Angst vor den Blicken anderer...

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.
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Hamna
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Angst vor den Blicken anderer...

Beitrag Sa., 07.03.2009, 02:57

Hallo, vor ca. 17 Jahren trat bei mir zum ersten Mal auf, dass ich bei Tageslicht nicht rausgehen mochte, weil ich Angst hatte vor den Blicken anderer Menschen und davor, was sie über mich denken könnten.

Damals war gerade so eine Jahreszeit wie jetzt, ich bin früh im Dunkeln aus dem Haus gegangen und habe im Büro Überstunden gemacht, um erst wieder im Dunkeln raus gehen zu müssen.

Irgendwann habe ich das Problem wohl überwunden, aber es trat dann vor 14 Jahren wieder auf, als meine Tochter geboren war. Ich fühlte mich direkt nach der Geburt unwohl und zu dick. Darum habe ich es vermieden, wann immer es ging, das Haus zu verlassen. Natürlich musste ich trotzdem ständig raus - Einkaufen gehen, mit meiner Tochter spazieren gehen etc. Aber immer hatte ich das Gefühl, die Menschen sehen mich an und denken schlecht über mich.

Nachdem ich die Schwangerschaftspfunde loswurde und durch eine Essstörung sehr schlank wurde, hat sich das Problem irgendwann unmerklich verflüchtigt.

Im Mai letzten Jahres war ich nachmittags zu einer Gartenparty bei einer Freundin eingeladen. Ich hatte mich sehr auf den Nachmittag gefreut, hatte mich fertig gemacht und wollte gerade losgehen, als ich eine Panikattacke bekam bei dem Gedanken, die anderen Gäste sind schon dort im Garten, ich komme dazu, und alle sehen mich an. Der Gedanke hat mich so fertig gemacht, dass ich das Haus nicht verlassen konnte.

Kennt das jemand? Ist das eine Sozialphobie?

Wenn ich mit meinem Hund raus muss, und ich sehe vorher, dass Nachbarn auf der Straße sind, warte ich immer ab, bis sie wieder in ihren Häusern sind, weil ich nicht weiß, was ich mit ihnen reden soll.

Es gibt andere Gelegenheiten, wo ich total sicher auftrete. Gestern habe ich z. B. einen Vortrag besucht, und es hat mir überhaupt nichts ausgemacht, mich zwischen den mir unbekannten Menschen zu bewegen. Der Redner hat mich per Handschlag begrüßt, was mich sehr gefreut hat. Ich habe mir etwas später von vorne einen Kaffee geholt, und es hat mir überhaupt nichts ausgemacht, quer durch den ganzen Saal gehen zu müssen.

Andererseits kann ich mich manchmal nur schwer überwinden, hier im Ort einkaufen zu gehen oder eben mit dem Hund rauszugehen. Im Sommer ist es schlimmer als im Winter.

Im Job muss ich manchmal Vorträge halten oder Personal schulen, und das ist auch ok für mich. Es ist nicht angenehm für mich, aber ich tu es einfach.

Was ist los mit mir, dass ich so unterschiedlich reagiere, und vor allem eben manchmal mit Panik?

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Eve...
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Beitrag Sa., 07.03.2009, 09:10

Hallo Rilke!

Hast Du beobachtet, welche Gedanken diesen Zuständen vorausgehen bei Dir?

Gruß, Eve

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Hamna
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Beitrag Sa., 07.03.2009, 14:23

Hallo Eve,

naja, meistens denke ich eben, jemand sieht mich an und denkt etwas abwertendes über mich. Wenn ich daran denke, bei Tageslicht rauszugehen, fühle ich mich irgendwie ausgeliefert.

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Eve...
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Beitrag Sa., 07.03.2009, 14:43

Rilke, wenn diese Gedanken jedesmal vorausgehen (oder so gut wie), müsstest Du es schaffen, sie nicht durchkommen zu lassen, wobei das sicherlich nicht einfach ist.
In der kognitiven Therapie wird mit "Gedanken-Stop" gearbeitet ( - ist übrigens nicht dasselbe wie Verdrängen!).

Immer, wenn sich unerwünschte Gedanken in den Vordergrund schieben, sind diese bewusst zu stoppen und durch angenehme zu ersetzen.

Dies erscheint zunächst paradox, funktioniert aber nach einer Weile tatsächlich.

Gruß, Eve

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Hamna
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Beitrag Sa., 07.03.2009, 14:46

Danke für den Tipp, Eve

Nein, einfach ist das sicher nicht, aber auf jeden Fall will ich es versuchen.

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SamuelZ.
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Beitrag Sa., 27.06.2009, 17:07

Hallo Rilke,

ich habe deinen Thread noch einmal ausgehoben, da ich ähnliche Erfahrungen mache.

Es gibt Tage, da fühle ich mich von aller Welt streng beobachtet und bewertet, selbst wenn ich nur die Post hole. An anderen Tagen ist mir alles völlig egal, ich kann unbeschwert auf Leute zugehen, so sein, wie ich bin.

Das geht manchmal so weit, dass ich es absolut unmöglich finde, wenn nur Fotos von mir geschossen werden und ich nichts davon ahne. Ich habe dann immer das Gefühl, als werde mir ein Teil meiner Seele aus dem Leib gerissen und dem verächtlichen Urteil mir nicht bekannter Menschen zum Fraß vorgeworfen.

Letzte Woche hatte ich beruflich wieder einen meiner gefürchteten "Bühnenauftritte", musste vor ca. 150 auf eine Bühne und reden. Mein Gott, war ich aufgeregt!!! Im Vorfelde hatte ich regelrechte Horrorphantasien, z.B. dass ich ohnmächtig auf der Bühne zusammenbreche, dass ich von anderen auf dieser Veranstaltung öffentlich kritisiert werde, dass ich puterrot kein Wort herausbekomme, dass mich nur Mitleid und Verachtung treffen, dass Kollegen meine Schwäche ausnutzen, um sich selbst als "besser" darzustellen...

Es lief fast alles glatt - wenn auch nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte - aber im nachhinein konnte ich mich nicht freuen (fühlte mich mal wieder wie ein Schatten meiner selbst), obwohl ich erleichtert war, sondern ich musste ständig daran denken, was denn jetzt diese Leute von mir denken könnten. Welches Bild haben sie jetzt von mir in ihrem Kopf? Was erzählen sie anderen über mich?

In meiner nachträglichen Phantasie sind dies natürlich mal wieder nur verächtliche, ungläubige, zynische Urteile. Das verdirbt mir wirklich alles.

Kennst du bzw. kennt ihr das?

Liebe Grüße
Sandy

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Hamna
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Beitrag So., 28.06.2009, 14:29

Hallo Sandy,

ja, ich kenne das. Musste früher auch beruflich öfter die Teilnehmer von Seminaren begrüßen, die erste Begrüßung ausgerechnet zum Thema Rhethorik, und ich habe eine richtige Horrorvorstellung abgeliefert! Der Dozent hat mich hinterher total entgeistert angesehen, die Teilnehmer haben sich vielsagende Blicke zugeworfen, und für die Dauer des Seminars habe ich versucht, den Teilnehmern nicht mehr zu begegnen. Hinterher habe ich gedacht, ich konnte so wenigstens dem Dozenten zum Einstieg in sein Seminar als schlechtes Beispiel dienen.

Zum Glück habe ich eine solche Erfahrung nicht mehr machen müssen und wurde mit der Zeit besser. Heute muss ich ab und zu auf Meetings zu bestimmten Themen dozieren, so vor ca. 30 Teilnehmern, aber mittlerweile mache ich mich nicht mehr verrückt. Es hilft mir auch sehr, dabei auf meinem Platz sitzenbleiben zu dürfen.

Bei mir ist es hauptsächlich heute das Einkaufen gehen oder mit dem Hund rausgehen. Ich laufe mit dem Hund über eine große (Hunde-) Wiese und fühle mich da oft den Blicken anderer sehr ausgeliefert. Zu Beginn meiner Depression war das sehr schlimm für mich, aber mittlerweile geht es, und Eves Tipp hat mir tatsächlich dabei geholfen.

Was mir auch hilft, ist es, wenn ich mein Aussehen ok finde. Anfangs durch die Depression habe ich mich oft nicht gepflegt, mal ein paar Tage nicht geduscht und bin mit fettigen Haaren raus. Kein Wunder, wenn man sich dann schämt.

Grundsätzlich haben mir auch die Worte eines Motivations-Coaches geholfen, dessen Vorträge ich öfter mal besuche, Alexander Munke. Der sagt z. B.: "Was andere über Sie denken, geht Sie gar nichts an!" oder dass andere sich sowieso mehr Gedanken über sich selbst machen.

Ich glaube, bei deinen Auftritten vor so vielen Leuten, und wenn es dann noch ok bis gut läuft, ist dir die Bewunderung für so viel Courage von den anderen sowieso sicher, meinst du nicht? Wieviele sitzen dann da wohl und denken: Whow, sowas würde ich mich nicht trauen!

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Eleven
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Beitrag Mi., 08.07.2009, 11:47

Bei mir verhält sich das so, dass ich Menschen für ihr Verhalten verachte. Sobald mehr Menschen auf eine Raum versammelt sind (bevorzugt U-Bahn-Stationen während der Rush Hour), kommen bei mir die Aggressionen hoch. Ich denke mir dann, dass ich von dummen(ich hasse es beispielsweise, wenn mich Frauen mit ihrem typischen Zehntelsekundenblick bedenken oder mich die Leute nicht direkt, sondern in den spiegelnden Scheiben der U-Bahn anglotzen) Schweinen (mein Wertgefühl für so eine Menge an Menschen hat seine Grenzen = je mehr Menschen, desto mehr kommen sie mir vor wie Schweine) umgeben bin. Angst habe ich (glaube ich) nicht vor den Blicken anderer, aber sie machen mich aggressiv, weil ich annehme, dass sie sich etwas schlechtes über mich denken, und wenn es das nicht ist, dann ist es etwas, das sicher nicht der Realität entspricht. In solchen Situationen denke ich immer an Massenvernichtungslager, aber das schafft auch keine Abhilfe - ich bin der Einzige, dem es schlecht dabei geht. Bestimmte Blicke von Schwulen halte ich überhaupt nicht aus = führt automatisch zu einer Auseinandersetzung. Bestimmte Blicke von unattraktiven Frauen hasse ich ebenso - ich kann dann nicht anders, als auf ziemlich kindische Art meine Abneigung/Desinteresse auszudrücken. Eine Welt mit viel weniger Menschen wäre schöner - kann mir keiner erzählen, dass die alle unbedingt notwendig sind, denke ich mir dann. Teilweise konnte ich das Problem schon in der letzten Therapie analysieren. Es geht meistens um Selbstwert. Bei mir geht die Rechnung nicht auf - der Selbstwert, den ich benötigen würde, lässt nicht so eine große Menschenmenge zu, und meine unbedeutende Rolle auf diesen Planeten schon gar nicht. Des weiteren habe ich tatsächlich schon oft unter der Dummheit/Vorurteilen der Menschen zu leiden gehabt. Dann gibt es noch das Ding mit den potentiellen Feinden, das ich noch nicht ganz entschlüsselt habe. Da geht es darum, dass ich annehme, dass mich die Leute alle hassen würden, wenn sie mich besser kennen würden, weil ich anders bin als sie. Die größte Hilfe war immer für mich, als es zu Situationen kam, in denen sich jemand outete, und ich darin Ähnlichkeiten zu mir erkennen konnte. Ich hätte länger in der Therapie bleiben sollen. Dann würde ich wenigstens wissen, warum das alles so ist, obwohl es mir damit nicht besser gehen würde. Das Problem besteht schon lange und langsam komme ich wieder in die Phase, wo ich nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann und alle meine Wege zu Fuß erreichen muss, aber selbst da ist man mit den Blicken anderer konfrontiert.
Zuletzt geändert von Eleven am Mi., 08.07.2009, 12:11, insgesamt 1-mal geändert.
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Miss_Antroph
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Beitrag Mi., 08.07.2009, 12:09

Hi Rilke,

ich kenne das sehr gut. Ich denke das hat mit den unerfüllbar, hohen Ansprüchen an die eigene Person zu tun. Es gibt Tage, da kann ich mich nicht mit Freunden im Eiscafé treffen, weil in meinem Kopf Gedanken rumschwirren wie: "Ich bin zu dick. Ich bin zu hässlich. Die anderen werden mich anstarren.
Sie werden mich be- und verurteilen. Sie könnten über mich lachen".
Alles wahrscheinlich ausgemachter Blödsinn, trotzdem bin ich dann nicht in Lage mich zusammen zu reißen und trotz allem rauszugehen.

Ich denke nicht, dass das etwas mit einer Sozialphobie zu tun hat, sondern mit einem sehr geringen Selbstbewusstsein. Und dem falsch angesetzen Maßstab nach Perfektion, die man sich abverlangt.

Komischerweise habe ich das nur in meine Heimatstadt. Bin ich im Urlaub, ist das wie weggewischt.

Lieber Gruß

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Eleven
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Beitrag Mi., 08.07.2009, 12:12

Miss_Antroph hat geschrieben:Komischerweise habe ich das nur in meine Heimatstadt.
Geht mir genauso - ist nur in Wien so.
Hail to the king, baby

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hungryheart
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Beitrag Do., 09.07.2009, 09:07

hallo liebe rilke,

klingt tatsächlich ein bisschen nach sozialer phobie.
ich kenne das selbst nicht, aber ich habe eine gute freundin, die damit zu kämpfen hat.
ihr geht es viel besser, seit sie eine entsprechende gruppentherapie gemacht hat, in der es darum ging, genau die gefürchteten dinge zusammen mit dem therapeuten zu machen.

lg hh
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nativeson
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Beitrag So., 12.07.2009, 20:36

Hallo,
mir geht es genau so, das ich mich nur wohl fühle, wenn ich bei dunkelheit raus gehe und angst vor den blicken anderer habe. meine vernunft sagt mir in diesen situationen selbst, dass ich mir das einbilde (weil:so aussergewöhnlich oder hässlich sehe ich ja nicht aus) aber ich denke nun mal so. Was kann man dagegen machen? was ist mit kognitiver therapie gemeint?
wäre nett, wenn mir jm tipps geben kann.

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Candy26
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Beitrag Mo., 13.07.2009, 17:12

Hallo Rilke,

Bei mir ist mittlerweile soweit das ich das Haus nur noch in Begleitung verlassen kann. Ich habe jetzt eine Tiefenpsychologische Therapie angefangen und ich werde mich auch noch stationär behandeln lassen, Tabletten die Angstlösend wirken sollen habe ich nun auch bekommen. Meine Psychologin hat mir erklärt wie man Angst überwinden kann. Sie sagte ich solle mir vorstellen das ein Löwe vor mir sitzen würde der einfach nur da sitzt aber nichts macht, dann ist es logisch das man erstmal Angst bekommt. Angst kann nur einen gewissen Grad erreichen und dann wenn der löwe weiterhin dort liegen würde und nichts macht, würde die Angst auf einer Ebene eine Weile verweilen (mehr Angst geht nicht) aber nach einer Zeit wenn man dieses Angstlevel ausgehalten hat ist es auch eine normale körperliche Reaktion das die Angst abflaut und ich könne dem Löwen Angstfrei gegenüber sitzen (vorrausgesetzt er bewegt sich immer noch nicht). Also was ich damit sagen will ist, das man sich seinen Ängsten stellen muss, ist zwar leichter gesagt als getan. Ich hab nun die Aufgabe bekommen jeden Tag einmal nur vor meine Wohnungstür zu gehen abzuschließen und raus auf den Hof und wieder rein mehr nicht, um zu merken das mir nicht passiert. Kleine Dinge die einen Angst machen trotzdem zu tun, ist wichtig und diese Angst aushalten bis sie nachlässt.

Liebe Grüße

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