Missbrauch jahrelang verdrängt ? Geht das?

Fragen und Erfahrungsaustausch über sexuelle Problembereiche wie Sexualstörungen, rund um gleichgeschlechtliche Sexualität und sexuelle Identität, den Umgang mit sexuellen Neigungen wie Fetischismus, S/M usw. - ausser Aufklärungs-Fragen.
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Lunabelle
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Missbrauch jahrelang verdrängt ? Geht das?

Beitrag So., 15.08.2010, 15:46

Hallo Ihr Lieben.
Ich muss mich jetzt an euch wenden, da ich nicht weiterweiß.
Kurze Vorgeschichte: Ich bin 15 Jahre alt, hatte prinzipiell immer eine schöne Kindheit. Letztes Jahr haben meine Eltern sich getrennt und es ist noch einiges anderes passiert, auf jeden Fall bekam ich Depressionen und ich fing an zu ritzen..
Mein Exfreund spielte auch eine Rolle, hat aber jetzt nichts direkt damit zu tun. Auf jeden Fall war ich total verwundert wo meine Angst herkommt, was das Thema Sex betrifft bzw, Petting. Ich hatte heftige Zitteranfälle und zu guter letzt, als ich mein erstes Mal mit ihm haben wollte, konnte er nicht eindringen, da ich anscheinend so verspannt war vor Angst, obwohl ich ja eigentlich wollte..
Bis vor kurzem war das alles mir ein riesen Rätsel..

Vor einer Woche habe ich dann in dem Schrank meiner Schwester ein paar alte Klamotten von mir gefunden und mir wurde plötzlich total komisch. In der darauffolgenden Nacht habe ich kaum geschlafen, wenn ich geschlafen habe, hatte ich Träume (oder sowas in der Art).. auf jeden Fall bin ich am nächsten morgen aufgewacht, war am zittern und am weinen und habe mich an eine Situation erinnert, als ich 8 jahre alt war. Ich bin damals nach der Grundschule immer in eine Kita gegangen und musste dafür an einem Park vorbei.. An jenem Tag war ich sauer auf irgendwas, deswegen habe ich einen Umweg durch den Park genommen.. Dort waren drei Jugendliche von der Hauptschule nebenan. Und die hatten wohl langeweile auf jeden fall haben sie mich in ein Gebüsch gezerrt und zwei haben mich immer festgehalten und einer hat mich immer angefasst, zwischen die Beine, unter mein Tshirt.. Ich hatte Angst.. Und dann irgendwann haben die mich da stehen lassen, ich war so von der Rolle, ich habe nicht geweint, nicht geschrien, nur dagestanden nichts gemacht. Irgendwann bin ich zurück in die kita, die haben zwar gemerkt, dass ich irgendwie schief drauf war, aber ich hab mich mit einem verhauenen Mathetest herausgeredet, die haben es geglaubt.. Keiner weiß von dieser Geschichte. Niemand. Ich frag mich nun, ob es möglich ist, etwas so zu verdrängen, dass man sich erst wieder durch bekannte Dinge daran erinnert, und dass das Unterbewusstsein so 'geschädigt' ist, dass es reagiert, selbst wenn man in dem Moment eigntlich überhaupt nicht weiß, weswegen die Angst da ist (siehe Situationen mit Exfreund).. Ich versteh das nicht und der Vorfall geht mir an die Nieren.. Ich hab manchmal das Gefühl, dass ich total Verhaltensgestört bin, es sind so viele Sachen, ich kann nicht mehr, ich komm nicht weiter..

Hat vielleicht irgendjemand eine Idee? Oder kennt jemand sowas? Oder liegt das wirklich einfach nur an mir?

Ich würde mich riesig über Antworten freuen.
Liebe Grüße,
Kleines Kind.

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MrN
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Beitrag So., 15.08.2010, 18:57

Hallo Kleines Mädchen,
zuerst einmal ein "Herzlich Willkommen" hier an Bord!

Deine Geschichte bewegt mich, denn es ist gut möglich, daß ein Erlebnis wie Deines, solche schlimmen Nachwirkungen haben kann.

Die alten Klamotten haben dann vermutlich mit dem Tathergang etwas zu tun: Wahrscheinlich hattest Du doch etwas davon an, als Dir das passiert ist. Jedenfalls ist die Erinnerung nun wieder da, und das solltest Du nicht ignorieren. Allem Anschein nach war es ja nur ein einmaliges Erlebnis. Das wäre für Dich Glück im Unglück. Denn dann stehen Deine Chancen gar nicht so schlecht, daß Du das vollständig verarbeiten kannst und danach keine Angst mehr haben mußt.

Das Beste wäre, wenn Du zu einer psychologischen Beratung gehen würdest. Das wäre allein schon wegen der Depression und dem Ritzen sogar dringend nötig. Letzteres kann nämlich sehr schnell zur Gewohnheit werden...
Vielleicht bist Du ja deswegen auch schon in einer Therapie, dann kannst Du Deine Geschichte dort gleich ansprechen.

Nur Mut, Du brauchst Dich deswegen überhaupt nicht zu schämen. Im Gegenteil, Deine Erinnerungen sind ja bereits recht gut sortiert. Da kann ein geschulter Psychologe eine Menge mit anfangen.

Na dann mach's mal gut.
LG
MrN

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Lunabelle
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Beitrag So., 15.08.2010, 19:05

Danke für deine Antwort.

In Therapie bin ich bereits. Ich war schon bis hin zur Psychiatrie (geschlossene und offene), nur hat mir das wenig geholfen. Erst jetzt habe ich eine Psychologin gefunden, mit der die Chemie wirklich stimmt.
Du hast Recht, die Klamotten hatte ich an dem Tag an..
Das Ritzen ist leider schon gewohnheit, auch wenn ich es zur Zeit selbst gut im Griff habe..
SvV an sich hab ich (zwar in abgeschwächter Form) schon seit diesem Vorfall. Allerdings war es zuerst nur ein 'Fingernägel-in-den-Körper-stechen'.. Also noch nicht ganz so schlimm..

LG

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MrN
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Beitrag So., 15.08.2010, 19:45

Hey, das mit der Chemie klingt doch gar nicht übel. Wenn der Vorfall die Ursache des Übels ist, wird Dich die Erkenntnis wieder auf die Beine stellen.

Mach Dir mal klar. Du warst jetzt sieben Jahre ganz allein mit der schlimmen Erinnerung. Niemandem konntest Du etwas davon sagen. Nicht einmal Dir selbst. Das ist jetzt vorbei. Die Erinnerung ist wieder da und nun kannst Du auch darüber reden. Geschrieben hast Du ja schon davon...

LG
MrN

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Foxxi1211
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Beitrag Di., 17.08.2010, 15:49

Hallo, also ich bin auch neu hier, aber würde gern mal ein paar Worte dazu sagen.

Ich denke auch, dass du dadurch dass du dich ja nun genau an das Ereignis erinnerst, einen großen Schritt in die richtige Richtung machen würdest, wenn du versuchen würdest das mit deiner Therapeutin aufzuarbeiten.

Ich versuche bis jetzt noch herauszufinden ob mich mein Vater oder andere Angehörige missbraucht haben. Also mit dem Verdrängen das kenn ich.. =/
Ich hatte anfangs immer nur ein beklemmendes Gefühl und Ekel (als ich noch ein Kind war, so ca. 8 Jahre) und mochte keine Berührungen.

Ich würde auch gerne wissen was passiert ist, alle Indizien sprechen dafür, ich habe selbst jetzt noch kein "normales" Sexualleben und werde es vielleicht auch nie erfahren, weil ich an Erinnerungen und Gefühle keinen Zugang habe und mein Vater Selbstmord begangen hat.

Was er in den Abschiedsbrief an mich geschrieben hat weiß ich nicht, weil meine Mutter ihn mal vorsorglich verbrannt hat bevor ich ihn lesen konnte...

also ich denke du überspringst dieses Gefühlswirrwar und so einfach, wenn du ja weißt was der Auslöser war und kannst mit der Verarbeitung beginnen. Ich wünsch dir auf jeden Fall viel Glück.
Grüße

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Lunabelle
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Beitrag Di., 17.08.2010, 20:09

Erstmal vielen Dank für eure Antworten. Ich habe bei meiner Therapeutin angerufen und habe am freitag nun einen Termin.
Heute hat mich meine Mutter gelöchert, was denn los wäre, irgendwann habe ich es ihr dann gesagt und nun ja.. was soll ich sagen, irgendwie hatte ich das Gefühl, sie nimmt mich nicht richtig erst, versucht das alles immer runterzuspielen und kommt mit so neunmalklugen Sprüchen wie "Das wird schon" und " Such dir einfach mal wieder eine Aufgabe!".. Toll.. das hat mir in dem moment nicht wirklich geholfen, im Gegenteil, ich hab mich eher unverstanden gefühlt.. Ich weiß auch nicht :/ Über Probleme rede ich einfach nicht gerne mit meiner mutter sondern nur mit meiner besten Freundin. Das ist doch okay oder?

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MrN
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Beitrag Mi., 18.08.2010, 07:31

Hallo Kleines Mädchen,

ich kann die Reaktion Deiner Mutter verstehen und auch Deine Enttäuschung darüber.
Ich würde jetzt zuerst einmal nur mit Deiner Therapeutin darüber reden.

Noch ein kleiner Tip:
Die betreffenden Klamotten könntest Du zur Therapie mitnehmen und evtl. dort auch zeigen.
Ich selbst habe so etwas einmal mit meinem alten Teddy gemacht.

Überhaupt sind die Sachen ein wichtiger Bezugspunkt zur Realität. Damit kommst Du besser an Deine verdrängten Gefühle und Emotionen heran. Das hilft Dir, alles vollständig zu verarbeiten.
Später, wenn Du damit fertig bist, kannst Du den Kram vielleicht vergraben, verbrennen, versenken - als rituelle Handlung und deutliches Zeichen an Dein Unbewußtes, daß Du mit der Geschichte abgeschlossen hast.
Doch jetzt nimm und laß Dir die Zeit, welche Du brauchst, um aus dem negativen Sog erst einmal heraus zu kommen, den das Erlebnis bei Dir ausgelöst hat.

Dein Wunsch, Dich mitzuteilen und nach Verständnis und Anteilnahme, ist schon ok.
Nur ist das nicht die Lösung, sondern lediglich ein neuer Versuch, Deines verletzten "Ich", sich zu manifestieren und sich durchzusetzen, indem es Kontrolle abgibt und durch den Kontrollverlust vollendete Tatsachen schafft.

Das Mitleid der Anderen "hilft" Dir nämlich vor allem dabei, Dich selbst zu bemitleiden. Das ist genau solch ein psychischer Selbstschutz wie das Verdrängen:
Selbstmitleid verdrängt nämlich die Schuldgefühle, und solange Du solche heimlich mit Dir herumträgst, wirst Du auch den Drang verspüren, Dich selbst zu bestrafen (Stichwort: SVV).

Also bitte, hole Dir Hilfe - nur eben dort, wo Du sie auch bekommst.
LG
MrN

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only4u
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Beitrag Mi., 18.08.2010, 10:40

Hallo kleines Mächen...
kann dich nur in deinen Bemühungen unterstützen, das Geschehene in deine Lebensgeschichte (als Vergangenes!) einzuordnen.
Ansonsten wird es dich immer mehr oder weniger stark wieder einholen - als Erinnerungsfetzen "Flashbacks" genannt, wo du das Gefühl haben wirst,
es passiert genauso wieder.
Wichtig ist, es - wie gesagt - als vergangen zu betrachten UND dass du jetzt ganz andere, bessere Möglichkeiten hast/hättest, dem zu begegenen, mit so etwas umzugehen.
FALLS noch einmal so etwas auftaucht, ist es hilfreich, sich klar zu machen, was genau für ein Tag ist, wo man sich befindet und dass man "sicher" ist, also NICHT mehr in DER Situation von damals...
VIEL ERFOLG und alles Gute für die Zukunft!
Ach ja und noch etwas:
Das Buch "Trauma - Folgen erkennen, überwinden und an ihnen wachsen" (Ein Übungsbuch für Körper und Seele) von Prof. Dr. med Luise Reddemann und Dr. med Cornelia Dehner-Rau kann ich wärmstens empfehlen.
Lieben Gruß
von
only

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Lunabelle
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Beitrag Mo., 23.08.2010, 13:58

Hallo only4u.
Danke für den Buchtipp, ich werde wohl mal schauen, ob ich das in unserer Bücherei finde und mal lesen (:
Ja, dass mit dem sich klar machen, wo man ist und welcher Tag gerade ist hab ich auch schonmal gehört, allerdings habe ich das mal bei einer Panikattacke in der Schule versucht und es hat nicht all zu gut funktioniert :/
Trotzdem danke für deine (eure) Antworten.

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wichtel
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Beitrag So., 29.08.2010, 18:54

Hallo kleines Mädchen,
wie ist es Dir denn inzwischen ergangen?
Konntest Du den Vorfall in der Therapie ansprechen?
Schönen Gruß
Wichtel

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