Spüre es noch immer, Spuren einer Vergewaltigung

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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Strawbeary
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Spüre es noch immer, Spuren einer Vergewaltigung

Beitrag Fr., 06.11.2015, 10:25

Hallo,

Ich wurde als Kind von Familienmitgliedern sexuell missbraucht und vergewaltigt.
Jahrelang dissoziierte ich stark, konnte meine Intimregion nicht fühlen. Ich leide aber nicht an Multipler Persönlichkeitsstörung.
Seit 8 Jahren erinnere ich immer mehr
Ich bin gerade auch in Traumatherapie.

Meine Thera möchte irgendwann mit EMDR beginnen.

Sie weiß, dass ich auch Körpererinnerungen habe, aber möchte damit erst mal noch nicht arbeiten, mit EMDR.

Mich belasten diese Körpererinnerungen mal mehr mal weniger stark.
Sie lassen sich auch nicht wegpacken wie Bilder oder Emotionen.
Sie sind so gut wie immer da. Ich kann mich nur ablenken und sie wegdissoziieren.

Gerade die letzten 2 Tage ist es wieder besonders mies.

Ich fühle mich im Intimbereich so "ungeschützt", als würde ich dort niemals das wieder rausbekommen, was damals mal drin war...
Dann presse ich laufend den Beckenboden zusammen, will es rausdrücken, aber natürlich ist dort seit Jahren nichts mehr.

Es ist wie wenn man etwas ekliges angefasst hat und sich noch tagelang die Hände wäscht... Es ist nichts mehr da, aber man will es loswerden.

Wie wenn man etwas ekliges gerochen hat und den Geruch nicht aus der Nase bekommt.

Ich hab das wie gesagt täglich. Mal mehr mal weniger. Mal läuft es wie ein Nebengeräusch, mal ist es so schlimm, dass ich nachts hochschrecke und Angst habe er steht wieder an meinem Bett.

Kennt das jemand, der auch vergewaltigt wurde?
Irgendwann muss man doch nicht mehr das Bedürfnis haben, sich mit der Scheide auf einen Stuhl zu pressen, mit dem Rücken gegen die Wand nur um sicher zu sein, dass dort niemand eindringen kann

Irgendwann muss mein Innerstes doch verstehen, dass keine Gefahr mehr droht.

Ich arbeite so viel an mir und mit mir, aber an Tagen wie heute mag ich das nicht mehr ertragen.

Auch in Mund und rektal wurde in mich eingedrungen, aber da hab ich weniger Probleme als vaginal.

Dennoch habe ich Tics. Als Kind spuckte ich viel aus, heute beschränke ich es auf ausatmen, bis nochts mehr in mir ist und lasse imaginativ alles negative aus mir raus. Also Bilder und Gedankenen. Ich kann erst aufhören, wenn keine Luft mehr kommt
Ich kneife dabei oft die Augen zusammen und presse wie gesagt die Beckenbodenmuskulatur zusammen.
Das passiert alles oft mehrmals minütlich. Es ist für mich normal geworden und ich kaschiere es nach all den Jahren so, dass es kaum jemand merkt.

Je nach Trigger ist es verstärkt

Aber am schlimmsten ist es untenrum das Gefühl zu haben, er ist noch immer in mir.
Das konnte ich meiner Thera bisher so nicht sagen.

Was kann ich denn noch tun außer mir immer wieder zu beweisen, dass es heute gut ist?

Ich war sogar mittlerweile zurück im Haus meiner Kimdheit und konnte mich davon überzeugen, dass dort keine Gefahr mehr droht. Ein harmloses Bild des Hauses gewinnen, das in meinen Alpträumen sonst bedrohlich und lebensgefährlich wirkt.

Kennt das noch jemand in der Form?

LG Strawbeary

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Schneerose
[nicht mehr wegzudenken]
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Beitrag Sa., 07.11.2015, 18:30

Hallo strawberry,

ja, ich kenne das...ich hatte das damals in meiner Therapie, als von Seiten des Therapeuten "zu hart und ungeschont" an das Thema rangegangen wurde...

NORMALERWEISE schützt dich deine Seele von selbst...
sie lässt an und für sich NUR SOVIEL HOCH wie du es "ertragen" kannst...

ich würde das deiner Thera unbedingt mitteilen, wenn nicht reden, dann schreib es ...
sie kann dich nämlich nicht einschätzen, was du ertragen kannst, wenn du nicht sagst wie es dir geht...

Im Grunde, wenn "das triggern" nachlässt, müsste die Seele wieder "zu machen" zu deinem Schutz...

also, zumindest war das so meine Erfahrung...
jetzt in neuer Therapie ist es so...
dass ganz langsam und geschont was hervor kommt...z.B. habe ich vor kurzem geträumt, ich bin "mein" kleines Mädchen, und stehe daneben und schau zu...

ich habe das dann meinem Thera sofort geschrieben...
als ich das dann los war, da hatte meine Seele wieder Ruhe - und der Thera weiß, wie weit meine Seele derzeit mit dem Verarbeitungsprogramm ist.

LG Schneerose
"Der Einzige, der sich wirklich vernünftig benimmt ist mein Schneider, er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich sieht" :->

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connexa
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Beitrag Sa., 07.11.2015, 20:27

ich kenne das auch sehr gut (leider). bei mir ist es mittlerweile so, dass sich aus dem ganzen chronische unterleibsschmerzen entwickelt haben und es keinen tag gibt wo ich schmerzfrei bin. zusätzlich zur therapie gibt es nun noch die überlegung auch körperorientiert zu arbeiten. im moment bin ich noch etwas skeptisch. es gibt nun mal 5 probetermine

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Strawbeary
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Beitrag Sa., 14.11.2015, 09:09

Hallo Schneerose, hallo Connexa,

Ich bin froh nicht alleine zu sein damit, auch wenn es mir leid tut, dass ihr ähnliches durchmacht.

Es bezieht sich leider nicht auf die Therapie, Schneerose. Diese Körpererinnerungen sind schon immer da. Sie werden so vielfältig ausgelöst. Ews kann ein Wort sein, ein Geruch, etwas das Ekel auslöst, Menschen, die mir im Alltag begegnen, ein Gedanke....
Mein Mann, der sich im Schlaf an mich kuschelt, Arztbesuche.... Es gibt zig Millionen Auslöser.
Sexuelle Erregung zählt auch dazu, Bauchschmerzen bei Verdauungsbeschwerden...

Es ist ein Selbstläufer im Moment.

Bis vor 7 Jahren bemerkte ich nur die Tics, die alle paar Sekunden Druck machen sie auszuführen. Mein Unterleib war bis dato wegdissoziiert.
Dann versuchte ich mehr und mehr in mich reinzuspüren, ich wollte die Wurzel dieser Tics. Und dann legte ich irgendwann die Körpererinnerungen frei. Immer wenn sie auftreten kommt der Drang die Tics auszuführen.
Sie sind wie eine Art imaginatives Reinigungsritual.

EMDR machen wir noch nicht, sry war missverständlich.
Wir sind noch nicht so weit.

Meist laufen die Tics und Körpererinnerungen nebenher, ohne dass ich sie groß beachte. Es gehört mittlerweile dazu, wie mein Herzschlag, wie das Atmen,...

Aber ich will diese ständige Erinnerung daran nicht haben.

Und Phasenweise, je nachdem ob ein größerer Trigger stattgefunden hat, z.B. Arzttermin, Phasen leichterer sexueller Erregbarkeit, Konfrontation mit der Kindheit etc... Wird es weniger erträglich und es fällt schwerer nebenbei den Alltag zu bestehen.

Connexa, was genau bedeutet körperorientiert arbeiten?
Ich fühle mit dir.... Das ist ein Alptraum. Schmerzen hab ich zum Glück keine, außer in bestimmten Phasen wie Periode oder Darmverstimmungen. Und da finde ich es noch schwerer... Es triggert noch mehr.
Ich hoffe und wünsche dir aus vollstem Herzen, dass du einen Weg findest das zu lindern.

Denkt ihr man kann diese Erinnerungen körperlicher Art irgendwann loswerden?
Oder müssen wir das bis an unser Lebensende ertragen?

LG Strawbeary

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Candykills
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Beitrag Sa., 14.11.2015, 10:42

Hallo Strawbeary

Hast du mal darüber nachgedacht vielleicht eine stationäre Traumtherapie zu machen, bspw. in Bielefeld?
Da wird auch gut auf die körperliche Symptomatik eingegangen bzw. diese berücksichtigt und mit gearbeitet, genauso auch die Dissoziation.
Es gibt sicher auch noch andere Kliniken, die so gut sind. Aber manchmal, wenn der Schutz in der ambulanten Therapie so hochgefahren ist, macht eine stationäre Therapie in einer Traumaklinik Sinn.

Liebe Grüße
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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Strawbeary
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Beitrag Sa., 14.11.2015, 10:51

Hallo Candykills,

Ja diese Überlegung steht schon lange im Raum. Allerdings eher Bad Mergentheim, da ich einen 2jährigen Sohn habe, der mit müsste.
Wie die Klinik in BM so ist weiß ich allerdings nicht. Ich scheue mich auch davor in eine Klinik zu gehen.
Ich war vor 6 Jahren zwar mal, wegen Essstörung, aber da wurden die Traumata und Körpererinnerungen seitens des Personals gekonnt ignoriert, obwohl sie mit dem Essverhalten in direkter Verbindung standen...

Aber meine Thera legt es mir auch dauernd nahe.
Bin seit 12 Jahren immer wieder in Therapie, bis auf das eine mal immer ambulant und will es auch ambulant schaffen ehrlich gesagt...
Aus meinem Umfeld und Alltag herraus gerissen zu werden, ist bei mir immer mit großer Instabilität verbunden und kann Drpersonalisierung und Derealisation mit sich bringen...
Und mir macht es Angst, da ich doch auch für mein Kind noch da sein müsste gleichzeitig.
Angst dort allein gelassen zu werden, zu wenig Unterstützung zu bekommen etc....
Und mein Kind soll und darf nicht unter der Situation leiden....

Bin ratlos, was das Beste ist.

LG Strawbeary

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Candykills
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Beitrag Sa., 14.11.2015, 11:00

Hey Straw

Die Klinik in Bad Mergentheim kenne ich leider nicht, aber es wäre natürlich schön, wenn du deinen Sohn mitnehmen könntest. Das geht in Bielefeld nicht. Ich kann dir leider nur darüber berichten und ich schätze in anderen speziell für Trauma ausgerichteten Kliniken ist es ähnlich - da wird nichts ignoriert! Da ist wirklich jeder geschult, selbst die Reinigungskraft (zumindest hat man das Gefühl im Vergleich zu dem, was ich zuvor in Psychiatrien & Co erlebt habe).Du wirst dort auch überhaupt nicht allein gelassen, ganz im Gegenteil. Ich hab noch nie in einer Klinik so viel Fürsorge und gleichzeitig Selbstständigkeit erfahren wie in Bielefeld. Da ist nicht irgendwelches Pflegepersonal, dass seit Jahren keinen Bock mehr auf den Job hat oder ähnliches. Ich hatte auch nach meinen schlechten stationären Erfahrungen sehr viel Angst vor ner neuen Traumaklinik, aber nichts von meinen Ängsten hat sich dort bewahrheitet.

In eine Klinik zu gehen ist immer eine "schwere" Entscheidung. Auf der einen Seite will man, auf der anderen Seite ist man eventuell für mehrere Wochen aus der Umgebung gerissen, muss alles organisiert bekommen ect. Aber es hilft, eine gute Klinik kann wirklich sehr viel bewirken! Ich hoffe das kann dich bei der Entscheidung etwas ermutigen!

Lieben Gruß
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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connexa
Helferlein
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Beitrag Sa., 14.11.2015, 13:19

es ist schwierig zu erklären. bei mr ist es so, dass ich alles was mit meinem körper zu tun habe, eher wegschiebe. einerseits geht es bei der körperorientierten arbeit darum zu lernen, einzelne körperregionen zu entspannen ohne dann gleich zu dissoziieren und in flashbacks abzudriften. es besteht auch die überlegung zusätzlich biofeedback einzusetzen.

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sonneIII
neu an Bo(a)rd!
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Beitrag Fr., 29.01.2016, 21:45

Liebe Strawbeary,

ich habe Gott sei Dank keine Erfahrung mit Mißbrauch, aber mir ist etwas eingefallen, vielleicht hilft dir der Gedanke? Oder vielleicht ist es für dich lächerlich, dann vergiss es einfach. Aber ich habe mal gelesen, dass sich die Zellen des Körpers spätestens alle 7 Jahre komplett erneuern. Das heisst, jede noch so kleine Zelle im Intimbereich, die damals mit deinen Peinigern in Berührung gekommen ist, gibt es schon längst nicht mehr und alles ist auf natürliche Weise von deinem Körper frisch ersetzt worden. Alles Gute dir!

Sonne III

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