Arbeitsverlust mit 50: Lebensplanung und Lebenssinn

Was Sie in Bezug auf Ihre eigene Zukunft, oder auch die gegenwärtige Entwicklung der Gesellschaft beschäftigt oder nachdenklich macht.
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Pickwick
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Arbeitsverlust mit 50: Lebensplanung und Lebenssinn

Beitrag Fr., 22.04.2016, 19:08

In der Firma für die ich arbeite (Verlagswesen) werden sämtliche Mitarbeitenden über 50 systematisch herausgeworfen. Teilweise mit Abfindungen, teilweise durch „herausgraulen“. Die Stellen werden mit wesentlich jüngeren Mitarbeitenden neu besetzt. Mich hat es auch erwischt.

Ich habe meine Arbeit sehr gerne gemacht und liebe meinen Beruf. Neben dem Problem eine neue Arbeit zu finden (in meiner Branche fast unmöglich) nagt es sehr an mir, nicht mehr gebraucht zu werden. In der nächsten Zeit muss ich mich damit auseinandersetzten, wie ich mein Leben umbauen möchte.

Dabei habe ich natürlich starke Zukunftsängste (finanzielle Situation) und ich merke auch, dass ich von der Kraft her nicht mehr 30 bin. Nach der ersten Schockphase aus einem Wechselbad der Gefühle (Wut, Angst, Niedergeschlagenheit) habe ich jetzt eine freiberufliche Tätigkeit begonnen. Die Erfolge dabei sind mehr für mein angekratztes Selbstbewusstsein gut. Finanziell reicht es leider (noch?) nicht. Es kostet mich sehr viel Kraft, jeden Morgen wieder aufzustehen und meinen Weg zu suchen.

Ich würde mich gerne hier mit Menschen austauschen, die ähnliche Situationen erleben oder erlebt haben. Ich glaube auch, dass diese Art der Lebenskrise sicher (im Zeitalter des Neokapitalismus) keine Seltenheit ist.

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ENA
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Beitrag Fr., 22.04.2016, 19:16

Ich kann mir schon vorstellen, dass die Situation schwierig ist. Ich selber bin etwas jünger, kenne das mit dem "Und wie soll es weiter gehen?" aber auch sehr gut, weil in meinem Bereich lauter befristete Verträge sind. D.h. das Jahresverträge keine Seltenheit sind. Manchmal auch für 2-3 Jahre, manchmal auch nur für ein halbes Jahr. D.h. man ist eigentlich jedes Jahr neu dabei seine Arbeit zu suchen. Das belastet auch ziemlich, man kann nicht planen, es geht an die Energie. Wenn Du aber für Dich schon was gefunden hast, was Du freiberuflich machen kannst, ist das doch schon mal ein guter Ansatz. Vielleicht lässt sich das ausbauen oder das Gelernte in andere Bereiche einsetzen.

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krawallbürste
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Beitrag Sa., 23.04.2016, 14:32

Pickwick hat geschrieben:I
Ich würde mich gerne hier mit Menschen austauschen, die ähnliche Situationen erleben oder erlebt haben. Ich glaube auch, dass diese Art der Lebenskrise sicher (im Zeitalter des Neokapitalismus) keine Seltenheit ist.
Seltenheit ist es keinesfalls 991 000 Erwerblose Ü50 Stand 12/15 in Deutschland. Allerdings werden die ab dem erreichten Alter von 58 j. nicht mehr erfasst (eleminiert). Ich vermute mal 1,5 Mio insgesamt an Erwerbslosen Ü50.

Es ist sehr schwierig oder fast unmöglich sich in den vorherigen Zustand zubringen einen herausfordernden und selbstverwirklichten Job mit fairem Gehalt zu erhalten. Ich bin da recht aktiv in einem Forum ,in dem es auch Thema ist Ü50 und Erwerbslosigkeit, somit weiss ich wovon ich rede und schreibe.

Unterstützung?! Die wirste sicher durch Arbeitsagentur o. Jobcenter nicht erhalten. Denen ist es egal was du tust, Hauptsache sie können dich aus der Statistik eleminieren und das auch mit einem Scheizzjob kombiniert mit unterirdischem Einkommen.

Ich denke Du bist auf nem guten Weg mit Freiberuflichkeit/Selbständigkeit. Die große Frage ist hier nur Sicherung eines Einkommens von dem man Leben kann. Da musste schauen!

Ich habe für für mich einen Weg gefunden, werde ihn hier aber nicht dokumentieren und das hat seinen Grund.
Mit geht es zuersteinmal-heutiger Stand-nur um Knete, das ich hier nicht an der gewollten sozialen Verlendung teilnehmen muss. Mehr zählt für mich nicht mehr!

Gruss Krawallbürste

Ps. Pass auf deine Abfindung auf- beim Bezug H4- wird sie eventuell gefressen!!!!

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Hiob
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Beitrag Sa., 23.04.2016, 14:51

Hallo Pickwick.

Sehe ich auch so, in Zeiten steigender Produktivität und Automatisierung werden einfach nicht mehr so viele Menschenarbeitsstunden gebraucht. Es sollte eigentlich auch ein Segen für uns sein, denn wer eine Motorsäge hat, sägt auch nicht mehr mit der Hand, weil er gern schwitzt oder Kräne am Hafen werden einfach genutzt und wir sollten nicht versuchen weiter die Säcke mit dem Rücken aufs Schiff zu schleppen, nur damit wir gebraucht werden. (Das Gebrauchtwerden sollten wir wieder von diesen 8 fremdbestimmten Stunden und von einer fiktiven Zahl auf einem fiktiven Konto lösen.) Erfindungen und Entwicklungen könnten uns nutzen. Normalerweise so, dass die Restarbeit unter denen die wollen und können aufgeteilt wird, aber das ist aus Gründen der Menschenführung und Menschennutzung politisch nicht erwünscht.

Deine Krise könntest du jetzt konstruktiv nutzen. Bislang versuchst du m.E. dich an Lösungen erstmal noch auf die gleiche Weise, wie bisher...indem du die vorgegebene Arbeit einfach durch selbstgesuchte ersetzt. Funktioniert ein bisschen, aber scheint unbefriedigend. Ich würde mal paralell ganz neue Wege suchen. Neue Methoden, neue Ideen für deine Lebensgestaltung. Vielleicht kannst du auch den Fokus weg von der Arbeitswelt...hin zu etwas anderem verlagern, was dir heute Freude macht und trotzdem für dich und dein direktes Umfeld sinnvoll ist. "Heute" sag ich deshalb, weil sich das innerhalb des Lebens verändert. Man isst nicht 80 Jahre Tag ein Tag aus Erdbeertorte gern und nur Erdbeertorte.

Ich will hier keien Vorschläge machen. Wollte nur sagen, dass man manchmal solange immer wieder durch die alte Glasschaibe fliegen will...mit noch mehr Schwung und noch mehr (immer neue Geschäftsideen, Coaching, mehr Startkaital, Umschulungen, Therapien)...bis man vielleicht merkt, neben der Glasscheibe ist alles frei oder vielleicht ist sogar die Tür offen, man muss nicht unbedingt da durch. Die Gesellschaft will dich ermuntern da durch zu fliegen, das macht dich nutzbar. Aber kannst du da überhaupt durch? Musst du das? Dieses Methode wechseln wird oft nur durch Scheitern ermöglicht, durch schwere Krankheit, Verlust oder andere Zusammenbrüche. Ich würde schauen, ob ich die jetzige Lage für soeinen Methodenwechsel bereits nutzen will oder ob vielleicht der Leidensdruck das später selber erzwingen soll. Manchmal ist es besser, etwas aufzugeben, solange man noch Restkraft hat...bevor die auch noch weg ist und man den Neubeginn nicht mehr selber in der Hand hat.Solange du noch kraft für Entscheidungen hast, ist auch Aufgeben eine bewußte Entscheidung. Macnhmal ist sogar sowas unpopuläres die weiseste Entscheidung.

Das Wesen solcher Situationen ist, dass der Ausweg nicht und absolut nicht erkennbar erscheint. Dass es später aber eher komisch wirkt, dass man da nicht eher drauf gekommen ist. Man kann solche Auswege nicht mit "starkem Grübeln" und noch mehr Grübeln erzwingen. Es sind eher die spontanen Ideen, Interessen und Leidenschaften, Begegnungen..., auf die man achten muss. Diese sollten möglichst vom Denken nicht immer gleich kommentiert und unterdrückt werden, sondern in Ruhe wirken. Es wird nachher im Alter immer wichtiger, das überhaupt noch zu erkennen, was einen begeistert und dem Raum und Nährboden zu geben. Sonst wird alles fad und das Denken versucht fehlende Lebensfreude durch irgendeinen an den Haaren herbeigezogenen, aber auch fragilen Lebenssinn mühsam zu ersetzen.Ich hoffe das war nicht zu abgehoben...aber mir war grad danach.

Alles Gute damit
Hiob

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Pickwick
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Beitrag Sa., 23.04.2016, 18:44

Hallo ENA, Krawllbürste und Hiob,

vielen Dank für Eure Gedanken und Antworten. Nein, Hiob, Deinen Beitrag empfinde ich nicht als abgehoben.

Ena, ich stelle mir auch vor, dass diese Zeitverträge nicht gerade motivieren. Nur über Druck und damit in ungesunder Weise. Meine Nichten leben auch nur von Job zu Job und immer wieder in anderen Städten. Kaum Beziehungen und immer auf der Suche nach WG-Zimmern und besseren Jobs.

Krawallbürste, meine Abfindung hat sich zum großen Teil schon die Steuer geholt. Ich fühle mich schon "nutzlos" und genau das bin ich ja auch für den Arbeitsmarkt. Das Arbeitsamt hat mir keine Hoffnung gemacht. Es war kein "böswilliger" Sachbearbeiter, sondern jemand, der den ganzen Mist nur zu gut kennt und auch selber resigniert schien.

Mein Arbeitgeber hatte mir gesagt, dass ich die Kündigung doch bitte als Chance sehen solle und ich ja jetzt das tun könne, was mir Freude bringen würde. So ein Spruch ist schon übel von der Person, die einen in diese Not bringt.
Aber, Hiob, ich weiß, dass du es anders meinst. Und tatsächlich ist es eine Möglichkeit auch nach anderen Methoden zu schauen, solange man noch Handlungsspielraum hat. Ohne Gesundheit geht ja auch nix mehr. Ich finde Deinen Hinweis sehr anregend und ich kann mich damit gut anfreunden, zumindest jetzt in diese Richtung zu denken.

Wahrscheinlich habe ich Lebenssinn zu einem sehr hohen Anteil über meine Arbeit (nicht über das Gehalt) gefunden. Ist schwer, sich davon zu lösen nach so einer langen Zeitspanne und doch auch sehr guten Gefühlen, die ich mit meiner Arbeit verbunden habe.

Herr Freud soll auf die Frage, was den Glück ausmache, geantwortet haben: Gelungene Beziehungen und befriedigende Arbeit. Das mit den Beziehungen reduziert sich bei mir jetzt automatisch auf die gelungene kleine Gruppe. Mit meiner freien Arbeit geht so "ein wenig". Vielleicht einfach meine neue, freie Tätigkeit und die Auftragssuche etwas entspannter angehen und daneben Offenheit für andere (Lebens-) Ideen und Begegnungen lassen. Klingt sehr vernünftig. Wahrscheinlich muss man (ich) einiges tun, den Blick dafür frei zu bekommen.

Viele Grüße und nochmals Dank, Pickwick

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krawallbürste
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Beitrag So., 24.04.2016, 01:18

Pickwick hat geschrieben: Krawallbürste, meine Abfindung hat sich zum großen Teil schon die Steuer geholt.

Mein Arbeitgeber hatte mir gesagt, dass ich die Kündigung doch bitte als Chance sehen solle und ich ja jetzt das tun könne, was mir Freude bringen würde. So ein Spruch ist schon übel von der Person, die einen in diese Not bringt.

Wahrscheinlich habe ich Lebenssinn zu einem sehr hohen Anteil über meine Arbeit (nicht über das Gehalt) gefunden. Ist schwer, sich davon zu lösen nach so einer langen Zeitspanne und doch auch sehr guten Gefühlen, die ich mit meiner Arbeit verbunden habe.

Wahrscheinlich muss man (ich) einiges tun, den Blick dafür frei zu bekommen.
Da kannste dir aber einiges über die Einkommensteuererklärung zurück holen (Steuerrückgriff ) Guter Steuerberater am besten, wenn du dich damit nicht auskennst.
Und trotzdem aufpassen, wenn es in H4 geht, das Schonvermögen liegt in deinem Alter bei ca. 7500 €.

Ja die Arbeitgeber, die Kündigung als Chance mit Ü50......Verlegenheitsfloskel nenne ich das, denen wird es egal sein, was du in der Zukunft tun wirst. Für solche Floskeln habe ich immer eines parat, ich würde der Volkswirtschaft bis zum Rentenalter mit größter Wahrscheinlichkeit 170 000 Euronen kosten (raufgerechnet) nebst dem Beisatz aus dem Steuersack zu dem sie beitragen-Oh und dann werden sie böse und ich grinse.

Arbeit=Lebenssinn?! Arbeit ist ein Motor und hat mit Selbstverwirklichung und Herausforderung zu tun. Ohne Arbeit ist man beschnitten in diesen Bereichen und dazu noch Monitär kaltgestellt, wenn man sich nicht anders zu helfen weiss.

Es wird Zeit brauchen, für sich selbst einen Weg zu finden.
Was mich betrifft, ärgere und provoziere ich gerne (ich koste euch Steuerzahlern richtig Kohle)-die sitzen nämlich schwitzend, vorausgesetzt der Sommer kommt, in ihren Büros und ich liege auf dem Balkon ein geiles Buch in der Hand meinen Seelentröster auf dem Schoß und lass es mir gut gehen. Hin und wieder arbeite ich auch mal, AGG Hopping wird auch getätigt und so rinnt Knete in meinen Geldbeutel.

Beste Grüsse krawallbürste

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Fouché
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Beitrag So., 24.04.2016, 05:50

Solange jeder Betroffene die Verantwortung alleine übernimmt, solange alle nur als Einzelkämpfer auftreten, die schauen, wie sie selber am besten durchkommen, wird sich nichts ändern.

Es gibt unzählige in dieser Situation:
Gekündigte wie Dich. Aber auch solche, die niemals aus dem Zeitvertrags-Prekariat herauskommen und ihr Leben in Existenzangst und Selbstausbeutung verbringen bis sie eines Tages ausgepowert in der Altersarmut landen. Das ganze natürlich alleine, denn mit diesem Lebensstil lässt sich weder ein funktionierendes soziales Umfeld (alles Konkurrenten!) noch familiäre Stabilität (Kinder sind eine Belastung und nicht leistbar) erreichen.

Diese Entwicklung ist ein Auswuchs des Neoliberalismus/-kapitalismus: so viele Menschen wie möglich werden "eingespart" um die Gewinne einiger weniger zu steigern. Und das fiese, das zynisches daran: Man gibt den Betroffenen selbst die Schuld daran (DU warst eben nicht gut genug! DU genügst eben den Ansprüchen nicht!) und erzählt ihnen, dass dieser Lebenstil doch wahnsinnig positiv ist (ständig neue Chancen und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung!).
Daneben wächst ein ganzer Markt an Umschülern, Coaches, Lebenshelfern, die sich genüsslich (aber auch aus der eigenen Not heraus) das an Finanziellem holen, was noch zu holen ist.
Und die Betroffenen zahlen gerne, denn sie glauben wirklich, dass sie nur sich selber verbessern müssen, um in dieser Welt überleben zu können.
Es liegt aber an der "Welt" - nicht am einzelnen.

Gefordert ist schlicht Solidarität. Alle gemeinsam sollten dagegen aufstehen und einfach sagen: SO NICHT.
Leider funktioniert Solidarität hier nicht. Weil die Menschen gegeneinander ausgespielt werden. Weil jeder gezwungen ist, zuerst auf sich selbst zu schauen.

Bei dem Thema werde ich zum Revolutionär. Sorry.

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Nico
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Beitrag So., 24.04.2016, 07:32

Und was würde dieser Revolutionär vorschlagen ?
Alle Manager der Konzerne mit Knüppeln erschlagen und das Management dem arbeitenden Volk überlassen ?
Will das arbeitende Volk nicht ebenfalls soviel wie möglich verdienen ?
Will das arbeitende Volk nicht auch immer so billig wie möglich kaufen ?
Geiz ist geil, gilt für ( fast) alle.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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ENA
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Beitrag So., 24.04.2016, 07:41

Fouché hat geschrieben: Es gibt unzählige in dieser Situation:
Gekündigte wie Dich. Aber auch solche, die niemals aus dem Zeitvertrags-Prekariat herauskommen und ihr Leben in Existenzangst und Selbstausbeutung verbringen bis sie eines Tages ausgepowert in der Altersarmut landen. Das ganze natürlich alleine, denn mit diesem Lebensstil lässt sich weder ein funktionierendes soziales Umfeld (alles Konkurrenten!) noch familiäre Stabilität (Kinder sind eine Belastung und nicht leistbar) erreichen.

Diese Entwicklung ist ein Auswuchs des Neoliberalismus/-kapitalismus: so viele Menschen wie möglich werden "eingespart" um die Gewinne einiger weniger zu steigern. Und das fiese, das zynisches daran: Man gibt den Betroffenen selbst die Schuld daran (DU warst eben nicht gut genug! DU genügst eben den Ansprüchen nicht!) und erzählt ihnen, dass dieser Lebenstil doch wahnsinnig positiv ist (ständig neue Chancen und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung!).
Daneben wächst ein ganzer Markt an Umschülern, Coaches, Lebenshelfern, die sich genüsslich (aber auch aus der eigenen Not heraus) das an Finanziellem holen, was noch zu holen ist.
Und die Betroffenen zahlen gerne, denn sie glauben wirklich, dass sie nur sich selber verbessern müssen, um in dieser Welt überleben zu können.
Sowas kenne ich auch:
Die wechselnden Verträge machen krank bzw. die Auswirkungen davon: Wenig Sicherheit, immer wieder suchen, immer wieder neu einarbeiten, immer wieder Auseinandersetzungen mit neuen Programmen, neuen Vorgehensweisen, neuen Kollegen und Kooperationspartnern. Wie man das bis zur normalen Altersrente durchhalten will, weiß ich nicht...und wenn die Rente dann nicht reicht, weil man nicht mehr voll arbeiten kann und ausgepowert ist, obwohl man dieses eher weniger wäre, wäre man die ganze Zeit bei wenigen, aber guten Betrieben gewesen,...?
Einsparung von Mitarbeitern? Ja. ...oder man stellt sie als Honorarkräfte ein. ...Auch befristet. So spart man Sozialabgaben (zerstört Teams) und sorgt dafür, dass die Leute nie in der Gehaltstabelle soweit nach oben klettern können, um mehr zu verdienen oder gar mit den Stunden runter zu gehen und dennoch sich davon finanzieren zu können (man wird ja auch mal älter und verliert an Kraft).
...und die ganzen Umschulungen, Fortbildungen, Seminare: Manche sind gut, andere sind mehr Werbeveranstaltungen für den jeweiligen Träger. Ich habe viel an Weiterbildungen selber bezahlt. Was am Ende davon übrig bleibt, was ich nutze und nicht verloren geht,...weiß ich nicht.

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Pickwick
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Beitrag So., 24.04.2016, 12:20

So viele auch für mich wichtige Beiträge. Es hilft sie zu lesen. So muss ich nicht denken, ich sei völlig falsch in meiner Wahrnehmung. Möchte zu den von Euch genannten Punkten noch was mitteilen:

Entsolidarisierung: Nach dem die neue Geschäftsführung (eingesetzt ausgerechnet vom einer Amtskirche als Hauptgesellschafter) tätig war, wurden zunächst Mitarbeitende gekündigt, die wenig Rückhalt in der Belegschaft hatten. Das hatte System. Nachdem der Geschäftsführer einer seelisch angeschlagenen Mitarbeiterin in der Nacht hat den Computer aus ihrem Büro abbauen lassen, habe ich mich an den Betriebsrat gewendet. Wir haben dann abgemacht, dass wir einen Brief an den Aufsichtsrat schreiben und auf die Zustände aufmerksam machen. Leider sind die beiden Betriebsräte dann „umgekippt“. Von da an wurde ich gemieden. Auch von Mitarbeitenden, von denen ich das nie gedacht hätte. Obwohl es die dann doch auch nach und nach noch erwischt hat. Ich weiß, dass in meiner ehemaligen Firma möglich gewesen wäre, die Geschäftsleitung zu kippen, wenn alle schon bei den ersten und unberechtigten Kündigungen und gesetzwidrigen Übergriffen zusammengehalten hätten.

Gegen meine Kündigung habe ich mich mit einer Gewerkschaftsanwältin und einem von mir bezahlten Arbeitsrechtler mit aller Kraft zur Wehr gesetzt. Weiter habe ich auch einen Brief an den Aufsichtsrat sowie auch an den zuständigen Landesbischof (als Repräsentant des Gesellschafters) geschrieben und auf die Altersdiskriminierung („alle über 50 müssen weg“) hingewiesen. Man erklärte sich mit freundlichen Worten für „leider nicht zuständig“. Ein Weg wäre noch der der Öffentlichkeit (Presse) gewesen. Aber wenn keine weiteren Personen aus dem Betrieb Aussagen bestätigen wollen, dann ist der Weg nicht gangbar.

Coaching: Schon während meiner Abfindungsverhandlungen habe ich mir einen Unternehmensberater zur Entwicklung eines Geschäftsmodells als Freiberufler gesucht. Das hat dann 6.000 Euro gekostet. Immerhin haben wir eine Richtung erarbeitet, die meinen Fähigkeiten entspricht und auch „funktionieren“ kann. Vorausgesetzt man lernt auch noch moderne Marketing Methoden. Für diesen Teil des Coaching hatte ich dann aber kein Geld mehr. .-) Wichtig fand ich in der Phase die Ermutigung durch den Berater, doch noch Möglichkeiten zu entdecken und nicht die Rübe in den Sand zu stecken. Ein guter Freund hätte das aber auch gekonnt.

Revolution: Ja, ich merke, dass Marx Recht behält (und darüber hinaus) und ich stelle fest, dass ich zu naiv war. Hinter der Arbeitsmarktpolitik steckt ein urkapitalistisches Gedankengut. Und nicht ein „Sachzwang“ der nun einmal als Naturgesetz vom Himmel gefallen ist und von den Menschen als unabänderlich hinzunehmen ist.

Eigene Verantwortung: Ich bin verantwortlich für mein Handeln und Nichthandeln. Ich glaube aber auch an die Verantwortung einer Regierung, die verfassungsrechtlich garantierten Leistungspflichten des Staates zu befolgen und damit den sozialen Frieden zu bewahren. Die „Schuld“ auf angeblich leistungsunwillige und bequeme Arbeitnehmer zu schieben ist ein psychologischer Trick. Eine menschliche Arbeitswelt ist nach meiner Überzeugung gar nicht mehr gewollt. Es geht darum den Unternehmen Bedingungen zu schaffen, in denen sie befreit von gesetzlicher Sozialbindung und moralischer Verantwortung Hamsterräder zu möglichst niedrigen Löhnen in einem Klima der Angst am Laufen halten.

Wie es geht: Klar, ich bin ausgepowert vom zurückliegenden „Arbeitskampf“, oft mutlos. Meine Frau ist schon länger arbeitslos. Trotz Hochschulabschluss in einem Beruf, in dem angeblich Facharbeitermangel herrscht. Auch hier hören wir bei Bewerbungen oft Einwende, die auf das Alter Bezug nehmen. Manchmal denke ich „Ihr könnt mich alle mal“ und dann wieder schreit alles in mir „Nein!“. Sich dabei etwas aufzubauen ist sehr anstrengend. Die kleinen Erfolge dabei reichen oft nicht aus, um die nötige Motivation aufrecht zu erhalten. Ich denke schon, dass es wichtig ist den Lebensstandard sehr weit abzusenken um den Druck rauszunehmen und damit unabhängiger zu sein. Und eben auch nicht verbittert zu werden und nach anderen Möglichkeiten als "nur" Arbeit zu schauen.

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Nico
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Beitrag So., 24.04.2016, 12:43

Ich wünsche dir, dass du ein für dich erfolgreiches Geschäftsmodell findest.
Mögest du vom Arbeitnehmer zum vielfachen Arbeitgeber werden.
Meiner Erfahrung nach sind es genau die, die dann noch rigoroser auf sämtliche Arbeitnehmerrechte pfeifen.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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krawallbürste
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Beitrag So., 24.04.2016, 22:33

Nico hat geschrieben:Und was würde dieser Revolutionär vorschlagen ?
Alle Manager der Konzerne mit Knüppeln erschlagen und das Management dem arbeitenden Volk überlassen ?
Dein angeführtes Beispiel hat bereits funktioniert in Deutschland!
Das Management einer Modekette (Jeans Fritz) hatte kläglich strategisch versagt, allerdings wurden sie nicht mit Knüppeln erschlagen-schade-um eine Insolvenz abzuwenden hat das arbeitende Volk die Federn in die Hand genommen. Und der Laden (Kette) läuft heute noch!

Nieten in Nadelstreifen (Lektüre)-zwar schon etwas älter, ist aber heute noch up to date.

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Nico
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Beitrag Mo., 25.04.2016, 05:03

krawallbürste hat geschrieben:
Dein angeführtes Beispiel hat bereits funktioniert in Deutschland!e.
Aha und wieviele Kündigungen hat dieses neue Management ausgesprochen um den Laden wieder zum Laufen zu bringen ?
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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Fouché
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Beitrag Mo., 25.04.2016, 05:11

Nico hat geschrieben:Und was würde dieser Revolutionär vorschlagen ?Alle Manager der Konzerne mit Knüppeln erschlagen und das Management dem arbeitenden Volk überlassen ? Will das arbeitende Volk nicht ebenfalls soviel wie möglich verdienen ?Will das arbeitende Volk nicht auch immer so billig wie möglich kaufen ?Geiz ist geil, gilt für ( fast) alle.
Volkswirtschaftlich Denken statt Betriebswirtschaftlich: Der Wirtschaft UND den Menschen geht es gut. Nicht entweder - oder. In einem Betrieb kann man Menschen wegschicken und sie verschwinden damit dankbarerweise, bequemerweise aus dem Fokus. In einem Staat tun sie einem leider nicht den Gefallen einfach zu verschwinden, sie bleiben, und es muss für sie weiter gesorgt werden. Betriebwirtschaftler sind eben betriebsblind (müssen sie auch sein, und genau deswegen brauchen sie dringendst Kontrolle).

"Geiz ist geil" - merkt heutzutage denn niemand, was für ein unmoralischer Schwachsinn dieser Slogan ist? Er wurde von Werbefachleuten einst als Provokation erfunden - und die Mehrheit der Leute haben ihn tatsächlich ernst genommen!!!!

Geiz ist scheizze - Solidarisch Miteinander Leben ist geil.

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Nico
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Beitrag Mo., 25.04.2016, 05:16

Ja und weil das Volk so sehr Volkswirtschaftlich denkt, fährt man nach Ungarn zum Zahnarzt, holt sich den Gartenzaun aus Slowenien und lässt das Häusl mit Schwarzarbeitern aus Tschechien bauen.....
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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