Ich (weiblich) neigte zu schwerer Gewalt...

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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stürmisch20
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Ich (weiblich) neigte zu schwerer Gewalt...

Beitrag Do., 13.03.2014, 07:48

Hallo,

ich bin 30 Jahre und weiblich und neu hier im Forum. Ich wollte mal meine Geschichte erzählen und fragen ob es hier jemanden ähnlich geht.

Ich war bis ich circa 14 Jahre war ein sehr liebes und süßes Mädchen, sehr verkuschelt und anhänglich. In meiner Familie gab es auch keine außergewöhnlichen Probleme.
Irgendwann fing das plötzlich an, mit circa 16 Jahren, dass ich zunehmend wütend und aggressiv geworden bin. Damals war ich auf dem Gymnasium, hatte sehr gute Noten, war beliebt alles war "eigentlich" ok. Nur wurde ich immer gereizter, aggressiver gegen andere Menschen. Es fing dann an, dass ich immer öfter körperlich wegen absoluter Nichtigkeiten auf andere los gegangen bin - auch innerhalb meiner Familie. Das wurde dann relativ schnell richtig extrem. Ich hab einen Hammer auf meine Mutter geworfen, regelrecht im Haus alles kaputt geschlagen, eine Küchenmaschine durchs geschlossene Fenster geworfen, Auto demoliert und und und. Ziemlich oft mich geprügelt...leider hat mir niemand geholfen und keiner wusste damals was los ist. Bis ich circa 26 war gab es noch sehr viele Prügelein. In allen Beziehungen mit Männern hab ich wirklich jeden ab einem gewissen Zeitpunkt regelrecht verprügelt. Ich bin eine eher zarte Person und sehe aus wie ein unschuldiges Reh und sehe auch absolut seriös aus, die Männer wollten immer Reihenweise was von mir. Leider ahnten die nicht(ich auch nicht) dass es dann doch so schnell ausartet. Ich hab oft Sachen schwer beschädigt von anderen Menschen, zigmal ernste Probleme in der Öffentlichkeit gehabt wegen Beleidigung, Beschädigung usw (immer aus der Aggression! Nie aus Langeweile oder ähnliches)...ich hab Menschen auch seelisch massiv verletzt durch unglaubliche persönliche Beleidigung die völlig unangemessen waren. Nach dem Abi hab ich angefangen BWL zu studieren (ja in all dem Wahnsinn gab es sogar noch Normalität wie Schule und Uni) und auch dort gab es viele Gewaltprobleme meinerseits. Es war einfach in all den Situationen so, dass ich innerlich massivste Gewaltgedanken hatte, schwere Aggressionen und oftmals auch konkrete Tötungsabsichten (die ich aber nie umgesetzt hab!).

Auch wenn die Gewalt so massiv von mir ausging, hab ich extrem darunter gelitten. Mir tat es immer furchtbar leid, dass mein Umfeld und alle so unter mir leiden. Ich litt ja selbst sehr unter mir. Mit 26 hatte ich dann das schwerste Ereignis. Ich war mit einem Mann zusammen und hab ihn körperlich so schwer verletzt, dass er 10 Tage auf der Intensivstation war. Ich war danach seelisch so am Ende, dass ich nicht mehr wusste was ich machen soll. Meine Eltern haben mir dann für 4 Monate eine stationäre Therapie ermöglicht (die musste selbst bezahlt werden) in einer Klinik die ganzheitlich arbeitet. Also schulmedizinisch, naturheilkundlich, mit TCM (traditionelle chinesische Medizin). Es war spätestens da einfach klar, dass mit mir etwas gravierend nicht mehr stimmen kann und alles mal abgecheckt werden muss, wieso das bei mir so ist. Ich bin meinen Eltern so dankbar dafür, dass sie nicht mich einfach in eine Psychiatrie gesteckt haben, da ich sonst wohl nicht gesund geworden wäre. Dort in der Klinik wurde eine sehr schwere Schwermetall- und Umweltvergiftung festgestellt und auch verschiedene körperliche Erkrankungen. Woher ich die habe ist schwer zu sagen. Aber bis ich 14 war hatte ich eben nie Aggressionen und war "normal". Ich hab dann 12 Monate lang dort verschiedene Therapien bekommen und die Gifte wurde bei einem Toxikologen über Infusionen ausgeleitet. Eine Psychotherapie oder ähnliches fand nicht statt. Diese schweren Aggressionen und der große Druck innerlich war relativ schnell weg. Nach circa 8 Wochen, nach dem die Therapien angefangen haben. Dann wurde alles richtig gut und es ging total aufwärts. Ich hab danach nie wieder Aggressionen gehabt oder zu Gewalt geneigt...heute fühle ich mich so anders innerlich, seit die ganzen Gifte raus sind. So ruhig und friedlich und freue mich über viele Dinge.

Gleichzeitig bin ich so traurig. 12 Jahre meines Lebens sind weg und ein riesiger Scherbenhaufen. Ich hab so viele Menschen verletzt und Schaden angerichtet. Ich bin auch durch 3 Sachen vorbestraft und hab noch circa 30 Tausend € Schulden wegen Sachbeschädigung. Das ist auch alles zu Recht so, aber es fühlt sich auch ungerecht an. Ich hab all den Menschen denen ich Gewalt angetan hab lange Briefe geschrieben, auch denen wo die Ereignisse schon Jahre her sind. Ich hab mich einfach aufrichtig entschuldigt und meine Situation erklärt. Nur ich selbst bin auch irgendwie traumatisiert durch die Ereignisse. Die Aggressionen sind völlig weg, jetzt schon seit 3 Jahren. Aber ich bin einfach so traurig...oft wache ich auf oder habe so Schrecksekunden wo ich die Gewalt wieder vor Augen hab und alles was passiert ist. Ich merke auch erst jetzt, wie weich und sensibel ich eigentlich bin. Eigentlich würde ich gerne eine Traumatherapie machen, aber traue mich noch nicht richtig.
Zuletzt geändert von stürmisch20 am Do., 13.03.2014, 08:13, insgesamt 5-mal geändert.

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stürmisch20
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Beitrag Do., 13.03.2014, 07:54

In der Klinik wurde mir gesagt, dass Umweltgifte, Schwermetalle usw ernste psychische Probleme machen können. Auch Psychosen usw.. Das wusste ich vorher gar nicht und meine Eltern auch nicht. Ich hab danach mich natürlich intensiv darüber informiert und vieles passte doch zusammen. Ich war während meines Aufenthalts auch bei einem Neurologen, der sagte, dass Emotionen biochemisch sind und der Toxikologe sagte ganz klar, dass Umweltgifte aus seiner Erfahrung schwere seelische Krankheiten auslösen können. All das wusste ich nicht...

Hat jemand schon mal solche Erfahrungen gemacht, dass seine seelischen Probleme durch eine Krankheit oder das was ich erlebt hab hervorgerufen wurde???
Ich weiß zwar mittlerweile von verschiedenen Seiten, dass es das gibt, aber mir würde es helfen wenn ich vielleicht mal andere Betroffene kennen lerne.

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Nico
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Beitrag Do., 13.03.2014, 08:25

Buh das ist aber eine ziemlich beeindruckende Geschichte die du da erlebt hast.
Ich sag dir gleich, ich hab da keinerlei Erfahrungen damit, nur auf deinen Satz von den 12 jahren deines Lebens die Weg sind kann ich dir etwas antworten.

Ich war von meinem ca.16. bis zum 28. Lebensjahr schwerer Alkoholiker, kenne daher das Gefühl zig Jahre sinnlos vergeudet zu haben, weil mir dieser Gedanke auch ab und zu gekommen ist. Aggresiv war ich nie, dennoch habe ich durch meine Sauferei auch Menschen die mir nahe standen ( vore allem meine Eltern) verletzt und ihnen große Sorgen bereitet.
Ungeschehen machen kann man soetwas nicht mehr, aber man kann sich bemühen im hier und jetzt entsprechend aufmerksam zu diesen Menschen zu sein.
Wenn jemand keinen Kontakt mehr haben möchte sollte man das akzeptieren und einsehen, übergroße Schuldgefühle helfen jedoch auch nicht weiter.

Bei mir ist es ganz sicher so, dass ich, hätte es meinen Alkoholismus nicht gegeben, heute nicht der Mensch wäre der ich bin und das meine ich jetzt im positiven Sinn.
Daher profitiere jetzt nicht nur ich davon, dass ich viele Jahre meines Lebens vergeudet habe, sondern auch die Menschen mit denen ich jetzt zu tun habe.

Vielleicht kannst du es irgendwann auch so sehen, ich wünsche es dir.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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stürmisch20
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Beitrag Do., 13.03.2014, 08:41

Hallo, danke für deine Antwort.

Haben diese Menschen dir denn verziehen?

Ich selbst fühle mich so schuldig obwohl ich krank war. Trotzdem ist es selbst für mich schwer zu begreifen, dass all das aus einer Krankheit entstanden ist. Normalerweise denkt man bei Krankheit ja nicht an Aggression.
Eigentlich haben mir alle verziehen...manche werde aber wohl nie mehr warm mit mir. Ich war einfach unverzeihlich schlimm zu manchen Menschen, da hilft auch keine Erklärung für die mehr. Aber ich versteh es auch. Wenn ich einfach nur krank für mich gewesen wäre (mit Krebs oder andere Krankheiten) könnte ich wohl besser damit leben. Aber ich hab überall Schaden angerichtet und muss jetzt auch mit den Konsequenzen noch lange leben. In mir spüre ich über all das eine so große Trauer...weil es nicht nur mein Leben komplett verändert hat sondern auch das anderer Menschen. Ja vielleicht werde ich irgendwann positiv darüber denken...ich bin ja auch dankbar, dass es mir soviel besser geht und mir trotzdem meine Familie und Freunde geholfen haben. Ach ich weiß auch nicht...ich bin sehr traurig über all das.

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Nico
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Beitrag Do., 13.03.2014, 08:52

Ja die Menschen in meinem unmitelbaren Umfeld haben mir verziehen, aber ich habe sicher auch vielen Menschen unrecht und weh getan mit denen ich überhaupt keinen Kontakt mehr habe und die nicht wissen was aus mir geworden ist.
Vielleicht solltest du einfach zu dem stehen was du getan hast und das WARUM nicht so in den Mittelpunkt stellen.
Ich hab gesoffen, ich könnte das ja auch in erster Linie als Krankheit definieren und mich dadurch irgendwie " abputzen".
Mach ich aber nicht, weil es in Wirklichkeit nebensächlich ist WARUM und WIESO ich gewisse Dinge damals gemacht habe.
Den Leuten hat es weh getan und es hilft ihnen in Wirklichkeit überhaupt nix, dass ich es als nüchterner Mensch niemals getan hätte.
Was geschehen ist, ist geschehen und lässt sich nicht rückgängig machen, lebe im hier und jetzt, schau nach vorne und zieh deine Schlüsse aus deinem damaligen Verhalten.
Damit tust du deinem Umfeld und auch dir den besten Dienst den du machen kannst.
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stürmisch20
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Beitrag Do., 13.03.2014, 09:01

Ja das ist wirklich wahr was du da schreibst.
Ich kämpfe seit circa einem Jahr oft mit vielen Bildern im Kopf, die plötzlich da sind. Alles hat mit den Gewaltsituationen zu tun. Ich schrecke oft richtig auf und seh das vor meinem inneren Auge...ich wäre froh wenn das aufhört.

Hast du denn jemals eine Therapie gemacht wegen deinem Alkoholismus? Wie hast du das denn überwunden?

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Nico
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Beitrag Do., 13.03.2014, 09:05

Ja ich hab damals mit 28 eine stationäre Entziehungskur gemacht und bin dananch eine Zeit lang zu einer Selbsthilfegruppe gegangen.
Klar hast du da noch viel im Kopf und dein Unterbewußtsein wird sich da wohl noch lange ab und zu melden, dasmit musst du leben.
Nimm es an, es gehört zu dir und irgendwann wird es immer seltener und hört auf.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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sadmaso67
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Beitrag Fr., 14.03.2014, 01:22

stürmisch20 hat geschrieben:....

Haben diese Menschen dir denn verziehen?

Ich selbst fühle mich so schuldig obwohl ich krank war. Trotzdem ist es selbst für mich schwer zu begreifen, dass all das aus einer Krankheit entstanden ist. Normalerweise denkt man bei Krankheit ja nicht an Aggression.
Eigentlich haben mir alle verziehen...manche werde aber wohl nie mehr warm mit mir. ...
(Meine Erfahrung)
Menschen, die dir etwas "Vorhalten" wollen; werden dies ewig tun;
egal ob du als "Kind" etwas gemacht hast; von dem du heute nichts mehr weißt;
oder als "Jugendlicher" - dessen man sich Jahre später, in Grund und Boden schämt.

Da es jemanden recht zu machen/dessen "verzeihen" erlangen...
kommt der Jagd, oder besser gesagte dem Steine rollen von Sysiphus gleich.
Man wird es nie ernsthaft wissen; ob es jemand nicht vlt. dann doch eines Tages hervorholt.

Ich denke; es ist ein guter Anfang; wenn MEnschen (die dir wichtig sind) "verstehen" lernen, warum das alles passierte; und nicht das du das als "ich muß jetzt erklären/Im muß jetzt entschuldigen" (ich muß alles bereinigen, damit der Schaden geringer wird)
sondern "effektiv" begreifen.
Ich denke, dann setzt ein "verzeihen" automatisch ein; denn es ist leichter inzuordnen; daß jemand mal nicht Herr seiner Sinne war; weil dies und jenes war.

Die Erklärung (Schwermetalle)... nu; da wird es sicherlich auch genügend Skeptiker geben; die das als "vorgeschoben" abtun - diese Menschen wirst du wohl nie gewinnen; auch dann nicht, wenn du die nächsten 50 Jahre ein "guter" Mensch bist.

Zu: 12 Jahre verloren;
Hmmmm;
Ich habe ein paar Tacken mehr am Tacho als du; und es hängt (aus meiner Sicht) wohl die Uhr, die lauter tickt, näher an mir, als an dir;
und da hat es ne ganz andere BEdutung; wenn ich dir sage; das mir meine letzten 12, 25 Jahre "fehlen" genommen wurden (Was den Schritt in die Zukunft umso schwieriger macht); weil auch noch die Jahre der Aufarbeitung hinzukommen... und das (aus meiner Sicht) ja schon gar nicht mehr lohnt; weil eh nur das selbe rauskommt; was ohnedies schon da ist....
12 Jahre... da wird jemand "über mir"; also noch mehr Runden am Tacho, müde lächeln....
Aber Zeit, Ist Zeit; und es ist egal, wann jemand drauf kommt: Wie kostbar diese ZEit ist; denn sie ist nunmal endlich

Natürlich rede ich mir leichter; wenn ich sage, das es sehr von den Lebensumständen abhängt; denn andere beginnen mit 30 erst ihr Leben; alles davor war Spielwiese; und mit 30 kann man wesentlich leichter ein zweites, ein drittes Mal durchstarten - da ist noch nichts verloren

Grundsätzlich finde ich nichts falsches daran; das versuchen "aufzuarbeiten";
ob es allerdings gleich ne Traumatherea sein muß; oder ob es nicht auch ein normaler Thera tut; das müßtest du dir beantworten -en details;
Grundsätzlich kann man dir zu diesem Schritt nur gratulieren; respektive dich ermuntern; auch, wenn du "zwischenzeitlich" imemr wieder mit Altlasten konfrontiert werden wirst.
Aber auch da ist "Begleitung" ncihts schlechtes
Ein Freund ist jemand, der Dein Lächeln sieht, und dennoch erkennt, dass Deine Seele weint...

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