Mit der Vergangenheit abschließen - Brief?

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.
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bobby10
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Mit der Vergangenheit abschließen - Brief?

Beitrag Do., 10.03.2011, 10:45

hallo ihr lieben!

hatte heute einen "alptraum" und der hat mich jetzt irgendwie in die richtung gebracht, meiner damaligen "peinigerin" einen brief zu schreiben.

folgendes:

ich hatte in der unterstufe eine totale drillinstruktorin als sportlehrerin.
es gab keine sportstunde vor der ich mich nicht gefürchtet habe und am liebsten davongelaufen wäre. hab auch sehr oft krankheiten erfunden, damit ich nicht mitturnen musste, etc.

sie war echt total schlimm. hat viele von uns kids verbal/psychisch wie physisch fertig gemacht. auf mich hatte sie es besonders abgesehen. ich musste oft vor der sportstunde zu ihr in die garderobe und dort hat sie mich dann angeschrieen, ich solle mich mehr zusammenreissen, blablabla.

an einen skiausflug kann ich mich auch noch erinnern, an dem ich dann heulend zusammengebrochen bin, weil sie mich nur fertig gemacht hat und mich meine eltern dann abholen mussten.

diese zeiten verfolgen mich heute noch teilweise im traum, wenn man über jahre gesagt bekommt man ist nichts, kann nichts und wird nichts. esdiese zeit hat natürlich am selbstbewusstsein genagt.

am liebsten würde ich diesem quälgeist von frau, der mir noch immer im hirn rumspukt einen brief schreiben. nichts böses, nur die wahrheit, aber eben anonym. es könnte ja schließlich von jedem kommen :D

was haltet ihr davon, wär das ein weg damit abzuschließen?

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Saul
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Beitrag Do., 10.03.2011, 14:04

Hallo bobby,

ich halte sehr viel davon, mit Hilfe von Briefen einen Teil der Vergangenheit zu bewältigen (oder auch zu würdigen). Und ich finde sogar, du solltest dabei nicht anonym bleiben.

Ich selbst habe einmal Jahre später einem Geschichtslehrer einen Brief geschrieben, der mir noch immer nachhing. Einerseits hatte ich jahrelang Schwierigkeiten mit diesem Mann, andererseits konnte ich ihm aber auch dankbar für Vieles sein. Zwar habe ich von ihm nie eine Antwort auf diesen Brief bekommen. Aber ich wusste, dass er ihn mit Sicherheit gelesen hatte, und ich wusste, dass er wusste, dass es dabei um mich ging. Das war mir sehr wichtig damals. Und ich fühlte mich besser.

Gruss,
Saul

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Miss_Understood
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Beitrag Do., 10.03.2011, 14:39

Ich reihe mich in die Reihe der ermutigenden Zurufe: Ja, mach das! Habe ich auch mal gemacht mit Anfang 20. Er war ein grauenhafter Macho, riß Witze jenseits der Gürtellinie, haute die Mädchen in die Pfanne usw. Gruselig daran war, just als ich versuchte herauszufinden wo der Lehrer genau wohnt, bekam ich die Nachricht, dass er gestorben sei.
ch-ch-ch-chaaaaaaange

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Saul
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Beitrag Do., 10.03.2011, 14:54

Miss_Understood hat geschrieben:just als ich versuchte herauszufinden wo der Lehrer genau wohnt, bekam ich die Nachricht, dass er gestorben sei.
Ich will das Thema ja nicht überstrapazieren. Aber das Sterben ist ein echtes Problem. Es gibt Leute, die haben so viel Schlechtes in der Welt gelassen, dass sie oft "abtreten" bevor derjenige, an den sie das Schlechte weitergegeben haben, bewusst an sie herantreten will, um es für sich zu lösen.

Um mal bei den Lehrern zu bleiben: Immer habe ich gesagt, ich werde beim nächsten Klassentreffen, das in der Regel ja nur alle zehn Jahre stattfindet, meinem früheren Klassenlehrer, der vor seinem Lehrersein frustrierter Polizist war, die Meinung sagen; ihn konfrontieren mit seinen Verfehlungen als Mensch und Lehrer. Kurz vor diesem Treffen hörte man, er sei gestorben. Der Moment, ihm von Angesicht zu Angesicht, nun als Erwachsener zu begegnen, wäre sehr wichtig für mich gewesen. Da bin ich zu spät gekommen ...

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Miss_Understood
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Beitrag Do., 10.03.2011, 19:05

Saul, du auch??? DAS ist ja schon irgendwie gruselig. ... Weil ich eben die nahezu identische Story einer Bekannten hier nicht auch noch aufführen wollte.

Okay, nun kann man sagen, dass sich ja Lehrer alleine durch die Masse an Interaktionen mit Weisungsbefugten eben häufig nicht gerade mit Ruhm bekleckern, gerade unserem Alter gegenüber waren das ja teils noch eine ganz andere Generation Lehrer als die (hoffentlich aufgeschlosseneeren und pädagogisch geschulteren) heute. Ich mag da nämlich nicht an derlei karmatischen Verstrickungen/Verschwörungen glauben.

Summa summarum tut aber ein Brief auch dann gut und klärt, wenn der/diejenige das nicht mehr lesen kann.
ch-ch-ch-chaaaaaaange

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krabath
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Beitrag Do., 10.03.2011, 19:07

Ja die Lehrer ... dieses Thema wurde ja hier noch gänzlich ausgespart. Wäre wohl einen Thread wert, nicht?

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Saul
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Beitrag Do., 10.03.2011, 19:23

Miss_Understood hat geschrieben:Summa summarum tut aber ein Brief auch dann gut und klärt, wenn der/diejenige das nicht mehr lesen kann.
Das finde ich nicht. So ein Brief benötigt ein lebendiges, reflektierendes Gegenüber. So kann eine Botschaft immerhin noch ankommen und verschwindet nicht irgendwo zwischen Diesseits und Jenseits.

@krabath
Na los! Du scheinst ein drängendes Bedürfnis zu haben.

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sakura89
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Beitrag Do., 10.03.2011, 21:44

Hey bobby10

ich weiß nicht ob das wirklich was bringt ich wurde auch massiv von mehrere lehrern gedämutigt.
hab dabei immer gemerkt das ich keine chance gegen sie hatte.
eine mal hat sich meine mutter sogar sich mit den schulamt eingeschaltet.
die haben sich nur die lehrerin angehört und das wars danach hab ich die schule gewechselt.
ich weiß nicht ob so eine brief hilfreich ist.
ich kanns mir nicht vorstellen.


LG sakura

Ps entschuldige die rechtschreib fehler
We Can Do It !

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Aivatica
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Beitrag Sa., 12.03.2011, 11:17

Ich fände es schon hilfreich einen Brief zu schreiben, den müsste ich gar nicht mehr abschicken (bei einer bereits gestorbenen Person geht es ja ohnehin nicht mehr).

Einmal habe ich mich über einen ehemaligen Lehrer sehr doll geärgert, das war lange nach der Schulzeit und es ging um mein Kind, das er lediglich einmal gesehen hat. Es war beim Einkaufen und mein zweijähriger Sohn war an diesem Tag wirklich sehr schwierig (aber auch nur ausnahmsweise). Auf jeden Fall hat der Lehrer sich an der Kasse hinter mir mit einer Frau unterhalten und hat sich über meine Erziehungsmethoden ausgelassen.
Zuerst habe ich nichts gesagt, habe mein Kind ins Auto gesteckt und bin nach Hause gefahren. Aber dann habe ich mir überlegt, dass ich mich jetzt den ganzen Tag über diese dämliche Aussage ärgern würde.
Also habe ich seine Nummer rausgesucht, habe ihn angerufen und ihn wohl damit auch mal zum Nachdenken gebracht.
Mir ging es danach deutlich besser.

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Elfchen
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Beitrag Sa., 12.03.2011, 14:12

hallo bobby

ich bin der meinung nur da energie einzusetzen, wo es auch etwas nützt.

in diesem fall könnte es eine erleichterung für dich bedeuten, und das wäre es wert. allerdings nur, wenn du mit deinem namen dazu stehst und nicht die feige anonymität bemühst.
dann würde ich mir auch gut überlegen, was du zu erwarten hast. entweder, es kommt nichts zurück, oder etwas, das dir wieder nicht gut tut. dass sie sich entschuldigt glaub ich kaum. aber man kann nie wissen.

mein sohn wollte sich mal bei einem lateinlehrer, den er sehr gerne hatte und der sehr krank wurde, bedanken. als er endlich, endlich die adresse herausgefunden hatte, der brief parat lag, erreichte und die todesnachricht. den schrecken werden wir nie vergessen. immer wieder sagte mein sohn, hätte ich nur früher was gemacht....
Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben. Epiktet

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Dornröschen Dorn
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Beitrag Sa., 12.03.2011, 18:34

Erst fragte ich mich: Hmm, wozu genau? Also, auf eine Antwort würde ich nie hoffen. ich würde ihn in erster Linie nur für mich zur Erleichterung schreiben, oder das Gefühl haben wollen, doch noch was gesagt/getan zu haben. Oder aber ihn schreiben und garnicht einwerfen (was ich aber auch schwer finde *gg. Ja, Briefe haben irgendwas lebendiges ).


Und dann fiel mir ein eben, dass ich sowas ja auch schon gemacht habe, vor einigen Jahren! Ich wundere mich über mich selbst, diesen Mut, an die Feindin persönlich, geschrieben zu haben. Und auch nicht gehässig, sondern nur versucht, ihr einen anderen Blickwinkel zu vermitteln (obwohl das ja nichts brachte, und das wusste ich schon im Vorfeld. Jedoch wollte ich für mich bestätigt haben: Ich habe was dagegen gemacht, sie direkt angesprochen, und mich erleichtert).


Irgendwie ist mir bis heute dieser Brief peinlich.. Weiss auch nicht warum. Wie gesagt, wundere ich mich über mich selbst, weil was von Mut hatte es ja auch viel.


Ich hab es einfach nur für mich getan. Und ich glaube, das ist der grösste Wert daran.


LG


P.S. Oder einen Brief schreiben und ihn begraben. Vlt auch eine Idee. *gg Samt blödem Gefühl.
Oder bei euren Verstorbenen direkt im Blumenbeet vergraben . Dann kommt der vlt doch noch an. *gg. Sorry, für den Lacher, weil das ist echt gruselig bei euch! Da schreibt ihr, und beide sind tot?! bzw alle drei. und alles lehrer, hmm.
Erfahrungen sind die Schlüssel zu noch mehr Glück und Vollkommenheit, für alle Schlösser, die das Leben mir noch bringen wird..



Lieben Gruss und bis bald!

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Ashley
Helferlein
Helferlein
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Beitrag Mi., 23.03.2011, 13:31

ich persönlich würde es nicht tun.
Dachte selbst einmal daran, bei einer ähnlichen Geschichte. Allerdings war die Person so drauf, dass es sie sogar noch gefreut hätte, wenn sie sozusagen die "Bestätigung" ihrer Macht (von damals) bekommen hätte.

Vor allem hätte ich Angst, dass die/derjenige so einen Brief falsch versteht und sich dann auch noch denkt: "haha, das hängt ihr immer noch nach... Hat die kein Leben oder so?".
Leider gibt es solch böse Menschen.


phytotherapiefreak
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Beitrag Sa., 27.08.2016, 09:16

Hallo liebe Forennutzer,

ich bin komplett neu hier und hoffe, hier nix falsch zu machen oder mich irgendwie blöd anzustellen!
Das mit dem Brief ist haargenau mein derzeitiges Thema - nur von der anderen Seite aus: ich bin Lehrerin an einer kirchlichen Schule, gebe mir einfach Riesenmühe um ein respektvollen Miteinander - einige Schüler jedoch sind unerhört unverschämt, ich habe Angstzustände und Herzschmerzen.
Daher wollte ich dem Pfarrer dieser ( aramäischen, also syrisch-christlichen) Schüler einen Brief schreiben.
Eigentlich geht ich davon aus, dass ein Pfarrer ein Herz haben müsste.
Aber Ashleys Beitrag hat mich klüger gemacht....Eventuell kommt das als Hilflosigkeit Robert und wird gegen mich verwendet.
Ich hoffe, das passte jetzt in die Diskussion.

Ich werde die ganze Sache in Form einer Kurzgeschichte verarbeiten.
Muss ja nicht veröffentlicht werden.

Alles Gute Euch!

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