Vergebung?

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.
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blade
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Beitrag So., 28.06.2015, 07:51

Beispiel (anschaulich aber nicht 1:1 anzuwenden auf unsere Situation, aber anschaulich immerhin. Unbewusste Erinnerungsmuster/Meme/Emotionen etc. finden darin keine Berücksichtigung, diese Dinge machen Kommuni(kati)on, manche nennen es auch Rapport, fast unerreichbar)

(ich befürchte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, daß dies jetzt überheblich und arrogant rüberkommt)

"Malaga"
wird dieses Wort von einem Spanier ausgesprochen, dann meint er damit höchstwahrscheinlich die Stadt am Meer.
Also eher etwas angenehmes (Sonne, Strand, Meer, Urlaub, Lebendigkeit,...)

spricht es ein Grieche aus (auf Kreta eines der am häufigsten gesprochenen Worte, wenn sich die Kreter von Touris unbeobachtet wähnen), dann meint er damit schlicht und einfach "Wixer" (Selbsbefriedigung, Einsamkeit, Versager, Arschloch,......) also etwas definitiv unangenehmes.

Kaum ein Kreter war jemals in Malaga.
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Igelkind
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Beitrag So., 28.06.2015, 11:27

Liebe Mitplauderin,
Voraussetzung - und deswegen schreibe ich hier, weil es gerne vergessen wird und weil die Zweifler an der Macht der Vergebung sich dessen oft nicht bewusst sind - Voraussetzung, dass echte Vergebung (für mich bedeutet es auch: Transformation) gelingen kann ist, dass man zunächst das zu Vergebende vollständig und tief erlebt. Das Durchleben der intensiven Erfahrung des Opfer-Seins, ermöglichte die Überwindung. Es gibt hier keine Abkürzung! All die in der Kindheit verdrängten und abgespaltenen Gefühle mussten in einem sicheren Raum wieder gefühlt - durchfühlt - werden: der Hass, die Wut, die Angst, die Hilflosigkeit, die Ohnmacht - erst dann lösten sie sich auf.
Die eigentliche Arbeit besteht also nicht darin, Bereitschaft zur Vergebung dem Täter gegenüber zu finden, sondern in der Zurückeroberung der eigenen Gefühle. Dann ist es möglich, seine Wahrnehmung der Welt und die Deutung der Erlebnisse radikal zu ändern und sich von der Opferrolle zu lösen.
Das beschreibst du sehr gut, und ich kann mich dem anschliessen.
Jedoch empfinde ich das dann nicht als Vergebung, sondern als Befreiung:
Von meinen Gefühlen, meinen Problemen, meiner Vergangenheit, meiner (wie du es auch nennst) Opferrolle und auch vom Täter.
Und diese kann ich ganz ohne Vergebung gegenüber dem Täter erreichen.
Die Vergebung kann sich letztendlich einstellen, quasi als Nebenprodukt des Prozesses, aber sie ist kein Ziel und keine Notwendigkeit, um heil zu werden.
Die eigentliche Arbeit besteht also nicht darin, Bereitschaft zur Vergebung dem Täter gegenüber zu finden, sondern in der Zurückeroberung der eigenen Gefühle.
Diesen Satz von dir zitiere ich gleich ein zweites Mal, da ich ihn sehr wichtig finde.
Genau darum sollte das Umfeld den Leidenden darin unterstützen, seine Gefühle fühlen zu dürfen, und nicht darauf pochen, dass er jetzt endlich mal darüber hinweg komme und vergebe, weil doch sowieso nichts mehr zu ändern sei usw.
Meistens kommen dann noch gut gemeinte Ratschläge, dass Vergebung gut tun und einen vorwärts bringen würde, oder dass man halt selber schuld sei, wenn man nicht vergeben könne und darum noch länger leiden "wolle".

Vergebung führt nicht zur Befreiung.
Aber die Befreiung kann eine Vergebung zur Folge haben. Muss nicht, aber kann.
Für mich jedenfalls ist nicht Vergebung das Ziel, sondern meine Befreiung.
Der Gegenpart, der mir das beschert hat (um mal nicht vom Täter zu reden) ist mir in diesem Moment so breit wie lang, was bereits ein riesiger Fortschritt ist. Jeder Gedanke an diesen Mann, bringt mich wieder weg von meinem eigenen Erleben und hindert mich somit, an der Heilung zu arbeiten.
Vergebung würde diesen Mann jedoch direkt betreffen und einschliessen.
Doch zuerst muss ich mich auch von ihm befreien, weil ich gefühlt zum Teil in ihm eingeschlossen war.

Alles zu seiner Zeit.

LG Igelkind


Igelkind
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Beitrag So., 28.06.2015, 11:47

Liebe Mitplauderin:

Mit deinen 4 Gesetzen habe ich natürlich meine Mühe.
Wenn das jemand für sich, sein eigenes Leben und vor allen Dingen rückwirkend so betrachten kann, dann ist das gut und zeugt davon, dass er / sie im Reinen ist mit sich und dem Schicksalsverlauf, mit allem was ihm / ihr widerfahren ist.

Diese Gesetze jedoch Menschen in Not auf die Nase zu binden, empfinde ich als gewalttätig und empathielos.
Es wird ein Ziel genannt, aber keinen Weg dorthin.
Und Menschen, die sich gerade aus einer Opferhaltung lösen möchten oder sollten, könnten arg zurück geworfen werden in dieser Entwicklung.
Denn diese "Gesetze" sind wie Wasser auf folgende Mühlen:
- Es musste / muss halt so sein
- ich habe es nicht anders verdient
- jetzt kann ich auch nichts mehr ändern
- wahrscheinlich war das alles schon richtig
- er / sie konnte ja nicht anders
- ich sollte mich nicht beklagen
- meine Wahrnehmung ist wohl falsch
- die Person die mich verletzt ist ja eigentlich nett / liebt mich / meinte es gut
- ich sollte froh sein, dass ich das erlebt habe, es bringt mich weiter.
- ich hätte ja doch nichts dagegen tun können / ich kann ja doch nichts dagegen tun.

Diese Gesetze sind für Menschen in Not nicht hilfreich, auch wenn jetzt vielleicht gesagt wird, ich wolle das vielleicht absichtlich missverstehen. Das ist einfach meine Meinung.
Ungeachtet dessen, ob solche Gesetze wahr sind oder nicht, früher war solches Wissen wohl nicht zu unrecht geheim, und wurde von Mensch zu Mensch vorsichtig und der Situation angepasst weiter gegeben, und nicht in Büchern publiziert wie Heute.
So hingegen kann viel Schaden angerichtet werden und Druck ausgeübt auf Menschen, die sich sowieso nicht wehren können.

das möchte ich einfach noch ergänzt haben.
Wenn es jemand anderem hilft, diese Gesetze zu lesen, dann ist das natürlich wunderbar, dann hat offenbar der Zeitpunkt im Leben dieses Menschen gepasst.
Dort, wo ich klare Sicht auf meine Vergangenheit habe und die Wunden geschlossen sind, kann ich auch solche Gesetze erkennen. Auf einen wunden Bereich angewendet, tun sie mir einfach nur weh.
Höchstens das mit dem Ende... da bin ich voll dafür.
Es soll endlich zu Ende sein. Zuende zuender am zuendesten!

LG Igelkind

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mitplauderin
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Beitrag So., 28.06.2015, 17:27

Igelkind hat geschrieben: Diese Gesetze sind für Menschen in Not nicht hilfreich, auch wenn jetzt vielleicht gesagt wird, ich wolle das vielleicht absichtlich missverstehen. Das ist einfach meine Meinung.
Ungeachtet dessen, ob solche Gesetze wahr sind oder nicht, früher war solches Wissen wohl nicht zu unrecht geheim, und wurde von Mensch zu Mensch vorsichtig und der Situation angepasst weiter gegeben, und nicht in Büchern publiziert wie Heute.
So hingegen kann viel Schaden angerichtet werden und Druck ausgeübt auf Menschen, die sich sowieso nicht wehren können.

das möchte ich einfach noch ergänzt haben.
Wenn es jemand anderem hilft, diese Gesetze zu lesen, dann ist das natürlich wunderbar, dann hat offenbar der Zeitpunkt im Leben dieses Menschen gepasst.
Hallo Igelkind,
genau, es geht um den Zeitpunkt. Für mich waren diese "Gesetze" zu dem damaligen Zeitpunkt genau das, was mir ermöglicht hat, weiter zu gehen. Und ich bin sehr dankbar dafür, dass sie genau zu diesem Zeitpunkt in mein Leben getreten sind, sozusagen. Ich habe sie vorher nicht gekannt. Ich bemühe mich, in meinen Beiträge von mir, meinen Erfahrungen und was mir geholfen hat zu erzählen. Soll ich, weil sie womöglich andere verletzen könnten, schweigen? Ich habe aus diesen Gesetzen übrigens nie herausgelesen, was du als mögliche Interpretation warnend angeführt hast. Zu Recht, warnend, natürlich. Es gibt ja immer mindestens zwei Seiten. Da erinnere ich mich, wie verletzt ich mich gefühlt habe, wenn mein Mann sagte, dass er mich schön findet. Alle Alarmglocken schrillten in mir. Druck entstand in mir. Ver-rückt, oder? Also, was sagen/schreiben und was nicht?
Inzwischen ist mein Vertrauen in das was geschieht so groß, dass ich davon überzeugt bin, dass diese "Gesetze" nur den berühren, der bereit ist, berührt zu werden.
Also noch einmal: Klar würde auch ich diese "Gesetze" niemanden ungefragt auf den Teller legen und schon gar nicht jemandem, mit dem ich emotional ungesund verstrickt bin. Hier jedoch, in einem Forum, sehe ich es so, dass auf den Gabentisch gelegt werden darf, was immer jemanden umtreibt und jeder das für sich Passende nehmen oder lassen kann.

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Igelkind
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Beitrag So., 28.06.2015, 18:11

Liebe Mitplauderin,
Für mich waren diese "Gesetze" zu dem damaligen Zeitpunkt genau das, was mir ermöglicht hat, weiter zu gehen. Und ich bin sehr dankbar dafür, dass sie genau zu diesem Zeitpunkt in mein Leben getreten sind, sozusagen. Ich habe sie vorher nicht gekannt. Ich bemühe mich, in meinen Beiträge von mir, meinen Erfahrungen und was mir geholfen hat zu erzählen. Soll ich, weil sie womöglich andere verletzen könnten, schweigen?

Das ist gut erkennbar und wohltuend, dass du in deinen Beiträgen von deinen eigenen Erfahrungen sprichst.
Und du hast natürlich recht, warum, sollte jemand anderem nicht auch genau das helfen, was dir geholfen hat?
Deshalb verstehe ich, dass du dein Wissen und deine Erfahrungen weiter geben möchtest, und vielleicht kannst du auch den einen oder anderen Menschen erreichen damit, was dann sehr positiv ist.
Wie du im Alltag damit umgehst, weiss ich natürlich nicht, aber ich schätze dich so feinfühlig ein, dass du merkst, wann du wem was in dieser Richtung sagen möchtest. Ich denke, du spürst, wem das vielleicht helfen könnte.
Soll ich, weil sie womöglich andere verletzen könnten, schweigen?
Ich sage dir natürlich nicht, was du tun sollst, ich denke, du tust für dich das richtige.
Ich persönlich schweige, genau aus diesem Grund.
Ich war lange Zeit umgeben mit solchen Wahrheiten und Erleuchtungsreklame, so dass mir spirituelle oder religiöse Weisheiten (besonders wenn gelesen) eher sauer aufstossen als helfen. Also genau anders rum als bei dir.
Ich hätte Menschen gebraucht, die mir zuhören und mich ernst nehmen, keine Wegweiser ins Nirvana, denen ich nicht in der Lage war zu folgen.
Ich hab mich deshalb ganz aus diesen spirituellen Pfaden, Formulierungen, Gruppierungen und Denkweisen ausgeklinkt und vermeide wenn möglich Verallgemeinerungen. Jeder Mensch ist unterschiedlich und hat seinen eigenen Weg mit seinen eigenen Erfahrungen und Zielen.
Wenn ich eine Erkenntnis habe, dann wende ich sie ausschliesslich für mich selbst an, und rede nur darüber, wenn ich explizit danach gefragt werde.

So haben wir beide unsere eigenen Erfahrungen mit diesen Themen und unseren eigenen Umgang damit, aber grundsätzlich befinden wir uns beide nicht weit voneinander entfernt, wir sind beide auf dem Weg der Heilung und des Wachstums. Jede auf ihre Art.

Vielen Dank für den konstruktiven Austausch mit dir.
Lg Igelkind

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mitplauderin
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Beitrag So., 28.06.2015, 18:40

Igelkind,
danke auch dir!
Ich wurde katholisch erzogen und habe Jahre gebraucht, mich aus diesen Mustern befreien zu können. Spiritualität, so sehe ich es heute, hat nichts mit Religion, Erleuchtung, Weisheiten ect. zu tun.
Jeder Mensch ist unterschiedlich und hat seinen eigenen Weg mit seinen eigenen Erfahrungen und Zielen.
So ist es.

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Beitrag Di., 30.06.2015, 21:15

es fällt mir schwer, keinen Kommentar abzugeben.
also gebe ich einen Kommentar ab.
Der lautet: Ich stimme keineswegs zu.
Es ist nicht die Intention dieses meines Threads, welcher hier weitergesponnen wurde, aber..
ich komme nicht umhin zu bemerken, daß es jemandem zu nutzen scheint..
also
weiter so
ich halte ehrlich gesagt NICHTS von diesen "Gesetzen", aber wenn es hilft individuelles Leiden zu lindern, wenn es hilft, daß der Weg weiter geht, dann soll es mir recht sein.
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