Da ich ja keine berufspolitische Funktion habe, erlaube ich mir, hier meine Privatmeinung zu äußern (und ersuche, diese als solche zu sehen, nicht als "Vertreter der Berufsfraktion"):
Politische Entscheidungen dieser Art werden m.E. nur selten aus edlen Motiven getroffen (z.B. weil es so viele "Bedürftige" gäbe, oder weil Studien doch zeigen, dass das "therapeutische Verhältnis" von so großer Wichtigkeit sei). Dieser Verdacht erhärtet sich massiv, wenn solche Entscheidungen "über Nacht" und unter Umgehung aller sonst bei so großen Entscheidung üblichen Einbeziehung aller betroffenen Berufsgruppen und Evaluierung durch Fachleute getroffen werden wie in diesem konkreten Fall (der in frappanter Weise an die Vorgangsweise rund um die "Über-Nacht"-Anerkennung von NLP als Psychotherapie-Verfahren durch die am Folgetag scheidende Gesundheitsministerin, welche "zufällig" selbst kurz davor die betr. Kurse absolviert hatte, im Jahre 2007 erinnert).
Zu vermuten ist also ein Pakt hinter verschlossenen Türen, der wieder mal vor allem den finanzpolitisch arg angeschlagenen Krankenkassen (und indirekt der
gestressten Finanzministerin) dient. Denn eines würde die Neuregelung mit Sicherheit bewirken: dass Druck auf die Kostensätze des gesamten gehobenen psychosozialen Beratungsbereiches (nicht nur der Psychotherapeuten, wohl auch der Psychiater) ausgeübt wird. Als Nebeneffekt würde die sagenhafte Schwemme an arbeitslosen Psycholog/innen etwas abgepolstert. Dass Absolventen der teuren Psychotherapie-Ausbildung in Ö ihre Kosten unter heutigen Verhältnissen kaum mehr hineinbekommen, ist irrelevant, es gibt gerade in den Ballungszentren ohnehin zu viele Therapeuten, auch die Versorgungslage durch Psychiater/Neurologen ist nahezu okay - beide Bereiche kann man also durchaus ein wenig zurechthungern. Die Universitäts-Zugänge schon bei Studienbeginn nach Bedarfskriterien zu regulieren traut sich der Gesetzgeber nicht. Auch die Professionalität von Psychotherapie hat seit 2007 ja offenbar keine besondere Priorität mehr, da können auch eher interviewend/beraterisch ausgebildete Psychologen (die haben ja auch etwas mit "Psycho" im Berufstitel, das läßt sich schon verkaufen) "therapierend" auf psychisch Leidende losgelassen werden. Dass die Psychotherapie-Ausbildung jahrelang und mit viel Selbstreflexion auf eine ganz spezifische Tätigkeit hin trainiert, und vor allem ein methodisches Konzept vermittelt, das im Psychologie-Studium bestenfalls theoretisch bearbeitet wird, fällt unter den Tisch bzw. wird durch die geplante "Öffnung" des Therapiebereiches als ebenfalls nicht wirklich relevant definiert.
Aus pragmatischer Sicht allerdings passt die Entscheidung in den weltweiten Trend, der eher weg von selbstreflektierender, "an sich selbst arbeitender" Psychotherapie und mehr in Richtung von schneller Wiedererlangung der Funktionalität und Arbeitsfähigkeit (also Beratung) geht. Und trotz (oder gerade wegen?) aller dramatischen Gesundheitsdaten weg von der Zuständigkeit der Sozialversicherungen für die psychische Gesundheit der Bevölkerung in Richtung Schnellsiedeversorgung. Wer Gutes / Tiefes / langfristig Wirksames möchte, muss selbst in die Tasche greifen.
Ist die Neuregelung für PatientInnen/KlientInnen gut? Für jene, die nur aufs Geld schauen (und das sind ja viele, nachdem die Bevölkerung seit über 10 Jahren in permanenter Krisenstimmung und Angst vor Jobverlust gehalten wird), zweifellos. Alle anderen müssen halt zukünftig noch genauer nachsehen, wer sich ihnen denn da genau als potenzieller Helfer/Helferin präsentiert.
Freundliche Grüße,
R.L.Fellner