... zeitweilig hatte ich sogar das gefühl, er wolle es mir ausreden bzw. mich wegführen von solchen gedanken. hab mich damals massiv darüber aufgeregt, weil ich dachte, der glaubt mir nicht. später hab ich das dann verstanden.

dennoch hat er meine vorstellungen sehr ernst genommen, die ja auch einen hintergrund hatten, nur vielleicht nicht so, wie die konkreten bilder es vermeintlich zeigten. ich denke, dass das eine das andere nicht ausschliessen muss. natürlich ist es schlimm, wenn man annimmt, es sei ein missbrauch real vorgefallen, und sich dann herausstellt, dass es gar nicht so gewesen war oder sein kann. ich denke, ein guter therapeut wird derartige erinnerungen und vorstellungen immer in frage stellen müssen bzw. tatsächlich den möglichen wahrheitsgehalt untersuchen zum schutz des patienten und der ihm wichtigen nahestehenden personen. es ist ja bekannt, denk ich mal (oder nicht?), das erinnerungen eben kein abbild der realiät sind und immer sehr vorsichtig behandelt werden müssen. ich halte auch nichts davon, gerade schlimme erinnerungen einfach nur zu bestätigen, weil sie einfach auch real falsch sein können... dennoch muss mit den vorstellungen und erinnerungen gearbeitet werden und sie müssen sehr ernst genommen werden. wie gesagt... das eine schliesst das andere nicht aus.

gruß
carö
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Jenny Doe
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Beitrag Sa., 07.08.2010, 05:43

Ich denke schon, daß eine rechtzeitige Unterscheidung von realen und fiktiven Erinnerungen gleich zu Beginn der Fehlentwicklung während der ersten Therapie der Patientin viel Leid hätte ersparen können.
Mehr noch: Der Patient hat zudem das Recht, dass bei ihm richtig diagnostiziert wird und er die Behandlung erhält, die er benötigt, die auf sein Störungsbild zugeschnitten ist. Das ist nicht gegeben, wenn Therapeuten glauben, dass es egal ist, ob Erinnerungen real oder fiktiv sind. Je nachdem, ob Erinnerungen real oder fiktiv sind, ergeben sich völlig unterschiedliche Diagnosen (z.B. Posttraumatische Belastungsstörung, wenn etwas real passiert ist bzw. Borderline-Persönlichkeitsstörung, Münchhausen-Syndrom, usw., wenn die Erinnerungen fiktiv sind). Und auch die Behandlung unterscheidet sich. Bei jemanden, der etwas real erlebt hat, wäre eine Traumatherapie angesagt. Bei jemandem, dessen Erinnerungen nur fiktiv sind, wäre eine Traumatherapie fatal. Aber das Recht auf eine richtige Diagnostik und eine dem Störungsbild angepasste therapeutische Behandlung wird dem Klienten durch diese "Egal-Einstellung" des Therapeuten abgesprochen.
ich denke, ein guter therapeut wird derartige erinnerungen und vorstellungen immer in frage stellen müssen
Würde er es nicht tun, dann wäre das ein fataler Behandlungsfehler, weil er eine Therapie auf der Basis einer falschen Diagnose durchführen würde (im Falle, dass die Erinnerungen fitkiv sind).

Gruß
Jenny
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