Kindliche Ängste, die an der Selbstachtung nagen

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.
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Aerials
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Kindliche Ängste, die an der Selbstachtung nagen

Beitrag Do., 27.02.2014, 03:17

Hallo zusmamen,
das ist mein erster Post und ich will gleich mal mit meinem Problem anfangen. Ich habe eigentlich immer irgendwie versucht, mit meinen Eigenarten zu leben und meine Situation zu akzeptieren und gehofft, irgendwann normal zu werden und stark zu sein. Seit einiger Zeit jedoch, scheint mir alles aus den Fugen zu geraten, da mein innerster Kern angekratzt ist.
Seitdem ich aus der Schule heraus bin und mein Abitur abgeschlossen habe, bin ich ins bodenlose gestürzt. Ich habe nie weiter gedacht, nie gewusst, was ich später machen will und fühle mich jetzt nutzlos, weil ich nicht arbeite.
Nun ich habe nach dem Abitur spontan ein BFD angefangen aber nach einiger Zeit habe ich gemerkt, wie mir die Disziplin für eine ganztägige Arbeitsstelle fehlt und auch die Kraft, deshalb habe ich aufgegeben und gekündigt. Ich wohne in einer Block-Wohnung, seitdem mein Vater vor 6 Jahren ausgezogen ist und eine andere Frau geheiratet hat. Meine beiden Geschwister und ich wir leben bei unserer Mutter und sie ist nunmal ein emotionales Wrack, sie wurde immer von männlichen Personen runtergemacht und hat ein Selbstbewusstsein, das gegen 0 geht. Ich habe das Gefühl, dass sie das an uns weitergibt, ohne, dass sie es möchte.
Ich fühle mich wertlos in dieser Wohnung, abhängig von Hartz IV, da meine Mutter nie einen Beruf lernte. Und mit diesem Gefühl der Wertlosigkeit, des verloren Seins, sollte ich ein BFD machen, um morgens aufzustehen und anderen Menschen zu helfen? Ich konnte es nicht, nicht ohne Anerkennung und Zuspruch, den ich nicht bekam. Ich sah, dass ich "noch" kündigen konnte und ergriff diese Flucht. Ich kann nicht sagen, dass ich ungebildet bin oder sonst was, im Gegenteil. Ich behaupte freier zu denken als manch anderer Mensch. Dennoch kratzen diese ganzen Umstände seit Jahren an meinem Selbstwertgefühl, da ich nicht für das anerkannt werde, was ich bin.

Nach dem BFD war ich monatelang arbeitslos. Dann kam der Winter und der hat alles an die Spitze getrieben. Ich lernte ein Mädchen im Internet kennen, war verrückt nach ihr, besessen. Ich nahm einen kurzfristigen Job an, in dem es um körperliche Arbeit den ganzen Tag ging. Am ersten Abend bekam ich einen emotionalen Zusammenbruch. Ich fühlte mich noch nie so alleine, meine Familie versuchte mich zu trösten, aber ich hatte so viel Angst davor, arbeiten zu gehen.
Ich fühlte mich genötigt, gefangen, verloren. Ich bin wieder zum Kind geworden. Wie ein Kind, das in die Schule muss und nach seiner Mama weint, so sehr hatte ich Angst. Ich sah nur noch Kälte, Einsamkeit, Wertlosigkeit. Ich hatte jede Sekunde das Gefühl, ich sterbe, weil ich mich selbst so hasste, weil ich mich selbst aufgegeben habe. Und in diesem Moment meiner größten Angst, war das Mädchen mich leid, da ich abhängig von ihr wurde. Daraufhin hatte ich nichts mehr. Ich sah nur bei der Arbeit auf's Meer (ich arbeitete am Deich) und habe mich gefragt, wozu ich noch lebe.

Ich habe mal wieder frühzeitig gekündigt. Jetzt weiß ich, dass viele Faktoren dazu zählten, dass ich so viel geheult und so viel Angst hatte. In Ostfriesland , wo ich lebe, wird einem sehr schnell eingetrichtert, dass man nur etwas ist, wenn man körperlich etwas leistet und Disziplin hat. Ich bin das Gegenteil, ich bin klein und ein Denker, undiszipliniert und verträumt. Ich habe das Gefühl, dieser Ort wird mir immer wieder die Schwächen meiner Kindheit aufweisen. Ich wurde nie für das Gute in mir anerkannt. Jetzt zerbreche ich an den Erwartungen Erwachsener, habe Angst vor Authoritätspersonen, zweifle an meinen Anspruch auf egal was, habe Existenzängste und fühle mich unendlich schwach. So schwach. Denn ich kann nicht Geld verdienen, wie jeder andere: Mit disziplinierter Körperarbeit. Dieser Gedanke zerfrisst mich und ich weiß nicht ob ich jemals stark werde. Ich war noch nie so aufgelöst, wie in der letzten Zeit.
Mittlerweile versuche ich das ganze langsam aufzuarbeiten und will eine Therapie machen. Ich frage mich nur, wie ich jemals dieses Denken, schwach zu sein, durchbrechen soll. Ich habe einmal ein halbes Jahr in NRW bei meinem Vater gelebt, dort fühlte ich mich besser als je zuvor in meinem Leben, ich habe Kampfsport gemacht und in der Philosophie Bestätigung für meine Lebensgrundsätze gefunden. In Ostfriesland wurde sofort wieder weniger selbstbewusst, als ich wieder bei meiner Mutter lebte, das kann kein Zufall sein. Meine Schwester und ich wollen nun nach NRW ziehen, aber wir wissen nicht, wie wir dieser Aufgabe gewachsen sein sollen.
Ich habe nun einfach ein paar Fragen, ich brauche eure Hilfe.. Wie kann ich wieder zu Selbstvertrauen kommen? Wie kann ich das Denken, ich sei schwach, verändern?
Wie schaffe ich es, mich von den Umständen, die mich herunterziehen, zu lösen? Habt ihr Erfahrungen gemacht, die ähnlich sind und Taktiken gefunden, stark zu werden?

Ich bin sehr dankbar, wenn auch nur einer diesen langen Text durchliest und mir eine Antwort schreibt. Ich bin ziemlich verzweifelt..

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Nico
[nicht mehr wegzudenken]
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Beitrag Do., 27.02.2014, 07:03

Einen sehr guten Ansatz hast du ja schon selbst entdeckt, nämlich Sport.
Was hindert dich daran in Ostfriesland Kampfsport zu machen ?
Zu glauben, dass in NRW automatisch alles einfacher geht ist wohl ein Trugschluß denn du bist dort der Gleiche wie in Ostfriesland und alles was übers Knie gebrochen wird ist ohnehin meist nur von kurzer dauer weil dich deine Probleme dann erst wieder einholen.
Du unterliegst glaube ich dem Irrtum, dass sich etwas verändern muss damit du dich ändern kannst, es wird aber eher umgekehrt sein, du wirst dich verändern müssen damit etwas anders wird.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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Chancen
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Beitrag Do., 27.02.2014, 09:48

Hallo Aerials!


Den meisten von uns wurde Selbstachtung nicht gerade in die Wiege gelegt. Sie zu finden und zu pflegen ist ein Lebensprojekt.

Wenn es dir möglich ist, dann versuche, eine Therapie zu machen. Je langfristiger du dabei denkst, desto stabiler wird sich das dir Erarbeitete erweisen. Veränderungen passieren nicht von heute auf morgen, sondern benötigen Zeit und Geduld.

Du fragst, ob du dieses Gefühl des Schwachseins jemals ablegen wirst können. Ich denke, dass der Schlüsssel darin liegt, dass du das Schwachsein annehmen kannst. Dass du nichts mehr Schlechtes darin siehst, sondern dein ganz normales Menschsein, das dich mit allen anderen Menschen verbindet. Und wenn du dieses Schwachsein für dich in Ordnung findest und es nicht mehr so abwehren und verstecken musst, dann erwächst daraus eine gewisse Stärke. Diese Stärke ist aber dann anderer Natur als die von so vielen Menschen demonstrierte Pseudostärke.

Hast du dir im Übrigen schon einmal überlegt, ein Studium zu beginnen, anstatt dich sofort in die Arbeitswelt zu stürzen? Du klingst sehr wissensdurstig! Ich kann mir vorstellen, dass du deine Befreiung und Befriedigung in geistiger Arbeit finden könntest.

Ich glaube zu lesen, dass du an einer bestimmten Einsamkeit des Geistigen leidest. Dir geht zu viel im Kopf rum, auf zu hohem Niveau, als dass dir dein Umfeld da folgen könnte.

Um stärker und glücklicher zu werden bedarf es oftmals auch der Struktur dafür. Zum Beispiel ein neues, reifes Umfeld und das Wegkommen vom Eingesperrtsein in einer Blockwohnung und dem engen Gefühl dort.

Nutze deine Stärken, anstatt zu versuchen, deine Schwächen zu verdecken!



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