Physische und psychische Gewalt in der Kindheit

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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Maikind
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Physische und psychische Gewalt in der Kindheit

Beitrag So., 03.07.2011, 06:22

Guten Morgen.
Ich habe mich hier heute angemeldet, weil ich weiß, ohne Hilfe von außen und einer Gesprächstherapie werde ich meine Probleme nicht aufarbeiten und lösen können. Zur Zeit befinde ich mich (noch) in einer Beziehung mit einem verheirateten Mann - diese Beziehung fängt aber an, mich aufzufressen und ich bin nur noch ein Schatten meiner selbst. Begleitet von einer Depression, die ich medikamentös behandle und von der mein Umfeld auch gar nichts merkt. Und einem fiesen Tinnitus im Ohr. Das hat mich veranlasst, mal über mein Verhalten nachzudenken und darüber, warum ich mich so emotional von diesem Mann abhängig fühle.

Der wohl wichtigste Faktor, der sich wie ein roter Faden durch mein Leben zieht, ist die "Respektlosigkeit". Und das Gefühl, "ohnmächtig" zu sein, ausgeliefert, selbst nicht handeln zu können.
Und natürlich- wie soll es auch anders sein- kommen zur Zeit auch die ganzen Verletzungen aus meiner Kindheit und Jugend wieder hoch.

Meine Eltern waren einfach überfordert - so sehe ich das bisher. Sehr jung geheiratet, zwei Kinder, beide berufstätig und Ärger im Job - und finanziell standen sie früher auch nicht gut da. Als Kinder haben mein älterer Bruder und ich oft den Streit zwischen meinen Eltern mitbekommen. Teilweise hielt einer von ihnen ein Messer in der Hand, andere Streitereien waren eher "harmlos", da ging es nur um üble Beschimpfungen, dann kam das Kofferpacken und Abhauen eines Elternteils und irgendwie sind sie doch zusammengeblieben. Schade eigentlich.

Schläge, Ohrfeigen, Beschimpfungen gab es schon für mich im Kindesalter. Ich hatte immer das Gefühl, mein Bruder ist der, der mehr geliebt wird. Irgendwie hat er es nicht so abbekommen wie ich. Im Alter von 6 Jahren lag ich im Krankenhaus und wurde operiert. Am Tag der Operation waren meine Eltern nicht bei mir - und ich hatte Todesangst, als ich für die Narkose die Maske mit dem Äther (jaja, damals) aufgedrückt bekam. Meine Eltern meinten, "sie mussten doch arbeiten....?" In der Pubertät ging es richtig rund. Von meinem Vater bin ich wegen pubertärer Nichtigkeiten grün und blau geschlagen worden. Wollte ich mich vor ihm verstecken und mich einschließen, hat er die Tür eingetreten und dann richtig auf mich losgedroschen. Wollte ich daraufhin abhauen, hat er mich letztendlich doch gefunden und wieder nach Hause geschleppt. Meine Eltern haben mein Tagebuch gelesen und es anschließend vor mir noch zitiert. Sie haben mich als Scheißkind und Drecksau bezeichnet.

Ich glaube, meine Mutter litt unter Bulimie und Depressionen(die Ehe war nach wie vor eigentlich am Ende) und hat verschiedene psychosomatische Kuren gemacht. Dafür wurde ich verantwortlich gemacht. Wenn sie sich gerade übergeben hatte, dann schrie sie "alles wegen dir!"

Und dann gab es noch tausend Sachen, die ich hier gar nicht aufzählen kann. Ich weiß nur, es holt mich immer wieder ein und macht mich total fertig. Ich freue mich über Antworten, denn hier haben so viele Ähnliches erlebt. Ein Austausch wäre toll.
Liebe Grüße
Maikind

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saffiatou
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Beitrag So., 03.07.2011, 12:20

Liebe Maikind,

herzlich willkommen im Forum!

Ich habe Dich gelesen, es ist erschütternd, was Du durchmachen mußtest.

Mir geht es ähnlich. Bei mir wurde vor einem Jahr eine Depression diagnostiziert, anfangs wollte
ich es nicht wahrhaben, habe meine Kindheit schöngeredet. Irgendwann, als ich genügend Vertrauen
zu meinem Therapeuten hatte, brachen die Mauern. Nach und nach kamen dann auch Flashbacks und
immer neue Erinnerungen, auch jetzt noch.

Es tut weh sich (und anderen) eingestehen zu müssen, wie sehr man als Kind gelitten hat, mißhandlet
wurde. Ich habe dadurch es sehr schwer jemandem zu Vertrauen. Habe gelernt, daß es besser ist,
wenn ich Probleme selbst löse, meine Eltern halfen ja doch nicht. Lange war ich sicher, daß ich einfach
ein schreckliches Kind war, daß es verdient hat, da hat mein Therapeut lange arbeiten müssen um mir
klar zu machen, daß es meine Eltern sind, die die Verantwortung für ihre Taten tragen müssen und
nicht immer ich.

Ich bin noch nicht bereit mit ihnen darüber zu reden. Habe nicht die Kraft dazu, und ich möchte sie
noch immer schonen, sie sind alt, krank, mag ihnen irgendiwe nicht weh tun, weiß nicht, warum ich noch
immer Rücksichten nehme.

Liebe Grüße, Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan

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snowwhite
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Beitrag So., 03.07.2011, 12:47

Hallo Maikind, hallo Saffia,

das kenne ich auch. Lange habe ich geglaubt mit dem Auszug von zu Hause und einem eigenen Leben hätte ich alles hinter mir gelassen. Als aber vor einigen Monaten meine scheinbar glückliche Beziehung zerbrach, hat mich doch alles schlimmer denn je eingeholt.
Körperlich wurde ich nie mißhandelt (ab und an vielleicht eine Ohrfeige). Aber meine alleinerziehende Mutter litt an Depressionen und hat mich immer merken lassen, dass sie mir obwohl sie mich sehr geliebt hat die Schuld an ihrer Einsamkeit gab.
Sie hat mir immer wieder erzählt, sie habe nur wegen mir keine Beziehung, ich sei ihr ein und alles, sie hat ihren geliebten Beruf nur wegen mir aufgegeben. Teilweise hat sie sich tagelang in ihrem Zimmer eingeschlossen, oder ist für mehrere Stunden verschwunden um mich zu bestrafen. Andererseits hat sie mir finanziell so gut wie alle Wünsche erfüllt und mir nie irgendetwas verboten. Bin ich mit 14 um 5 Uhr früh nach Hause gekommen, so hat sie das nichtmal bemerkt. Aber immer wieder dieses "du bist alles was ich habe" und "für dich habe ich alles aufgegeben".
Und immer wieder weggehen, A^lleinelassen als Bestrafung.
Und trotzdem, trotz räumlicher Trennung, abgeschlossener Berufsausbildung, fühle ich mich verantwortlich für sie und lebe ständig mit dem schlechten Gewissen, mich nicht genügend um sie zu kümmern.
Ich sage mir immer wieder es ist passiert und lässt sich nicht ändern.
Unsere Kindheit war nicht die schönste, deshalb ist es unsere Aufgabe das Erwachsenenleben selbst in die Hand zu nehmen, denn das sollen sie nicht auch kontrollieren.
Lieb Grüße an euch beide
snowwhite (die heut auch im absoluten Tief steckt)
„Wer richtig liebt, der findet sich selbst.
Die Meisten aber lieben, um sich zu verlieren.“

Hermann Hesse

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Maikind
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Beitrag Mo., 04.07.2011, 18:13

Liebe Saffia, liebe Snowwhite - und alle anderen, die sich für dieses Thema interessieren.

Danke für eure Nachrichten. Es ist so unglaublich, dass ihr beiden, ebenso wie ich, eine Art Verantwortungs- oder auch Schuldgefühl für/gegenüber den Eltern bzw. einem Elternteil habt. Ich kenne das Gefühl - ich fühle mich verantwortlich und forderte mir bis vor kurzem das ein, was ich als Kind und Jugendliche nicht bekommen habe. Trotzdem bekam ich es natürlich nicht - sie geben sich mehr Mühe, ein bisschen Geld hier und da und ab und zu nennen sie mich sogar "Schätzchen". Dieses Gefühl, mich kümmern zu müssen, hat sich noch verstärkt, als mein Bruder vor zwei Jahren jeglichen Kontakt zu meinen Eltern abgebrochen hat. Genau der, der eigentlich immer das Paradekind war, hat sie in den Hint... getreten. Und jetzt stehe ich bei meinen Eltern so im Fokus, dass ich es schon nicht mehr aushalten kann und mir schon öfters eine sarkastische Bemerkung rausrutscht. Ich reduziere seit ein paar Wochen den telefonischen Kontakt (wir wohnen 2 Std. Autofahrt auseinander), so geht es mir schon etwas besser. Aber ganz den Kontakt abzubrechen, das schaffe ich nicht.

Es tut mir leid, was euch passiert ist. Ich finde, das Schlimmste Gefühl für ein Kind ist, wahllos für Geschehnisse verantwortlich gemacht zu werden. Da sich dieses Gefühl in der Kinderseele manifestiert. Und wir haben Glück, wenn wir es jeh wieder los werden, das Gefühl der Schuld und der Ohnmacht.

Im Übrigen hab ich mein Leben bisher auch alleine gemeistert. Aber unter der Fassade, die ich auch nur für ganz wenige Menschen abnehme, herrscht ein großer Scherbenhaufen. Nachdem ich den Beitrag gestern geschrieben hatte, fühlte ich mich wie nach einem Marathonlauf.

Seid lieb gegrüßt und ich hoffe, es geht euch einigermaßen.
Maikind

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saffiatou
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Beitrag Mo., 04.07.2011, 18:45

Liebe Maikind,

ich habe eigentlich nur noch telefonischen Kontakt zu meinen Eltern, wenn meine Mutter
mich ab und zu mal anruft. Besucht habe ich sie vor 5 Monaten das letzte Mal. Mir geht es
einfach zu schlecht, wenn ich sie sehe.

Vorletzten Sonntag standen sie dann plötzlich unangemeldet vor der Tür. Ich öffnete und sagte
als ich sie sah, daß es mir nicht gut geht und ich alleine sein möchte. Meine Mutter wollte sich
hereindrängeln. Sie sagte, daß sie mir auch etwas mitgebracht haben. Sie wollten sich also den
Weg freikaufen. Ich wollte nichts haben und bat sie zu gehen. Ich sah daß ich sie sehr enttäuscht
habe.

Daraufhin habe ich ihnen einen Brief geschrieben, in dem ich erklärt habe, daß sie nicht das Recht
haben mich einfach zu besuchen, obwohl sie wissen, daß ich niemanden sehen will, daß ich meine
Ruhe brauche und sie nicht mehr für mich entscheiden dürfen. Mir geht es nicht gut und ich habe
ein schlechtes Gewissen, weil ich sie nicht heriengelassen habe, weil ich den Brief geschrieben habe.

Ich habe schon einmal für die Therapie vor ein paar Monaten einen Brief an meine Eltern geschrieben,
den ich allerdings nicht abgeschickt habe. Darin habe ich geschrieben, was mich zur Zeit quält, warum
ich eine Tehrapie mache, warum ich als Kind gelitten habe, daß ich Angst vor ständigen Prügeln hatte...
Ich versuche gerade in der Therapie herauszufinden, warum ich sie noch immer schone, in dem ich
diesen Brief nicht abschicke.

Liebe Grüße, saffia
never know better than the natives. Kofi Annan

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Gold__Marie
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Beitrag Mo., 04.07.2011, 19:18

Liebe Maikind,
Es tut mir leid, was dir widerfahren ist!
Ich verstehe dich nur zu gut. Ich bin gerade "frisch" entkommen aus meinem Elternhaus, wohne jetzt alleine, habe seit über einem Jahr den Kontakt zu meinem persönlichkeitsgestörtem und koksabhängigen Vater abgebrochen.
Ihr sprecht mir aus der Seele, die ständigen Schuldgefühle gegenüber meinem Vater habe ich auch noch nicht ablegen können, was vermutlich auch noch eine Zeit lang dauern wird. Ich mache auch alles mit mir alleine ab, seitdem ich mit 16 von zuhause weg bin, lass ich mir kaum mehr helfen. Aber bei mir geht´s gerade bergauf. Es tut gut zu wissen, dass es andere gibt, die ähnlich fühlen!
Hab jetzt die erste Lebensphase, in der ich mal anhaltend zufrieden bin. Kein Terror, keine Prügel. Alles so normal. Manchmal fällt´s mir schwer dieser Ruhe zu trauen. Die mittlerweile 4 jährige Therapie hilft mir jedoch sehr. Ich glaube mein Leben ordnet sich langsam wieder, wenn ich auch noch lange an der Vergangenheit arbeiten werde. Ich bin momentan auf der Suche nach einem Ich, das mit meiner Vergangenheit UND Gegenwart harmoniert. Ich wünsch euch allen alles Gute, hoffe euer Weg wird mit der Zeit ein leichterer! Alles Liebe, Gold__Marie

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Christine_Walter
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Beitrag Di., 05.07.2011, 07:59

hey, maikind,
und wie ich das kenne, prügel und psychoterror. bei mir war es ausserdem so, dass kinder eine art "minderwertige menschen" waren und jeder versucht hat, für die unkosten, die ich verursachte (miete fürs zimmer, strom, wasser, heizung, den hunni pro jahr für klamotten, taschengeld, die halbe aldikonserve etc.) wieder was "rauszukriegen" bzw. "reinzuholen".
ich verstehe dich total...

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Maikind
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Beitrag Di., 05.07.2011, 19:40

Liebe Saffia,

ich finde es ungemein mutig von dir, dass du deinen Eltern die Tür gewiesen hast. Und dann noch einen Brief verfasst hast. Und obwohl ich dich nicht kenne, glaube ich, dass du das absolut Richtige gemacht hast, denn dir ging es nicht gut - und die Ursachen dafür haben deine Eltern auch zu verantworten. Nein sagen, wenn Grenzen überschritten werden, ist wohl unheimlich schwer. Gerade dann, wenn man noch idiotische Schuldgefühle in sich trägt. Magst du davon erzählen, was du in der Kindheit erlebt hast?

Ich minimiere zur Zeit auch den Kontakt zu meinen Eltern. Zu einem Zeitpunkt, an dem meine Mutter operiert wurde und sich nun in der Reha befindet. Ich habe es einfach nicht mehr ertragen. Meine Mutter ist oft im Krankenhaus, und nicht wegen Kleinigkeiten. Aber immer ist es- nach den Worten meiner Eltern- bei ihr besonders schlimm, die OP, das Aufwachen, die Nachsorge etc. Mein Vater ruft fast jeden Abend bei mir an und ich gehe nicht ans Telefon, weil ich dieses ganze Drama nicht mehr ertragen kann. Sie überfordern mich einfach, indem sie mein Mitgefühl fast rauspressen möchten, und ich es ihnen einfach nicht geben kann. Hier muss ich ebenso lernen, meine Grenzen zu setzen und fange gerade an damit. Aber eine Aussprache ist einfach undenkbar, weil ich aus Erfahrung weiß - habe es schon wenige Male versucht- dass sie die Vergangenheit völlig von den Tatsachen entrückt betrachten und einfach negieren, wass passiert ist. Letztendlich war ich das stressige Kind, das eine schlimme Phase hatte. Bei diesen Worten könnte ich die Decke hochgehen.

Ich wünsche dir einen schönen Abend.
Liebe Grüße
Maikind

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Maikind
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Beitrag Di., 05.07.2011, 19:54

Liebe Gold_Marie,

wahnsinn, mit 16 von zu Hause entfliehen. Wie hast du das geschafft? Hattest du Unterstützung von irgendeinem Amt? Ich freue mich, dass es dir langsam besser geht und ich glaube, je früher man damit anfängt, den ganzen Mist aufzuarbeiten, desto eher hat man die Chance auf ein "normales" Leben.
Ich bin erst mit 21 von zu Hause ausgezogen, dann aber gleich in eine Stadt, die 100km von zuhause entfernt lag. Vier Jahre später habe ich dann eine Therapie angefangen - bei einem Psychologen, der mir völlig unsympathisch war. Ich konnte ihn eigentlich gar nicht ertragen, der Mann hatte einen Händedruck wie als würde ich in einen Waschlappen fassen. Da zeigt sich doch eigentlich wieder gleich das Problem - warum hab ich die Therapie bei ihm nicht abgebrochen und mir einen anderen Psychologen gesucht? Auf jeden Fall haben diese Sitzungen rein gar nichts gebracht.
Ich wünsche dir ganz viel Erfolg bei deiner Therapie!

Liebe Grüße
Maikind

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Maikind
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Beitrag Di., 05.07.2011, 20:02

Hallo Christine,
findest du nicht auch, dass Menschen, die vorhaben, Kinder zu bekommen, vor der erfolgreichen Befruchtung erst mal einen Eignungstest als Elternpaar ablegen sollten? Einen Bogen ausfüllen, aus dem eindeutig hervorgeht, WARUM man Kinder haben möchte? Wenn ich manche Mütter heute im Umgang mit ihren Kindern betrachte, dann höre ich Sätze wie: Und was denkst du hierzu? Wie ist deine Meinung dazu? Unvorstellbar, dass meine Eltern mich das jemals gefragt hätten. Kinder hatten sich dem Willen der Eltern unterzuordnen, fertig. Wie du sagst, es reicht ja, dass man täglich Essen auffährt und ein bisschen Taschengeld bezahlt. Da darf das Kind dann nicht noch doof kommen, mit einem eigenen Willen beispielsweise.
Liebe Grüße
Maikind

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saffiatou
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Beitrag Di., 05.07.2011, 20:32

Liebe Maikind,

Du möchtest ein wenig erfahren, wie meine Kindheit aussah?....

Meine Eltern haben immer gesagt, daß ich ein Wunschkind bin - eigentlich. Sie waren acht Jahre
verheiratet, als es endlich "geklappt" hat. Aber dann waren sie auch wieder nicht auf ein Kind ein-
gestellt, wollten ihr geselliges Leben genauso weiterleben wie vorher. Sie haben mich auch schon
mal als wenige Wochen alten Säugling nachts draußen im Garten vergessen, erst so gegen 3 oder
4 Uhr fiel ihnen auf, daß jemand fehlt...

Es ist ihnen nicht im Traum eingefallen, jetzt nicht mehr auf Parties zu gehen, das haben sie trotzdem
gemacht, allerdins ohne mich, auch als Säugling haben sie mich von Anfang an Abends alleine gelassen,
es gab keinen Babysitter, der aufgepaßt hat. Ich habe ja scheinbar von Anfang an durchgeschlafen, so
daß sie keine Probleme befürchteten. Später, als ich dann etwas größer war, haben sie nur gesagt, wenn
ich sie bat mich nicht alleine zu lassen, daß ich mir dann ja den Hund hereinholen kann, falls ich Angst habe,
da war ich ca 5 Jahre alt.

Es ist eine sehr paradoxe Erziehung gewesen, einerseits, durfte ich selbst mit 5 Jahren noch nicht alleine die
Treppen herunter gehen, ich könnte fallen und tagsüber war immer ein fast erwachsenes Mädchen aus
der Nachbarschaft um mich herum, das mich betreut hat, aber Abends wurde ich alleine gelassen, wenn ich
etwas gemacht habe, daß nicht richtig war wurde ich schnell geschlagen, so heftig, daß der Gegenstand
zerbrach, oder meine Mutter erschöpft war. Sie sagte einmal zu mir: " das Einzige, daß sie bereut hat, war,
daß sie mich nachdem sie auf mich eingeschlagen hat, mich in die Schule zu schicken." sie hatte Angst, daß
ein Lehrer die Striemen sehen könnte und sie bekommt Ärger. erst in der Therapie wurde mir bewußt, daß ich
selbst heute noch vor lauter Angst den Kopf einziehe, mich nicht traue zu widersprechen.

Anderseits haben meine Eltern, als wir nach Paris fuhren, da war ich 13 Jahre alt, und ich nach dem Abendessen
noch etwas unternehmen wollte mich alleine losgehen lassen, sie haben nur gesagt, daß ich eine Visitenkarte
vom Hotel mitnehmen soll, damit ich zurück finde. Ich bin dann gegen 23 Uhr nach Hause gekommen, meine
Eltern haben schon geschlafen. Die hätten erst am nächsten Morgen gemerkt, falls etwas passiert wäre. Damals
fand ich das natürlich toll, aber heute sehe ich die Verantwortungslosigeit.

Es gibt so viele Übergriffe meiner Eltern, ich fühle mich wie gefangen und bin häufig erstarrt. daher bin ich auch
tatsächlich stolz, daß ich es geschafft habe, ihnen die tür zu weisen und auch noch einen Brief zu schreiben.
Noch haben sie nicht geantwortet

einiges kannst Du hier nachlesen:

viewtopic.php?f=4&t=17689

Ganz liebe Grüße, Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan

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Maikind
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Beitrag Mi., 06.07.2011, 20:15

Ohje, Saffia,

das liest sich wirklich schrecklich. Ich habe mir auch deinen älteren Beitrag angeschaut. Ich hoffe sehr, dass du den richtigen Weg findest, mit dem Erlebten umzugehen. Und wahrscheinlich würde jeder vernünftige Mensch dir raten, schütze dich, baue dich auf und lass dir dabei helfen. Und lass dich von deiner Familie nicht zurück in den Sumpf ziehen. Abstand halten. Dass deine Eltern nicht auf deinen Brief reagiert haben, wundert mich nicht wirklich. Sind sie eigentlich immer noch am Feiern? Wie bringen Menschen es nur fertig, ein Baby oder Kleinkind ständig allein zu lassen. Ich fasse es nicht.

Wenn ich in diesem Forum meine Erlebnisse beschreibe oder euch antworte, frage ich mich, was andere darüber denken mögen. Ob sie denken "hör endlich auf zu jammern, tu was", oder "jeder ist für sein Leben selbst verantwortlich"? Und falls es so ist, dann haben diese Stimmen sicherlich auch Recht. Ich bin dabei, es zu lernen, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen - praktiziere dies schließlich schon mehr als 20 Jahre. Aber ich will diese blöden Schuldgefühle bzw. dieses Verantwortungsgefühl loswerden, das völlig fehl am Platz ist. Und dazu gehört eben auch, den ganzen Mist erst mal rauszulassen.
Bei mir ist es so, dass ich schon seit meiner Jugend das Gefühl habe, als kleines Kind missbraucht worden zu sein. Es gibt verschiedene Anzeichen, die dafür sprechen. Mit ca. 5 Jahren hab ich meiner Mutter weinend erzählt, dass ich niemals Kinder haben möchte. Ich hatte fürchterliche Angst davor, Kinder zu bekommen. Warum? Kann es mir nicht erklären. Als mein Vater dann ein paar Jahre später einen schweren Unfall hatte, wollte ich ihn nicht im Krankenhaus besuchen. Habe ich auch nicht. Es war mir völlig egal, wie es ihm geht oder ob er es überlebt. Warum?
Und das war noch nicht die Zeit, als er mich ständig geprügelt hat. Wenn ich meinen Vater Essen "höre", könnte ich sofort meinen Besuch bei meinen Eltern abbrechen, so quält mich dieses Geräusch - was soll mir das sagen? Ich kann ihn auch ganz schlecht umarmen, ekel mich vor ihm und, wenn ich bei meinen Eltern übernachtet habe, wollte ich auf keinen Fall, dass er mich nackt sieht. Es ist mir schon unangenehm, mich vor ihm im Bikini zu zeigen. Einmal habe ich die Szene, die Begebenheit des Missbrauchs und den Ort, an dem es geschah, geträumt. Und im Traum habe ich es gewusst, dass es wahr ist, ja, genau so war es. Und kurz danach wachte ich auf und die Erinnerung ist sofort im Nirwana verschwunden. Ist das Selbstschutz? Einmal, als ich bei meinen Eltern zu Besuch war, lief im Fernsehen ein Beitrag über den sexuellen Missbrauch von Kindern durch Väter. Da hat mein Vater, der ja immer noch ein ziemliches Potential an Jähzorn in sich trägt, die Fernbedienung genommen und wütend getobt, dass man doch endlich diese Schei...e außmachen sollte.

Mein Vater hat seine Macht immer genossen. Er hat mich als Kind durch die Wohnung gejagt, böser Mann "gespielt" und sich unbändig darüber gefreut, dass ich totale Angst vor ihm hatte. Einmal bin ich bei so einer Verfolgung gegen einen Sessel gerannt und habe mir die Lehne so in den Bauch gerammt, dass ich ohnmächtig geworden bin.
Ansonsten hat er mich auch gerne in den Keller geschickt, um Wasser oder sonstwas zu holen. Na klar hatte ich Angst im Keller, da war so ein blöder Vorhang vor einer Nische, der blähte sich immer auf beim Vorbeigehen. Er hat es geliebt, wenn er mich im Wasserkasten kramen hörte, das Licht zu löschen (es gab nur den Schalter oben an der Treppe) und die Kellertür abzuschließen. Klasse Gefühl, diese Todesangst. Ich hasse ihn dafür.
Sag, Saffia, meinst du ich spinne, dass ich diese Vermutungen habe? Du hast geschrieben, du konntest dich auch sehr lange nicht erinnern.
Ich sende dir liebe Grüße und wünsche dir eine gute Nacht.
Maikind

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saffiatou
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Beitrag Mi., 06.07.2011, 21:40

Guten Abend Maikind,

ich glaube nicht, daß Du spinnst! Mein Therapeut hat mir gesagt, nachdem die ersten Erinnerungen
hochkamen, daß es in einer Therapie ganz normal ist. Man ist dabei seine Vergangenheit zu bearbeiten,
man ist in einem geschützten Raum, hat Hilfe. Da merkt die Seele, daß man bereit ist, die Dinge, die lange
verdrängt wurden zu bearbeiten und gibt nach und nach Dinge "frei" die wir mit viel Energie verdrängt haben.
Aber ich habe nicht nur den Mißbrauch, sondern auch die Mißhandlungen verdrängt, ich wollte eine Bilderbuch-
Familie, ich denke, wenn ich das nicht getan hätte wäre ich entweder verrückt geworden oder ich hätte es
nicht überlebt.

Anfangs wollte ich es ja auch nicht wahrhaben, war sicher, daß ich träume, aber dann ist mit wieder eingefallen,
welche Angst ich nach dem Mißbrauch hatte. Daß ich mich umbringen wollte, falls ich schwanger sei. UNd vor drei
Wochen kamen wieder andere Erinnerungen an zwei weitere Täter hoch. Das sind schreckliche Erfahrungen, wenn
man plötzlich wieder diese Panik spürt, tagelang hatte ich diese wiederliche flüsternde Stimme im Ohr.

Gerade heute habe ich mich mit einem sehr guten väterlichen Freund getroffen, er ist wirklich eine wunderbare
Stütze und ein toller Ratgeber, mit dem ich alles, auch was in der Therapie besprochen wird, diskutieren. Habe
mit ihm auch über meine Eltern und den Mißbrauch geredet und er sagt genauso, daß ich mich einfach nach und
nach von der Familie lösen muß, er sagt das war richtig gut für mich, daß ich mich getraut habe, meinen Eltern
die Tür zu weisen. Es tut gut zu sehen, wenn auch andere zustimmen, ich weiß genau, daß er mir nicht nur zustimmt,
weil ich es hören will, sondern ssagt mir manchmal auch Dinge die ich nicht unbedingt hören möchte. Das tut so gut.

Was Dein Vater mit Dir im Keller getrieben hat ist ja schon Sadismus, wie kann man sich nur freuen, wenn ein kleines
Kind solche angst bekommt!?!?

Es hat mit Jammern nichts zu tun! Anfangs habe ich das auch immer gesagt, aber das ist kein Jammern. Mein Freund hat
mir heute, als ich genau das Theam ansprach, gesagt, es geht nicht darum was andere schlimm finden, für Dich war
es schlimm, und zwar so sehr, daß Du krank geworden bist, daß Du gelitten hast und nur das zählt, nicht die Meinung anderer.

Ist es nicht komisch, daß wir uns trotz dem noch immer verantwortlich für unsere Eltern fühlen?? Dabei haben sie die ganze
Zeit nicht einen Funken Verantwortungsgefühl uns gegenüber gezeigt. Es war ihnen egal wie es uns ging.
Maikind hat geschrieben:Es ist mir schon unangenehm, mich vor ihm im Bikini zu zeigen. Einmal habe ich die Szene, die Begebenheit des Missbrauchs und den Ort, an dem es geschah, geträumt. Und im Traum habe ich es gewusst, dass es wahr ist, ja, genau so war es. Und kurz danach wachte ich auf und die Erinnerung ist sofort im Nirwana verschwunden. Ist das Selbstschutz?
Auch ich mag mich nicht im Bikini vor meinen Eltern zeigen, da finden auch zu viele Grenzverletzungen statt. Sie machen
sich immer lustig über mich, wenn ich mich im Bad einschließe, aber es ist absolut normal immer einfach ins Bad
zu stürmen, auch wenn ich gerade unter der Dusche stehe, ich soll mich nicht so anstellen.... Ja, Maikind, ich denke, daß
es ein Selbstschutz ist, die Seele gibt zum Glück immer nur so viel frei, wie wir verarbeiten können, sagen meine Psychiaterin
und mein Therapeut.

Ich kann diese Angst, die Du gehabt haben mußtest sehr gut nachempfinden, diese schreckliche Ansgt, niemals zu wisssen, wann
und warum man geschlagen wird. Immer auf der Hut sein müssen, niemals man selbst sein, niemals wirklich ausgelassen...

auch Dir eine gute Nacht und SCHÖNE Träume! Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan

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Maikind
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Beitrag Do., 07.07.2011, 20:03

Vielen Dank, liebe Saffia, für deine Nachricht. Es tut mir sehr gut, mich mit dir auszutauschen.
Du hast geschrieben, dass es noch zwei andere Täter gab. Es tut mir so leid. Kamen sie auch aus deinem näheren Umfeld?
Ist es nicht seltsam, dass uns das wiederholt passiert? Wie gesagt, ich bin mir nicht sicher, was damals passiert ist, aber es muss etwas ganz entscheidendes, für mich sehr Schlimmes, passiert sein. Und meine Seele sagt mir auch, dass ich mir das nicht nur ausdenke.
Mit 15 wurde ich auf einem einsamen Waldweg von einem Gleichaltrigen sexuell bedrängt. Erst fragte er nach Feuer, dann griff und grabschte er mich auch schon an und kein Mensch war weit und breit zu sehen. Ich wollte mich wehren und ihm eine knallen, aber mein Arm funktionierte wie in Zeitlupe und war plötzlich bleischwer. Ich habe ihn noch nicht einmal richtig treffen können, aber er hat dann trotzdem von mir abgelassen und ist abgehauen. Glück im Unglück gehabt, doch ich war trotzdem mit meiner Angst und der Demütigung alleine, denn meine Eltern hat es nicht weiter interessiert, als ich es ihnen erzählte, obwohl mein Vater bei der Kripo war.
Vor ein paar Jahren ging es mir seelisch ähnlich wie heute und es kamen noch Probleme mit dem Job dazu. Ich war bei meinem Hausarzt in Behandlung, zu dem ich etwa seit zwei Jahren ging. Wahrscheinlich hat er den günstigen Moment ausgenutzt, dass ich mich so am Boden fühlte. Ich war bei ihm, um mich krankschreiben zu lassen. Zum Schluss des Gespräches meinte er, er würde gerne einen Test mit mir machen. Er hat mir unangenehme Fragen gestellt, die auf mein Sexleben abzielten und ich fragte nur, wozu er sowas wissen wolle. Er stellte sich hinter mich und fing an, meine Brüste zu betatschen. Als ich ihn empört fragte, was das sollte, meinte er nur, dies wäre ein Empfindlichkeitstest gewesen, aber er würde das gerne noch genauer untersuchen und dazu einen Termin für einen Hausbesuch mit mir vereinbaren. Ich habe einfach fassungslos die Praxis verlassen und hab mich schnellstens zuhause unter die Dusche gestellt. Ich konnte es nicht fassen. Eine Vertrauensperson hat mich missbraucht. Habe bei der Ärztekammer angerufen und den Fall geschildert. Die sagten mir nur, es wäre eigentlich sehr wichtig, dies zu melden, doch im Endeffekt würde er genauso zu dem Fall befragt werden und wenn er es abstreiten würde, dann würde wahrscheinlich Aussage gegen Aussage stehen und mir wäre damit sicher nicht geholfen. Und da war sie wieder, diese Ohnmacht. In der Verfassung, in der ich war, hätte ich so ein Verfahren gar nicht durchgestanden.

Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass ich es bewundere, dass du mittlerweile schon so mutig und selbstbestimmt geworden bist. Auch wenn du dich darin noch übst und sich dieses neue Gefühl in dir erst festigen muss. Und einen guten Freund als offenen und ehrlichen Gesprächspartner zu haben, das ist sehr viel wert, das ist ein großes Glück.

Du hast geschrieben, dass du nicht nur den Missbrauch, sondern auch die Schläge verdrängt hast, um dein Leben aushalten zu können. Ich habe früher auch immer das geglaubt, was mir meine Eltern vorgeworfen haben. Dass ich ein ganz schreckliches Kind sei, nur Probleme machen würde und ich für den ganzen Streit zuhause verantwortlich wäre. Mit meinen Freunden damals habe ich kaum darüber geredet, was zuhause passiert ist. Ich wollte es auch gar nicht, sondern die kostbaren Stunden meiner Freizeit mit Lachen, Blödsinn und Unbeschwertheit genießen und nicht mit der Wahrheit, die mich wieder zuhause erwartet. Erst als ich ausgezogen bin, habe ich darüber nachgedacht, was da über viele Jahre hinweg geschehen ist. Und dass ich doch nur ein stinknormaler Teenager war, der eben irgendwann keine Lust mehr hatte, für die Schule zu lernen, der langhaarige Freunde bevorzugte, hin und wieder trank und rauchte und mal auf eine Demo wollte. Manchmal, wenn es wieder viel zu schlimm zuhause wurde, mit Beleidigungen und Schlägen, habe ich den Medikamentenschrank meiner Eltern ausgeräumt. Habe wahllos eine Handvoll Schmerztabletten und gegen was weiß ich eingeworfen und bin dann einfach zu meinen Freunden gelaufen, sofern ich noch konnte. Das war wohl meine Art der Betäubung der Schmerzen und der Verdrängung.

Letztendlich bezeichne ich mich heute als Frau, die trotz dieser Erfahrungen ihren Weg gegangen ist. Ich habe einen guten Job, der mir Spaß bereitet, habe mich von meinem Mann scheiden lassen, der mir, ebenso wie meine Eltern, ständig ein schlechtes Gewissen bereiten wollte und bin jetzt ein total beziehungsgestörter Single, der vielleicht noch eine Beziehung mit einem verheirateten Mann führt.. Da muss ich schon wieder lachen.
Bist du in einer Beziehung, Saffia? Bzw. wie sind deine Beziehungen verlaufen?

Ich freue mich auf deine Antwort.
Liebe Grüße
Maikind

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saffiatou
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Beitrag Do., 07.07.2011, 22:11

Liebe Maikind!

Es tut so weh zu lesen, was eine Vertrauensperson wie Dein Hausarzt Dir angetan hat! Und dann noch in einer
Situation, in der es Dir sowieso nicht gunt ging! Mutig von Dir es sofort zu melden, aber ich finde es so traurig,
da überwindet sich ein Opfer diesen Fall zu melden und dann passiert nichts. Das Gefühl stundenlang unter der
Dusche stehen zu müssen um den Schmutz abzuwaschen kenne ich auch sehr gut.

Traurig macht mich zu lesen, wie Du Hilfe bei Deinen Eltern geholt hast, wobei Dein Vater ja sogar noch bei der
Kripo ist, und auch da wieder keien Hilfe, kein Verständnis nichts kam! Aber eigentlich ist das ja leider auch
zu erwarten gewesen, wenn Du geschrieben hast, welche Freude er dabei hatte Dir Angst im dunklen Keller
einzujagen...

Der Austausch hier ist so wichtig, denn ich erkenne, ich bin nicht verrückt! Andere fühlen ganz genau so, ihnen geht
es auch schlecht, haben unter diesen gemeinen Depressionen zu leiden...

Der eine Täter war mein Bruder, er hat mich über einen längeren Zeitraum (ich war zwischen 17 und 20 Jahre alt)
mehrmals verg*, die anderen beiden waren Fremde, einmal da war ich 10 Jahre und wurde in einem Kaufhaus an
einem Samstag von diesem Mann erst auf der Rolltreppe bedrängt, dann hat er mich durch das ganze Kaufhaus
verfolgt und sich immer wieder an mir gerieben, mich angefaßt. Ich hatte Panik, es waren kaum Menschen unter-
wegs, denn es war kurz vor Geschäftsschluß. In Meiner Not bin ich dann in die Apotheke gegangen in der ich
kurz vorher ein Medikament für meine Mutter gekauft habe, die Apothekerin hat mich wieder raus geschickt, weil
sie gleich schließen. Ich habe auf den Mann gezeigt, der durch das Schaufenster hereinschaute, aber das hat
sie nicht interessiert. Ich mußte zurück und er wartete!

Danach bin ich monate lang nicht mehr in die Stadt gefahren.

Der andere Fall fand ca 5, 6 Jahre später statt, auch ein Fremder, den ich in der Stadtbücherei kennenlernte,
ein älterer Mann, der sich anfangs nett mit mir unterhielt...

Bei meinem Bruder ist mir einfach nicht klar, warum ich trotzdem mit ihm allein blieb, warum??
Ich verstehe nicht warum ich die letzte Fahrradtour mit ihm in den neuen Ort in den ich gezogen bin
unternahm, und dann alleine, ohne Schutz??

Genau das sind die Dinge, die mich umtreiben. Warum? Warum ist das mehrmals passiert, warum habe
ich nicht besser auf mich acht gegeben? Warum haben meine Eltern nichts gemerkt, ich habe mich
nach dem ersten Mb so verändert...

Im Moment habe ich ein richtiges Ekelgefühl für meinen Körper, ich habe angefangen ihn richtig zu hassen.

Ja, ich fange langsam, manchmal sehr langsam an mich zu wehren und es tut gut!!!!

Es war für mich eine Befreiung endlich auf der Therapie über den MB zu reden, kein Geheimnis mehr zu
haben, kein Schweigen. Da ist jemand der mich versteht und unterstützt, der mir glaubt.

Fortsetzung folgt...
never know better than the natives. Kofi Annan

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