Beruflich mit Tätern konfrontiert

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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Charlie Foxtrott
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Beruflich mit Tätern konfrontiert

Beitrag Mi., 14.07.2021, 10:49

Liebes Forum,

wie geht es Euch/wie schafft Ihr es, wenn Ihr im dienstlichen Kontext Tätern begegnet, also als Kunden oder Kollge:innen. Ich meine hier nicht den eigenen bzw. die Extremfälle aus JVA, Polizei oder Psychiatrie, sondern im normalen Berufskontext bis maximal Sozialarbeit/Pädagogik, wo es ja auch Mitarbeiter oder Klienten gibt, die mal was angestellt haben. Es muss gar nicht mal so krass sein. (wegen der Öffentlichkeit hier möchte ich jetzt nicht sagen, in welcher Branche ich arbeite)
Bei mir ist es so, dass es massiv triggert und mir die Sicherungen durchknallen. Muss höllisch aufpassen, mich nicht im Ton zu vergreifen. Einerseits will ich Grenzen setzen, andererseits ist mir klar, dass ein postraumatischer Anteil dabei ist.
Nun kann man sich ja nicht in den Glaskasten setzen und wird solchen Menschen bis zur Rente immer mal wieder begegnen, es sei denn, man hat nen Job, wo ein erweitertes Führungszeugnis erwartet wird.

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Sinarellas
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Beitrag Mi., 14.07.2021, 11:13

Ich würde meinen, dann ist die Position oder der Job nicht für dich geeignet.
..:..

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Charlie Foxtrott
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Beitrag Mi., 14.07.2021, 11:21

Und dann? Auf dem Arbeitsmarkt bzw. Jobcenter gibts ja kein Wünsch-Dir-was. Und nein, ich bin nicht in der JVA oder im sozialen Bereich, nur mit Menschen, aber eben aller Coleur und Täter gehören eben auch mal zum statistischen Durchschnitt. Dann könnte ich ja nur noch Nerd-Arbeit im stillen Kämmerlein oder Labor machen.
Und wenn man den Job im Grunde schon liebt und mit ganz "normalen" durchschnittlich friedlichen Menschen, ja, auch bspw. behinderten, sehr gern und m.E. gut arbeitet? Eskalieren lassen und dann Kündigung riskieren? Krank schreiben lassen? Welcher Hausarzt schreibt denn wegen Triggergefahr krank? Außerdem will ich mich meinen Problemen stellen und diese bewältigen.

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candle.
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Beitrag Mi., 14.07.2021, 11:31

Krankschreiben für längere Zeit kann dich dein Psychiater. Aber es macht für mich mehr Sinn dir einen Job zu suchen wo du nicht solche Berührungspunkte hast.

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Danica
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Beitrag Mi., 14.07.2021, 13:03

Sicher ist das gar kein Problem, mit 45 in einer ganz anderen Branche ohne entsprechende Qualifikation einen Job mit vergleichbarer Bezahlung zu finden und dafür seine bisherigen Qualifikationen mal eben so wegzuwerfen.

Ja, das macht auf jeden Fall Sinn. Ist doch wurscht, ob einem seine Arbeit eigentlich gefällt und man die auch gut macht.

Also echt... :kopfschuettel:

Ist denn dieser Kontakt vorhersehbar oder zeitlich beschränkt, oder wirst du damit zukünftig immer wieder unvorhersehbar konfrontiert werden?

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chrysokoll
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Beitrag Mi., 14.07.2021, 13:25

Charlie Foxtrott hat geschrieben: Mi., 14.07.2021, 10:49 Nun kann man sich ja nicht in den Glaskasten setzen und wird solchen Menschen bis zur Rente immer mal wieder begegnen, es sei denn, man hat nen Job, wo ein erweitertes Führungszeugnis erwartet wird.
wirst du jeweils plötzlich und überraschend mit sowas konfrontiert?
Oder ist das vorhersehbar?
und inwieweit musst du dich dann mit den Tätern befassen, also gäbe es eine Möglichkeit diese Fälle an Kollegen abzugeben?

Man kann lernen mit sowas umzugehen, im Rahmen einer Traumatherapie.
Man kann Strategien entwickeln, das üben. Das ist hart, aber wirklich wirkungsvoll.
Ich bin am Rande auch manchmal mit sowas konfrontiert und hab das in der Therapie bearbeiten können, das ist deutich besser geworden für mich

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chrysokoll
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Beitrag Mi., 14.07.2021, 13:47

Sinarellas hat geschrieben: Mi., 14.07.2021, 11:13 Ich würde meinen, dann ist die Position oder der Job nicht für dich geeignet.
Moment mal. Selbstverständlich ist sie offenbar für den Job geeignet, den sie seit langem gut macht und gerne macht.

Die Täter sind nicht geignet. Das darf man ganz klar und deutlich so denken, so fühlen und so aussprechen

Im Job sollte man Möglichkeiten finden damit umzugehen.
Das KANN - falls möglich - auch eine Weitergabe an Kollegen sein.
Männliche Kollegen ohne Trauma, mal ganz konkret gesagt.

Oder eben für sich lernen damit umzugehen, Wege zu finden.

Aber doch nicht den Job wegwerfen weil irgendwelche Täter triggern

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candle.
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Beitrag Mi., 14.07.2021, 15:33

Charlie Foxtrott hat geschrieben: Mi., 14.07.2021, 10:49 wie geht es Euch/wie schafft Ihr es, wenn Ihr im dienstlichen Kontext Tätern begegnet,...
Bei mir ist es so, dass es massiv triggert und mir die Sicherungen durchknallen.
Ich wollte dich noch fragen was dich an den Tätern triggert?

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pandas
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Beitrag Mi., 14.07.2021, 16:01

Sehr wichtig ist es, einen Unterschied zu machen zwischen Kollegen und Klienten.

Geht es Dir eher um Kollegen? Wie sie sich zu Dir verhalten, vielleicht Ellenbogen oder dumme Bemerkungen? Oder einfach auch, wie sie generell mit Eurer gemeinsamen Arbeit umgehen?

Woran machst Du fest, dass jemand ein Täter ist?

Die Arbeitskontexte, von denen Du explizit sagst, um diese gehe es Dir nicht, da geht es ja um Arbeit mit Tätern, z.b. Straftätern oder auch bei häuslicher Gewalt der Partner, der Täter ist.
Da schwingt eher die Frage, wie damit umgehen, mit jemanden zu arbeiten, der so etwas getan hat. Nun, da gibt es ja etliche professionelle Ansätze zu.

Ich habe aber fast den Eindruck, Dir geht es um das aktuelle Verhalten Dir gegenüber? Natürlich darfst Du Dich da angemessen zur Wehr setzen. Aber Du hast Angst vor einer Überreaktion Deinerseits aufgrund von Vorerfahrungen mit ganz anderen Tätern?

Da wäre Deine Aufgabe, hier eine angemessene Balance zu finden. Vielleicht kann ein Coaching helfen?

Ich kenne es schon, dass es sehr schwierig sein kann, einen guten Weg der Selbstbehauptung zu gehen, ohne entweder nur zu vereisen und sich gar nicht wehren oder selbst keifend durch den Raum zu schwirren ...

Helfen kann auch ein gutes Gegenverhalten vorab in Gedankenspielen zu üben.
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard

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peponi
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Beitrag Mi., 14.07.2021, 16:13

Charlie Foxtrott hat geschrieben: Mi., 14.07.2021, 10:49 wie geht es Euch/wie schafft Ihr es, wenn Ihr im dienstlichen Kontext Tätern begegnet, also als Kunden oder Kollge:innen.
Hallo Charlie,

ich hatte diesen Fall bisher zum Glück nur einmal. Das hatte mich massiv rausgehauen, zumal es sich erst währenddessen herausgestellt hat und die ganze Situation sehr bedrohlich geworden ist. Ich bin in dem Moment ruhig und professionell geblieben und habe mir ihm gegenüber nichts anmerken lassen. Kaum war ich raus aus der Situation, ging aber gar nichts mehr.
Neben den üblichen Techniken, um mit Triggern umzugehen, hat es mir sehr geholfen, das Gespräch mit anderen Menschen zu suchen. Sprich ich habe außer mit meinem Therapeuten sowohl mit meinen Vorgesetzten als auch mit KollegInnen darüber gesprochen. Meine Vorgeschichte blieb dabei außen vor, davon weiß niemand etwas und soll auch niemand etwas wissen. Diese Situation war aber so eindeutig, dass auch Menschen ohne derartige traumatische Erlebnisse in der Lebensgeschichte diese als bedrohlich empfunden hätten. Die sehr klare und verständnisvolle Reaktion meines Umfeldes hat mir wirklich geholfen, damit besser umzugehen.

Ich weiß nicht, ob dies eine Möglichkeit für dich ist oder du dich gezielt in Supervision begeben kannst?
Und die Frage wäre auch, ob es Möglichkeiten für dich gäbe, solche Begegnungen in Zukunft zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren oder aber dir im Vorfeld Strategien zurechtzulegen, wie du damit umgehst. Dann hättest du etwas, auf was du zurückgreifen könntest und müsstest nicht in einem Moment der emotionalen Überforderung auch noch diesbezüglich improvisieren.
silence like a cancer grows.

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Charlie Foxtrott
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Beitrag Do., 15.07.2021, 09:17

Hallo Ihr,
danke, alle Beiträge und Meinungsäußerungen waren hilfreich.
Was mich konkret triggert: Ja, ein Mix, das Wissen um die Tat, also meine Phantasie, dass da jemandem geschadet wurde und ich ja die Gefühle der/des Geschädigten besser nachvollziehen kann als manch andere, das anmaßende und rücksichtslose Verhalten des Ex-Täters, der seine eigenen Empfindlichkeiten und Nicht-zur-Tat-stehen-wollen über die Gefühle des Opfers stellt, der Empathiemangel, äußere Ähnlichkeiten. Also ein Gemisch aus eigener Erinnerung und realem Verhalten, was es nicht einfach macht.
Klar, Therapie, aber es dauert so lange bis zur nächsten Stunde und es sind gerade andere Themen dran. Mein Therapeut hat es leider drauf, Themen anzukündigen und es dann zu vergessen und mich monatelang hängenzulassen. Trotzdem arbeitet er erheblich strukturierter als alle vorhergehenden und ist wenigstens Traumatherapeut. Darum wollte ich ja schon mal vorher Brainstorming einholen.
@an männliche Kollegen abgeben: Haben wir leider z.Z. nicht, im Gegenteil, habe eine Vorgesetzte mit einer dieser extremen sozialen Ader bis zur Unterwürfigkeit und Selbstverleugnung, extrem moralisierend.
Es betrifft bspw. verhaltensauffällige Schüler oder Sozialstunden ableistende Klienten.

"Ich kenne es schon, dass es sehr schwierig sein kann, einen guten Weg der Selbstbehauptung zu gehen, ohne entweder nur zu vereisen und sich gar nicht wehren oder selbst keifend durch den Raum zu schwirren ..."
Exakt auf den Punkt gebracht. Vorher im Rollenspiel üben ist ein guter Hinweis. Und nein, ich arbeite an sich gern mit Menschen, wenn sie wenigstens durchschnittliches Sozialverhalten zeigen, auch mit schwierigeren, bspw. Behindertenwerkstatt etc.


pandas
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Beitrag Do., 15.07.2021, 10:11

Es sind folglich durchaus Täter, von denen du es gesichert weisst.
Wenn diese offensichtlich verurteilt worden sind, gehört es dazu, dass sie auch ihre Haltung zur Tat verändern sollten und Einsicht zeigen. Naja, zwingen kann man sie dazu per se nicht. Bedenken muss man auch,. dass, wenn sie im Gespräch mit dir die Tat bagatellisieren, dies vielleicht auch tun, weil sie sich im Grunde schämen.
Muss aber nicht. Aus meiner Erfahrung würde ich leider auch sagen, es ist eher selten so. Gedankenkonstruktionen, dass es okay war, herrschen vor.
Wenn es sich um sozialstuendler handelt, könntest du sie ja aber auch darauf hinweisen, wenn sie sich so verhalten und sie mit deiner Sicht konfrontieren? Sonst machen die Sozialstunden ja auch nicht so viel Sinn.

Aber es ist so, dass deine Vorgesetzte sie wegen der Arbeitskraft nachsichtig behandelt?
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard

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Charlie Foxtrott
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Beitrag Do., 15.07.2021, 11:08

pandas hat geschrieben: Do., 15.07.2021, 10:11 Aber es ist so, dass deine Vorgesetzte sie wegen der Arbeitskraft nachsichtig behandelt?
Nö, ich vermute, wegen ihres Helfersyndroms. Sie ist eine von denen, die sich für was besseres halten, wenn sie völlig ausgelaugt zur Rettung der Menschheit umkippen.
Guter Hinweis, die Täter an ihre moralische Pflicht zur Verantwortungsübernahme zu erinnern, wenn sie in Bagatellisierung und Selbstmitleid abschweifen.


pandas
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Beitrag Do., 15.07.2021, 11:28

Wenn deine Vorgesetzte eher aus Nachsicht und Helfersyndrom handelt, so könnte es sein, dass es etwas bringen könnte, wenn du inhaltlich mit ihr ins Gespräch gehst über euren Umgang mit der Täterseite. Vielleicht machst du ihr Mal klar, dass es Sinn machen würde, die sozialstuendler u. ae. auf negatives verhalten und ggfs auch auf wenig Einsicht in die tatverantwortung anzusprechen, da so der Einsatz gesamtgesellschaftlich noch viel mehr Sinn machen würde? Sonst bleiben die ja so, wie sie sind.
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard

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Pianolullaby
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Beitrag Fr., 16.07.2021, 18:17

Nun auch hier hilft eigentlich nur die radikale Akzeptanz. Ja sie haben was getan, vllt sogar dafür gebüsst. Schlussendlich sind es auch Menschen, und so lange sie jetzt nicht mehr tun, geht es Dich eigentlich nichts mehr an
Träume nicht Dein Leben, lebe Deinen Traum

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