Viel zu introvertiert für das Leben

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.
Benutzeravatar

SanPfuchen
neu an Bo(a)rd!
neu an Bo(a)rd!
weiblich/female, 21
Beiträge: 3

Beitrag Di., 03.04.2012, 19:08

Ich würde dir auch zu einer Therapie raten. Dein Problem kenne ich sehr gut. Mir geht es auch so. Mich schränkt mein geringes Selbstbewusstsein und die zusammenhängende Introvertiertheit sehr ein. Deshalb habe ich mich in Therapie begeben. In einem Monat fange ich eine Gruppentherapie an in der andere Leute mit den gleichen Problemen sind. Dabei lernt man sich selbst zu schätzen und mit andern umzugehen. Für mich war bzw ist es eine Überwindung bei der Psychotherapeutin zu reden. Ich sitze da und zittere. Ich habe auch große Angst vor der Gruppe. Ich weis nicht, wie sie mich finden, was ich sagen soll und wie ich mich verhalten soll. Andererseits wird die Therapie gemacht, damit ich es lerne. Irgendwie freue ich mich auch schon drauf, weil ich die Hoffnung habe, dass ich mehr Selbstvertrauen gewinne und auf andere Menschen eingehen kann. Ich würde es dir auch empfehlen, wenn es dich sehr bedrückt. Erstmal ist es eine große Überwindung, aber dir geht es danach besser. Natürlich muss das Jeder selbst wissen.

Ich selber habe durch die Introvertierheit auch viele Nachteile. Ich bin angehende Erzieherin. Bei mir ist Kommunikation das A und O. Ich muss mit den Kindern, Eltern und Erziehern reden. Ich habe bei der Beurteilung immer eine schlechte Bewertung bei der Kommunikationsbereitschaft usw. erhalten. Dadurch muss ich es unbedingt ändern, da ich später eine tolle Erzieherin werden möchte. Ich weis ja nicht, welche beruflichen Ziele du verfolgst. Eventuell wäre es für dich auch sehr hilfreich Hilfe in Anspruch zu nehmen. Natürlich auch für den privaten Bereich. Ich VERMUTE, dass du auch wie ich keine (richtigen) Freunde hast, da du ja schlecht auf Andere eingehen kannst.

Werbung

Benutzeravatar

Schattenmann
sporadischer Gast
sporadischer Gast
männlich/male, 39
Beiträge: 7

Beitrag Mo., 14.05.2012, 20:05

Mary-Lou hat geschrieben: Meine Therapeutin nannte mich verstummt. Nun will sie mir das Reden erlernen. Ich habe noch keine Vorstellung, wie das funktionieren soll, aber ich lasse mich überraschen
Hallo Mary-Lou,

Welchen Ansatz hat deine Therapeutin bei deinem Problem benutzt ?

gruss S.

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Imaging
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 19
Beiträge: 25

Beitrag Do., 30.08.2012, 14:43

Sorry, das ich hier schon wieder rumjammere. Aber aus aktuellem Anlass muss ich hier gerade mal etwas loswerden.
Ich habe momentan einen Job.

Aber natürlich habe ich da wieder das gleiche Problem. Je mehr ich mich anstrenge nicht so ruhig zu sein, desto ruhiger werde ich. Ich bin wirklich viel zu ruhig. Manchmal rede ich wirklich fast überhaupt gar nicht.

Ok, manche haben mir geschrieben, es ist in Ordnung nicht so stark extroviertiert zu sein.
Aber ich bin so extrem introvertiert, dass das wirklich nicht ok so ist.
Andere habe geschrieben, ich soll eine Therapie machen. Ok, vielleicht mache ich das auch. Aber das würde ja sowieso nur langfristig was bringen. Außerdem frage ich mich auch, ob eine Krankenkasse eine Therapie aufgrund von Introvertiertheit bezahlt. Aber ok, das kann ich ja in Erfahrung bringen. Die Wartezeiten sind aber ja vermutlich auch nicht ohne ....

Deshalb: Was mache ich jetzt in dieser Situation?
Ich will nicht schon wieder als die "komische Ruhige" abgestempelt werden - die, die keiner ernst nimmt ...
Ich bin wirklich verzweifelt deshalb, weil ich das Gefühl habe ich bin so unfähig, so minderwertig im Vergleich zu Anderen.
Ständige diese unterschwelligen und direkten Erwartungshaltungen der Anderen: "Nun rede doch endlich etwas mehr!"
Mich macht das wirklich fertig und kaputt.

Und es ist wirklich so, dass der Gesprächanteil der anderen immer höher ist als meiner
Und dass ich oft während eines längeren Gespräches in einer Gruppe nichts dazu beitrage und nur zuhöre.

Benutzeravatar

Rezna
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 40
Beiträge: 1722

Beitrag Do., 30.08.2012, 15:08

Und du glaubst, es wird besser, wenn du dich unter Druck setzt?
Imaging hat geschrieben:Je mehr ich mich anstrenge nicht so ruhig zu sein, desto ruhiger werde ich.
So funktioniert das nicht, wie du gesehen hast. Lass los. Erlaube dir, ruhig zu sein. Bei Kommunikation gehts nicht darum, ein angenehmes Vordergrundrauschen zu erzeugen, sonern sich mitzuteilen uns auszutauschen. Wem bringt es was, zu reden nur um zu reden? Wenn du etwas zu sagen hast, das dir auf die Lippen brennt, dann kommt damit auch der Mut - aber nur, wenn du dich nicht so entsetzlich unter Druck setzt.
Imaging hat geschrieben:Aber ich bin so extrem introvertiert, dass das wirklich nicht ok so ist.
Wer, ausser dir, sagt das? Hat man dir gesagt: "Imaging, also du bist mit der stillen Nummer aber sowas von nicht ok, wahnsinn, echt."?
Imaging hat geschrieben:Andere habe geschrieben, ich soll eine Therapie machen. Ok, vielleicht mache ich das auch. Aber das würde ja sowieso nur langfristig was bringen. Außerdem frage ich mich auch, ob eine Krankenkasse eine Therapie aufgrund von Introvertiertheit bezahlt. Aber ok, das kann ich ja in Erfahrung bringen. Die Wartezeiten sind aber ja vermutlich auch nicht ohne ....
Merkst dus? Du WILLST nicht. Also spars dir. Eine Therapie bringt nur etwas, wenn du sie auch WIRKLICH willst und WIRKLICH darin einen Lösungsansatz siehst.
Imaging hat geschrieben:Und es ist wirklich so, dass der Gesprächanteil der anderen immer höher ist als meiner.
Bei Gesprächen sind die Gesprächsanteile immer verschieden gelagert. Es gibt immer Quasselstrippen, und ruhige Menschen, und eine ganze Menge dazwischen. Und nur weil jemand viel redet, heisst das nicht, dass er auch viel zu sagen hat.
Imaging hat geschrieben:Und dass ich oft während eines längeren Gespräches in einer Gruppe nichts dazu beitrage und nur zuhöre.
Und? HAST du was zu sagen? Ich denke, das Problem ist, das du Ursache-Wirkung vertauschst. Es geht nicht darum, irgendwas zu sagen, sondern darum, dass du, wenn du etwas beizutragen hast, das dann auch kannst. Besser nix sagen, als nur Soundeffekte liefern. Wenn du gut zuhören kannst, hast du einen großen Vorteil: Du kannst herausfinden wie die Leute ticken, was sie bewegt, und du kannst durch Beobachtung lernen, wie Menschen reden, was sie zu sagen haben. Meist ist es nix weltbewegendes.
Ich habs so gemacht, dass ich in einer Runde Kontakt knüpfen wollte, aber nicht wusste wie. Also hörte ich zu und merkte mir die Fragen die andere stellten. Fand ich die Fragen gut, weil mich die Antwort ja selber auch interessiert, so merkte ich sie mir und begann dann auch auf die Art Gespräche. Keiner erwartet sofort den rhetorischen Megaevent.
Aber um da anzufangen, solltest du den Druck mal weg nehmen. Ich sag dir, keiner der Leute in den Gesprächen denen du beiwohnst, brächte was raus, wenn er so denken würde, sich so unter Druck setzen würde wie du.
»Nimm niemals Böswilligkeit an, wenn Dummheit hinreichend ist.« [Hanlon's Razor]
»Wir sind lieber die Bösen als die Dummen.« [Richard David Precht]

Werbung

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Imaging
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 19
Beiträge: 25

Beitrag Fr., 31.08.2012, 10:55

Arta hat geschrieben:Und du glaubst, es wird besser, wenn du dich unter Druck setzt?
Nein, vermutlich nicht. Aber ich stehe einfach unter Druck in solchen Situationen.
Arta hat geschrieben:Wem bringt es was, zu reden nur um zu reden? Wenn du etwas zu sagen hast, das dir auf die Lippen brennt, dann kommt damit auch der Mut - aber nur, wenn du dich nicht so entsetzlich unter Druck setzt.

Ich kann oft auch nichts sagen, wenn ich eine ganz konkrete Informationen weiß, die für die Anderen hilfreich sein könnte zum Beispiel. Und dann sagt manchmal genau das später jemand anderes und er bekommt die "Anerkennung" und dann ärgere ich mich natürlich, dass ich wieder nichts gesagt habe
Arta hat geschrieben:Wer, ausser dir, sagt das? Hat man dir gesagt: "Imaging, also du bist mit der stillen Nummer aber sowas von nicht ok, wahnsinn, echt."?
Es haben schon andere Menschen gesagt, dass sie mich komisch finden. Ein paar Beispiel habe ich auch schon in meinem ersten Post in diesem Thread geschrieben.
Also, das haben an mir schon mehrere Menschen kritisiert.
Arta hat geschrieben:Ich sag dir, keiner der Leute in den Gesprächen denen du beiwohnst, brächte was raus, wenn er so denken würde, sich so unter Druck setzen würde wie du.
Ja, vielleicht. Aber ich hasse diese Eigenschaft einfach an mir! Ich kann sie nicht einfach akzeptieren und mir denken, dass es nicht so schlimm ist.
Und weil ich diese Eigenschaft hasse, will ich, dass niemand das mitbekommt.

Benutzeravatar

Rezna
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 40
Beiträge: 1722

Beitrag Fr., 31.08.2012, 21:30

Imaging hat geschrieben:Ja, vielleicht. Aber ich hasse diese Eigenschaft einfach an mir! Ich kann sie nicht einfach akzeptieren und mir denken, dass es nicht so schlimm ist.
Da liegt eines der Probleme begraben.
Würdest du es mögen, wenn ein dir verhasster Mensch sich in einer Gesprächsrunde einmischt? Etwas zu sagen hat? Brächtest du der Meldung genausoviel Aufmerksamkeit entgegen, wie einer Person die du magst?

Zu Zeiten, in denen ich mich am meisten gehasst habe, für diese Eigenschaft, diese Eigenschaft so gehasst habe, war das mit dem "nicht reden können" am schlimmsten. Ich war in den Lebenslagen in denen es darum ging zu reden, mit dem Krieg in mit, dem Hass, beschäftigt. Die Energie ist da völlig falsch herumgewirbelt.
Als ich akzeptierte, dass ich eben ruhig bin, als ich diese Eigenschaft an mir sogar als einen Wert schätzen konnte, als Teil meiner ganz speziellen Persönlichkeit - die eben in ihrer Art einzigartig ist wie jeder andere Mensch auch - begann sich meine Zunge zu lockern.

Als ich auf Reha war und dort alleine unter Fremden war, brauchte ich rund drei Wochen, einen Draht zu meiner Gruppe zu kriegen, obwohl ich die jeden Tag sah, mehrere Stunden, bei Essen mit ihnen am Tisch saß. Meine Gedanken kreisten in dieser Zeit sehr um meine "asoziale Art" meine "soziale Unfähigkeit". Mitunter stand ich da, wusste tausend interessante Sachen zu sagen, brachte aber den Mund nicht auf.
Ich klagte das damals auch der dortigen Thera, und die meinte, ALLE täten sich schwer, andere hätten nur mehr schauspielerisches Talent. Viele hätten gelernt, diese Angst zu kaschieren, sie reden sich quasi "warm". Mir hat das geholfen.
Weiters machte ich es so, dass ich aufhörte, die Gruppe als Gruppe zu sehen, denn ich bemerkte, dass ich mir leichter tu, mit den Leuten zu reden, wenn wir nur unter vier Augen waren. Sobald da aber mehr als eine Person war, wars aus bei mit. Hab mir dann gesagt: All diese Personen sind dieselben wie im Zwiegespräch. Ich hab das "Monster" das man "die Anderen" oder "die Gruppe", oder "Alle" nennt einfach getötet und mir bewusst gemacht, dass es "wie ein Zweigespräch" ist, nur zeitsparend gleichzeitig.

Insofern auch die Frage: Ist dein Schweigen NUR in Gruppen so arg, oder auch, wenn du mit einer einzigen Person alleine bist?
Und sicher, bei Einzelpersonen kommts auch drauf an, welche. Ich hab Angst vor Autoritäten, bei solchen schweige ich auch im Zwiegespräch... aber mit Kollegen, Kunden... gehts recht gut, sofern eben kein Dritter da ist... was ich aber, wie gesagt, mit diesem Trick auflösen konnte.
»Nimm niemals Böswilligkeit an, wenn Dummheit hinreichend ist.« [Hanlon's Razor]
»Wir sind lieber die Bösen als die Dummen.« [Richard David Precht]

Benutzeravatar

Ratlosigkeit
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 48
Beiträge: 1294

Beitrag Sa., 01.09.2012, 07:41

Um Dir so etwas wie Hoffnung zu geben - ich hatte das "Problem" auch, meine ganze Kindheit und Jugend hindurch war ich still und stumm. Ich habe damit meine Umgebung in den Wahnsinn getrieben, vor allem meine Lehrer, die mich nie nach mündlichen Leistungen beurteilen konnten, weil ich diese konsequent verweigerte. Meine schriftlichen Leistungen waren gut bis sehr gut, darum konnten sie mir nix tun - aber geredet habe ich nichts. Warum nicht? Es war eine Mischung aus Angst und Trotz, wozu noch eine Prise Versponnenheit kam.
Nun, ich habe das im Laufe der Zeit total verloren, heute habe ich fast das gegenteilige Problem, dass ich immer und überall meinen Senf dazu geben muss.
Wie das gekommen ist? Als ich etwa in Deinem Alter war, wollte ich das bewußt ändern. Ich habe damals fast so etwas wie Rollenspiele in der Realität gemacht. Immer wenn ich "neue" Leute kennenlernte, probierte ich das aus und trat bewußt extrovertiert ("normaaaaaaaaaaaaal") auf. Ich kopierte das Verhalten der extrovertierten Menschen in meiner Umgebung. Ich gebe zu, dass ich am Anfang Alkohol dazu brauchte, um lockerer zu werden und einfach rauszulassen, was in meinem Kopf so vorging. Als ich merkte, dass keine entsetzten sondern sogar positive Reaktionen auf meine Extraversion kamen, konnte ich den Alkohol dann auch weglassen. (Es muss auch ohne Alkohol gehen, will ich damit sagen, ich will niemandem zum Saufen animieren). Ein zweiter Punkt war die schlichte Notwendigkeit, mich mündlich artikulieren zu müssen, um den Alltag durchzustehen. Wenn Du etwas brauchst, musst Du das sagen können, sofort, klar und deutlich, sonst hat das Konsequenzen.
Dein Beitrag hat mir meine Jugend in Erinnerung gerufen, als ich genau dieses Problem hatte und mir wurde klar, dass ich es seit gut 30 Jahren nicht mehr habe, ja schon sehr lange nicht mehr daran gedacht habe, dass ich dieses Problem einmal hatte.
Alles ist gut, wenn es aus Schokolade ist.

Benutzeravatar

Emoticoala
Helferlein
Helferlein
männlich/male, 44
Beiträge: 52

Beitrag Sa., 01.09.2012, 08:07

In der Verhaltenstherapie gibt es ein Training für "Soziale Kompetenz". Es werden konkrete Übungen als Hausaufgaben mitgegeben. In den Übungen geht es um Öffentliche Beachtung, Kontakt, Fordern und Nein-Sagen. Bei einer Übung geht es zum Beispiel darum, sich als dritte Person bewußt in ein Gespräch zwischen zwei anderen Personen einzumischen.

Der Therapeut hilft einem dabei, die verschiedenen Gefühle, die in einer solchen Situation entstehen können, besser wahrzunehmen und einzuordnen, also Angst, Wut, Neid, Scham und andere.

Sehr gute Erfahrungen habe ich persönlich auch mit dem Improtheater gemacht. Wichtig ist es allerdings, immer bei sich zu bleiben und die eigenen Gefühle richtig wahrzunehmen und zuzulassen. Mit der Übung und der Zeit verändert sich wirklich die Selbst- und Fremdwahrnehmung, sowie das Selbstwertgefühl und Selbstbewußtsein. Es braucht allerdings Geduld. Aber mit 19 bleibt ja noch viel Zeit zur Selbsterfahrung und zum Üben.

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag