Wo ist die Lust am Sex geblieben und wie bekomme ich sie zurück? (W)

Fragen und Erfahrungsaustausch über sexuelle Problembereiche wie Sexualstörungen, rund um gleichgeschlechtliche Sexualität und sexuelle Identität, den Umgang mit sexuellen Neigungen wie Fetischismus, S/M usw. - ausser Aufklärungs-Fragen.
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Nachtvogel
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Wo ist die Lust am Sex geblieben und wie bekomme ich sie zurück? (W)

Beitrag Mi., 09.11.2016, 22:22

Hallo,

irgendwie habe ich das Gefühl, in einer Sackgasse zu stecken: Da habe ich seit knapp drei Jahren einen tollen zuverlässigen Freund mit einem guten Charakter, guten Aussehen, kreativ, ausgeglichen, ... und mit zum Teil schon fast akrobatischen Sexfähigkeiten und wohl dem längsten Penis, den ich bisher gesehen (und gespührt habe) .. und ich selbst funktioniere einfach nicht so, wie ich sollte. Ich habe Lust, wenn er keine Lust hat - und wenn er Lust hat, nun ja. Meist spiele ich mit, freue mich daran, dass er sich freut, stöhne etwas rum, empfinde aber nichts.

Vor ihm war ich in einer etwa 11 jährigen Beziehung mit einem Mann, den ich damals als Seelenverwandten angesehen habe. Wir waren beide sehr gefühlvoll, sensibel, tiefgründig .. haben über alles Mögliche viel nachgedacht und Dinge bis ins kleinste Detail analysiert. Lange tiefgehende Gespräche in der Nacht. Wir hatten beide Probleme mit Depressionen .. das zieht die ganze Sensibilität und Tiefgründigkeit anscheinend leicht mit sich. Und oft fühlten wir uns wie Bonnie and Clyde, wir gegen den Rest der Welt, gegen die Normalität und die ganzen Regeln der Gesellschaft, die wir nicht verstanden. Mit ihm war der Sex leidenschaftlich und am Anfang viel .. und ich bin fast immer zum Orgasmus gekommen. Einfach so im Akt ohne grossartige weitere Stimulation.
Die Sache änderte sich, als unsere Beziehung anfing, den Bach hinunter zu gehen. Vielleicht waren wir zu seelenverwandt. Zu anfällig für Depressionen und zu tiefgehende Gedanken und zogen uns ständig gegenseitig runter? In den Zeiten des Abwärtsstrudels hat der Sex nicht mehr funktioniert. Klar. Er hat sich tierischen Druck gemacht, dass sein männliches Selbstbewusstsein daran leidet, wenn er keinen Sex hat. Ich hatte schon keine Lust mehr (und er sicherlich eigentlich auch nicht mehr), weil die Stimmung zwischen uns schon so im Keller war.
Wir haben wohl mindestens 1-2 Jahre versucht, unsere einst so tolle Beziehung zu retten. Auch Sex haben wir versucht .. obwohl er schon gar nicht mehr richtig steif und ich nicht mehr richtig feucht wurde. Halt mit Rubbeln und schnell rein und schnell schnell .. das es irgendwie funktioniert. Wir wollten die Beziehung retten. Blöd waren wir.

Ich hatte auf jeden Fall nach dieser Rettungsphase einen Knacks weg in Sachen Sex .. und der war verdammt schwierig aus meinem Kopf rauszubekommen. Falls ich ihn ueberhaupt rausbekommen habe.

Der Anfang mit meinem neuen Freund war leidenschaftlich, spannend .. wie es sich gehört. Wir hatten viel Sex, konnten kaum aneinander vorbei gehen, ohne uns die Kleider vom Leib zu reissen. Ich war erregt und alles Mögliche, einen Orgasmus bekam ich allerdings mit ihm nie. Nun gut.
Nach dieser Anfangszeit kam eine Art Krisenzeit, in der bei mir alle möglichen Altlasten hochkamen. Irgendwie totaler Stress vor allem beim Sex, dass ich irgendwie Erwartungen nicht erfüllen könne und er mich dann verliesse. Manchmal konnte ich gar nicht, brach in Tränen aus. Er war allerdings sehr geduldig und hat mir Zeit gelassen. Sein Sexualtrieb und Penis sind wie auch sonst sein Charakter - ruhig und verlässig. Auch wenn ich zwischendurch mal durchdrehe - er bleib ruhig und funktioniert dann genau wie es sein soll, wenn sich die Wogen wieder geglättet haben. Obwohl er auch manchmal sehr direkt sein kann uns geraderaus sagt, was er denkt. Er lässt sich nichts gefallen.

Inzwischen bekomme ich keine Krisen mehr. Oder so gut wie keine. Einen Orgasmus allerdings auch nicht. Ich werde auch nicht mehr feucht, weswegen wir es halt in/nach der Dusche machen oder Gleitmittel/Wasser benutzen.

Vielleicht liegt es an der Technik. Er wechselt die Stellung gerne .. und den Rythmus. Wenn sich bei mir dort ein Gefühl aufgebaut hat, dann verschwindet es beim Stellungs-/Rythmuswechsel wie ein scheues Reh. Der Rest ist dann nur warten, bis es vorbei ist.

Vielleicht liegt es auch an unseren verschiedenen Temperamenten. Ich bin halt die sensible Tante, die sich immer zu viele Gedanken macht und ab und zu durchdreht. Er ist ruhig, quasi die Verkörperung von Mindfulness, führt nie tiefgehende Gespräche, hat vermutlich auch keine tiefgehenden Gedanken. Was gut ist. Er ist lebensfroh, hat noch nie Depressionen bekommen, kommt mit allem Möglichen und allen möglichen Leuten gut klar, ist effektiv und versteht oft nicht, warum ich mir das Leben manchmal so schwer mache. Und er schläft sofort ein, wenn er sich ins Bett legt. Während ich noch länger wachlege, mir alle möglichen Gedanken durch den Kopf schweifen und ich gerne noch etwas reden würde, z.B. über Gefühle oder einfach Gott und die Welt. Vielleicht hat es sein sensibler oder temperamentvoller Typ leichter, in mir Leidenschaft zu entfachen??

Oder habe ich einfach einen Knacks weg von der vorigen Beziehung und kann mich immernoch nicht entspannen? Bei Solosex habe ich es nicht wirklich schwer, zum Orgasmus zu bekommen..

Arrgh. Wie kann es gelingen, dieses leidige Thema wieder in richtige Bahnen zu bekommen??

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Nachtvogel
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Beitrag Fr., 11.11.2016, 14:11

77 Zugriffe und keiner mag einen Kommentar abgeben? Ist der Text zu lang, das Problem zu doof oder es gibt halt keine Lösung?

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StatueOfFreedom
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Beitrag Fr., 11.11.2016, 17:48

Ich denke einfach, es ist so ein typisches Problem, wo man am Ende nur die gleiche Antwort geben kann: redet miteinander. Ich kann dir zwei Bücher empfehlen: Guter Sex trotz Liebe von Ulrich Clement und Worte der Liebe: erotische Zwiegespräche von Möller. Alles Gute.

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Ayla
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Beitrag Fr., 11.11.2016, 17:56

Hm, du hast keine Lust, funktionierst nicht und das obwohl er den größten Penis hat und akrobatisch ist.
Klingt eher nach Leistung als nach Vereinigung. Bedeutet dir der Orgasmus mehr als der Weg dahin?

Hast du ihn mal gebeten die Stellung nicht ständig zu wechseln?
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BluePoint
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Beitrag Fr., 11.11.2016, 21:37

Ja klingt so als ob er gar nicht auf dich eingehen würde.

Was mir auch auffällt: Er ist perfekt, kommt einwandfrei rüber in deinen Aufzählungen. Du bist die schwierige Tante die zu funktionieren hat. Wer denkt das wirklich? Du oder er?

Es wirkt für mich eher so: er nimmt dich nicht wirklich ernst. Weder in deinen Gefühlen noch in deinen Wünschen beim Sex. Drückst du nicht aus was du dir wünscht, oder ignoriert er es konsequent?

Übrigens kann "ein Großer" im Gegenteil ein echtes Problem sein.

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BluePoint
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Beitrag Fr., 11.11.2016, 21:47

Pass nur auf dass es dir nicht völlig vergeht.
Ich hatte auch diesen Traum Sex mit dem ersten Freund.
Danach wurden meine Wünsche zu oft übergangen. Und das wichtigste dabei: ich ließ es zu. Ich glaube mein Körper wäre jetzt nicht so verschreckt wenn ich es unterbunden hätte, zumindest es versucht hätte. Ich dachte ich komme ja ah so toll und gut, da kann ich mich ruhig auch mal übergehen.
Tja, jetzt hab ich nicht mal mehr Spaß bei der SB. Es funktioniert nicht mehr! Und klar probiere ich es weiter, schießlich weiß ich ja wie es sein könnte. Aber ich befürchte bei mir ist schon so ein Knacks drinnen zwischen mir und meinem Körper, es kann sein dass er mir das nie wieder verzeiht.

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Sebille
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Beitrag Sa., 12.11.2016, 22:18

Vielleicht sind irgendwelche sexuellen Sehnsüchte im Spiel, die entweder Er oder Du hast oder ihr beide - und ihr sprecht es nicht offen voreinander aus? ...

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Nachtvogel
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Beitrag Mi., 16.11.2016, 21:50

Hallo!
Vielen Dank für eure Antworten. Ich war die letzten Tage ziemlich runter und schaue daher erst jetzt hier rein ..

Tja, geredet haben wir, oft sogar. Wenn das so viel geholfen hätte, wäre ich das Problem schon los. Vielleicht haben wir falsche geredet, oder es hackt woanders.

Er versteht meine Probleme einfach nicht, weil er sie nicht selbst hat (klar) und weil er Mr Mindfulness ist, der halt nicht über Gefühle nachdenke und auch nicht über sie redet. Er hält mich nicht für durchgeknallt, allerdings mache ich mir in seinen Augen das Leben zu schwer. Wozu über alles Mögliche nachgrübeln, wozu mit Depressionen kämpfen - wenn man einfach nicht grübelt, dann hat man doch nicht das Problem?

Und wo soll bei Sex ein Problem sein .. etwas rubbeln und rein. Ich kann mich halt einfach nur nicht entspannen. Einfach an nichts denken, sondern geniessen. So leicht ist das!

Wozu gibt es eigentlich solche Foren wie dieses hier mit allen möglichen Leuten, die nach Antworten für ihre Fragen und suchen, sich über Denkanstösse freuen und Probleme durch Verstehen aus dem Weg räumen wollen? Einfach nicht so viel Grübeln und weg sind die Probleme!

Vielleicht bin ich einfach nur bescheuert.

"Danach wurden meine Wünsche zu oft übergangen. Und das wichtigste dabei: ich ließ es zu" ... "Aber ich befürchte bei mir ist schon so ein Knacks drinnen zwischen mir und meinem Körper, es kann sein dass er mir das nie wieder verzeiht."

Ich denke, das trifft auch auf mich zu. Doppelt. Der Krampf gegen Ende meiner letzten Beziehung und die Verleugnung meines komplexeren Gefühlslebens jetzt. Es widerholt sich. Mein jetziger Partner hat viele gute Seiten und in vielen Dingen harmonieren wir. Bzw. wir sind so verschieden, dass seine Stärken meine Schwächen ausgleichen und ungekehrt. Wir sind ein super Team. Doch gerade in Sachen Gefühle ausdrücken und Sex haperts.

Er drückt seine Gefühle hauptsächlich durch Taten, Dienstleistungen aus, macht alles Mögliche für mich, bemüht sich sehr. Ich drücke meine Gefühle durch Worte aus, tiefgreifende Gespräche bedeuten für mich seelische Nähe, grenzenloses Vertrauen, Intimität. Vermutlich hängt da auch die Sexualität mit drin .. als körperlicher Ausdruck der Nähe, zusammen mit allen möglichen anderen Streicheleinheiten. Er kann aber einfach nicht tiefgreifende Gespräche führen, auch nicht über seine Gefühle reden. Geht nicht.

Blöde Pattsituation.

LG, Nachtvogel

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StatueOfFreedom
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Beitrag Do., 17.11.2016, 10:30

Wie gesagt, Nachtvogel, ich kann dir wirklich nur das Buch von Ulrich Clement ans Herz legen. Hier ist ein Artikel von ihm, der allerdings etwas komplizierter geschrieben ist, als das Buch. Die Message ist aber die gleiche: http://www.ulclement.de/tl_files/Daten/ ... erapie.pdf ihr befindet euch in einer sexuellen Kollusion. Er schiebt die "Schuld" auf dich. Er ist ja der Gesunde, du bist die Kranke. Tatsache ist: derjenige mit dem geringeren sexuellen Verlangen kontrolliert den Sex in einer Beziehung. Aber: offenbar fehlt dir etwas, was dich demotiviert, Sex mit ihm zu haben. Es gibt Aktivitäten, die dir mehr Freude und Befriedigung verschaffen, als Sex, denn sonst würdest du diese nicht dem Sex vorziehen. Und an gutem Sex sind immer zwei Personen beteiligt, insofern ist niemals eine Person "schuld" an sexueller Frustration in der Beziehung. Vielleicht hilft dir das Buch dabei, diese Zusammenhänge zu verstehen und eine neue Basis zu schaffen. Ansonsten hilft nur eine Paar- oder Sexualtherapie (Therapeuten findest du auf ifsex.de) oder die Trennung.

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Nico
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Beitrag Do., 17.11.2016, 10:38

Wieder einmal wird hier fälschlicher Weise der Sex zur Ursache gemacht statt in ihm das Symptom zu sehen.
Ganz egal wie sehr ihr an eurem sexualleben herumdoktert, es wird sich nix daran ändern weil ihr zwei einfach viel zu konträr tickt um das hinbekommen zu können.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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Ayla
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Beitrag Do., 17.11.2016, 11:41

Ich sehe es auch so wie Nico. Ja, blöde Pattsituation - ihr passt als Paar nicht zusammen, vielleicht als WG.
Das ist wohl die Frage die du dir stellen solltest, ob du auf Kosten erfüllenden Sexes einen funktionierenden Alltag ohne Tiefe und Nähe leben möchtest. Ich sehe da keine Chance, dass er sein Verhalten ändert, weder sexuell noch mental.
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blade
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Beitrag Do., 17.11.2016, 12:25

was ist sex eigentlich?

bitte ersparen Sie mir die Blümchen und die aussterbenden Bienen. Auch Störche braucht man glaube ich nicht mehr zu bemühen. Den Vorgang kenne ich zur Genüge.

Doch was ist das eigentlich? Weiß das wer?

Es ist ein Aufgeben der eigenen Grenzen.
abgemeldet

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Rudi Rudi
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Beiträge: 29

Beitrag Do., 17.11.2016, 14:09

Klingt so, als seist du mehr so die intellektuelle bei euch und er ein bisschen simpel. Da hilft dann auch kein Spagat im Bett, wenn er dir intellektuell nicht gewachsen ist...

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Nachtvogel
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Beitrag Do., 17.11.2016, 19:18

Vielen Dank für die Denkanstösse!
Ich habe ein paar Bücher zum Thema weibliche und männliche Sexualität .. mit konkreten Tipps, Zeichnungen usw, was man so machen kann. Ganz lustig, bringt aber in meiner aktuellen Lage nichts. Daher bin ich anfangs nicht so auf deine Buchempfehlung eingegangen, StatueofFreedom. Nachdem ich den Artikel gelesen habe, sehe ich die Sache allerdings absolut anders! Vielen Dank für den Tipp, werde ich mir zulegen.

"Die Bewegung im therapeutischen Prozeß geht sowohl von der Beziehung zum Sex als auch vom Sex zur
Beziehung" .. "Um dies zu verstehen, gehen wir nun einen Schritt zurück und fragen: Was wollen die Partner ”eigentlich”, unabhängig vom andern?
"Die meisten Partnerschaften folgen einer solchen Entwicklungslinie, die Differenzen auschließt oder zu minimieren sucht."

Good point(s). Ich kann die Frage, was ich eigentlich will, kaum beantworten. Und Beziehung zum Sex .. nun ja. Da hängt einiges an Altlasten mit drin. Mir ist viel von meiner Sexualität verloren gegangen in meiner damaligen langen Beziehung. Es ist ein Thema, das mit Ängsten verbunden ist: Versagensängste, Angst bei Nicht-Gut-Genug-Sein verlassen zu werden. Und da ist definitiv auch die Angst, sich gehen zu lassen, verwundbar zu sein, evtl. ausgelacht zu werden?
Nach der langen Beziehung habe ich einige Sitzungen bei einer Sexualtherapeutin gehabt, wollte Antworten auf Fragen und irgendwie wieder "normal" werden. War gut, zu reden und Verständnis entgegengebracht zu bekommen - aber wirklich was geändert hat es am Ende nicht.
Ich hatte ein paar kürzere Beziehungen, bevor ich meinen jetzigen Partner kennengelernt habe. Was gut war, da ich dadurch zumindest ein wenig lockerer geworden bin. Die sexuelle Erfüllung hatte ich mit denen allerdings auch nicht.

Bei meinem jetzigen Partner hatte ich am Anfang der Beziehung einige Ausraster (Heulkrämpfe usw), weil ich mir beim Sex zu viel Leistungsdruck gemacht hatte. Oder halt die Angst, dass wir nicht ausreichend Sex haben (=Leistungsdruck), wenn einmal eine längere Pause war. Die Angst, verlassen zu werden, wenn ich nicht "funktionierte" sass tief und zeigte ihr hässliches Gesicht, als unserer Beziehung nach den ersten Monaten "ernster" wurde (bzw. sich halt abzeichnete, dass es keine Zwischenbeziehung, sondern was Längeres war). Er war da sehr verständnisvoll und hat mir keinen Druck gemacht.. auch nicht in Sachen Grenzen überschreiten.

Inzwischen habe ich diese "Ausraster" nicht mehr, bin also entspannter geworden. Doch irgendwie ist mein persönliches Problem immernoch nicht ganz gelöst und ich weiche dem ganzen Thema Sex gerne aus. Bin halt zu beschäftigt. Denke nicht drüber nach, versuche nichts zu verändern. Bin passiv. Wenn ich (seltenerweise) mal alleine Selbstbefriedigung mache, dann ist es ein relativ schneller Weg zum Ziel. Kein grossartiges Phantasieren, Geniessen .. halt einfach effizient Luft rauslassen. Das ist sicherlich eine Baustelle, an die ich selbst irgendwie ranmuss, wenn sich was ändern soll. Unabhängig davon, wer grad mein Partner ist.

Und dann sind da noch die Unterschiede zwischen meinem jetzigen Partner und mir. Ich habe anfangs lange gehadert, ob das nun gut gehen wird oder nicht mit uns. Ob es Sinn macht. Ich hatte bisher immer Partner, die mir in meinem Temperament ziemlich ähnlich waren - sehr gefühlvoll und meist mit einem Depressionsproblem (wie ich, wobei ich damit inzwischen Leben kann nach Terapien und mit inzwischen mehr Lebenserfahrung als damals bei Ausbruch der Depri). Allerdings haben die Beziehungen nicht gehalten. Gewisse Charaktereigentschaften haben sich gegenseitig verstärkt. Wir fühlten uns verstanden, waren jedoch auch irgendwie in unserer eigenen kleinen Welt gefangen.

Mein jetziger Freund kennt keine Depressionen, versteht sie auch nicht. Kann allerdings auch keine tiefgreifenden Gespräche führen. Dafür kann er viele Dinge, die ich nicht kann und hilft mit dabei. Und umgekehrt. Er ist z.B. viel sozialer als ich. Ich mag schon gerne Gesellschaft, verkrieche mich aber auch schnell in eine Ecke. Er akzeptiert es, gibt mir aber gleichzeitig auch die Möglichkeit, mitzukommen, wenn mir danach ist. Dadurch stosse ich manchmal an meine Grenzen, auf der anderen Seite eröffnet sich mir aber auch eine neue Welt. Mit meinem jetzigen Ex war das anders, wir haben da halt beide in der Isolation gehockt.
Ich habe einen Uniabschluss, bin in der Planung tätig. Er hat einen Berufsschulabschluss, ist Handwerker und Unternehmer. Ich bin Theoretikerin, plane im Voraus, kann und muss Situationen einschätzen können (und grübele manchmal zu sehr). Er ist Prakmatiker, sehr kreativ, sehr spontan, offen für alles Mögliche und plant nicht zu weit in die Zukunft (sehr unterschiedliche Projekte und Kunden, erfordert oft schnelles Reagieren und Umdenken).
Wir beide schätzen, was der jeweilige andere tut. Bewundern es.

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mondlicht
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Beitrag Do., 17.11.2016, 21:39

Hallo Nachtvogel,

ich kann zu Deiner Frage nach dem Verbleiben der Lust nichts sagen, mir ist aber etwas aufgefallen an Deinen Beiträgen. Du beschreibst Deinen Freund ein bisschen als Antipoden: er ist nicht depressiv, pragmatisch, nicht grüblerisch und theoretisch, ohne Bereitschaft oder Fähigkeit zu tiefgehenden Gesprächen und Du bist eher das Gegenteil: depressiv, grüblerisch etc. Mir kommt es so vor, als würdest Du da zwei kompakte Bilder einander gegenüberstellen, die in sich stimmig sind. Also wer nicht "depressiv" ist, neigt wohl nicht zu tiefen Gesprächen und zu Verständnis für depressive Neigungen, ist dafür mehr im Außen und irgendwie unkompliziert. Du dagegen als "Depressive" neigst naturgemäß eher zu Introspektion, Rückzug, zum Grübeln und Problematisieren. Ich empfinde diese Gegenüberstellung als eine implizite Abwertung Deiner Person. Es kommt so rüber, als seist Du der problematische Part, er der unproblematische. Dabei ist es aber keineswegs so, dass ein nichtdepressiver Mensch nicht auch grundsätzlich zu tiefsinnigen Gesprächen neigen könnte. Ich sehe da ein Defizit auf der Seite Deines Freundes, ein Unvermögen, an dem er aber anscheinend nicht arbeiten möchte. Da hat er ein Problem. Er fährt da wohl eine Abwehrstrategie und ist nicht offen und daher auch nicht einfühlsam. Wahrscheinlich spaltet mit diesem Panzer seine eigenen depressiven Regungen ab. Ich habe mich weiter oben gefragt, was Du mit "Mindfulness" in Bezug auf Deinen Freund meinst. Ist das ironisch gemeint (sorry, wenn ich da auf der Leitung stehe ...)? Dass Du tiefe Gespräche suchst, ist eine sehr wertvolle Eigenschaft, das ist eine Gabe. Die hat überhaupt nichts mit Deiner depressiven Struktur zu tun.
Ich war selbst einige Jahre in einer Partnerschaft, in der das Bedürfnis nach verbalem Austausch und Intimität in Worten sehr ungleich verteilt war. Anfangs hat mich vielleicht der Gegensatz angezogen. Ich würde mich auf eine solche Konstellation nie wieder einlassen. Da konnte keine Brücke entstehen, weil ein elementarer Teil von mir immer ausgesperrt blieb. Da war sehr viel Selbstverleugnung und auch die Wiederholung einer Kindheitsprägung (Tochter eines nicht sprechenden Vaters) im Spiel.

Liebe Grüße!

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