Wie baut man sich aus einem Alptraum ein Leben auf?

Was Sie in Bezug auf Ihre eigene Zukunft, oder auch die gegenwärtige Entwicklung der Gesellschaft beschäftigt oder nachdenklich macht.
Antworten
Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Himmelblau
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 31
Beiträge: 38

Wie baut man sich aus einem Alptraum ein Leben auf?

Beitrag So., 26.07.2009, 09:26

Seit vielen Jahren ist mein Leben ein Kampf. Es galt immer übernatürliche, nicht alltagstypische, Ziele zu erreichen: Unerwartete Schwangerschaft mit 20, habe angefangen mit mir dem Kindvater ein normales Leben aufzubauen, wollten heiraten. Das zweite Kind war unterwegs, dann wurde er psychotisch, bekam Alkohol- und Drogenprobleme. Als das zweite Kind auf der Welt war habe ich mich Anfang 2004 schweren Herzens getrennt. Ich war allein erziehend.

Eineinhalb Jahre später habe ich einen netten Mann kennen gelernt, es hat sofort gefunkt, er mochte meine Kinder, befand sich noch im Studium und war 4 Jahre jünger als ich. (Er war zu dem Zeitpunkt 21 und ich 25). Wir waren gerade 3 Monate zusammen da bekam mein kleiner Sohn Leukämie, wir waren monatelang im Krankenhaus, die Beziehung gestaltete sich schwierig. Mein Freund hatte gerade eine grundsätzliche Lebensent-täuschung hinter sich, war psychisch angeschlagen, ambivalent, depressiv, und wir haben uns erstmal getrennt, das war Ende 2005 nach einem halben Jahr Beziehung.

Ich hatte nach der langen Klinikzeit eine Posttraumatische Belastungsstörung, habe eine Therapie gemacht. Kam zwischendrin wieder mit meinem Freund zusammen als es uns beiden besser ging.
2008 habe ich All meinen Mut zusammen genommen, wollte wieder Boden unter den Füssen bekommen, die Beziehung lief gut wir dachten darüber nach zusammen zu ziehen. Habe sogar einen Job gefunden und ein halbes Jahr lang 8 Stunden/Woche in meinem Beruf im Einzelhandel gearbeitet, dann kam der Rückfall der Erkrankung meines Sohnes, das war im Dezember 2008.
Nun sind schon wieder über 7 Monate im Krankenhaus vergangen, mein Freund wurde Arbeitslos weil die Firma insolvent war. Soweit bis dahin.

Meinem Sohn ist zwar noch einige Wochen in der Klinik, aber es geht ihm zunehmend besser und zum ersten Mal seit knapp 4 Jahren habe ich das Gefühl daß das Thema Leukämie endlich ausgestanden ist. Leider ist die Beziehung aber auch endgültig an den schweren Lebensumständen und den verschiedenen Meinungen darüber gescheitert.

Nun zu meinem Problem: Irgendwie hatte ich noch nie einige richtige eigene Basis im Leben, nie ist etwas länger als 1 Jahr lang gut gelaufen, ich habe das Gefühl nicht zu wissen wie man ein eigenes Leben führt, unabhängig von anderen (Freund, Eltern,...) welche Ziele es zu erreichen gilt? Ich kann nicht Vollzeit arbeiten gehen weil die Kinderbetreuung zu teuer ist, ich würde generell bei weitem nicht so viel verdienen wie wenn ich Hartz4 bekomme.

Ich tue mich schwer damit, mich mit meinem Leben überhaupt zu identifizieren, es ist einfach nur ein Alptraum. Ich möchte so gern endlich in meinem Leben ankommen, mich in der Wohnung und in der Stadt, wo ich seit 3 Jahren "lebe" heimisch fühlen, ein normales Leben führen. Wie baut man sich aus einem Alptraum ein Leben auf?

Ich versuche meine Prioritäten neu zu ordnen aber ich weiß garnicht wo ich Anfangen soll, was braucht man um im Alltag zu leben? Ich habe immer meine Lebenssicherheiten von aussen bezogen, ich möchte lernen mir selber Sicherheit zu geben aber ich verstehe nicht wie ich erreichen kann, ich fühle mich so leer.
Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.

Werbung

Benutzeravatar

Affenzahn
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
männlich/male, 33
Beiträge: 1462

Beitrag Mi., 29.07.2009, 22:18

Hallo Himmelblau
Himmelblau hat geschrieben:Nun zu meinem Problem: Irgendwie hatte ich noch nie einige richtige eigene Basis im Leben, nie ist etwas länger als 1 Jahr lang gut gelaufen, ich habe das Gefühl nicht zu wissen wie man ein eigenes Leben führt, unabhängig von anderen (Freund, Eltern,...) welche Ziele es zu erreichen gilt?
Du möchtest also wissen, welche Ziele du erreichen solltest? Ich bin nicht sicher, ob ich deine Frage richtig verstanden habe.
Himmelblau hat geschrieben:Ich tue mich schwer damit, mich mit meinem Leben überhaupt zu identifizieren, es ist einfach nur ein Alptraum. Ich möchte so gern endlich in meinem Leben ankommen, mich in der Wohnung und in der Stadt, wo ich seit 3 Jahren "lebe" heimisch fühlen, ein normales Leben führen. Wie baut man sich aus einem Alptraum ein Leben auf?
Tja, es kommt wohl darauf an, welche Ziele man hat, d.h. wie man sich das Leben vorstellt, wie es sein sollte. Wenn ich dich richtig verstanden habe, hast du gar keine Vorstellung davon. Dann ist es natürlich schwierig. Aber halt, es gibt einen Hinweis! Du möchtest ein normales Leben führen. Was stellst du dir darunter vor? Hast du Vorbilder dafür? Übrigens: gerade dann, wenn ich krank zu Hause im Bett liege, fühle ich mich besonders heimisch in meinen vier Wänden. Obschon das nicht ganz der normale Zustand und ein wenig alptraumhaft ist.
Himmelblau hat geschrieben:Ich versuche meine Prioritäten neu zu ordnen aber ich weiß garnicht wo ich Anfangen soll, was braucht man um im Alltag zu leben?
Für den Alltag empfehle ich dir, dich von deinen Gewohnheiten bzw. Gefühlen leiten zu lassen, falls diese nicht übermässig schädlich sind. So ersparst du dir einigen Stress, weil alles mehr oder weniger automatisch geschieht. Du musst dann also weniger nachdenken und zweifeln.
Himmelblau hat geschrieben:Ich habe immer meine Lebenssicherheiten von aussen bezogen, ich möchte lernen mir selber Sicherheit zu geben aber ich verstehe nicht wie ich erreichen kann, ich fühle mich so leer.
Welche "Lebenssicherheit" hast du zum Beispiel von aussen bezogen? (Damit ich besser verstehe, was du meinst ...)

Benutzeravatar

Innere_Freiheit
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
männlich/male, 50
Beiträge: 845

Beitrag Mi., 29.07.2009, 23:16

Hallo Himmelblau,

da hast du ja schon wirklich einiges in deinem Leben durchgemacht.
Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
Aber: Wie ich sehe weißt du eigentlich irgendwie schon, wie das Leben funktioniert.

Was mir spontan zu deinem Thema einfällt:
Ich würde mir garnicht irgendwelche Ziele setzen - sondern mich wirklich mit dem Ankommen beschäftigen.
Mich hinsetzen, in mich spüren, bewusst den Atem spüren, mich niederlassen auf dem Stuhl oder Sofa und mir dabei vorstellen, mein Gesäß wäre 3m mal 3m groß,...., ..... mir beim Einatmen vorstellen, mein Herz wäre so groß, dass all meine Gefühle, Gedanken und Probleme darin Platz haben.... - und beim Ausatmen mein Herz wieder seine normale Größe einnehmen lassen.
Ja, einfach nur ein bisschen Zeit nehmen zum in dir selbst ankommen. So wie du nun mal gerade bist. Sonst nix.

Allgemein könnten für dich auch Vortrags- und Meditations-CDs von Robert Betz passen? (Könnte ich dir auch schenken, wenn du interessiert wärst.)

Liebe Grüße

Innere Freiheit
Das was ich ablehne, bleibt an mir kleben!

Benutzeravatar

ENA
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 46
Beiträge: 9840

Beitrag Do., 30.07.2009, 17:06

Innere_Freiheit hat geschrieben:Ich würde mir garnicht irgendwelche Ziele setzen - sondern mich wirklich mit dem Ankommen beschäftigen.
Mich hinsetzen, in mich spüren, bewusst den Atem spüren, mich niederlassen auf dem Stuhl oder Sofa und mir dabei vorstellen, mein Gesäß wäre 3m mal 3m groß,...., ..... mir beim Einatmen vorstellen, mein Herz wäre so groß, dass all meine Gefühle, Gedanken und Probleme darin Platz haben.... - und beim Ausatmen mein Herz wieder seine normale Größe einnehmen lassen.
Wow, Innere Freiheit, da lese ich nichts ahnend dieses Thread und begegne schlagartig einem meiner Themen und Wünsche: Ankommen, bei mir sein, für mich sein!!! Wahnsinn, was einem hier manchmal "einfach so begegnet". Da lohnt es sich schon, dabei zu sein und immer mal wieder mitzulesen...!

...und das Gleiche wünsche ich auch Dir, Himmelblau, dass Du auch hier aus einigen Beiträgen ganz viel Kraft, Verständnis und Ermutigung erfährst. Du bist auf Deinem Weg... .
Ansonsten wäre mein Vorschlag so ähnlich für Dich: Gönn Dir mal eine Pause, zur Ruhe kommen,...gibt es die Möglichkeit eines Kurzurlaubes oder einer Mutter-Kind-Kur?
Ich selber komme am Besten zu dem, was ich will, wenn ich in der Stille, mit mir alleine bin... . Vielleicht hilft es Dir, wenn Du in einigen ruhigen Momenten Dir einfach mal ausmalst, wie Du Dir Dein Leben vorstellst, wer und was darin Platz haben sollte, in welcher Umgebung Du leben willst, was Du privat und beruflich machen willst,... . Das muss auch nicht alles auf einmal sein,...immer mal wieder ein Stück und vielleicht fügt sich das Puzzle dann irgendwann auch mal zusammen. Das eine ergibt das nächste.... .

Ich denke, es ist wichtig Kleinschrittig zu beginnen: Was kannst Du Dir heute schönes gönnen? Welches Buch würdest Du gerne mal lesen? Welchen Film sehen?...Wenn Du Deine Wände anschaust, was für ein Bild kommt Dir dazu in den Kopf? In welcher Farbe sollen sie sein? Welche Blumen willst Du Dir kaufen? Wie wäre es, das Sofa an die andere Seite zu stellen?...Gibt es eine Möglichkeit, einfach nur für Dich (unabhängig von dem Gedanken an das Geld) ein paar Stunden arbeiten zu gehen, in einen Bereich in den Du möchtest? Vielleicht auch erstmal ehrenamtlich, wenn es Dich interessiert? Können die Eltern mal die Kinder nehmen, während Du was mit einer Freundin unternimmst?

Das muss nicht alles auf einmal geschehen,...aber vielleicht ist das ein kleiner Anreiz dafür, herauszufinden, was Dir wichtig ist und wie Du zu dem kommen kannst, was Du willst und wie Du Dich auch wieder wohlfühlst in Deinem Leben.

Wünsche Dir viel Kraft und dass das Leben wieder leichter für Dich (Euch) wird,

ENA!

Werbung

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Himmelblau
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 31
Beiträge: 38

Beitrag Do., 30.07.2009, 17:36

So ein Mist, jetzt hab ich so ein tollen Beitrag geschrieben und beim abschicken ist er verloren gegangen.

Also nochmal in Kurzfassung:
Seit dem Verfassen des ersten Beitrags ist ja nun schon etwas Zeit vergangen und ich hatte viel Zeit über mich und mein Leben nachzudenken.
Dabei kam raus:
1. Das ich einfach sehr lange Abhängig war von vielen Personen und nun dabei bin die ersten Schritte im Leben tatsächlich ganz alleine zu gehen, ohne andere Menschen in meine Entscheidungen mit einzubeziehen oder zu versuchen ihnen die Verantwortung für mein Leben zuzuschieben.

2. Ich denke am besten kann ich "laufen lernen" wenn ich mir kleine Ziele setze die ich erstmal erreiche, bzw. mir überhaupt erstmal klar darüber werden was ich KANN und dann was ich will.

3. Ich bin jung, dynamisch und selbstbewusst, ich hab schon so viel durchgekämpft, da kann es ja nicht mehr so schwer sein Frieden mit sich und der Vergangeheit zu finden. *chakka* (Ich hoffe das funktioniert )

Grüße und danke für eure lieben Antoworten
Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.

Benutzeravatar

ENA
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 46
Beiträge: 9840

Beitrag Do., 30.07.2009, 17:49

WoW! Das ist ja mal eine Entwicklung!...Ja, dann herzlichen Glückwunsch!,...und viel Spaß und Erfolg mit den kleinen Schritten!...Ich glaube, anders geht es auch gar nicht... .


...und, ja: Das mit dem "Text ist weg, wenn ich Antwort abschicken will bzw. auf "Vorschau" klicke, kenne ich auch. Ist echt misstisch dann diese Situation!...Deswegen bin ich jetzt dazu übergegangen, meinen Text immer erstmal zu kopieren, bevor ich auf "Vorschau" gehe. Wenn er dann nämlich weg ist, kann ich ihn wieder einfügen! (Ein weiterer kleiner Schritt für ein entspannenderes Leben ).

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Himmelblau
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 31
Beiträge: 38

Beitrag Sa., 08.08.2009, 21:53

Ja, das ist die Entwicklung des Alltags, des Lebens. Trotzdem habe ich immer wieder solche Tage wie heute, an denen ich das Gefühl habe daß das doch nicht alles sein kann. Meine Seele will manchmal ganz woanders, spricht eine andere Sprache. Ich will ich sein, aber ich kann es nicht weil mein Alltag im Weg ist, habe das Gefühl nicht finden zu können was ich suche. Mich. Ich bin ein Pendler zwischen Welten die größer kaum sein könnten. Naja, muss man ja nicht verstehen, wollte es aber mal in Worte fassen.
Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.

Benutzeravatar

ENA
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 46
Beiträge: 9840

Beitrag Sa., 08.08.2009, 23:28

...Auch wenn es sich vielleicht leicht gesagt anhört (ist es aber nicht, ich weiß, auch wenn ich eine andere Geschichte habe), aber: Manches braucht eben seine Zeit... .
"Wenn Gefühle und Wünsche in eine andere Richtung wollen, als die Realität einem vorgibt",...habe ich das so richtig verstanden?
Aufbauen wollende Grüße (auch wenn ich jetzt gerade nicht weiß, ob das jetzt so aufbauend war),
Ena!

Benutzeravatar

Engerl70
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 36
Beiträge: 48

Beitrag Sa., 08.08.2009, 23:42

Hallo Himmelblau!

Dein recht wechselhaftes Befinden klingt für mich ziemlich vertraut...
Was mir manchmal weiter hilft, ist ein Teil der DBT, die ich besucht habe, nämlich Achtsamkeit im Alltag zu leben:

Mit voller Achtsamkeit und Aufmerksamkeit das tun, was man gerade tut, mit allen Sinnen stets voll dabei sein, alles bewußt wahrnehmen, sich der Sache (wie banal und alltäglich man sie bis dahin auch abwerten mochte) voll und ganz widmen und ihr damit Bedeutung verleihen. Dadurch verleiht man seinem (scheinbar so bedeutungslosen) Alltag selbst eine ungeahnte Bedeutung und fühlt sich zufrieden, verbunden und mitten im Leben.

Und wenn ich heute an meine wenigen schönen Kindheitserinnerungen zurück denke, stelle ich fest: ich erinnere mich an die vielen wunderbaren kleinen, "unbedeutenden", alltäglichen Momente, Gesten und Taten meiner Großmutter, die lieb gewordenen täglichen Rituale, die so wertvoll und bedeutungsvoll waren und sind... und die sie in ihrer allgegenwärtigen Achtsamkeit mit voller Hingabe getan hat: Das war Glück. Das war ein schönes Leben.

Alles Liebe!
Engerl

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag