Probleme mit der optischen Attraktivität

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.
Antworten

Thread-EröffnerIn
BlindSoul
neu an Bo(a)rd!
neu an Bo(a)rd!
weiblich/female, 31
Beiträge: 2

Probleme mit der optischen Attraktivität

Beitrag Fr., 08.06.2018, 12:30

Hallo liebes Forum,

Ich habe als Kind sexuellen Missbrauch erlebt und diesen soweit eigentlich ganz gut verdrängt bzw. ich empfinde nichts, wenn ich darüber rede, eher extreme Taubheit.
Daher hatte ich bereits seit frühester Kindheit eine sehr seltsame Beziehung zu Attraktivität, auch mit meiner eigenen.
Mir wurde mein Leben lang gepredigt, dass ich sehr hübsch sei. Wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich zwar mich selbst, aber ich kann keinen Vergleich zwischen mir und einer anderen Person ziehen.

Ich habe in meinem Leben noch nie einen Menschen gesehen und mir gedacht, dass der oder die attraktiv oder hässlich sei.

Ich betrachte die meisten Menschen und kann nicht sagen, ob diese Person schön oder nicht ist, ich sehe zwar das Gesicht und kann sagen, okay es ist symmetrisch, es lässt mich Angst fühlen, es wirkt einschüchternd oder sonst was.
Aber ich kann nicht sagen, ob dieser Mensch jetzt dazu geeignet ist ein Model zu werden oder nicht.

In den meisten Fällen vergesse ich Gesichter sehr schnell, wenn ich mit ihnen keine "Verbindung" herstelle.
Attraktiv wird ein Mensch erst für mich, wenn ich den oder die besser kenne, aber es ist genauso umgekehrt.
Wenn ein Mensch MEINER Meinung nach irgendwas nicht so macht, wie ich es machen würde oder irgendwelche moralischen/politischen Werte vertritt, mit denen ich mich nicht identifiziere, ist es so als würde ich einen Kloß an Schleim und Müll sehen, ich fühle mich von diesen Menschen extrem abgestoßen, egal ob weiblich oder männlich.

Ich habe in meinem Leben noch nie einen Menschen gesehen und mir gedacht, dass der oder die attraktiv oder hässlich sei. Meist empfinde ich gar nichts.

Jetzt bin ich seit 8 Jahren in einer Beziehung, mein Freund ist laut meinem Umkreis sehr attraktiv, ich finde ihn teilweise attraktiv. Es kommt immer darauf an, wie er sich benimmt, wenn wir z.B. einen Streit haben habe ich das dringende Verlangen wegzuschauen, weil ich ihn nicht ansehen kann, er wirkt für mich wie ein Monster.
Das passiert auch, wenn ich im Unrecht bin, aber trotzdem in dem Moment, spüre/rieche/sehe(?) ich seine Feindseligkeit und sein ganzes Gesicht verzerrt sich vor meinen Augen.
Ich kann es schwer beschreiben.

Das Problem gibt es nicht, wenn ich jemanden im Fernsehen oder auf einem Foto sehe, da ist es eher so, dass ich gar nichts einschätzen kann, es passiert nur, wenn ich unmittelbar neben einem Menschen bin.

Was es zur Herausforderung macht: Sobald mal ein Streit im Raum ist und über Tage dauert, entwickle ich eine dermaßen große Abneigung ihm gegenüber, dass ich mit ihm nicht mal in einem Bett schlafen möchte, weil mich ein Ekel überkommt. Schlimmer wird es, wenn ich dann jemanden kennenlerne, egal ob Mann oder Frau, passiert es manchmal, dass ich mich unglaublich zu dieser Person hingezogen fühle, wenn ich mit ihm/ihr rede.

Es artetet in einen unglaublichen sexuellen Drang gegenüber dieser Person aus. Manche von meinen Freundinnen haben mir in der Vergangenheit gesagt, dass diese Menschen, zu denen ich mich so extrem hingezogen fühle, nach den "Normen" unattraktiv oder extrem unattraktiv sind.

Da kamen Aussagen wie: Merkst du nicht, dass er/sie extrem fettiges Haar hat?
Er/Sie ist extrem dick.
Das Gesicht ist seltsam/unschön.

Und rein logisch betrachtet, sehe ich diese Dinge aber ich registriere sie nicht, weil all meine Sinne sich auf etwas anderes konzentrieren.

Es führt auch ständig zum weiteren Streit in meiner Beziehung, ich verweigere meinem Freund den Sex, worauf er manchmal extrem unangenehm wird und teilweise es fast als meine Pflicht ansieht, aber mich ekelt es vor ihm.
Irgendwann flaut es wieder ab und dann geht es wieder in die andere Richtung, ich sehe ihn plötzlich als den schönsten Mann der Welt.
Es fühlt sich oftmals so an, als würde ich mit zwei Personen zusammen sein.

Das Problem gab es bereits in der Vergangenheit und ich tat mir irrsinnig schwer, jemanden für eine längere Beziehung zu finden, weil ich oftmals irgendwelche "Trigger" hatte und vor dem/der weglief.

Zusätzlich kommt hinzu, dass ich keine Eifersucht empfinde, mein Freund aber sehr wohl und der Umstand, dass ich Attraktivität als solches nicht sehe und das Gefühl von Eifersucht nicht kenne, mir oftmals nicht klar ist, dass der/die Kollege/in meinem Freund ein Dorn im Auge ist.

Mir wurde suggeriert, dass ein evtl. im Spektrum des Autismus sein könnte?
Ich weiß es leider nicht, ich war noch nie bei einem Psychologen und ich traue mich deswegen auch nicht wirklich hin, evtl, weil sich eine Diagnose auf mein Arbeitsleben auswirken könnte.

Werbung

Benutzeravatar

Kaonashi
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 48
Beiträge: 1244

Beitrag Sa., 09.06.2018, 07:07

Attraktivität ist eigentlich nichts Objektives. Was man attraktiv findet, ist zum Teil von der Kultur geprägt, aber auch zu einem Teil ganz individuell. Die Kultur gibt bei uns z.B. vor, dass schlanke Menschen als schöner gelten als dicke Menschen. In anderen Kulturen kann das anders sein. Auch innerhalb von unserer Kultur gibt es dennoch Menschen, die dicke Menschen schön finden. Und manchmal kann es sein, dass man einen bestimmten Menschen schön findet, nur wegen den Augen, und das übrige wäre gar nicht so attraktiv. Also ich finde, man kann gar nicht sagen, dass Attraktivität etwas ist, was man objektiv feststellen kann.

Was du beschreibst, klingt für mich, als wärst du gegenüber optischen Eigenschaften sehr vorurteilsfrei, und das ist eigentlich ziemlich gut.

Den Aspekt, dass man nicht beurteilen kann, ob jemand attraktiv ist oder nicht, habe ich in Zusammenhang mit Autismus bisher nur 1x gelesen, bei Axel Brauns ("Buntschatten und Fledermäuse"). Dass ein guter Charakter oder ein angenehmes Verhalten sexuelle Gelüste auslöst, habe ich überhaupt noch nie gelesen in Bezug auf Autismus.

Die Kernsymptome von Autismus sind jedenfalls andere.

Wenn du wissen willst, ob bei dir eine diagnostisch relevante Störung vorliegt, wirst du um den Besuch bei einem Psychiater oder Psychologen nicht herumkommen. Man kann es weder per Selbstdiagnose noch im Internet feststellen.

Benutzeravatar

Nordrheiner
Helferlein
Helferlein
männlich/male, 64
Beiträge: 62

Beitrag Sa., 09.06.2018, 11:05

Liebe Blindsoul,

der Antwort von Kaonashi stimme ich zu. Aus meiner Sicht nehme ich Dich als einen Menschen wahr, dem Harmonie und Übereinstimmung wichtiger Werte (Ansichten) wesentlich wichtiger sind, als optische Merkmale. Das finde ich sehr gut, denn so hast Du einen Blick für innere Werte des Menschen. Das Äussere vergeht mit den Jahren.


Vielleicht ein hilfreicher Hinweis: Wenn Du Dich im Streit befindest, ggf. Dich im Unrecht befindest, dann helfen Gedanken, Aussagen und Fragen, die zu Deeskalation führen. Besprich in ruhigen Minuten mit Deinem Partner die für Euch passenden Spielregeln im Falle einer Meinungsverschiedenheit.


Beispiel:

1. Beleidigungen sind ein NoGo.

2. Frage: Worin sind wir uns einig?

3. Wie könnte ein Kompromiß aussehen?

4. Wird das Gespräch zu hitzig, kann man für einige Zeit (1 Std.?) den Raum verlassen und sich beruhigen.

5. Anstelle von Du-Aussagen z.B. "Du bist gemein" helfen Ich-Aussagen, z.B. "ich fühle mich im Moment...."

Liebe ist das Interesse am Wohl des Anderen, zu dem ich beitrage im Rahmen meiner Kompetenzen. Auch und gerade im Fall einer Meinungsverschiedenheit.

LG, Nordrheiner
Wenn der Mensch gleichgültig wird, besteht keine Hoffnung mehr, dass er das Gute wählen kann. Das Leben kann sehr schön sein. Jedoch setzt es voraus, dass wir den Sinn unseres Lebens erkennen.

Benutzeravatar

Jens72
Helferlein
Helferlein
männlich/male, 49
Beiträge: 63

Beitrag So., 10.06.2018, 20:14

BlindSoul hat geschrieben: Fr., 08.06.2018, 12:30 Ich habe als Kind sexuellen Missbrauch erlebt und diesen soweit eigentlich ganz gut verdrängt bzw. ich empfinde nichts, wenn ich darüber rede, eher extreme Taubheit.
.......
Ich habe in meinem Leben noch nie einen Menschen gesehen und mir gedacht, dass der oder die attraktiv oder hässlich sei.
Das ist sehr traurig. Meine Pflegemutter hat von mir auch sexuelle Handlungen gewünscht.

Ich glaub mir geht es etwas ähnlich mit Attraktivität anderer Menschen zu beurteilen. Ich habe auch Angst vor Frauen die vom Typ her ähnlich wie meine Pflegemutter sind. Das ist dann wie eine Blockade.

Jens72

Werbung


Thread-EröffnerIn
BlindSoul
neu an Bo(a)rd!
neu an Bo(a)rd!
weiblich/female, 31
Beiträge: 2

Beitrag Mo., 11.06.2018, 14:10

Danke für eure Antworten, das macht mir einiges leichter, dass ich nicht allein damit bin.

Ich habe halt leider immer wieder das Problem, dass ich als nicht normal angesehen werde... vor allem von Leuten die mich nicht so gut kennen.

Aber vielen Dank, ich werde es mir überlegen, ob ich doch Hilfe suche oder nicht...

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag