Empfehlenswerte Doku über 'schwarze Pädagogik'
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Ich möchte Alice Millers Klassiker: "Am Anfang war Erziehung" nachschieben. Der erste Teil besteht größtenteils aus Quelleneditionen: Zitate von Erziehungsratgebern aus dem 19. und frühem 20. Jahrhundert. Das ist hochgradig lesenswert.
Der zweite Teil, in dem Miller versucht, durch Psychogramme einiger NS-Größen zu belegen, welche furchtbaren Folgen die "Schwarze Pädagogik" gehabt haben soll, fällt leider arg ab. Miller analysiert Propagandareden, als ob sie intime Geständnisse wären.
Der zweite Teil, in dem Miller versucht, durch Psychogramme einiger NS-Größen zu belegen, welche furchtbaren Folgen die "Schwarze Pädagogik" gehabt haben soll, fällt leider arg ab. Miller analysiert Propagandareden, als ob sie intime Geständnisse wären.
Hab einige Bücher von Alice Miller auch gelesen. Bin gerade bei "du sollst nicht merken ".
Fand sie alle sehr gut. Schade nur das sie das was sie an der Erziehung und an den Eltern anprangert leider selbst bei ihren Sohn nicht besser gemacht hat. Siehe " das wahre Drama des begabten Kindes ".
Es bleibt bei mir ein bittere Nachgeschmack.
Fand sie alle sehr gut. Schade nur das sie das was sie an der Erziehung und an den Eltern anprangert leider selbst bei ihren Sohn nicht besser gemacht hat. Siehe " das wahre Drama des begabten Kindes ".
Es bleibt bei mir ein bittere Nachgeschmack.
sie ist ein deutliches Beispiel von der Weitergabe der Traumen! Ich habe vor ein paar Tagen noch ein Interview von ihrem Sohn auf DLF gehört und das war dramatisch, er ist voller Wut auf seine Eltern - kann ich gut verstehen, denn sie steht als "Kinderanwältin" da und hat ihre Kinder selbst massiv geschädigt. Trotzdem finde ich es gut und wichtig, daß sie diese Bücher schrieb, besser wäre es halt nur, wenn sie ihre Kinder nicht so misshandelt hätte.
Saffia
Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan
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Zu den großen narzistischen Kränkungen, welche die Psychoanalyse dem Menschen antut, gehört: daß "der erwachsene Mensch" das Ergebnis einer "Standarttraumatisierung", nämlich des berüchtigten Ödipus-Konfliktes, ist. Wir alle sind traumatisiert - und alle Eltern sind dazu verurteilt, diese Traumatisierung weiterzugeben. Die Alternative ist nur: eine "abweichende" Traumatisierung durch Inzest. "Gesunde und natürliche" Menschen gibt es daher nicht - kann es nicht geben. Das ist auch der Hauptgrund für die Ablehnung der Psychoanalyse: der Spiegel, dem sie "dem Menschen" entgegenhält, ist schier unerträglich.
Vielen Dank Saffia für den Tipp. Werde mal schauen ob ich den Bericht auch irgendwo finden und sehen kann.
A.Miller litt wohl an den gleichen Wiederholungszwang, den sie den Eltern der Patienten vorwirft. Eigentlich auch schade das sie kein Eigenblick hatte.
Erinnert mich so ein bisschen an die Menschen die mit ihren religiösen Schriften, wie ein Schild. , in Einkaufspassagen stehen und Toleranz und Nächstenliebe predigen, und in ihren Familien können sie das ganz und gar nicht umsetzen sondern eher das Gegenteil ist der Fall.
A.Miller litt wohl an den gleichen Wiederholungszwang, den sie den Eltern der Patienten vorwirft. Eigentlich auch schade das sie kein Eigenblick hatte.
Erinnert mich so ein bisschen an die Menschen die mit ihren religiösen Schriften, wie ein Schild. , in Einkaufspassagen stehen und Toleranz und Nächstenliebe predigen, und in ihren Familien können sie das ganz und gar nicht umsetzen sondern eher das Gegenteil ist der Fall.
@ Ophelia
Von A. Millers Familiengeschichten weiß ich nichts, als was hier im thread steht. Aber das scheint kein Einzelfall zu sein. Mein großer Guru Sigmund Freud war - mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit - Inzestopfer- und -Täter. Zu seiner Tochter und Meisterschülerin Anna hatte er zumindest seine "latente" Inzestbeziehung - latent heißt hier: ohne erhebliche körperlich-sexuelle Handlungen. Die gesamte Großfamilie - eine typische jidische Mischpoke - war hochgradig inzestuös. Es gab nur wenig glückliche Lebensverläufe - einige Selbstmorde. Ich gehöre auch zu denen, die da sagen, daß Freud die Psychoanalyse erfunden hat, um seine eigene Neurose halbwegs in den Griff zu bekommen. Es ist vielleicht sinnvoller, diese Leute nicht als Heilige sehen zu wollen, sondern als Sünder, die mit ihren Sünden gerungen haben. Wenigstens ist dabei etwas Sinnvolles herausgekommen. Meistens tut es das ja nicht. Soweit ich weiß, wird jedes 10. Kind in Deutschland sexuell mißbraucht, mißhandelt oder in pathogenem Maße vernachlässigt. Die niedrigste Schätzung des Kindesmißbrauchs, die ich kenne, liegt bei 5%. Die Täter sind meistens Eltern oder ähnliche Vertraute oder Erzieher im weitesten Wortsinne.
Ich bin übrigens auch kein großer Freund der "Reformpädagogik", die an die Stelle der "schwarzen Pädagogik" den "weissen" Psychoterror der Gutmenschen gesetzt hat. Die Schulamokläufer kommen nicht von Ballerspielen oder zu laschen Waffengesetzen.
Im Grunde geht es um Aggression. Aggression wird in unserer Gesellschaft tabuisiert, findet keine "Abfuhr" mehr. Kinder und Jugendliche haben ein "Recht auf gewaltfreie Kindheit und Jugend", dürfen sich nicht mehr prügeln. Sie lernen nicht mehr, ihre Aggressionen einzuhegen, werden dazu erzogen, sie zu verleugnen. Gesellschaftliche Feindbilder wie das "Reich des Bösen" gibt es auch nicht mehr. Autoaggressives Verhalten dagegen nimmt geradezu epedempisch zu: Tatoos, Piercings usw sind nichts anderes als Autoaggressionen. Die gesamte Gesellschaft wird autoaggressiv. Unter der Rationalisierung der "Verantwortung" wird jeder von jedem wegen allem "kritisiert" und hat sich zu rechtfertigen.
Es ist ein Trauerspiel. Man kann leider nur versuchen, beiseitezutreten. Ich selbst bin garnicht so unglücklich darüber, daß mich die Narrenkappe des Verrückten vor allerlei "Verantwortung" schützt.
Gruß
Möbius
Von A. Millers Familiengeschichten weiß ich nichts, als was hier im thread steht. Aber das scheint kein Einzelfall zu sein. Mein großer Guru Sigmund Freud war - mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit - Inzestopfer- und -Täter. Zu seiner Tochter und Meisterschülerin Anna hatte er zumindest seine "latente" Inzestbeziehung - latent heißt hier: ohne erhebliche körperlich-sexuelle Handlungen. Die gesamte Großfamilie - eine typische jidische Mischpoke - war hochgradig inzestuös. Es gab nur wenig glückliche Lebensverläufe - einige Selbstmorde. Ich gehöre auch zu denen, die da sagen, daß Freud die Psychoanalyse erfunden hat, um seine eigene Neurose halbwegs in den Griff zu bekommen. Es ist vielleicht sinnvoller, diese Leute nicht als Heilige sehen zu wollen, sondern als Sünder, die mit ihren Sünden gerungen haben. Wenigstens ist dabei etwas Sinnvolles herausgekommen. Meistens tut es das ja nicht. Soweit ich weiß, wird jedes 10. Kind in Deutschland sexuell mißbraucht, mißhandelt oder in pathogenem Maße vernachlässigt. Die niedrigste Schätzung des Kindesmißbrauchs, die ich kenne, liegt bei 5%. Die Täter sind meistens Eltern oder ähnliche Vertraute oder Erzieher im weitesten Wortsinne.
Ich bin übrigens auch kein großer Freund der "Reformpädagogik", die an die Stelle der "schwarzen Pädagogik" den "weissen" Psychoterror der Gutmenschen gesetzt hat. Die Schulamokläufer kommen nicht von Ballerspielen oder zu laschen Waffengesetzen.
Im Grunde geht es um Aggression. Aggression wird in unserer Gesellschaft tabuisiert, findet keine "Abfuhr" mehr. Kinder und Jugendliche haben ein "Recht auf gewaltfreie Kindheit und Jugend", dürfen sich nicht mehr prügeln. Sie lernen nicht mehr, ihre Aggressionen einzuhegen, werden dazu erzogen, sie zu verleugnen. Gesellschaftliche Feindbilder wie das "Reich des Bösen" gibt es auch nicht mehr. Autoaggressives Verhalten dagegen nimmt geradezu epedempisch zu: Tatoos, Piercings usw sind nichts anderes als Autoaggressionen. Die gesamte Gesellschaft wird autoaggressiv. Unter der Rationalisierung der "Verantwortung" wird jeder von jedem wegen allem "kritisiert" und hat sich zu rechtfertigen.
Es ist ein Trauerspiel. Man kann leider nur versuchen, beiseitezutreten. Ich selbst bin garnicht so unglücklich darüber, daß mich die Narrenkappe des Verrückten vor allerlei "Verantwortung" schützt.
Gruß
Möbius
@ Ophelia:
das Interview von Martin Miller war in der "langen Nacht des Loslassens" an einem Samstag (25.3.2017) im DLF. Vielleicht hast Du ja Glück und findest den Bericht.
@ Möbius:
ja, Freud hat seine Tochter missbraucht, meiner Meinung nicht nur sexuell, sondern auch indem er sie als Patientin "behandelte". Er selbst und einige seiner Geschwister wurden ja auch auch vom Vater missbraucht.
Aber bei Alice Miller liegt der Fall meiner Meinung nach etwas anders, weil sien eben auf alles schimpfte was Psychoanalyse hieß und laut ihres Sohnes trotzdem weiterhin Analysen durchführte - nur daß sie aus der Psychoanalytischen Vereinigung ausgetreten ist. Dann hat sie ja immer auf Misshandlungen und Missbrauch hingewiesen, daß die Traumen in die nächste Generation weitergegeben werden - und trotzdem hat sie ihre Kinder massiv misshandelt und misshandeln lassen. Hat die Therapie-Sitzungen ihres Sohnes, als der schon lange erwachsen war, die auf Tonband aufgenommen wurden, heimlich gelesen (da hat die Therapeutin die Schweigepflicht verl etzt und seine Mutter, die Grenzen massiv übertreten - daß ich gar nicht beschreiben kann, wie ich das finde!). Sie hat ihren Sohn einfach für zwei Jahre in ein Kinderheim gegeben - ihn in dieser Zeit nie besucht und dann plötzlich wieder nach Hause geholt - ohne Erklärungen....
Martin Miller hat mehrfach versucht mit seiner Mutter zu reden - es war leider nicht möglich. Sein Buch beschriebt das ganz deutlich.
So zu Freud.
er hat ja nachdem er einmal in einer Lesung den Missbrauch anprangerte, wieder zurückgezogen und es zur Phantasie erklärt, bei ihm waren ja immer die Kinder selber schuld. Dann hat er mal schnell den Oedipus erfunden! Ich habe das nie verstanden, warum Oedipus bestraft wurde, bzw sich selbst bestrafte?
Seine Eltern, daß heißt sein Vater hatte Angst vor ihm! Er wollte das Kind töten und gab es weg. Wenn Oedipus dann nach langer Zeit unwissentlich in das Land der Väter kommt und dann seine Mutter heiratet - weil er sie nicht kennt...
Wieso wird er bestraft? Wieder werden die Kinder zu Opfern!
Trotzdem will ich nicht schön reden, was Freud angerichtet hat - nur da ist so viel Mist gelaufen...
Außerdem paßt zu ihm der Titel Laios (Vater des Oedipus) sehr gut, denn er hat immer seine "Söhne", die "Kronprinzen" entmachtet, wenn sie ihm zu stark und autark wurden (C.G. Jung, Ferenci....) ob er das mal erkannt hat?? Oder war er so bind?
Saffia
das Interview von Martin Miller war in der "langen Nacht des Loslassens" an einem Samstag (25.3.2017) im DLF. Vielleicht hast Du ja Glück und findest den Bericht.
@ Möbius:
ja, Freud hat seine Tochter missbraucht, meiner Meinung nicht nur sexuell, sondern auch indem er sie als Patientin "behandelte". Er selbst und einige seiner Geschwister wurden ja auch auch vom Vater missbraucht.
Aber bei Alice Miller liegt der Fall meiner Meinung nach etwas anders, weil sien eben auf alles schimpfte was Psychoanalyse hieß und laut ihres Sohnes trotzdem weiterhin Analysen durchführte - nur daß sie aus der Psychoanalytischen Vereinigung ausgetreten ist. Dann hat sie ja immer auf Misshandlungen und Missbrauch hingewiesen, daß die Traumen in die nächste Generation weitergegeben werden - und trotzdem hat sie ihre Kinder massiv misshandelt und misshandeln lassen. Hat die Therapie-Sitzungen ihres Sohnes, als der schon lange erwachsen war, die auf Tonband aufgenommen wurden, heimlich gelesen (da hat die Therapeutin die Schweigepflicht verl etzt und seine Mutter, die Grenzen massiv übertreten - daß ich gar nicht beschreiben kann, wie ich das finde!). Sie hat ihren Sohn einfach für zwei Jahre in ein Kinderheim gegeben - ihn in dieser Zeit nie besucht und dann plötzlich wieder nach Hause geholt - ohne Erklärungen....
Martin Miller hat mehrfach versucht mit seiner Mutter zu reden - es war leider nicht möglich. Sein Buch beschriebt das ganz deutlich.
So zu Freud.
er hat ja nachdem er einmal in einer Lesung den Missbrauch anprangerte, wieder zurückgezogen und es zur Phantasie erklärt, bei ihm waren ja immer die Kinder selber schuld. Dann hat er mal schnell den Oedipus erfunden! Ich habe das nie verstanden, warum Oedipus bestraft wurde, bzw sich selbst bestrafte?
Seine Eltern, daß heißt sein Vater hatte Angst vor ihm! Er wollte das Kind töten und gab es weg. Wenn Oedipus dann nach langer Zeit unwissentlich in das Land der Väter kommt und dann seine Mutter heiratet - weil er sie nicht kennt...
Wieso wird er bestraft? Wieder werden die Kinder zu Opfern!
Trotzdem will ich nicht schön reden, was Freud angerichtet hat - nur da ist so viel Mist gelaufen...
Außerdem paßt zu ihm der Titel Laios (Vater des Oedipus) sehr gut, denn er hat immer seine "Söhne", die "Kronprinzen" entmachtet, wenn sie ihm zu stark und autark wurden (C.G. Jung, Ferenci....) ob er das mal erkannt hat?? Oder war er so bind?
Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan
@ saffiatou
Warum Oedipus bestraft werden mußte - letztlich durch sich selbst, das hat Freud beantwortet in "Totem und Tabu". Dieser zentrale Text der Psychoanalyse befasst sich in der ersten Hälfte mit dem Tabu und nur hierauf will ich mich hier beziehen.
Das Tabu ist eine soziokulturelle Norm sehr eigener Art. Im landläufigen Verständnis ist es ein Kommunikationsverbot - "darüber spricht man nicht". Das gehört durchaus zum Wesen des Tabus: es darf nicht darüber kommuniziert werden, erst recht darf es nicht infrage gestellt werden. Aber das Wesen und die Wirkungen des Tabus reichen weit darüber hinaus. Zunächst ist das Tabu eine Norm, die der politischen Beeinflußung weitgehend entzogen ist. Es kann weder durch politische Akte eingeführt, noch aufgehoben werden. Es ist auch resistent gegen "Aufklärung". Sein Inhalt - regelmässig ein Verbot - kann sich mit den politischen Normen decken und überschneiden. Das muß aber nicht so sein. Es gibt Tabus, die durchaus nicht politisch verboten, illegal sind, wie etwa der Inzest mit Ausnahme der vaginalen Penetration. Alle anderen sexuellen Praktiken des Inzests auch unter nahen Verwandten sind in der BRD schon seit langen Zeiten legal, sofern sie nicht gegen anderweitige Strafnormen - Mißbrauch von Kindern und Abhängigen, sexuelle Nötigung etc - verstoßen. Gleichwohl unterfallen sie dem Inzesttabu.
Der Kern des Tabus besteht jedoch in seiner Unerbittlichkeit. Es gibt keine Rechtfertigung, keine Entschuldigung für eine Tabuverletzung. Das steht in völligem Widerspruch zu unserem ethischen und juristischen Denken und Empfinden, unserem Gefühl für Gerechtigkeit. Wer ein Tabu verletzt, auch wenn dies "rechtmässig" oder wenigstens "entschuldigt" sein sollte, der wird selbst tabu - zum Paria, zum Aussätzigen, wird von einem tiefen und quälenden Schuldgefühl beplagt, will sich durch Buße davon befreien - nicht selten durch die Buße seines eigenen Lebens.
Sexualität ist in unserem Kulturkreis ganz allgemein tabu - wenngleich dieses Tabu in unseren Zeitläuften schon ganz beträchtlich zurückweicht. Es gibt "milde" und "harte" (Sexual-)Tabus mit den unterschiedlichsten Zwischenstufen. Das härteste Sexualtabu unseres Kulturkreises ist jedoch derI Inzest, insbesondere der Inzest Mutter-Sohn. Und genau dieses Tabu hat der König Ödipus verletzt und mußte - durch sich selbst - bestraft werden.
Dieses Tabu hat seinen tiefenpsychologischen Grund in dem nach dem König Ödipus benannten Komplex, den im statistischen Sinne normalerweise jeder erwachsene Mensch in unserem Kulturkreis in ebenso normaler Weise durchlaufen hat: das Kind in der "ödipalen" Phase entwickelt ein starkes sexuelles Begehren auf den gegengeschlechtlichen Elter, starke Eifersucht gegenüber dem gleichgeschlechtlichen Elter, der dadurch zum Aggressor wird. Es wird mit seinem Begehren zurückgewiesen, erlebt schmerzlich das Obsiegen seines Konkurrenten: des gleichgeschlechtlichen Elters. Diese doppelte Traumatisierung - Zurückweisung und Obsiegen des Konkurrenten - führt zur einer Introjektion des gleichgeschlechtlichen Elters als Aggressor und der in diesem Bild vom Aggressor personalisierten Norm: "Du darfst mit Deinem gegengeschlechtlichen Elter keinen Sex haben!" Das ist das Inzesttabu, die erste und fundamentale Norm - die "Mutter aller Normen", die "Erbsünde" der Bibel, die allererste Schuld und damit die Grundlage für Gewissen, Verantwortung, Moralität.
Wer seine Mutter "beschläft", tötet damit gleichzeitig den Vater. Denn Vater ist im analytischen Sinne, wer mit der Mutter in einer Beziehung steht, die gegenüber dem Kind privilegiert ist, von der das Kind ausgeschlossen ist. Die biologisch-genetische Abstammung ist für die Psychoanalyse völlig bedeutungslos. Der Vater wird "getötet" dadurch, daß er aus eben dieser privilegierten sexuellen Beziehung verdrängt wird. Auf den juristischen Totschlag kommt es wiederrum für die Psychoanalyse nicht mehr an. Mit diesem Vatermord (der in den Kapiteln über den Totem im "Totem und Tabu" von Freud weiter analysiert wird) verliert gleichzeitig auch der Schuldvorwurf wegen des Begehrens gegenüber dem gleichgeschlechtlichen Elter - der Mutter des Königs Ödipus - seine charakterbildende Kraft. Der König Ödipus ist gewissenlos, verantwortungslos, charakterlos - die personifizierte Unmoral, der Verbrecher schlechthin. Seine vorbildliche "performance" als Regent von Theben ist eine rein oberflächliche, opportunistische Sozialanpassung.
(Fortsetzung folgt)
Warum Oedipus bestraft werden mußte - letztlich durch sich selbst, das hat Freud beantwortet in "Totem und Tabu". Dieser zentrale Text der Psychoanalyse befasst sich in der ersten Hälfte mit dem Tabu und nur hierauf will ich mich hier beziehen.
Das Tabu ist eine soziokulturelle Norm sehr eigener Art. Im landläufigen Verständnis ist es ein Kommunikationsverbot - "darüber spricht man nicht". Das gehört durchaus zum Wesen des Tabus: es darf nicht darüber kommuniziert werden, erst recht darf es nicht infrage gestellt werden. Aber das Wesen und die Wirkungen des Tabus reichen weit darüber hinaus. Zunächst ist das Tabu eine Norm, die der politischen Beeinflußung weitgehend entzogen ist. Es kann weder durch politische Akte eingeführt, noch aufgehoben werden. Es ist auch resistent gegen "Aufklärung". Sein Inhalt - regelmässig ein Verbot - kann sich mit den politischen Normen decken und überschneiden. Das muß aber nicht so sein. Es gibt Tabus, die durchaus nicht politisch verboten, illegal sind, wie etwa der Inzest mit Ausnahme der vaginalen Penetration. Alle anderen sexuellen Praktiken des Inzests auch unter nahen Verwandten sind in der BRD schon seit langen Zeiten legal, sofern sie nicht gegen anderweitige Strafnormen - Mißbrauch von Kindern und Abhängigen, sexuelle Nötigung etc - verstoßen. Gleichwohl unterfallen sie dem Inzesttabu.
Der Kern des Tabus besteht jedoch in seiner Unerbittlichkeit. Es gibt keine Rechtfertigung, keine Entschuldigung für eine Tabuverletzung. Das steht in völligem Widerspruch zu unserem ethischen und juristischen Denken und Empfinden, unserem Gefühl für Gerechtigkeit. Wer ein Tabu verletzt, auch wenn dies "rechtmässig" oder wenigstens "entschuldigt" sein sollte, der wird selbst tabu - zum Paria, zum Aussätzigen, wird von einem tiefen und quälenden Schuldgefühl beplagt, will sich durch Buße davon befreien - nicht selten durch die Buße seines eigenen Lebens.
Sexualität ist in unserem Kulturkreis ganz allgemein tabu - wenngleich dieses Tabu in unseren Zeitläuften schon ganz beträchtlich zurückweicht. Es gibt "milde" und "harte" (Sexual-)Tabus mit den unterschiedlichsten Zwischenstufen. Das härteste Sexualtabu unseres Kulturkreises ist jedoch derI Inzest, insbesondere der Inzest Mutter-Sohn. Und genau dieses Tabu hat der König Ödipus verletzt und mußte - durch sich selbst - bestraft werden.
Dieses Tabu hat seinen tiefenpsychologischen Grund in dem nach dem König Ödipus benannten Komplex, den im statistischen Sinne normalerweise jeder erwachsene Mensch in unserem Kulturkreis in ebenso normaler Weise durchlaufen hat: das Kind in der "ödipalen" Phase entwickelt ein starkes sexuelles Begehren auf den gegengeschlechtlichen Elter, starke Eifersucht gegenüber dem gleichgeschlechtlichen Elter, der dadurch zum Aggressor wird. Es wird mit seinem Begehren zurückgewiesen, erlebt schmerzlich das Obsiegen seines Konkurrenten: des gleichgeschlechtlichen Elters. Diese doppelte Traumatisierung - Zurückweisung und Obsiegen des Konkurrenten - führt zur einer Introjektion des gleichgeschlechtlichen Elters als Aggressor und der in diesem Bild vom Aggressor personalisierten Norm: "Du darfst mit Deinem gegengeschlechtlichen Elter keinen Sex haben!" Das ist das Inzesttabu, die erste und fundamentale Norm - die "Mutter aller Normen", die "Erbsünde" der Bibel, die allererste Schuld und damit die Grundlage für Gewissen, Verantwortung, Moralität.
Wer seine Mutter "beschläft", tötet damit gleichzeitig den Vater. Denn Vater ist im analytischen Sinne, wer mit der Mutter in einer Beziehung steht, die gegenüber dem Kind privilegiert ist, von der das Kind ausgeschlossen ist. Die biologisch-genetische Abstammung ist für die Psychoanalyse völlig bedeutungslos. Der Vater wird "getötet" dadurch, daß er aus eben dieser privilegierten sexuellen Beziehung verdrängt wird. Auf den juristischen Totschlag kommt es wiederrum für die Psychoanalyse nicht mehr an. Mit diesem Vatermord (der in den Kapiteln über den Totem im "Totem und Tabu" von Freud weiter analysiert wird) verliert gleichzeitig auch der Schuldvorwurf wegen des Begehrens gegenüber dem gleichgeschlechtlichen Elter - der Mutter des Königs Ödipus - seine charakterbildende Kraft. Der König Ödipus ist gewissenlos, verantwortungslos, charakterlos - die personifizierte Unmoral, der Verbrecher schlechthin. Seine vorbildliche "performance" als Regent von Theben ist eine rein oberflächliche, opportunistische Sozialanpassung.
(Fortsetzung folgt)
Und genau deswegen richtet sich die Gesellschaft, die im analytischen Sinne eine "Tabu-Gemeinschaft" ist, gegen ihn als den Tabu-Brecher. Sie stößt ihn aus.
Das ist auch heute noch das Schicksal der Inzestopfer - sie werden zu Pariern, insbesondere die Inzestsöhne, all die vielen kleinen "Könige Ödipus", von denen ich selbst ja einer bin. Und nicht umsonst bin ich von einem autoaggressiven Drang beplagt, der sich wie im antiken Drama gegen die Augen richtet, die Stellvertreter des Penis sind - der "Tatwaffe". Das äussert sich bei mir u.a. auch in einer psychosomatischen "Augenmigräne".
Es gibt aber auch viele mildere Formen der Wirkungen dieses Tabus - am häufigsten ist der notorische Selbstvorwurf auch von erwachsenen Opfern sexueller Gewalt, insbesondere von Frauen, die ihren Täter zu entschuldigen suchen, sich selbst die "eigentliche" Schuld am Geschehen zusprechen wollen. Denn auch das allgemeine Sexualtabu hat hier seinen Ursprung. Die harmloseste Auswirkung dieses Tabus in unserer Kultur ist wohl die Selbststigmatisierung von Personen mit abweichender Sexualität, wie sie sich im "dirty talking" niederschlägt: man diffamiert sich selbst mit morbider Wollust als "versaut". Denn eine mildere Auswirkung oder Ausstrahlung dieses Sexualtabus aus dem Ödipus-Komplex ist eben das Verbot jedweder Sexualität, die nicht "moralisch gerechtfertigt" ist.
Der guten Ordnung halber stelle ich fest, daß meine Interpretationen zum Inzesttabu über das hinausreichen, was man in "Totem und Tabu" nachlesen kann.
Man hat als Opfer des Tabus nur zwei Möglichkeiten: man verfestigt die Opferrolle, wird zum "abonnierten Opfer auf Lebenszeit" wie der Ödipus des antiken Dramas - oder man wechselt im Sinne des Abwehrmechanismus der Verkehrung ins Gegenteil die Fronten und erhebt sich narzistisch-aggressiv über das Tabu, unterwirft es dem eigenen Gesetz, wie es Sigmund Freud getan hat - und wie ich selbst es diesem meinem großen Vorbild nachtuen will. Ich habe - bildlich gesprochen - Freud für mich selbst als Vater adoptiert. Denn meinen leiblichen Vater habe ich ja getötet. Physisch gestorben ist er erst 1982. Tiefenpsychologisch jedoch habe ich ihn schon erschlagen, indem ich seine Frau - meine Mutter - "beschlafen" habe, was ca. 1970 geschehen ist. Ich war damals etwa 5-6 Jahre alt.
Gruß
Möbius
Das ist auch heute noch das Schicksal der Inzestopfer - sie werden zu Pariern, insbesondere die Inzestsöhne, all die vielen kleinen "Könige Ödipus", von denen ich selbst ja einer bin. Und nicht umsonst bin ich von einem autoaggressiven Drang beplagt, der sich wie im antiken Drama gegen die Augen richtet, die Stellvertreter des Penis sind - der "Tatwaffe". Das äussert sich bei mir u.a. auch in einer psychosomatischen "Augenmigräne".
Es gibt aber auch viele mildere Formen der Wirkungen dieses Tabus - am häufigsten ist der notorische Selbstvorwurf auch von erwachsenen Opfern sexueller Gewalt, insbesondere von Frauen, die ihren Täter zu entschuldigen suchen, sich selbst die "eigentliche" Schuld am Geschehen zusprechen wollen. Denn auch das allgemeine Sexualtabu hat hier seinen Ursprung. Die harmloseste Auswirkung dieses Tabus in unserer Kultur ist wohl die Selbststigmatisierung von Personen mit abweichender Sexualität, wie sie sich im "dirty talking" niederschlägt: man diffamiert sich selbst mit morbider Wollust als "versaut". Denn eine mildere Auswirkung oder Ausstrahlung dieses Sexualtabus aus dem Ödipus-Komplex ist eben das Verbot jedweder Sexualität, die nicht "moralisch gerechtfertigt" ist.
Der guten Ordnung halber stelle ich fest, daß meine Interpretationen zum Inzesttabu über das hinausreichen, was man in "Totem und Tabu" nachlesen kann.
Man hat als Opfer des Tabus nur zwei Möglichkeiten: man verfestigt die Opferrolle, wird zum "abonnierten Opfer auf Lebenszeit" wie der Ödipus des antiken Dramas - oder man wechselt im Sinne des Abwehrmechanismus der Verkehrung ins Gegenteil die Fronten und erhebt sich narzistisch-aggressiv über das Tabu, unterwirft es dem eigenen Gesetz, wie es Sigmund Freud getan hat - und wie ich selbst es diesem meinem großen Vorbild nachtuen will. Ich habe - bildlich gesprochen - Freud für mich selbst als Vater adoptiert. Denn meinen leiblichen Vater habe ich ja getötet. Physisch gestorben ist er erst 1982. Tiefenpsychologisch jedoch habe ich ihn schon erschlagen, indem ich seine Frau - meine Mutter - "beschlafen" habe, was ca. 1970 geschehen ist. Ich war damals etwa 5-6 Jahre alt.
Gruß
Möbius
Sexuellen Missbrauch kann man nicht schön reden.
Auch nicht wenn es der eigene Heilige ist der ihn begangen hat.
Was Alice Miller angeht: das Buch ihres Sohnes war sehr lesenswert. Es hat das Bild einer Frau gezeichnet die in der Theorie vielleicht sehr gut war, als Mutter und Mensch allerdings vollkommen versagt hat.
Auch nicht wenn es der eigene Heilige ist der ihn begangen hat.
Was Alice Miller angeht: das Buch ihres Sohnes war sehr lesenswert. Es hat das Bild einer Frau gezeichnet die in der Theorie vielleicht sehr gut war, als Mutter und Mensch allerdings vollkommen versagt hat.
After all this time ? Always.
Vielleicht noch ein Nachsatz zur Entwicklung der Psychoanalyse nach Freud:
Die Umstände, die zum Bruch mit Jung, Ferenczi und anderen geführt haben, sind mir en détail nicht bekannt. Freud selbst war sehr ehrgeizig - aktiv narzistisch eben. Dem Vorwurf, er habe keine anderen Götter neben sich dulden wollen, kann ich von daher kaum entkräften.
Aber vielleicht hat er auch eines gesehen: nämlich daß die Psychoanalyse sich schon bald nach ihrer Entdeckung aufzusplittern begann. Dieser Prozeß ist heute, durch die alsbald einsetzende Akademisierung der Psychoanalyse bis ins Absurde vorangeschritten - selbst den Professoren gelingt es kaum noch, den Überblick über die unübersehbar gewordene Anzahl von Schulen und Richtungen zu behalten bzw. zu vermitteln. Diesen Eindruck hat mir jedenfalls das aktuelle Psychoanalyse-Lehrbuch von Mertens vermittelt. Deswegen ist auch und gerade heute wohl jeder, der sich diese Gedankenwelt erschließen will, darauf angewiesen, sich mit den frühesten Analytikern der ersten Generationen zu befassen, weil er ansonsten den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht.
Ich glaube, das ist auch der Grund, warum sich heute noch erstaunlich viele Analytiker zur "Klassischen Psychoanalyse nach Freud" bekennen: weil sie die einfachste Psychoanalyse der Welt ist und immer noch funktioniert. Sie ist nach wie vor "aktuell".
Psychoanalyse ist eben keine Wissenschaft, keine Theorie im engeren Wortsinne. Sie ist eine Praxis. Man kann sie nicht "studieren", sie auf rein rationalem, akademischem Weg erfassen - man muß sie auf empirischen Wege erlernen, erarbeiten. Ihre Texte sind nichts als Anleitungen hierzu. Den Weg durch den Dschungel muß sich ein jeder selbst bahnen.
Die Umstände, die zum Bruch mit Jung, Ferenczi und anderen geführt haben, sind mir en détail nicht bekannt. Freud selbst war sehr ehrgeizig - aktiv narzistisch eben. Dem Vorwurf, er habe keine anderen Götter neben sich dulden wollen, kann ich von daher kaum entkräften.
Aber vielleicht hat er auch eines gesehen: nämlich daß die Psychoanalyse sich schon bald nach ihrer Entdeckung aufzusplittern begann. Dieser Prozeß ist heute, durch die alsbald einsetzende Akademisierung der Psychoanalyse bis ins Absurde vorangeschritten - selbst den Professoren gelingt es kaum noch, den Überblick über die unübersehbar gewordene Anzahl von Schulen und Richtungen zu behalten bzw. zu vermitteln. Diesen Eindruck hat mir jedenfalls das aktuelle Psychoanalyse-Lehrbuch von Mertens vermittelt. Deswegen ist auch und gerade heute wohl jeder, der sich diese Gedankenwelt erschließen will, darauf angewiesen, sich mit den frühesten Analytikern der ersten Generationen zu befassen, weil er ansonsten den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht.
Ich glaube, das ist auch der Grund, warum sich heute noch erstaunlich viele Analytiker zur "Klassischen Psychoanalyse nach Freud" bekennen: weil sie die einfachste Psychoanalyse der Welt ist und immer noch funktioniert. Sie ist nach wie vor "aktuell".
Psychoanalyse ist eben keine Wissenschaft, keine Theorie im engeren Wortsinne. Sie ist eine Praxis. Man kann sie nicht "studieren", sie auf rein rationalem, akademischem Weg erfassen - man muß sie auf empirischen Wege erlernen, erarbeiten. Ihre Texte sind nichts als Anleitungen hierzu. Den Weg durch den Dschungel muß sich ein jeder selbst bahnen.
Lieber Möbius,
Du hast mich glaube ich nicht verstanden, gerade weil Du zu tief in den freudschen Theorien versunken bist.
Siehst Du nicht, daß hier, wie bei Frued, die Kinder die Verantwortung übertragen bekommen? Ich bin mal an so einen Freudianer geraten, der mein Inzest als Wunschphantasie abtat!
Diese Oedipus Theorie, die Freud da zusammengebastelt hat, ist falsch! Er hat es zum eingenen Schutz, damit er sich nicht mit seinem Inzest auseinandersetzen muss, getan: "dann muss ich nicht den Vater opfern" so ungefähr lautetet eine Stelle in einem Brief an Fließ (habe jetzt nicht das genaue Zitat daliegen).
Freud hat viel erreicht, leider hat er - wie C.G. Jung - ihre Theorien an sich selbst angepaßt. Er hat sie dermaßen zurechtgebogen, daß sie heute zum Teil nicht stimmen. Alleine in den "Kindheitserinnerungen des Leonardo" hat er einiges gedeutet, was eindeutig falsch (aus dem Italienischen) überstzt ist, genauso bei einigen anderen Schriften auf die er sich bezog.
Nein, Du hast nicht Deinen Vater ermordet, sondern Deine Mutter hat Dir massiven Schaden zugefügt und Dein Vater hat Dir leider nicht geholfen - warum auch immer - und das tut mir sehr leid.
Saffia
Du hast mich glaube ich nicht verstanden, gerade weil Du zu tief in den freudschen Theorien versunken bist.
Ja, das Kind - Oedipus wurde bestraft! gleich zweimal. Einmal durch die erwünschte Tötung des Vaters (was nicht erfolgte da ein Hirte Mitleid hatte und ihn forttrug) und dann durch die eigene Hand. Oedipus wurden die Sehnen durchtrennt, er bekam einen Schwellfuß. Warum hat Iokaste ihn nicht als Sohn erkannt. Warum geht sie straffrei aus?
Siehst Du nicht, daß hier, wie bei Frued, die Kinder die Verantwortung übertragen bekommen? Ich bin mal an so einen Freudianer geraten, der mein Inzest als Wunschphantasie abtat!
Diese Oedipus Theorie, die Freud da zusammengebastelt hat, ist falsch! Er hat es zum eingenen Schutz, damit er sich nicht mit seinem Inzest auseinandersetzen muss, getan: "dann muss ich nicht den Vater opfern" so ungefähr lautetet eine Stelle in einem Brief an Fließ (habe jetzt nicht das genaue Zitat daliegen).
Freud hat viel erreicht, leider hat er - wie C.G. Jung - ihre Theorien an sich selbst angepaßt. Er hat sie dermaßen zurechtgebogen, daß sie heute zum Teil nicht stimmen. Alleine in den "Kindheitserinnerungen des Leonardo" hat er einiges gedeutet, was eindeutig falsch (aus dem Italienischen) überstzt ist, genauso bei einigen anderen Schriften auf die er sich bezog.
Nein, Du hast nicht Deinen Vater ermordet, sondern Deine Mutter hat Dir massiven Schaden zugefügt und Dein Vater hat Dir leider nicht geholfen - warum auch immer - und das tut mir sehr leid.
Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan
Hallo Saffiatou !saffiatou hat geschrieben: ↑Mo., 17.04.2017, 13:16 (...)
Ja, das Kind - Oedipus wurde bestraft! gleich zweimal. Einmal durch die erwünschte Tötung des Vaters (was nicht erfolgte da ein Hirte Mitleid hatte und ihn forttrug) und dann durch die eigene Hand. Oedipus wurden die Sehnen durchtrennt, er bekam einen Schwellfuß. Warum hat Iokaste ihn nicht als Sohn erkannt. Warum geht sie straffrei aus?
Siehst Du nicht, daß hier, wie bei Frued, die Kinder die Verantwortung übertragen bekommen? Ich bin mal an so einen Freudianer geraten, der mein Inzest als Wunschphantasie abtat!
Diese Oedipus Theorie, die Freud da zusammengebastelt hat, ist falsch! Er hat es zum eingenen Schutz, damit er sich nicht mit seinem Inzest auseinandersetzen muss, getan: "dann muss ich nicht den Vater opfern" so ungefähr lautetet eine Stelle in einem Brief an Fließ (habe jetzt nicht das genaue Zitat daliegen).
(...)
zunächst einmal: ich habe mich um ehrlich zu sein nicht sehr bemüht, Dich zu verstehen - sondern eine mir einfach erscheinende Frage zu beantworten: Warum wird das Inzest-Kind, das Opfer bestraft ? - Es wird, wie gesagt, "von Tabus wegen bestraft", obwohl dies nach unserem neuzeitlich-aufklärten Verständnis eine schreiende Ungerechtigkeit ist. Diese Wirkungen des Tabus habe ich zuletzt selbst "am eigenen Leibe" erfahren dürfen, als ich mich "geoutet" habe - die letzten verbliebenen Freunde aus dem früheren Leben rückten von mir ab, begannen, mich zu meiden mich wie der Teufel das Weihwasser. Das ging nicht von jetzt auf gleich, dauerte einige Monate - aber schmerzlich war es doch.
Wie sehr Freud mit dem Inzest-Thema als seinem eigenen Thema gerungen hatte, ist mir bekannt. Der von mir sehr geschätzte Inzestspezialist Mathias Hirsch - ein psychiatrischer Analytiker - hat diese Entwicklung in "Realer Inzest" minutiös, eben anhand des Briefwechsels mit Flies, dargestellt - auch die Verfälschung eines Vater-Tochter-Inzests in einer Fallstudie - der Täter wurde auf den Onkel "verschoben". Vielleicht ist diese von Dir zitierte Stelle hierauf bezogen. Hirsch setzt sich dort auch mit der Dichotomie von Inzest und infantilen Inzestphantasie des Ödipus-Komplexes auseinander, die er als Scheinwiderspruch bezeichnet. Dieses "Abrücken" Freuds von der "Verführungstheorie" aus der "Ätiologie der Hysterie" ist wohl heute noch ein zentrales Thema der Freud-Forschung. Ich selbst stimme Hirsch zu: es ist nur ein scheinbares Abrücken. Die "Hysterie" kann beide Ursachen haben, sie können sogar nebeneinander vorliegen - wenn der Mißbrauchstäter eben nicht der Vater gewesen ist, sondern ein "Vater-ähnlicher".
Die Kulmination dieses Ringens von Freud war wohl die "Lehranalyse" für seine Tochter Anna gewesen. "War es eine Lehranalyse?" schreibt Eva Weissweiler ("Die Freuds") vieldeutig. Sie beantwortet die Frage nicht - ich habe sie für mich beantwortet: es war eine den heute anerkannten Regeln der Psychoanalyse vielfältig spottende Analyse der Inzestbeziehung von Freud und seiner Tochter.
Auch wenn ich Freud als meinen "Heiligen Sigmund von der Neurose" auf einen Sockel gestellt habe - die rosarote Brille habe ich deswegen nicht aufgesetzt.
Einen Fehler an Freuds Ödipus-Theorie kann ich bis heute nicht entdecken. Daß ein Freudianer bei Dir selbst falsch gelegen hat - daraus kann man kaum einen Fehler der Theorie ableiten.
Noch ein paar weitere Antworten glaube ich, geben zu können:
Iokaste hat ihren Sohn nicht erkannt, weil er im analytischen Sinne nie ihr Sohn war. Die biologisch-genetische Abstammung ist analytisch irrelevant. Mutter ist, wer das Kind nährt, pflegt, immer für es da ist - und das war Iokaste ja nicht: Ödipus wurde gleich nach der Geburt ausgesetzt. Wer für ihn im analytischen Sinne Mutter gewesen sein soll, ist mir nicht bekannt. Eine "Stimme des Blutes", die eine biologische Mutter ihr biologisches Kind, das sie nie genährt hatte, erkennen lassen soll - die gibt es für die Psychoanalyse nicht.
Ob Iokaste wirklich nicht bestraft wurde - ich weiß es nicht, müsste in Sophokles wühlen, wozu ich keine Lust habe. Es ist aber auch nicht wirklich wichtig, weil in der extrem patriarchalischen griechischen Antike Frauen keine vollwertigen Menschen gewesen waren. Antigone, die ihren Bruder Ajax entgegen der religiösen Vorschriften "beerdigte", war "Alleintäterin" - ist als Gegenbeispiel nicht wirklich tauglich.
(Fortsetzung folgt)
Es ist auch in einem höheren Sinne nicht so wichtig, weil der "Justizvollzug" an Ödipus dem Tabu Genüge getan hat. Ödipus als Mann ist Haupttäter, als König der oberste "Verantwortliche" für das Wohlergehen der Stadt, über das sein Tabubruch die Pest gebracht hatte. Die Justiz führt zwar das Ideal der Gerechtigkeit auf ihrem Schilde - aber im Schilde führt sie die Stabilisierung der Norm. Diese wird dadurch gewährleistet, daß für die Normgemeinschaft - "die Gesellschaft" - für den Normbruch eine Sanktion verhängt wird. Gegen wen, ist nicht so wichtig. Es muß nur irgendeine Sühne für das Verbrechen getan werden. Der alte Brauch und das heutige Sprichwort vom "Sündenbock", den man symbolisch für die gesamten ungesühnten Verbrechen einer Rechtsgemeinschaft verurteilt und in die Wüste jagdt, kommt nicht von ungefähr.
Freud selbst zitiert mal einen alten Witz von dem einsamen Bergdorf, in dem einer der drei Schneider gehängt werden mußte, weil der einzige Schmied ein furchtbares Verbrechen begangen hatte. Deswegen sind auch Justizirrtümer bei weitem nicht so wichtig, wie man immer meint.
Gruß
Möbius
Gruß
Möbius
Freud selbst zitiert mal einen alten Witz von dem einsamen Bergdorf, in dem einer der drei Schneider gehängt werden mußte, weil der einzige Schmied ein furchtbares Verbrechen begangen hatte. Deswegen sind auch Justizirrtümer bei weitem nicht so wichtig, wie man immer meint.
Gruß
Möbius
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