Berufsunfähig durch 'Angst vor Menschen'?

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.
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PureHomme
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Berufsunfähig durch "Angst vor Menschen"?

Beitrag Fr., 29.08.2014, 19:33

Ich bin froh hier ein Forum gefunden zu haben, in dem gewissenhaft über solche Themen diskutiert wird, denn ich leide sehr stark unter einer Angst, die mich bei der Kommunikation mit Menschen befällt. So stark, dass ich befürchte berufsunfähig zu werden.

Ich wäre daher sehr dankbar über Ratschläge zu einer passenden Therapieform, Erfahrungsaustausch und mehr.

Hier ein paar Rahmendaten zu mir: Ich bin 32, männlich, Wirtschaftswissenschaftler, Unternehmer, Hochschuldozent, Wirtschaftsberater. Ich sehe mich auf der einen Seite als charakterstarken Mensch mit großem Gestaltungswillen. Auf der anderen Seite bin ich sehr feinsinnig und verletzlich. Mit diesen Gegensätzen zu leben ist für mich sehr schwer. Dazu kommt: Ich habe oft genug erlebt, dass Menschen einem ins Gesicht lachen und dabei nichts Gutes wünschen. Dass sie sehr unfair und egoistisch sind. Diesen Erfahrungen bin ich beruflich ausgesetzt und so lange ich mich beruflich in Tätigkeitsbereichen bewege, die mir Spaß machen, wird das wohl auch so bleiben, denn dort herrscht meistens starke Konkurrenz. Aber solche Erfahrungen machen mich sehr einsam und befangen. Am schlimmsten ist meine Reaktion in Vieraugengesprächen, wenn ich weiß, dass mein Gegenüber sich gerade eine Meinung über mich bildet und ggf. meine Schwachstellen sucht. Dann fühle ich mich sehr befangen und meine Angst äußert sich oft körperlich/physisch: Ich bekomme z.B. Tränen in die Augen und kann das absolut nicht kontrollieren, auch wenn ich es völlig bewusst erlebe - für mich eine höllische Situation. Ich habe das Gefühl, dass jeder Gesprächspartner innerhalb kürzester Zeit den Eindruck bekommen muss, dass ich psychisch labil bin. Dabei habe ich eigentlich eine große Lebensfreude, bin geistig kreativ und ausdauernd und fühle mich mit mir alleine und mit guten Freunden sehr wohl und geborgen. Ach ja: Vor großem Publikum zu reden ist dagegen z.B. gar kein Problem, weil ich gerne mit dem Publikum spiele und es eigentlich immer schaffe meine Zuhörer mitzureißen.

Ich fände es sehr schade, wenn ich auf Grund dieser Störung hinter meinem Potential zurück bleiben würde, das in mir steckt und wäre daher sehr froh und dankbar für Hilfe!

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Arthur
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Beitrag Fr., 29.08.2014, 19:50

Da kann man mit Psychotherapie viel machen. Ich würde es erstmal mit einer Verhaltenstherapie (VT) probieren. Bei so eingegrenzten Problemen wie du sie beschreibst gilt die VT als sehr erfolgsversprechend. Sollte die VT aus irgendeinem Grund nicht helfen (und es nicht am speziellen Therapeuten lag, dass du zu dem keinen Draht bekommen hast), würde ich es mit einer Psychoanalyse probieren.

Als allgemeinen Tipp würde ich dir noch empfehlen, dir ein Hobby zu suchen, dass dich unter Menschen bringt und das aber wenig konkurrenzorientiert ist. Also weniger Tennis, eher Zen-Meditation. Die würde dann eventuell gleich helfen das Angstniveau allgemein zu senken.

Liebe Grüße

Arthur

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Carla1
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Beitrag Fr., 29.08.2014, 21:16

Bei mir haben leider alle Therapien nichts gebracht bzw. die Probleme sogar noch verstärkt.

Ich bin auch Wirtschaftswissenschaftlerin, habe aber nach der Uni nur kurz in meinem Beruf gearbeitet - und das war auch nur möglich, weil ich mich den ganzen Tag in meinem eigenen Büro hinter meinem Rechner verkriechen konnte. Telefonieren, Besprechungen, Geschäftsessen, Kundenkontakte,... war alles nicht möglich.

Dann war ich viele Jahre erwerbsunfähig, und heute bin ich froh, dass ich wenigstens stundenweise als Reinigungskraft arbeiten kann - wobei das zum Teil auch sehr schwierig ist, weil ich da auch nicht alle sozialen Kontakte vermeiden kann. Ich bin jeden Tag fix und fertig und stehe praktisch ständig mit einem Bein in der Erwerbsunfähigkeit. Keine Ahnung, wie lange ich das noch durchhalten werde...

Ich drück dir die Daumen, dass du mehr Glück hast! Zumindest scheinen deine Probleme nicht annähernd so generalisiert und stark ausgeprägt zu sein wie meine; denn als Dozentin oder Wirtschaftsberaterin hätte ich NIE arbeiten können.

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Arthur
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Beitrag Fr., 29.08.2014, 21:21

Hallo Carla,

welche Therapien hast du denn probiert? Es gibt ja sehr viele verschiedene. Hast du es auch mal mit Medikamenten probiert?

Liebe Grüße

Arthur

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Carla1
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Beitrag Fr., 29.08.2014, 21:43

Offiziell habe ich kognitive Verhaltenstherapien und tiefenpsychologisch fundierte PT gemacht (Einzel- und Gruppentherapien).

Natürlich habe ich auch etliche Medikamente durch. Außer Nebenwirkungen hat das aber nichts gebracht.

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Arthur
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Beitrag Fr., 29.08.2014, 22:07

Vielleicht wäre Akzeptanz und Commitment Therapie (ACT) noch ein Versuch wert. Das ist ein verhaltenstherapeutisches Verfahren steht aber der kognitiven VT eher skeptisch gegenüber, weil kogVT zwar schon oft hilft, aber eben nicht immer, und es dann sogar zu einer Verschlechterung beitragen kann. Deswegen geht die ACT in vieler Hinsicht andere Wege.

Oder eines der humanistischen Verfahren, (z.B. Gestalttherapie, Focusing, Personenzentrierte Therapie nach Rogers) oder Hypnotherapie.

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Carla1
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Beitrag Fr., 29.08.2014, 22:42

Das mag für PureHomme interessant sein, aber ich möchte definitiv keine Therapie mehr machen. Die Auswirkungen meiner bisherigen Therapien waren so verheerend, dass mir das Risiko viel zu groß wäre. Bei mir hat's leider ziemlich lange gedauert, bis ich zur Vernunft gekommen bin. Hätte mir viel Leid ersparen können!

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Arthur
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Beitrag Fr., 29.08.2014, 23:02

Mmh verstehe. Und gibt es was bestimmtes was dir geholfen hat damit zu leben, dass es so ist, wie es ist?

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PureHomme
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Beitrag Sa., 30.08.2014, 00:02

Ich bin zunächst sehr erleichtert, dass es offenbar gute Chancen gibt dieses Problem ohne Chemie in den Griff zu bekommen.

Vielen Dank dafür, Arthur. Gibt es weitere Hilfestellungen von Fachleuten oder Betroffenen?

Die ACT-Therapie klingt interessant - ich hoffe nur, dass es nicht darauf hinausläuft, dass ich diese Affekthandlungen - wie Tränen, die mir in die Augen schießen - als Teil von mir akzeptieren lernen soll - denn dann müsste ich meinen Beruf aufgeben - für so eine Störung gibt es in diesen Bereichen der Arbeitswelt schlichtweg keine Akzeptanz und würde mir ewig als Schwäche und Unsicherheit ausgelegt werden.

Das Schicksal von Carla1 tut mir unheimlich Leid. Ich denke nur: Wenn Therapien die Krankheit nur verschlimmert haben ist die extensive Auseinandersetzung damit ihn Foren wie diesem vermutlich auch nicht förderlich, oder? Daher hier ein kleiner Vers mit allen guten Wünschen:
Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

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PureHomme
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Beitrag Mo., 01.09.2014, 20:34

Kleines Follow-up für Arthur und alle Interessierten: Ich habe hier vor Ort einen ACT-Therapeuten gesucht und bin fündig geworden. Erstes Ergebnis: Ich gehöre zu den Menschen mit Hochsensibilität (HSP). Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Das ist keine Krankheit und geht (deswegen) auch nie weg. Aber mit ACT u.a. kann man wohl gut damit umgehen lernen. Ich kann jedem nur den HSP-Eingangstest und ein etwas Lektüre dazu empfehlen. Manchen wird es wie Schuppen von den Augen fallen.

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candle.
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Beitrag Mo., 01.09.2014, 21:32

Hallo PureHomme!
PureHomme hat geschrieben:Kleines Follow-up für Arthur und alle Interessierten: Ich habe hier vor Ort einen ACT-Therapeuten gesucht und bin fündig geworden. Erstes Ergebnis: Ich gehöre zu den Menschen mit Hochsensibilität (HSP). Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Das ist keine Krankheit und geht (deswegen) auch nie weg. Aber mit ACT u.a. kann man wohl gut damit umgehen lernen. Ich kann jedem nur den HSP-Eingangstest und ein etwas Lektüre dazu empfehlen. Manchen wird es wie Schuppen von den Augen fallen.
Den Test hat ein Psychologe durchgeführt? Mich würde interessieren was deine Kriterien sind für eine Hochsensibilität. So groß erforscht ist dieses "Phänomen" ja noch nicht. Ich weiß auch nicht, ob ich das eher anzweifeln oder glauben soll?

Viele Grüße!
candle
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PureHomme
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Beitrag Mo., 01.09.2014, 21:42

Hallo Candle, Du kannst davon ausgehen, dass ich mich nur von renommierten Therapeuten behandeln lasse. Über HSP ist seit Mitte der 1990er viel geforscht und geschrieben worden. Ich halte die Diagnostik dazu für ausgereift. Ich will hier aber keinen Expertenstreit vom Zaun brechen (bei 8176 Beiträgen von Dir ggü. 3 von mir in diesem Forum würde ich den wohl auch verlieren). Ich fühle mich aber durch meine neuen Erkenntnisse sehr erleichtert.

Daher rufe ich Dir einfach mal zu: Weniger zweifeln, mehr zulassen Alles Gute Dir.

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candle.
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Beitrag Mo., 01.09.2014, 21:47

PureHomme hat geschrieben: Ich will hier aber keinen Expertenstreit vom Zaun brechen (bei 8176 Beiträgen von Dir ggü. 3 von mir in diesem Forum würde ich den wohl auch verlieren).
Ich bin hier kein Experte!
Ich fühle mich aber durch meine neuen Erkenntnisse sehr erleichtert.
Dann wünsche ich dir einfach, dass es so bleibt, weil meiner Erfahrung nach sich Erkenntnisse auch gerne wieder verlieren können.
Daher rufe ich Dir einfach mal zu: Weniger zweifeln, mehr zulassen
Was auch immer du damit meinst! Dir auch alles Gute!

candle
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Arthur
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Beitrag Mo., 01.09.2014, 21:59

Da ACT nicht diagnosefixiert ist, wird das unerheblich sein für die Therapie *ganz wild behaupt*
Schau einfach mal wie du dich auf ACT einlassen kannst. Was ich bisher gelesen habe, (und auch selber ausprobiert habe) klang schon sehr überzeugend.

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PureHomme
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Beitrag Mo., 01.09.2014, 22:19

Meine Meinung zur Diagnostik bezog sich auch auf HSP nicht auf ACT. Allerdings geht es ja bei ACT darum sich zu erkennen und anzunehmen. Ich finde es daher durchaus hilfreich zu wissen: JA, ich habe HSP und nein, da ist nichts falsch oder krank daran, auch wenn es oft nicht einfach ist damit umzugehen. Also wenn wir's nicht ändern können, müssen wir's halt lieben lernen

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