Woher kommt dieses extreme Schamgefühl?

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.
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Dreamless
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Woher kommt dieses extreme Schamgefühl?

Beitrag Mo., 22.07.2013, 00:06

Hallo zusammen. Ich weiss gar nicht recht, wie ich anfangen soll. Mein Problem besteht darin -so dumm das auch klingen mag- ich schäme mich. Ich fühle mich 'nackt', wenn ich nur schon die Hosenbeine ein wenig hochkremple oder die Ärmel bis zu den Ellbogen zurückschiebe. Ich empfinde mich selbst auch nicht als hässlich oder dick (162cm und 53-54kg). So ist es nicht. Ich habe zwar Narben aus der Zeit, als ich mich selbst verletzt habe, aber damit kann ich umgehen. Das ist nicht der Punkt. Es ist für mich sehr belastend, dieses anhaltende Gefühl von mich bedecken zu müssen, vor allem jetzt im Sommer. Ich renne mit Langarmshirt und langen Hosen rum. Ich schwitze dadurch natürlich oft, aber ich kann mich selbst dann nicht überwinden, irgendwas auszuziehen. Es ist ein Teufelskreis.
Zudem kommt auch, dass ich überhaupt nicht mit Körperkontakt (allgemein mit Kontakt mit anderen Menschen) umgehen kann. Wenn mich jemand anfassen will (komplett harmlos) habe ich unglaublich Mühe, nicht auszuflippen. Es ist sogar schon vorgekommen, dass ich einen regelrechten Heulkrampf bekommen habe.

Zu meinem Elternhaus kann man sagen, habe ich einen extrem schlechtes Verhältnis und wohne daher auch nicht mehr zuhause. Aber an eine "Missbrauchs"-Situation kann ich mich nicht erinnern. Von daher kann ich mir mein Verhalten nicht erklären. Bitte um Hilfe.

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d/c
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Beitrag Mo., 22.07.2013, 02:12

Liebe Dreamless,

gut, dass Du Dich mitteilst, Du musst furchtbar einsam sein. Du musst hier keine Angst vor Kontakt haben, denn hier im Forum bleibst Du anonym.

Scham ist ein soziales Gefühl, denn dieses Gefühl muss erst aus sozialen Zusammenhängen erlernt werden im Gegensatz zu existentiellen Gefühlen wie Hunger oder Sexualität. Du hast wohl gelernt, Dich verstecken zu müssen? Um nicht ausgeliefert, hilflos zu sein?

Ritzen ist bei Deinem Ausmaß (Narbenmenge) ein Symptom für eine Dissoziation, Belastete fügen sich Schmerzen zu um die Kontrolle über ihre Gefühle zurückzuerlangen. Um überhaupt noch etwas zu fühlen!

Die Mißbrauchsvermutung ist nicht unbegründet, Dein Instinkt, Dein Bauchgefühl liegt meistens nicht falsch. Das muss nicht zwangsläufig das Schlimmste bedeuten, denn selbst schon latent emotionale Ablehnung von Bezugspersonen während der Kindheit wird als Mißbrauch erfahren.

Vielleicht willst Du mit uns die Beziehung zu Deinen Eltern untersuchen? Vielleicht beschreibst Du uns einfach mal die für Dich prägendsten Erfahrungen und Deine persönliche, besonders auch emotionale, Einstellung zu Deinen Eltern?

Dein Leidensdruck ist eine Chance, diesen überhaupt wahrzunehmen beweist, dass Du verarbeitungsbereit bist, sonst würde Dich Dein Unterbewusstsein weiter blockieren.
reality is an opinion.

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Dreamless
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Beitrag Mo., 22.07.2013, 16:40

Liebe Dreamless,

gut, dass Du Dich mitteilst, Du musst furchtbar einsam sein. Du musst hier keine Angst vor Kontakt haben, denn hier im Forum bleibst Du anonym.
Danke für deine Antwort. In der Tat bin ich extrem einsam. Es ist nicht so, dass ich keine Freunde (wie es die Gesellschaft von einem erwartet) hätte, nur kann ich damit kaum etwas anfangen. Ich pflege diese Kontakte zeitweise nur, weil es ansonsten bloss noch komplizierter wird, weil andere Menschen dadurch zu Fragen animiert werden. Die Freunde (ausschliesslich weiblich, da ich mich in der Gegenwart vom anderen Geschlecht irgendwie ... sehr unbehaglich fühle) sind sehr lieb und verständnisvoll. Ich hätte, praktisch gesehen, also jederzeit jemanden, mit dem ich reden könnte, nur ist für mich der gesamte Austausch mit Menschen (was über freundliches und oberflächliches "Hallo"-Sagen hinaus geht) extrem schwierig und anstrengend.
Scham ist ein soziales Gefühl, denn dieses Gefühl muss erst aus sozialen Zusammenhängen erlernt werden im Gegensatz zu existentiellen Gefühlen wie Hunger oder Sexualität. Du hast wohl gelernt, Dich verstecken zu müssen? Um nicht ausgeliefert, hilflos zu sein?
Auch diese Vermutung triff es auf den Punkt. Mir wurde früh beigebracht, dass es nicht zählt, was man fühlt. Man muss bloss 'funktionieren'. Ich kann mich gut an die Worte erinnern, die mir immer wieder eingetrichtert wurden. "Reiss dich zusammen, versteckt deine Verrücktheit, ich habe dich besser erzogen." Das und die Tatsache, dass man niemals zulassen sollte, andere Menschen einem weinen zu sehen, haben mich stets begleitet.
Ritzen ist bei Deinem Ausmaß (Narbenmenge) ein Symptom für eine Dissoziation, Belastete fügen sich Schmerzen zu um die Kontrolle über ihre Gefühle zurückzuerlangen. Um überhaupt noch etwas zu fühlen!
Warum ich mich selbst verletze, kann ich nicht wirklich sagen. Es ist ganz schwer zu beschreiben. Ich muss heute noch damit kämpfen, nicht wieder in dieses altbekannte Verhaltensmuster zurück zu kehren. Aber was du erzählst, klingt für mich nicht unbedingt abwegig.
Die Mißbrauchsvermutung ist nicht unbegründet, Dein Instinkt, Dein Bauchgefühl liegt meistens nicht falsch. Das muss nicht zwangsläufig das Schlimmste bedeuten, denn selbst schon latent emotionale Ablehnung von Bezugspersonen während der Kindheit wird als Mißbrauch erfahren.
Da könnte etwas dran sein. Eine tatsächliche Bezugsperson fehlt mir bis heute.
Vielleicht willst Du mit uns die Beziehung zu Deinen Eltern untersuchen? Vielleicht beschreibst Du uns einfach mal die für Dich prägendsten Erfahrungen und Deine persönliche, besonders auch emotionale, Einstellung zu Deinen Eltern?
Zu meiner Mutter habe ich ein extrem distanziertes Verhältnis. Durch sie habe ich recht früh Erfahrung betreffend einer gewaltgeprägten Kindheit gemacht. Ausserdem ist sie selbst psychisch krank und über die Jahre hin hat sich mir manchmal die Vermutung, dass sie zwei Persönlichkeiten hat, aufgedrängt. Sie kann einerseits sehr hingebungsvoll sein, andererseits auch enorm grausam und gewaltbereit. Da sie unter Depressionen leidet, ist es auch nicht selten vorgekommen, dass ich mich an solchen Tagen (Sie lag zugedröhnt im Bett. Erheblicher Alkoholkonsum, jedoch keine tatsächliche Abhängigkeit, sondern nur bei Bedarf und die bestehende Nikotinsucht wurde an Tagen wie diesen zusätzlich gefördert.) um sie kümmern musste.

Was meinen Vater angeht, kann ich eigentlich gar nicht von einem Verhältnis sprechen. So etwas wie Körpernähe habe ich nie erfahren und auch emotionale Zuwendung hat er strikt abgelehnt. Er hat 'für mich gesorgt' was das Finanzielle anging, Indizien dafür, dass ernsthaftes Interesse an mir als Person besteht, fehlen komplett. Man hat mich beispielsweise in der Primarschule als überdurchschnittlich intelligent eingestuft. (IQ von über 130 laut Aussage meiner Mutter. Kann allerdings nicht sagen, ob dem tatsächlich so ist, da ich diesbezüglich nie nachgefragt habe bei meinem Arzt) Da meinem Vater aber eine Versetzung in eine höhere Schulstufe oder gar andere Einrichtung mit zuviel Aufwand verbunden war, beliess man die Dinge, wie sie waren.

Ein wirklich prägender Punkt in meiner Kindheit stellt die Gleichgültigkeit mir gegenüber seitens meines Vaters dar. Wenn meine Mutter aktiv eine Gewaltat an mir verübte und er anwesend war, sass er teilnahmslos am Tisch und hat weitergegessen, (Sollten wir gerade mit der Nahrungsaufnahme um die Mittagszeit beschäftigt gewesen sein) als wäre das alles um ihn herum ein Film, ihn nicht betreffend. Heute geniesse ich des Öfteren Vorträge darüber, wie undankbar ich sei, wenn ich ihm vorwerfe, niemals gerechtfertigte Hilfestellung von ihm erhalten zu haben. Im Gegenteil; er selbst präsentiert sich systematisch bei jeder sich ergebenden Möglichkeit als Opfer.

Hoffe, meine Schilderungen genügen, um vage Vermutungen über meine Persönlichkeit anstellen zu können.

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d/c
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Beitrag Mo., 22.07.2013, 16:57

Liebe Dreamless,

Dein Artikulationsvermögen in Relation zu Deinem Alter verifiziert eine hohe Intelligenz.
Du hast vermutlich über all die Jahre emotionalen Mißbrauch sehr viel reflektiert und findest trotzdem keinen Ausweg, besonders da Du Dich verständlicherweise um Deine Mutter kümmern musstest. Das erhöhte Deine völlig normale emotionale Abhängigkeit.

Ich verfüge nur über meine Lebenserfahrung, die hier ziemlich synonym ist, nur wurde ich von beiden Elternteilen verprügelt, am schlimmsten aber war die psych. Gewalt meiner Mutter. Sie ist auch heute noch präsent.

Meine Rettung war Autonomie. Ich schuf mir eine selbstständige Lebensstruktur außerhalb meines Familienkreises, der komplett den Mißbrauch wahrnahm - reaktionslos, selbst der Vertrauenslehrer in der Schule erklärte mich für "verrückt". Autonomie die ich über Literatur (ich liebe Bücher und das Schreiben) und ökonomische Selbstständigkeit erreichte - ich war nicht länger abhängig.

Und bin nun auch nicht länger abhängig.

Dein Schamgefühl ist mir bekannt, Du willst am liebsten gar nicht wahrgenommen werden?
Weil Du gelernt hast, nicht liebenswert zu sein.

Bitte versuche Dir Zeit für Dich zu nehmen, frage Dich, was Du an Dir magst!
Und da ist so vieles, dass Du mögen solltest, nicht nur Deine Intelligenz, sondern auch Dein Verantwortungsbewusstsein (denn eigentlich solltest Du Deine Eltern hassen, wie ich nach Deinen Schilderungen, das ist keine Kindheit und Jugend, sondern eine Erziehungsanstalt und eine Selbsthilfegruppe), Deine Rationalität und Deine Sensitivität, Du bist garantiert sehr sozialsensitiv, weißt schon vorher, was Deine Kontakte denken und fühlen?

Da ist so viel zu lieben an Dir und sobald Du beginnst, das zu erkennen, diesen Selbstfindungs- und Selbstwertprozess zuzulassen, werden Dich auch andere lieben. Dann wird ein Mann kommen, eventuell einer mit ähnlichen Erfahrungen, der Dich besser versteht als alle anderen.
Und bei Deiner Rationalität hast Du sehr gute Familiengründungsschancen, das fehlte mir immer an meinen Beziehungen, das diese kaum rationalisierungsfähig waren.

Kopf hoch, Du ziehst Dich gerade aus Deiner Belastung heraus, schaffe Dir eine Struktur und finde Deinen Selbstwert, ziehe Grenzen, denn es sind Deine Grenzen, die Deinen Charakter prägen und Dein Selbstwertgefühl bestimmen! Du kannst das, Dreamless.
reality is an opinion.

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Dreamless
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Beitrag Mo., 22.07.2013, 17:34

Liebe Dreamless,

Dein Artikulationsvermögen in Relation zu Deinem Alter verifiziert eine hohe Intelligenz.
Mir wurde früher oft von meiner Familie gesagt, ich solle mich gefälligst verständlich ausdrücken. Heute noch kämpfe ich mit dem Problem, dass andere Leute (grösstenteils fremde Leute) mich aufgrund meiner Artikulation schräg anschauen. Das ist zum Beispiel einer der Gründe, die mich verzweifeln lassen. Intelligenz ist nicht erwünscht. Aufgrunde von negativen Reaktionen habe ich zwar die Bezirksschule absolviert, jedoch ungenügend, da ich nicht in der ständigen Angst leben wollte, ein 'Aussenseiter' zu sein. Aus diesen Gedankengängen resultiert, dass ich in einem Beruf feststecke, der mich langweilt, jedoch in der Gesellschaft durchaus Gefallen geniesst; Coiffeuse.
Ich verfüge nur über meine Lebenserfahrung, die hier ziemlich synonym ist, nur wurde ich von beiden Elternteilen verprügelt, am schlimmsten aber war die psych. Gewalt meiner Mutter. Sie ist auch heute noch präsent.

Meine Rettung war Autonomie. Ich schuf mir eine selbstständige Lebensstruktur außerhalb meines Familienkreises, der komplett den Mißbrauch wahrnahm - reaktionslos, selbst der Vertrauenslehrer in der Schule erklärte mich für "verrückt". Autonomie die ich über Literatur (ich liebe Bücher und das Schreiben) und ökonomische Selbstständigkeit erreichte - ich war nicht länger abhängig.

Und bin nun auch nicht länger abhängig.
Darf ich fragen, wie es zum jetztigen Zeitpunkt mit dem Kontakt zu deinen Eltern aussieht? Pflegst du noch welchen oder hast du vollständig damit abgeschlossen?
Dein Schamgefühl ist mir bekannt, Du willst am liebsten gar nicht wahrgenommen werden?
Weil Du gelernt hast, nicht liebenswert zu sein.
Genau so ist es. Wenn man nicht wahrgenommen wird, kann man auch nichts falsch machen.
Und da ist so vieles, dass Du mögen solltest, nicht nur Deine Intelligenz, sondern auch Dein Verantwortungsbewusstsein (denn eigentlich solltest Du Deine Eltern hassen, wie ich nach Deinen Schilderungen, das ist keine Kindheit und Jugend, sondern eine Erziehungsanstalt und eine Selbsthilfegruppe), Deine Rationalität und Deine Sensitivität, Du bist garantiert sehr sozialsensitiv, weißt schon vorher, was Deine Kontakte denken und fühlen?
Es variert von Situation zu Situation. Im Grunde genommen kann ich bloss Menschen und ihr Handeln nachvollziehen, wenn ich ihre jeweilige Situation schon ähnlich erlebt habe. Mir allerdings komplett unbekannte Gebiete der Kontaktknüpfung (Partnerschaft, sexuelle Beziehung, ...) stellen mich immer wieder vor neue Herausforderungen.
Kopf hoch, Du ziehst Dich gerade aus Deiner Belastung heraus, schaffe Dir eine Struktur und finde Deinen Selbstwert, ziehe Grenzen, denn es sind Deine Grenzen, die Deinen Charakter prägen und Dein Selbstwertgefühl bestimmen! Du kannst das, Dreamless.
Danke vielmals für deine lieben Worte. Ich werde sie auf jeden Fall beherzigen. ^^

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d/c
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Beitrag Mo., 22.07.2013, 18:27

Dreamless hat geschrieben:
Mir wurde früher oft von meiner Familie gesagt, ich solle mich gefälligst verständlich ausdrücken. Heute noch kämpfe ich mit dem Problem, dass andere Leute (grösstenteils fremde Leute) mich aufgrund meiner Artikulation schräg anschauen. Das ist zum Beispiel einer der Gründe, die mich verzweifeln lassen. Intelligenz ist nicht erwünscht.
Intelligenz war in diesen Kreisen unerwünscht, Du darfst mir beruhigt glauben, dass nicht nur ich intelligente Frauen soapsüchtigen Couchpotatoes mit dem IQ einer Fernbedienung vorziehe. Du bist für Dein Alter sehr reflektiert, sehr distanziert und ausdrucksstark, der IQ-Test war eine korrekte Verifikation Deines Kognitivpotentials.

Dreamless hat geschrieben:Aufgrund von negativen Reaktionen habe ich zwar die Bezirksschule absolviert, jedoch ungenügend, da ich nicht in der ständigen Angst leben wollte, ein 'Aussenseiter' zu sein. Aus diesen Gedankengängen resultiert, dass ich in einem Beruf feststecke, der mich langweilt, jedoch in der Gesellschaft durchaus Gefallen geniesst; Coiffeuse.
http://de.wikipedia.org/wiki/Minderleister

Eine weitere Bestätigung für den Negativeinfluss Deiner Sozialkreise, diese sind Deinen Bedürfnissen kaum angemessen, beschränken Dich in Deiner Persönlichkeitsentfaltung.
Du bist viel klüger als sie, das verängstigt sie, aber davon darfst Du Dich als Opfer von Ablehnung nicht irritieren lassen. Das ist nicht Deine Schuld, intelligent zu sein. Wenn sie Dich nicht akzeptieren, respektiere Dich bitte selbst und suche Dir Deiner Intelligenz angemessene Sozialbezüge. Als Einäugiger unter Blinden zu leben ist irgendwie latent masochistisch.
Dreamless hat geschrieben:Darf ich fragen, wie es zum jetztigen Zeitpunkt mit dem Kontakt zu deinen Eltern aussieht? Pflegst du noch welchen oder hast du vollständig damit abgeschlossen?
Prima Frage, auf diese hatte ich gehofft :D
Was bedeutet Abschluss? Kontaktlosigkeit? Vollständige Verarbeitung, dh. keine Negativgefühle mehr (bei mir Unsicherheit bis Minderwertigkeit, Kontaktangst, Panik, Hilflosigkeit)?

Seit meinem Auszug mit 17 habe ich mich emotional distanziert, erlangte emotionale Autarkie, weil ich erkannte, nicht geliebt zu werden. Ich musste lernen mich selbst zu lieben. Das war und ist noch immer ein herausfordernder Prozess.
Ich habe den seitdem sehr sporadischen Kontakt letztes Jahr zu meinem Vater und vor wenigen Tagen zu meiner Mutter vollständig abgebrochen.
Denn sie zeigten weder Einsicht oder Reue, ihr Rechtfertigungsbedürfnis verletzte mich nur noch weiter, warf mich wieder emotional zurück in dieses Trauma.
Den Abschluss mit meiner Mutter habe ich sehr genossen, ein Gefühl von Souveränität, ihr mitzuteilen, dass sie eine kaltherzige Schlampe ist, die mich nicht verdient hat. Anschließend sprach ich ein Kontaktverbot aus, das sie mehrfach verletzte, auch hier verifizierte sie meine emotionale Bedeutung für sie.

Sie hat mich also auch im Alter von 36 noch psychisch mißbraucht, in dem sie meinen Wunsch nicht mehr an sie erinnert, nicht mehr von ihr verletzt zu werden, mißachtete.

Meine Eltern fehlen mir heute genauswowenig wie damals, ich hasste dieses Zuhause und diese Erziehungsberechtigten. Manchmal sehe ich meinen Vater und er ist mir emotional gleichgültig, wie ein Fremder. Und seitdem ich ihn endlich aus meinem Leben entfernte, belasten mich die mit assoziierten Erinnerungen nicht mehr, sie sind weg, eigentlich verarbeitet. Durch die Trennung als letztes Ritual (im Sinne Victor Turners).

Ich habe die Hoffnung, das mit der verbundenen Selbsterkenntnis dieser Lösung sich auch die letzten Defizite, die der Dauerablehnung geschuldet sind, lösen lassen. Ich bin reifer und verantwortungsbewusster, umgangsfähiger und attraktiver als je zuvor, mir geht es fast (atm Beziehungskrise) und also schon überraschend gut.
Dreamless hat geschrieben:Genau so ist es. Wenn man nicht wahrgenommen wird, kann man auch nichts falsch machen.
Aber eigentlich machen wir damit alles falsch, denn wir müssen wahrgenommen werden, um emotional nicht draufzugehen, wir brauchen Kontakt, Nähe, Intimtität, wir sind Menschen und haben jedes Recht den Versuch zuzulassen!

Trau Dich, denn es kann kaum schlimmer als die Hölle Deiner Kindheit werden. Bitte sei Männern gegenüber etwas skeptisch, lass und spiele Dich nicht in eine Opferrolle. Kommuniziere klare Grenzen, dann findest Du auch schneller Verständnis und Respekt für Deinen Partner und dessen Grenzen. Diese Grenzen nämlich sind eure Möglichkeiten, unsere Identität, die uns sagen was richtig und was falsch ist, was wir zulassen dürfen und was nicht!
reality is an opinion.

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Dreamless
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Beitrag Di., 23.07.2013, 18:06

Intelligenz war in diesen Kreisen unerwünscht, Du darfst mir beruhigt glauben, dass nicht nur ich intelligente Frauen soapsüchtigen Couchpotatoes mit dem IQ einer Fernbedienung vorziehe. Du bist für Dein Alter sehr reflektiert, sehr distanziert und ausdrucksstark, der IQ-Test war eine korrekte Verifikation Deines Kognitivpotentials.
Unter welchen Umständen kann Intelligenz unerwünscht sein? Ich habe und werde dies wohl nie begreifen können. Ausserdem ... weshalb fühlt man sich trotz "intellektueller Überlegenheit" schwächer und angreifbarer als die Menschen, welche diesbezüglich weniger vorzuweisen haben? Kann zu viel Intelligenz tatsächlich mit bestimmten Faktoren verbunden etwas negativ zu Bewertendes sein?
Eine weitere Bestätigung für den Negativeinfluss Deiner Sozialkreise, diese sind Deinen Bedürfnissen kaum angemessen, beschränken Dich in Deiner Persönlichkeitsentfaltung.
Du bist viel klüger als sie, das verängstigt sie, aber davon darfst Du Dich als Opfer von Ablehnung nicht irritieren lassen. Das ist nicht Deine Schuld, intelligent zu sein. Wenn sie Dich nicht akzeptieren, respektiere Dich bitte selbst und suche Dir Deiner Intelligenz angemessene Sozialbezüge. Als Einäugiger unter Blinden zu leben ist irgendwie latent masochistisch.
Ich lebe mit der ständig präsenten Angst, keine Chance mehr zu bekommen, der Welt mein wahres Ich zu offenbaren und wirklich noch etwas aus meinem Leben zu machen. Mein Abschlusszeugnis stellt mit Abstand die grösste Hürde dar; Durchschnittswert von 3.7. Zurückblickend bereue ich es enorm, mich für diesen Weg entschieden zu haben. Ich fürchte mich davor, jemandem zu erzählen, dass es mir schwer fällt, unter 'relativ einfach gestrickten Menschen' meinen Berufsalltag/Berufsschule zu bewältigen. Jene Aussage wirkt auf mich so ... anmassend. Aber da es mir tatsächlich mehr zu schaffen macht, als ich zugeben möchte, in einem Job festzusitzen, dessen Berufsschule man mit nichts als 6ern bewältigt, ohne etwas dafür tun zu müssen und dafür von den anderen Mitschülerinnen gehänselt wird, als wäre man wieder in der Primarstufe, frustiert mich mein Leben noch zusätzlich. (Bitte halt mich nicht für eingebildet.)

Hast du diesbezüglich Erfahrung? Weisst du, ob mir überhaupt noch die Möglichkeit offen steht, irgendwie zurück zur Volksschule zu gehen oder anders zu kompensieren, was ich damals willentlich weggeworfen habe?
Trau Dich, denn es kann kaum schlimmer als die Hölle Deiner Kindheit werden. Bitte sei Männern gegenüber etwas skeptisch, lass und spiele Dich nicht in eine Opferrolle. Kommuniziere klare Grenzen, dann findest Du auch schneller Verständnis und Respekt für Deinen Partner und dessen Grenzen. Diese Grenzen nämlich sind eure Möglichkeiten, unsere Identität, die uns sagen was richtig und was falsch ist, was wir zulassen dürfen und was nicht!
Im Moment erscheint mir das alles noch extrem weit hergeholt. Der blosse Gedanke ... er verunsichert mich. Aber mir scheint, du liegst richtig, was dies anbelangt. Ich hoffe, ich kann deinem Beispiel eines Tages folgen und die Probleme meiner Kindheit genauso hinter mir lassen. Ich möchte mich an dieser Stelle übrigens noch herzlich bei dir bedanken, dass du dir Zeit nimmst, dich mit meiner momentan komplexen Lebenssituation auseinander zu setzen.

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SaulusPaulus
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Beitrag So., 18.08.2013, 15:18

d/c hat geschrieben:Liebe Dreamless,
Scham ist ein soziales Gefühl, denn dieses Gefühl muss erst aus sozialen Zusammenhängen erlernt werden im Gegensatz zu existentiellen Gefühlen wie Hunger oder Sexualität. Du hast wohl gelernt, Dich verstecken zu müssen? Um nicht ausgeliefert, hilflos zu sein?

.
Das ist meiner Erfahrung nach nur zum Teil so. Denn wenn Papa/Mama/Onkel (sind ja zumeist nahe Verwandte) ihr Kind sexuell missbrauchen, empfinden die Opfer natürlicherweise Scham, wissen dass das nicht "ok" ist.
Das Resultat der Traumatisierung und dem ganzen Leid bleibt dabei das Gleiche, ich denke aber dass der Mensch mehr als nur ein Spielball seiner sozialen Umstände ist.
Ohne dabei zu esoterisch werden zu müssen.
Ich leide heute noch unter einem ähnlichem Phänomen, ich habe als 3-Jähriger damals von meiner Mutter beigebracht bekomen, dass man nicht an seinem Glied rumfummelt, ich habe- eigentlich heute in jedem Entwicklungsbuch angekündigt- entdeckt, dass ich was habe was ein Mädchen nicht hat, und damit rumgewackelt.
Das war aber bäh, macht man nicht ( Das war eindeutig sozial bedingt, Mama schämte sich für mein unanständiges Verhalten- dennoch kein Widerspruch zu meiner These)Weitere Schamhaftigkeiten der Mutter (ich war ein Mamakind) sowie dem ständigen Gefühl zu fett und hässlich zu sein (errinert das die Mädels an etwas?) , gleichzeitig aber auch lieber frustfressend als Sport treibend mich mein ganzes Leben lang in meiner Körperlichkeit als ungenügend betrachtet, schäme mich auch heute noch -trotz all dem Wissen über die Zusammenhänge- mich wenn ich wieder etwas Wimterspeck am Bauch habe, mich mit nacktem Oberkörper zu zeigen. Ist ja Dein Topic, will das nicht man mich reissen, lediglich mal klarmachen, dass nicht nur Frauen, sondern auch Männer (ist ja modern, Gleichberechtigung, warum auch nicht blah etc), dem allgemeinen Schönheitsideal vermittelt durch perfekt in Szene gesetzen Models etc nachzueifern versuchen, auch Mann möchte attraktiv und begehrenswert sein, mit eben den gleichen möglichen Konsequenzen.

Sonst hat D/C Dir ja sehr einfülsam geantwortet, insbsondere was die Tabuthemen angeht.
Es kann aber nur eine Übergangslösung sein, sich so über sein soziales Umfeld zu stellen und damit sich als wertvoll, weil ja Intelligenter zu erleben. Gerade ein Einäugiger kann von den Blinden was lernen(Oh Yeah, Konfuze sagt!).
Wieso ist es Sitte von "Signatur" zu sprechen und daraus dann Fremdzitate möglichst origineller Art werden?

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