Stuhl-Verweigerung als Kind

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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schmetterling82
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Stuhl-Verweigerung als Kind

Beitrag So., 10.09.2017, 12:07

Hallo ihr Lieben,

ich lese schon länger still mit und bräuchte nun - zumindest in einem Bereich - eure Einschätzung.
Meine Kindheit war schwierig und es ist sehr viel passiert, sehr viel unschönes. Ich habe wenig Erinnerung, was ich erinnere ist...naja. Ich kann das aber alles recht gut einschätzen und einordnen, nur mit einer Situation komme ich nicht zurecht.

Als ich etwa 5 war habe ich mich plötzlich geweigert auf die Toilette zu gehen. Ich weiß nicht mehr was der Auslöser war, ich weiß nur dass ich recht stur und ausdauernd gewesen sein muss und meine Eltern daher irgendwann zum Kinderarzt gebracht haben. Was folgte war eine Phase der Zwangs-Klistiere. Falls ihr nicht wisst was das ist: Sieht aus wie eine Klebstoffflasche mit einem langen, schmalen Hals und enthält Abführmittel. Und nein, das wird nicht getrunken...
Wirklich geholfen hat das wohl nicht, auch wenn ich mich mit der Zeit nicht mehr gewehrt habe, aber irgendwann stand das Wort "Kinderpsychiatrie" im Raum.
Und dann wurde nachgeholfen. Ich weiß noch ich musste ausgezogen ins Bad kommen. Und dann hilfen Finger nach. Holten raus, was ich wohl in mir behalten wollte.

Ich bin so hin- und hergerissen mit der Einordnung. Einerseits verstehe ich die Absichten der involvierten Personen und ja es gab scheinbar einen medizinischen Hintergrund, andererseits hat mich die Situation danach verfolgt. Ich habe nachgespielt, hatte Angst vor bestimmten Gegenständen und Personen, und irgendwie bleibt ein fader Beigeschmack.
Manchmal frage ich mich, ob ich hier nicht total übertreibe. Das alles absoluter Blödsinn ist und ich mich nur anstelle. Aber warum spüre ich dann, was ich spüre, wenn ich darüber nachdenke, wenn ich das hier schreibe.

Was ich mir wünsche sind daher Meinungen und Einschätzungen von Außenstehenden. Was ich damit mache weiß ich noch nicht. Vielleicht lösche ich das hier auch wieder, irgendwie ist es peinlich.

Schmetterling82 (aka Anna)

(Hinweis Admin: Betreffzeile von "Bitte um Einschätzung" auf obige präzisiert. Bitte zukünftig - siehe Netiquette! - möglichst aussagekräftige Betreffzeilen wählen! Danke.)

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Blume1973
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Beitrag So., 10.09.2017, 12:22

Hallo Schmetterlinge!

Ich fühlte mich hier angesprochen, weil mit genau das selbe passierte.

Ja, auch ich verweigerte das Klo gehen und auch bei mir mussten viele Einläufe gegeben werden. Damals war das ein richtiger Topf mit Schlauch. Mein Papa gab mir den Schlauch. Ich musste im Badezimmer auf einem Brett auf der Badewanne liegen und mir das gefallen lassen.

Ja, das war sehr schmerzhaft. Ich war damals ca. 3 oder 4 und hatte noch kein Schamgefühl. Aber da so etwas sehr schmerzhaft ist, war es immer mit Tränen verbunden.

Ich trage die Erinnerung natürlich mit mir rum, aber ich hatte nie das Gefühl, dass es etwas anderes war, als notwendig.

Auch jetzt, wenn ich drüber nachdenke, war es einfach notwendig, was mein Papa da getan hat. Ich fühle mich in keiner Weise "falsch" behandelt.

Ich weiß nicht, ob dir das hilft, aber ich wollte mich hier einfach mitteilen, weil ich eben exakt das Selbe erlebt habe.

Liebe Grüße
Blume
Die einzigen wirklichen Feinde des Menschen, sind seine negativen Gedanken.

Albert Einstein

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schmetterling82
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Beitrag So., 10.09.2017, 12:34

Hallo Blume,

deine Antwort hilft mir schon weiter.
Ich habe immer wieder das Gefühl, dass ich mich anstelle. Aber dann erinnere ich mich, wie ich früher wie versteinert da lag und mich einfach nur ängstlich und ohnmächtig gefühlt habe. Und doch: Es war "medizinisch", auch wenn mMn in der zweiten Situation Grenzen überschritten wurden.
Wahrscheinlich ging es dir ähnlich. Wie bist du denn damit umgegangen bzw. tust es?

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Blume1973
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Beitrag So., 10.09.2017, 12:52

Hallo Schmetterlinge!

Naja, wie ging ich damit um? Ich weinte sehr, weil ich Angst vor dem Schmerz hatte. Ich wusste damals noch nicht, dass das was Papa da tut, normal nicht getan wird. Es war einfach nur ein schmerzliches Ritual, das gemacht werden musste. Meine Eltern erklärten mir, was Papa tut und warum er das tut. Dass es wichtig ist, auf's Klo zu gehen, da ich sonst im Spital müsste und das war das letzte, was ich wollte. Spital war für mich, das Schlimmste, was es auf der Welt gibt. Daher war es mir lieber Papa bringt das wieder in Ordnung.

Vielleicht wurde dir nicht erklärt, wozu das alles gut war? Vielleicht fühlt es sich deshalb falsch für dich an? Kann das sein?

Liebe Grüße
Blume
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Albert Einstein

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schmetterling82
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Beitrag So., 10.09.2017, 13:09

Hallo Blume,

ja das könnte der Grund sein. Mir wurde nichts erklärt. Es wurde einfach gemacht. Ich habe die drohende Psychiatrie auch nur aus einem Gespräch meiner Eltern aufgeschnappt.

Gruß, Schmetterling

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Blume1973
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Beitrag So., 10.09.2017, 13:19

Hallo Schmetterlinge!

Mir hätte nicht die Psychiatrie gedroht, sondern eine Operation wegen Darmverschluss.

Ich wollte damals nicht groß aufs Klo, weil meine Eltern auf Urlaub waren und ich bei einer entfernten Tante unter kam in der Zeit. Ich musste dort auf dem Topf gehen und wollte nicht, dass diese Frau meinen Stuhl sieht. Daher habe ich verweigert und wollte erst wieder zu Hause aufs Klo. Das war dann schon zu spät. Ich konnte nicht mehr. Da mussten meine Eltern dann eingreifen. Da ich von da an, an starker Verstopfung litt, mussten sie die Einläufe weiter geben. So war das bei mir.

Ja, wenn dir nichts erklärt wurde, ist klar, dass du damit gar nichts anfangen konntest. Und diese Behandlung einfach Qual war, ohne den Grund der Qual zu wissen.

Liebe Grüße
Blume
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Albert Einstein


Jenny Doe
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Beitrag So., 10.09.2017, 16:53

Hallo Schmetterlinge!
Einerseits verstehe ich die Absichten der involvierten Personen und ja es gab scheinbar einen medizinischen Hintergrund, andererseits hat mich die Situation danach verfolgt.
Du verstehst es heute, als Erwachsene, als Person, die heute mehr Wissen hat als damals als Kind. Ich bezweifle, dass du als Fünfjährige verstanden hast, was da mit dir gemacht wird. Ich finde es absolut nachvollziehbar, dass dich das verfolgt.
Mir wurde nichts erklärt. Es wurde einfach gemacht.
Finde ich echt schlimm. Ein Kind sollte man in so einer Situation nicht alleine lassen, sondern es trösten und ihm erklären was da gemacht wird.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Pianolullaby
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Beitrag So., 10.09.2017, 21:11

ich kenne es "nur" aus meiner berufl. Perspektive.

Leider gibt es manchmal Situationen in denen dies leider nicht anders geht.
Wir hatten jemanden mit einer Lähmung, da musste das gemacht werden.
Ganz schlimm finde ich, wenn darüber nicht gesprochen wird.
Besonders bei Kindern.

Ich habe versucht, da immer lieber zu viel zu sagen, als zu wenig.
Weil Stop weniger schwierig ist, als nichts zu wissen.

Tut mir leid, dass ihr so was ertragen musstet.
Träume nicht Dein Leben, lebe Deinen Traum


montagne
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Beitrag Mo., 11.09.2017, 18:26

Ich denke, die Frage, ob man sich anstellt, sollte man sich so nicht stellen. Man hat es damals so empfunden und es wird Gründe haben, warum man es so empfand und warum es einen immer noch belastet. Ich denke man sollte sich da selbst ernster nehmen.

Gleichzeitig vielleicht nicht vergessen, dass vor 20-30 Jahren vieles noch anders war in der Kindererziehung und vor allem im Umgang mit kranken Kindern. Das Kind einzubeziehen, ihm alles kindgerecht zu erklären war damals sicher weniger vorhanden als heute. Auch weil Ärzte die Eltern viel weniger aufgeklärt, angeleitet und einbezogen haben. Die gesellschaftlichen Verhältnisse waren damals andere. Damals war das wissen auch viel weniger verbreitet, wie sich solche Dinge auf die seelische Entwicklung des Kindes auswirken.

Wenn ich sehe, wie fachlich kompetent und selbstbewusst heute Eltern von kranken Kindern mit der Erkrankung ihres Kindes umgehen und wie sie als Vermittler und damit "Macher" zwischen den einzelnen Professionen (Ärzte, Pflegepersonal, Therapeuten, Pädagogen) agieren, dann staune ich selbst manchmal. Ich finds gut und richtig. Aber damals war es oft eben noch anders.

Ist vielleicht auch die Trauerarbeit, die jeder wohl jeder leisten muss, der jenseits der sagen wir 30-40 ist. Erkennen, dass die nachfolgende Generation es in wichtigen Bereichen des Lebens leichter hat als man selbst es in seiner Generation hatte.
Ist gut, denn zeigt, wie bewegen uns nach vorne als Gesellschaft und in den Familien.
amor fati

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