höchstpeinliche Situationen, Coolness futsch.

[Christine Gohl]

Normalerweise reagiere ich gelassen in peinlichen Situationen. Aber eben nicht immer...

Wir haben vor kurzem ein neues Auto bekommen. Als ich das erste Mal damit fuhr, ging es zum Einkaufen und ich dachte nicht daran, dass ein Neuwagen, dessen Marke ich eigentlich kenne, vielleicht Geheimnisse haben könnte. Hier die Liste der Peinlichkeiten, die mich zuerst noch schmunzeln ließen...

1. Ich fahre los und stelle fest, dass ich die Scheibenwischer nicht anbekomme. Muss anhalten und die Hebel studieren, an denen Millionen Funktionen angebracht sind. Seufz, aber ok.

2. Wo verflucht nochmal geht denn das Wischwasser an... finde ich theoretisch, aber es kommt nix. Leer? Zeigt er nicht an, wo er doch jeden Mist anzeigt. Hm. (später finde ich raus, dass ich etwas stärker drücken muss)

3. Fahre auf den Hofparkplatz des Lädchens. Als ich dann wieder wegfahren will, muss ich rückwärts fahren. Nur - wo bitte ist der Rückwärtsgang??? Habe die Nase voll, ich kenne so viele Automarken und hier finde ich ihn nicht. Muss entnervt wieder aussteigen und augenrollend den Ladenbesitzer fragen ob er weiß, wie man bei dem Wagen den Rückwärtsgang reinbekommt. Das ist furchtbar peinlich und stoße mir den Kopf, als ich in die "Frauen-und-Autos"-Schublade geworfen werde. Irgendwie... ne, noch bin ich gefasst.

4. Fahre zum nächsten Hofladen, es sind nur Parkplätze mit stärkerer Schräge frei und ich suche die Handbremse... den Hebel dafür finde ich, aber ich kann daran ziehen, wie ich will... es passiert nix. Ich fange an, hysterisch zu lachen und warte, bis ein ebener Parkplatz frei wird. Zu Hause ranze ich meinen Mann an, dass er mich nicht vorgewarnt hat (von wegen vieles ist ganz anders an diesem Wagen). Wir suchen in der Bedienungsanleitung des Wagens nach der Funktion der Handbremse, die uns beiden neu und fremd ist, finden aber nur so lebenswichtige Hinweise wie man die Sonnenblende herunterklappt, aber nicht wie man die Handbremse bedient. Mein Mann sieht es sich am Auto an und ihm ist gleich klar, dass man drücken und nicht ziehen muss. Ich bin inzwischen soweit, meinen IQ von 130-140 und meine autotechnische Selbstsicherheit anzuzweifeln. Tagelang muss ich immer wieder hysterisch kichern.

5. Der Gipfel der Peinlichkeit ist erreicht, als ich Wochen später in Verlegenheit komme, diesen Wagen tanken zu müssen. Alle Zapfsäulen, die an der richtigen Seite liegen, sind belegt und ich stelle mich an, wo es vielleicht am schnellsten geht. Es ist eine der Tankstellen, die einen "Tankdiener" haben. Dieser winkt mir zu, ich mache das Fenster runter und er fragt dümmlich "wollen Sie tanken?" Ich antworte genervt, was ich denn sonst hier wohl wollen könnte. "Naja, dann fahren Sie doch an die hintere Zapfsäule, die ist doch frei. Außerdem ist es für Sie dort leichter, weil Ihr Tank auf der anderen Seite ist..." Ich atme tief durch. Es ist mir peinlich. Sehr. Was soll mir denn noch alles mit diesem Wagen passieren??? Ich danke ihm gereizt und antworte auf seine Frage hin, ob er für mich tanken soll, mit einem zischenden "ich krieg das schon hin". Fahr ich also an die passende Säule, in meiner miesen Stimmung auch noch viel zu dicht, so dass die Tür nicht weit aufgeht und muss mir den Spruch anhören "das ist aber zu dicht!". Ich koche innerlich und ignoriere den Typen. Der hat mich aber längst allermitleidigst in die "Frauen-sind-dumm-"-Schublade gesteckt und will mir zu Hilfe eilen. Ich jage ihn mit einem weiteren schwer gereizten "ich krieg das selber hin" fort. Natürlich hat das Schlimme noch kein Ende... die nächste Überraschung springt mich in Form eines nicht zu öffnenden Tankdeckels an. Ich stottere auf seine Nachfrage rum, dass ich den Wagen das erste Mal betanke und den Hebel im Auto suchen müsse. Mein verhasster Tankstellenritter drückt einfach auf den Tankdeckel und der springt auf. Meine aggressive Mimik schlägt ihn in die Flucht. Am liebsten würde ich im Erdboden versinken und spare nicht mit aggressivem Verhalten dem Zapfhahn gegenüber. Ich zahle unbehelligt und fahre zutiefst gedemütigt und schwerstgeladen weg. Ich bin sowas von entsetzt, dass ich mich so unmöglich benommen habe. Da fahre ich nie wieder tanken...



Und ihr so?

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[Hiob]

Hallo Christine.
Wenn ich das so lese, merk ich, dass das alles Situationen sind, die ich auch kenne, aber wahrscheinlich völlig anders empfinde. Mir ist beim einsetzenden Regen mal ein Scheibenwischer weggeflogen, bin augestiegen, hab ihn von der Straße gelesen, wieder dran gemurkst und bin weiter gefahren. Oder als "mein" Kühlwasser auslief und ich im Stau an der Seite stand, ordentliche Dampfwolke...und meine Kiste so unauffällig wie ein rosa Eisbär mit Taucherflossen..., bat ich die Leute, mir ihre Mineralwasserflaschen zu geben...was einige auch gemacht haben, sogar mit Pfand! Wenn die Frisur dabei stimmt, kann es sogar lässig wirken, Mineralwasser ins Auto zu kippen. Kann doch mal passieren. Ich überlege auch manchmal, ob ich den Rückwärtsgang nun drücken, hochziehen oder in irgeneiner anderen Zimmerecke suche soll, wer mit mehreren Autos fahren muss, kennt das. Und da ich seit Urzeiten an meinen Autos bastle, ist es doch klar dass das nicht mein "Kenntnisstand" ist, sondern eben mal passiert. Wenn du sone Intelligenzbestie bist, ist es doch grade witzig, nicht perfekt zu sein. Der Schuster hat selber die schelchtesten Schuhe. Es ist eher schade, dass du deinen Tankstellenritter so vergraulst. Du kannst doch in sonem Moment sagen "na immerhin finde ich das Zündschloss noch". Einfach ein bisschen übertreiben. Meinst du nicht?

Klar ist es abhängig von der Tagesform, aber deine Situationen finde ich, können, wenn man entsprechend "cool drauf" ist, wie es früher hieß, alle samt eher lustig sein. Nach dem Motto "mit meiner Macke finde ich schnell Kontakt". Das erinnert mich an die Zeit als Jugendlicher, wo man bei allem, was man tat, dachte man müsse es schon perfekt können. Ist das vielleicht dein riesiges Riesenproblem? Außerdem macht es dich sympatisch, wenn du schlau und dennoch nicht perfekt bist. Die, die solche Witze oder Situationen nicht verstehen...also wirklich dieses "ohhhh, typisch Frauen" -Programm fahren, von denen suchst du doch bestimmt sowieso keine Bewunderung, seh ich das richtig? Die anderen empfinden dich in diesen Situationen möglicherweise alles andere als "abgewertet".

Hiob

[Grashalm]

Hallo Christine,

solche Aktionen könnten auch von mir kommen
Sogar das Anraunzen anderer Personen... Im Straßenverkehr bin ich sehr selbstbewusst und leider ab und zu auch vorlaut. Dabei kommt es durchaus vor, dass mir erst im Nachhinein meine eigenen Fehler bewusst werden.
Manchmal denke ich fast, dass manche Menschen solche Dinge zu kopflastig angehen. Man setzt sich dadurch selbst unter Druck und ärgert sich, wenn man in derart banalen Situationen die Kontrolle verliert. Die einfachsten Dinge gelingen dann nicht mehr.
Aber hey... das ist nunmal menschlich. Und hiob hat schon recht. Die Schusseleien müssen dir nicht peinlich sein; sondern lassen dich sympathisch wirken. Nur die Reaktionen gegenüber den Mitmenschen könnte man künftig wohl etwas netter gestalten

[Tocotronic]

Hallo Christine

Ich will dir jetzt nicht zu nahe treten, aber ich musste eigentlich bei jedem Punkt schmunzeln. Klar ist es dir irgendwie peinlich, aber irgendwie wirkt das alles so unfreiwillig komisch, dass es schon wieder niedlich ist. Vorallem der letzte Punkt.
Hol die Coolness Maske wieder hervor, alles cool, wirklich

Liebe Grüße

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[Miss_Understood]

... also und ich so:
erst uääääääääääääää!!! lautstark aufregen und so.
Und dann ... Kopf über mich selber schütteln. Ausschütten vor Lachen. Auuuuuuuusatmen. Gut is.


Kopf hoch. Passiert jedem. Ja, auch sicherlich Männern. Klischee ist das, was man selber daraus macht.

[redred]

Warum hast Du Dir denn nicht helfen lassen von dem Tankstellen Mitarbeiter?

Da war wohl "Instant-Karma" am Werk. Zu viel Stolz, kommt eben als schlechtes Karma wie ein Bumerang zurück.

[Christine Gohl]

Hi Hiob, ich denke mein Problem ist, dass ich immer auf mich allein gestellt war und alles allein können musste und wollte. Unabhängigkeit ist eines meiner Überlebensstrategien... und dann ist sowas unerträglich Der Typ tut mir aber trotzdem nicht Leid, weil seine Art so schmierig war...

Grashalm, Kontrollverlust! Das ist es! Ich muss immer die Kontrolle über mich und die Situationen haben... seufz.

Toco, im Nachhinein finde ich das auch zum kaputtlachen... das mit der Rückwärtsgangsuche fand ich auch in der Situation lustig, aber es kratzte schon ziemlich an meinem Ego

Miss: Atmen wär gut gewesen. Das muss ich mal üben, aber solche Situationen sind dummerweise/glücklicherweise zu selten ^^

Redred, da kann ich Dir nur zustimmen. Wer seine Situationen beherrschen will und es sonst immer schafft, neigt wohl zum Stolz Ich werd dran arbeiten, danke für den Hinweis...

[Tocotronic]

Sieh's so, es macht dich sympathisch!

[Hiob]

Was ich merke, ist, dass einem "im Alter" immer weniger peinlich ist. Vielleicht ist das für die jungen Hüpfer u80 tröstlich. Als damals diese gläsernen Supermarkt-Brötchenkisten aufkamen mit den Schüreisen zum "selber rausnehmen", hab ich das zum ersten Mal in Österreich gesehen. Ich stand davor "und kam nicht dran". Es sah irgendwie wie früher diese Plüschtiergreifer-Glaskästen auf den Jahrmärkten aus, wo jedes Kind versuchte, an den größten Teddy zu kommen, der aber immer kurz vorm Ausgang abstürzte..."na, einmal versuch ichs noch". Naja, und wie ich mir da so die Nase am Brötchenregal platt drückte, hab ich son´ Opi gefragt, der fand das nicht peinlich und hats dem Hernn Dr. Piefke einfach erklärt. Ahhh!

Ich glaube, dass es generell hilfreich ist, mal über sich selber zu lachen. Die steife Identifikation mit dem "was ich bin"...wird dadurch ordentlich angeknackst. Das ist so ähnlich wie mit dem kleiderlosen Kaiser...wir sollten die Politiker-Redakteure-Moderatoren-Kriegsmaschine einfach auslachen und nicht mehr hin gehen. Irgendeiner wird sie schon trösten. Und ihnen ein Brötchen rausholen.

H.

[elith]

Hiob, du hast eine sehr schöne Art zu schreiben!

[Möbius]

Hallo Christine !

Eines meiner Lieblingsbücher von Sigmund Freud heißt "Zur Psychopathologie des Alltagslebens". Es ist ein sehr amüsant zu lesendes Buch, in dem die sprichwörtlich gewordenen "Freudschen Fehlleistungen" beschrieben werden. Der "Freudsche Versprecher" hat ja sogar Eingang in die Alltagskultur gefunden. Diese Fehlleistungen des Alltagslebens lassen eben nicht nur beim Freudschen Versprecher mitunter tiefer liegende Motive erkennen, die man unterdrückt, aber sich in diesen Fehlleistungen doch nach aussen schmuggeln. Freud beschreibt zB den Fall eines Arztes an einer Klinik, der bei einer Feier einen Trinkspruch auf den Direktor ausbringen mußte, den er nicht leiden konnte. Und so erhob er denn sein Glas auf das Wohl "unseres sehr verkehrten Herrn Direktors" ... noch Fragen ?

Ich bin mal so frivol, die Vermutung zu äussern, daß es sich bei dieser massiven Häufung von Fehlleistungen im Auto, um das Autor und um das Auto herum und solche "Freudschen Fehlleistungen" handeln könnte: Du magst das Auto nicht, lehnst es ab. Aber Du willst das nicht offen artikulieren. Vielleicht war es so, daß Du bei der innerehelichen Entscheidungsdiskussion über das neu anzuschaffende Auto den Kürzeren gezogen hast, und Dich nolens-volens Deinem Gatterich untergeordnet hast. Vielleicht geht es um den Autotyp an sich, um die Marke, vielleicht auch nur um die Farbe oder sonstige Ausstattungsmerkmale, bei denen Du den Kürzeren gezogen hast, was Dich aber dann gereut hat ? Vielleicht ist es auch garnicht das neue Auto an sich - Du hättest vielleicht nur das Alte gerne behalten ? Vielleicht mußtest Du auch für die Anschaffung des neuen Autos auf einen eigenen Anschaffungswunsch verzichten, der mit dem Auto eigenlich nichts zu tun hat, also eine rein finanzielle Frage ? Oder aber das Auto wurde zB bei einem Händler gekauft, den Du nicht mochtest, als Gebrauchtwagen von einem Freund oder Bekannten Deines Mannes, der Dir selbst zuwider ist ?

Irgendsowas in dieser Richtung ?

Gruß von

Möbius

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