Hallo liebe Community,
ich versuche mich kurz zu halten, will aber gerne meine Geschichte zu schildern.
Ich bin weiblich, 20 Jahre und war bis vor kurzem (2, 3 Monate) einer Parentifizierung ausgesetzt. Habe mit meiner Mutter (psychisch krank, Schlafstörung, Angststörung etc.) und meinem Vater (konnte selbst mit der Krankheit meiner Mutter nicht umgehen, daher plötzliches Verschwinden/ Wiederauftauchen, Aggression, Mitleiderzwingendes verhalten, etc.) Ich wurde schon früh als Therapeut eingesetzt - Hab immer abwechselnd mit meiner Mutter und Vater mit ihren Problemen stark auseinander gesetzt (Beziehungsprobleme, finanzielle, emotionale Probleme, eigene Kindheitstraumata) Es lief meistens darauf hinaus, dass sie sich bei mir ausheulen, mich irgendwie als Mama benutzt haben. (Ich dagegen hab meistens alles für mich behalten) Außerdem seit ich ca 4/5 Jahre war krasse Familienkonflikte mitbekommen. (Wilde Streits, Gewalt, Messergerangel, Manipulative Spielchen) Trotz allem haben meine Eltern es nie geschafft sich zu trennen, aus emotionaler und finanzieller Abhängigkeit heraus.
Generell haben meine Eltern stark zurückgezogen gelebt. Keine Freunde, wenige Bekannte, die weitere Familie hat sich für die Probleme nicht interessiert bzw. hatte ihre eigenen. Das schlimmste war jedoch immer, dass sie versucht haben vor anderen, vor sich selbst und vor uns in besseren Zeiten so zu tun als wäre alles in bester Ordnung und wir die perfekte Familie wären. (Da hab ich lange auch mitgespielt und regelrechter Perfektionist geworden so zu tun als ob, wegzusehen, alles schön reden)
Vor einem halben Jahr, als es meiner kleinen Schwester, die immer noch bei meinen Eltern wohnt, psychisch massiv schlechter ging hab ich das alles nicht mehr ausgehalten. Meine Mutter, die zwar versucht hat zu helfen, aber letztendlich immer nur über ihre eigenen Probleme reden kann sowie mein Vater der wütend wird weil es einem nicht gut geht, haben sie regelrecht zerstört. (Wie auch mich, was ich aber aushalten kann, aber zu sehen wie sie es bei meiner Schwester machen jedoch nicht) Darauf ging einiges sehr schnell, wir haben uns emotional von unserer Mutter getrennt, haben sie regelrecht anlaufen lassen, was zu sehr schweren Stunden geführt hat (Vorwürfe, wie wir versuchen die Familie zu zerstören etc.) Soweit, dass ich vor zwei Monaten ausgezogen bin.
Über alles reflektiert habe ich jetzt erst später weil ich bemerkt habe, dass meine Kindheit nicht spurlos an mir vorbei gegangen ist: Ich fühle mich für alle dynamischen Situationen extrem verantwortlich, so schlimm dass ich richtige Angstzustände bekomme, habe Problemen mit Gleichaltrigen (worüber sprechen die? wie können die so unbeschwert leben?), fühle mich abwechselnd sehr mächtig , gleich darauf extrem überfordert, habe starken Hang zum Perfektionismus, finde mich oft in einer Ohnmacht wieder. Meine größte Baustelle würde ich sagen sind meine sozialen Kontakte. Ich fühle mich ständig unverbunden, schaffe es keine harmonischen Beziehungen aufzubauen, obwohl genau das mein sehnlichster Wunsch wäre.
Das ist doch eine ganze Ladung geworden. Würd mich sehr über Tipps zum Umgang mit Parentifizierung freuen, ähnliche Erfahrungsberichte und Ratschläge wie man vielleicht doch noch ein halbwegs Lebenswertes Leben führen kann. Kann ich meine Defizite aus meiner Kindheit noch aufarbeiten bzw. nachholen?
Ganz liebe Grüße!
Umgang mit Parentifizierung
Umgang mit Parentifizierung
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du bist noch sehr jung und hast früh sehr klar erkannt was ablief und dich darauf offenbar befreit - was sehr sehr gut ist!
Ich bin mir sicher dass es dir gelingen wird nicht nur ein halbwegs lebenswertes Leben zu führen.
Allerdings, und auch das hast du klar erkannt, ist es dafür erforderlich die Erlebnisse und Defizite zu bewältigen, aufzuarbeiten. Dafür solltest du dir Hilfe suchen.
Es ist wirklich gut wenn du das bald machst, wenn du nicht lange abwartest, gar Jahre wartest bis Dinge chronisch werden, bis negative Einstellungen sich verfestigen. Geh das an, das ist eine gute, frühe Chance da noch eine ganz andere Richtung einzuschlagen.
Ich bin mir sicher dass es dir gelingen wird nicht nur ein halbwegs lebenswertes Leben zu führen.
Allerdings, und auch das hast du klar erkannt, ist es dafür erforderlich die Erlebnisse und Defizite zu bewältigen, aufzuarbeiten. Dafür solltest du dir Hilfe suchen.
Es ist wirklich gut wenn du das bald machst, wenn du nicht lange abwartest, gar Jahre wartest bis Dinge chronisch werden, bis negative Einstellungen sich verfestigen. Geh das an, das ist eine gute, frühe Chance da noch eine ganz andere Richtung einzuschlagen.
Hallo & Danke für deine Antwort
Ich werde trotzdem das Gefühl nicht los, dass es schon zu spät ist - außerdem bin ich nicht sicher wie sich dieses aufarbeiten gestaltet.. Ich hab mir vor einem halben Jahr eine Gesprächstherapie organisiert, die geht einmal die Woche. Ich erzähl da halt meine Lebensgeschichte, hab aber nicht das Gefühl sonderlich viel damit zu verändern.. Ich hab auch nicht wirklich viel Vorstellung was mir genau helfen würde, wo ich ansetzen soll. Aufarbeiten klingt wunderschön, aber wie geh ich das an?
Lg
Ich werde trotzdem das Gefühl nicht los, dass es schon zu spät ist - außerdem bin ich nicht sicher wie sich dieses aufarbeiten gestaltet.. Ich hab mir vor einem halben Jahr eine Gesprächstherapie organisiert, die geht einmal die Woche. Ich erzähl da halt meine Lebensgeschichte, hab aber nicht das Gefühl sonderlich viel damit zu verändern.. Ich hab auch nicht wirklich viel Vorstellung was mir genau helfen würde, wo ich ansetzen soll. Aufarbeiten klingt wunderschön, aber wie geh ich das an?
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Hallo Iwah,
vieles, das du beschreibst, kommt mir sehr bekannt vor.
Unter anderem auch, dass dein Vater wütend wird, wenn es einem nicht gut geht. Kenne ich auch. Schätze, da kommt die Wut und Hilflosigkeit durch, die eigentlich ursprünglich der eigenen Frau galt.
Wie man das alles "bearbeitet"... Ich weiß es nicht. Ich bin generell nicht so von Therapie überzeugt, daher kann ich da schwer Tipps geben.
Nur soviel: Wenn du merkst, dass da in Therapie bei dir nichts geht oder zu wenig geht, vielleicht könntest du mit einerm anderen Therapeuten oder einer anderen Methode mehr anfangen.
Weiß nicht, wie es bei euch in Ö ist. Bei uns darf man im Grunde so viele Erstgespräche machen, wie man will. Kann somit viele kennenlernen.
Vielleicht kannst du ja etwas hilfreiches für dich finden.
vieles, das du beschreibst, kommt mir sehr bekannt vor.
Unter anderem auch, dass dein Vater wütend wird, wenn es einem nicht gut geht. Kenne ich auch. Schätze, da kommt die Wut und Hilflosigkeit durch, die eigentlich ursprünglich der eigenen Frau galt.
Wie man das alles "bearbeitet"... Ich weiß es nicht. Ich bin generell nicht so von Therapie überzeugt, daher kann ich da schwer Tipps geben.
Nur soviel: Wenn du merkst, dass da in Therapie bei dir nichts geht oder zu wenig geht, vielleicht könntest du mit einerm anderen Therapeuten oder einer anderen Methode mehr anfangen.
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Hallo Iwah,
wie wäre es mit dem Landes- bzw. Bundesverband für Angehörige psychisch Kranker? Die haben auch Gruppen/Beratung für erwachsene Kinder, gute Wochenendseminare etc. Das gibt auch Kraft, sich außerhalb Unterstützung zu holen, evtl. von älteren Freund*innen/Familienmitgliedern.
Therapie an sich finde ich gut, aber aus eigener Erfahrung weiss ich, dass es unter Therapeuten massive Vorurteile gegen Kinder psychisch kranker Eltern geben kann bis hin zu der Aussage, man würde im Leben nie wieder was auf die Reihe kriegen und sei irreversibel bindungsgestört. Von 12 Std. bis jahrelanger Psychoanalyse wurde mir damals alles vorgeschlagen. Auch hier würde ich mich beim Angehörigenverband bzw. dem sozialpsychiatrischen Dienst nach geeigneten Adressen erkundigen.
Cool, dass Du in so jungen Jahren die Energie hattest, auszuziehen. Klar gibts dann Terror der Zurückgelassenen, die endlich mal Verantwortung für sich übernehmen müssen, weil ihnen der Sündenbock abhanden gekommen ist.
wie wäre es mit dem Landes- bzw. Bundesverband für Angehörige psychisch Kranker? Die haben auch Gruppen/Beratung für erwachsene Kinder, gute Wochenendseminare etc. Das gibt auch Kraft, sich außerhalb Unterstützung zu holen, evtl. von älteren Freund*innen/Familienmitgliedern.
Therapie an sich finde ich gut, aber aus eigener Erfahrung weiss ich, dass es unter Therapeuten massive Vorurteile gegen Kinder psychisch kranker Eltern geben kann bis hin zu der Aussage, man würde im Leben nie wieder was auf die Reihe kriegen und sei irreversibel bindungsgestört. Von 12 Std. bis jahrelanger Psychoanalyse wurde mir damals alles vorgeschlagen. Auch hier würde ich mich beim Angehörigenverband bzw. dem sozialpsychiatrischen Dienst nach geeigneten Adressen erkundigen.
Cool, dass Du in so jungen Jahren die Energie hattest, auszuziehen. Klar gibts dann Terror der Zurückgelassenen, die endlich mal Verantwortung für sich übernehmen müssen, weil ihnen der Sündenbock abhanden gekommen ist.
Hallo Iwah! Mit 20 ist da meiner Meinung nach gar nix zu spät. Da du dir ja jetzt schon einigen Sachen wie z.B. übersteigerte Verantwortungsübernahme bewusst bist, stehen die Chancen denke ich ganz gut, dass du nicht mit 40 im burnout landest ohne zu wissen wie das passieren konnte. So eine Prägung von klein auf lässt sich nicht von heute auf morgen abschütteln, aber ich denke wichtig ist es zu wissen in welche Richtung man sich bewegen möchte. Du wirst dich im Laufe der Zeit entwickeln, immer wieder neue Menschen kennenlernen und aus diesen Beziehungen Erfahrungen mitnehmen.
Ich habe nach meinem Auszug erstmal ein halbes Jahr gebraucht um „runter zu kommen“. Abstand, Abgrenzung und dann Ablösung von den Eltern sind denke ich ein wichtiger Schritt. Mit Anfang 20 ist man meiner bescheidenen Lebenserfahrung nach noch nicht fertig und muss unter Umständen noch durch die ein oder andere Berg/Tal-Fahrt. Zumindest ich bemerke einen himmelweiten Unterschied zwischen mir heute und mit 20. Hast du eine Vorstellung, wie ein lebenswertes Leben für dich aussehen könnte? Was sind deine Pläne für die Zukunft? Hast du eine (feste) Arbeit? Hast du Hobbys? Wohnst du alleine?
Ich habe nach meinem Auszug erstmal ein halbes Jahr gebraucht um „runter zu kommen“. Abstand, Abgrenzung und dann Ablösung von den Eltern sind denke ich ein wichtiger Schritt. Mit Anfang 20 ist man meiner bescheidenen Lebenserfahrung nach noch nicht fertig und muss unter Umständen noch durch die ein oder andere Berg/Tal-Fahrt. Zumindest ich bemerke einen himmelweiten Unterschied zwischen mir heute und mit 20. Hast du eine Vorstellung, wie ein lebenswertes Leben für dich aussehen könnte? Was sind deine Pläne für die Zukunft? Hast du eine (feste) Arbeit? Hast du Hobbys? Wohnst du alleine?
Remember to leave pawprints on hearts.
Hallo alle
Ich hab jetzt im Moment auch wieder mehr Kontakt zu meiner Mutter. Ich konnte jetzt mal wirklich aussprechen was mich alles belastet und sie hat mir (soweit ich das beurteilen kann) auch zugehört. (Nicht ohne ein bisschen von ihren Emotionen und Problemen wieder hineinzuwerfen) Glaubt ihr das ist eine gute Idee also von einer "Kindesebene" aus mit ihr Kontakt zu haben, und jegliche Umkehrung der Rollen versuchen zu ignorieren, oder lieber Kontaktabbruch? Was hat euch mehr geholfen?
Danke auf jeden Fall für den Tipp mit dem sozialpsychatrischen Dienst - dort habe ich mich mittlerweile gemeldet und die scheinen mich gut zu verstehen und wirken recht kompetent. Mal schauen, was sich da entwickelt. Ich hab jetzt auch vor mir eine andere Therapeutin zu suchen, die vielleicht mehr in Richtung Entwicklungstrauma geht - aber da lass ich mich auch nochmal beraten!Charlie Foxtrott hat geschrieben: ↑Fr., 04.06.2021, 11:02 Hallo Iwah,
wie wäre es mit dem Landes- bzw. Bundesverband für Angehörige psychisch Kranker?
Ja das ist auch eine große Baustelle bei mir. Ich hab schon ziemlich viel ausprobiert an Hobbies (Finanzielle Probleme hatten wir nicht in der Familie, obwohl oft versucht wurde mir einzureden, dass wir beinahe mittlos wären), habe aber obwohl mir vieles gefallen hat nichts lange gemacht. Ich bin mir nicht sicher ob das wegen meiner Familiensituation war oder weil ich wirklich keine Lust mehr hatte. Auf jeden Fall stehe ich jetzt da und weiß eigentlich gar nicht was mir wirklich gefällt. Ich studiere zur Zeit, leider aber ein Fach, das ich glaube gewählt habe, weil es mit den Vorstellungen meiner Eltern kompatibel ist. Ich bin auch eigentlich sehr gut darin, aber wirklich Lust habe ich (im Moment?) nicht darauf.. Außerdem arbeite ich im Obdachlosenbereich nebenbei, um mir mein Zimmer zu finanzieren (in einer WG in der ich mich nicht besonders wohlfühl) Ich hab bemerkt, dass ich viele Sachen mache um mich einfach zu beschäftigen, abzulenken, um nicht mit meinen Ängsten konfrontiert zu werden, dass ich tief unten keinen Plan hab wie mein Leben aussehen soll. Ich versuche diese Dinge dann durchzudrücken, obwohl ich nicht weiß ob mir gefällt was ich damit erreiche.
Ich hab jetzt im Moment auch wieder mehr Kontakt zu meiner Mutter. Ich konnte jetzt mal wirklich aussprechen was mich alles belastet und sie hat mir (soweit ich das beurteilen kann) auch zugehört. (Nicht ohne ein bisschen von ihren Emotionen und Problemen wieder hineinzuwerfen) Glaubt ihr das ist eine gute Idee also von einer "Kindesebene" aus mit ihr Kontakt zu haben, und jegliche Umkehrung der Rollen versuchen zu ignorieren, oder lieber Kontaktabbruch? Was hat euch mehr geholfen?
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Ja, das ist glaube ich ein Problem, wenn man von klein auf eine Rolle zugeschoben bekam und es keinen Raum für einen Selbst und die eigene Entwicklung gab. Mir hat ausprobieren im Bezug auf Arbeit nur mässig geholfen, weil ich so überangepasst war, dass ich mich überall gut einfinden konnte und es funktioniert hat. Was ich aus meiner Perspektive nur sagen kann: wenn du das Studium schaffst, es keine komplette Quälerei ist und du gerade keine wirklich bessere Alternative hast, mach es fertig. Danach kannst du immer noch was anderes machen, wenn du das möchtest und mehr herausgefunden hast, wer du bist. Ein qualifizierter Bildungsabschluss öffnet dir schonmal Türen und je schneller du auf eigenen Beinen stehen kannst, desto besser (was nicht heißen soll, dass du dir Druck machen solltest).
Wie finanzierst du dir das Studium? Nur durch den Mini-Job? Für mich war finanzielle Unabhängigkeit unglaublich wichtig, weil meine Eltern mich dadurch manipuliert hatten. Falls das bei dir auch so ist, wäre es vielleicht gut an der Stelle was zu drehen.
Hobbys wiederum sollen ja Spaß machen, sonst nix. Da kann man sich finde ich austoben. Vielleicht hast du ja Lust etwas von deinen früheren Hobbys nochmal aufleben zu lassen? Vielleicht ist „Hobby“ auch ein zu großer Begriff, „zufriedenstellende Freizeitgestaltung“ passt vielleicht besser. Irgendwas, wo du abschalten und den Kopf frei bekommen kannst, was ganz „deins“ ist.
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