Kaum ein Vorurteil über die Rechtspflege hält sich so hartnäckig wie: "Wenn Aussage gegen Aussage steht, dann können sie nix machen."
Eine solche Beweisregel gab es in einzelnen deutschen Ländern vor der Reichsgründung 1871. Durch diese wurde die Justiz "Reichssache" und im Zuge der "Reichsjustizgesetze" sind die früheren Beweisregeln durch die "freie Beweiswürdigung" ersetzt worden. Die anderen deutschsprachigen Länder haben diese Justizreformen aufmerksam beobachtet und sodann - zT noch verbessert - bis Anfang des 20. Jahrhunderts nachvollzogen. Der "Bart" von "Aussage gegen Aussage" ist also gut 100 Jahre alt.
Vielleicht hält sich dieses Vorurteil so lange, weil es in Zivilprozessen häufig vorkommt, daß die Beweisaufnahme kein eindeutiges Ergebnis zutage bringt und sodann eine "Beweislastentscheidung" getroffen werden muß. Das ist bei Verkehrsunfällen leider recht häufig und da kann es in der Tat zu der Situation "Aussage gegen Aussage" kommen ... ?
Für die Beurteilung einer Aussage stehen heutezutage die Methoden psychologischer Aussagekritik zur Verfügung, auch die Verhörstechnik ist entsprechend fortgeschritten. Meine Juristengeneration, die Anfang der 90er Jahre ausgebildet worden war, gehörte zu den ersten, die auch darin schon geschult wurden. Ein Fachmann - ein Richter, Staatsanwalt oder Kriminalpolizist - kann heute sehr präzise die "Glaubhaftigkeit" einer Aussage und die "Glaubwürdigkeit" des Aussagenden beurteilen.
Leider ist es auch so, daß Vorwürfe sexueller Gewalt oft zu unrecht erhoben werden. Uns Referendaren sagte man, daß im Saarland Anfang der 90er Jahre über 80% aller Ermittlungsverfahren wegen sexueller Gewalt von Männern gegen Frauen eingestellt wurden, ohne daß der Beschuldigte auch nur vernommen worden war - weil die Anzeigen ganz offenkundig falsch und plump erlogen waren. Das regelmässige Motiv: Rache für sexuelle Zurückweisung bzw. Beziehungsabbruch durch die Männer.
Das führt natürlich zu einem "psychologischen Gegenwind", der sich tragischerweise auch gegen die wirklichen Opfer richtet.
Man kann aber heute in den deutschsprachigen Ländern durchaus Vertrauen haben in die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte. Sexuelle Gewalt wird sehr ernst genommmen, schon bei der Polizei erfolgt die Vernehmung durch speziell geschulte Kriminalisten - auf Wunsch regelmässig auch durch Frauen - die wegen der häufigen Falschanzeigen zwar auch sehr kritisch und genau sein müssen, aber auch sehr einflühlsam vorgehen.
Die Auffassung, man solle sich als Opfer auf jeden Fall wehren, um durch Verletzungen Beweise für eine Körperverletzung - also einen weiteren Straftatbestand - zu schaffen, halte ich für geradezu grotesk abwegig. Denn erstens können diese Verletzungen sehr leicht tötlich werden und zweitens hat doch erst unlängst der berühmte "Fall Kachelmann" gezeigt, daß Frauen, die aus Rache falsche Beschuldigungen gegen einen ehemaligen Sexualpartner erheben, zuweilen noch nicht einmal vor "SVV" zurückschrecken.
Ich selbst will mich nicht erdreisten, Frauen Ratschläge zu geben, wie sie sich bei sexueller Gewalt am sinnvollsten verhalten sollen. Das hängt m.E. viel zu sehr von den Umständen des Einzelfalles ab. Ich kann mir durchaus Konstellationen vorstellen, in denen der erzwungene Sex das "kleinere Übel" sein kann - aber auch Solche, in denen er für das Opfer eine katastrophale (Re-?)Traumatisierung bedeuten kann, von körperlichen Folgen wie Infektionsrisiko und möglicher Schwangerschaft durch Vergewaltigung ganz abgesehen. Eine körperlich schwache, evtl. behinderte Frau befindet sich zudem in einer ganz anderen Lage, als eine durchtrainierte Kampfsportlerin. Hier kann man wohl kaum eine allgemeingültige Regel aufstellen.
nur 'Belästigung'
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Da kenne ich aber viele gegenteilige Beispiele, und die Beratungsstellen empfehlen nicht grundlos, sich eine Anzeigen nicht anzutun, weil selten was dabei rauskommt.Möbius hat geschrieben: ↑Mo., 31.07.2017, 09:15
Man kann aber heute in den deutschsprachigen Ländern durchaus Vertrauen haben in die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte. Sexuelle Gewalt wird sehr ernst genommmen, schon bei der Polizei erfolgt die Vernehmung durch speziell geschulte Kriminalisten - auf Wunsch regelmässig auch durch Frauen - die wegen der häufigen Falschanzeigen zwar auch sehr kritisch und genau sein müssen, aber auch sehr einflühlsam vorgehen.
Es gibt bei Belästigung aber auch Unterschiede, bei sexueller sowieso. Bspw. zählt es nicht wirklich als solche, bzw. ist 'gar nix' wenn dir jemand untern Rock grabscht - wenn man eine Strumpfhose und 'natürlich' Unterwäsche trägt. Da der Schambereich dabei nicht direkt berührt wird.
[wegzudenken, mehr nicht]
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