Wurstel
Theory hat geschrieben: ↑Fr., 20.05.2022, 06:41
3) Ich wurde für 6 Wochen und dann nochmal 6 Wochen krank geschrieben. Ich habe eine Therapie gemacht und angefangen, wieder zurück zu mir zu finden. Ich habe mich auf meine Gesundheit konzentriert und bin wieder gesund geworden. Danach habe ich ein (gut vorbereitetes) Gespräch mit der Personalabteilung geführt und eine neue Position angeboten bekommen. In dieser war ich dann ein Jahr, danach habe ich gekündigt - da es im Endeffekt nicht an mir selbst lag, sondern die Kultur im Unternehmen einfach nicht zu mir passte. Mit der Therapeutin habe ich zuvor gelernt, wie ich mich im Beruf gut abgrenzen kann.
Hast Du keine Schwierigkeiten mit Deinem Dienstgeber wegen Deiner langen Krankenstände bekommen?
Als ich in der Probezeit (die war in einer Dienststelle in Wien) war, da hörte ich öfter, daß Leute wegen Krankenstand rausgeschmissen worden sind. Da hieß es immer gleich, daß man den Verdacht hat, daß der/die krankfeiert, und es wurde auch gleich der Krankenkassenkontrollor zum betreffenden Kollegen geschickt, der geprüft hat, ob der Kollege tatsächlich krank ist.
Nach meinem Unfall auf dem Weg in die Arbeit im Februar 2019 war ich dann lange im Krankenhaus, Pflegeheim und dann im Rehabilitationszentrum; im Juli 2019 kam ich dann im Rollstuhl nach Hause und war weiterhin im Krankenstand. In dieser Zeit wurde mein Gehalt auf die Hälfte gekürzt (nämlich nach drei Monaten), und ich erhielt dann Bescheid, daß mir gekündigt wird, wenn ich nicht alsbald wieder in die Arbeit komme. (Diese Kürzung meines Gehaltes auf die Hälfte war für mich sehr ungünstig, denn bei uns wird die Pension nach dem Durchschnittsgehalt der Gehälter der letzten drei Jahre berechnet.) Erst im September 2019 kam ich aus dem Rollstuhl raus, habe mir einen Aixam gekauft und bin dann mit diesem und mit dem Rollator in meine Arbeit gefahren. (Vorher fuhr ich ja mit Zug und Bus in die Arbeit, aber das ging nicht mehr, weil die Züge und Busse nicht behindertengerecht sind und ich noch lange keine Stufen steigen konnte.) Leider mußte ich da schon gegen 4:30 Uhr wegfahren, um um 7:30 Uhr in der Arbeit zu sein. Da ich in jener Zeit unfallbedingt auch noch stuhl- und harninkonstistent war und dies zu recht unfeinen Sachen in der Arbeit geführt hat, hat mich dann der Dienststellenleiter nach Hause geschickt und gesagt, daß ich in den Krankenstand gehen soll, denn es geht nicht an, daß ich aufgrund meiner nunmehrigen Behinderung meinen Arbeitsplatz verschmutze; außerdem betrachtete er es als Wahnsinn, daß ich so früh aufstehen mußte, um in die Arbeit zu kommen. (Früher mit dem Zug bin ich ja gegen 6 Uhr von zuhause weggefahren, aber der Aixam ist als Leichtkraftfahrzeug nicht so schnell, außerdem darf man damit nicht auf der Autobahn fahren, daher mußte ich einen gehörigen Umweg fahren.)
Leider war dann die Krankenkasse mit dem Krankenstand nicht einverstanden. Zwar hat mich meine Hausärztin krankgeschrieben, aber die Krankenkasse war da anderer Meinung und hat mich dann zwangsgesundgeschrieben und mich wieder in die Arbeit geschickt. Dann hat mich der Dienststellenleiter nochmals heimgeschickt, meine Hausärztin hat mich nochmal krankgeschrieben, aber dann gab es Schwierigkeiten mit der Krankenkasse - die dortige Chefärztin hat mich nochmal zwangsgesundgeschrieben, und meine Hausärztin hat eine auf den Deckel bekommen, weshalb sie dann auch nicht mehr gut auf mich zu sprechen war; sie hat mich dann nicht mehr krankgeschrieben und gesagt, daß da jetzt die Entscheidung der Krankenkasse vorgeht. Daraufhin hat meine Erwachsenenvertreterin (die ich aufgrund meines Unfalles bekommen habe) einen Antrag auf meine unfallbedingte Invalidenpension gestellt. Ich mußte dann zu etlichen Befragungen und Untersuchungen und erfuhr dabei unter der Hand von einem der untersuchenden Ärzte, daß die Krankenkasse und die Pensionsversicherungsanstalt gegen mich wegen Sozialbetrug ermitteln.
Ich wurde dann zu einem Termin gerufen, wo ich sehr viele Fragen beantworten mußte, die alle mit Verbrechen zu tun hatten. Das kam mir sehr komisch vor, und ich habe etliche dieser Fragen (wo was anzukreuzen war) unbeantwortet gelassen, aber das wurde nicht akzeptiert; ich mußte auch Fragen wie diese hier beantworten:
Was empfinden Sie, wenn Sie mit einem Messer in der Hand auf jemanden losgehen?
a) Freude
b) Genugtuung
c) Rache
d) Wut
Ja, was soll ich denn da ankreuzen?
Es gab viele solcher Untersuchungen und Befragungen. Endlich hat mir meine Erwachsenenvertreterin meine Kündigung per 30. November 2020 geschickt, die ich unterschreiben mußte und mit der ich ausdrücklich auf den dreijährigen Kündigungsschutz nach dem Behinderteneinstellgesetz verzichte (ich war ja als Körperbehinderter eingestellt). Dann habe ich eine (allerdings nicht sehr hohe) Invaliditätspension erhalten, das aber leider nur drei Monate lang. Dann stellte die Pensionsversicherung die Zahlung ein, weil sie der Ansicht ist, daß meine Invalidität nicht ausreichend wäre, um einen Anspruch auf Invaliditätspension zu haben. Mir wurde mittlerweile auch das Pflegegeld gestrichen, obwohl ich jemanden vom Hilfswerk wegen der dreimal wöchentlichen Körperpflege brauche, daher muß ich das Hilfswerk mittlerweile selber zahlen. Meine Erwachsenenvertreterin hat gegen diese Entscheidung, mir die Invaliditätspension und das Pflegegeld zu streichen, geklagt, aber ich weiß nicht, wie es da weitergeht, es scheint diesbezüglich noch kein Ergebnis zu geben. (Zum Glück habe ich noch andere Einkünfte und bin nicht auf die Invalidenpension angewiesen.)
Was ich mit dem Ganzen sagen möchte, ist, daß es nicht so einfach ist zu sagen, na dann gehe halt in den Krankenstand. Es kann dann durchaus (so wie mir) passieren, daß man dann seinen Job verliert und gar kein Geld mehr bekommt.
Theory hat geschrieben: ↑Fr., 20.05.2022, 06:414) Ich habe es KEINE SEKUNDE BEREUT. Es war die beste Entscheidung damals, die ich treffen konnte. Aber es ging mir damals „schlecht“ (wie dir jetzt) und ich dachte, ich dürfe nicht für mich sorgen und müsse „unter allen Umständen funktionieren“ (= meinen Wert zog ich damals auch zu 100% aus meiner Leistung und Arbeit, es war sehr beängstigend. Aber in der Auszeit habe ich durch die Hilfe meiner Familie und Freunde gelernt, dass ich so viel mehr bin, als nur die Arbeit!)
Da hattest Du Glück.
Mein Vater hingegen (der allerdings lange vor meinem Unfall gestorben ist) hat immer geschimpft, wenn ich mal wegen einem Schnupfen zuhause geblieben bin - er sagte, daß das kein Grund ist, in den Krankenstand zu gehen und daß man dafür entlassen werden kann. Er erzählte mir auch oft, daß im Krieg Soldaten erschossen worden sind, wenn sie gesagt haben, daß sie krank sind. Er hat selber auch nach diesem Lebensgrundsatz (den er mir eingetrichtert hat) gelebt:
Der Mensch lebt, um zu arbeiten. Kann oder will er nicht mehr arbeiten, ist es am besten, er bringt sich um.
Daß meine Schwester mir heute noch Vorhaltungen macht, daß ich nach meinem Unfall so lange im Krankenstand war und sie mir oft sagt, daß mein Vater da völlig recht gehabt hat und sie mich als arbeitsscheuen Obizahrer bezeichnet und sagt, daß es völlig richtig ist, daß ich keine Pension bekomme, weil mir diese ihrer Ansicht nach wegen Krankfeierns nicht zusteht, mach die Sache nicht einfacher...
Theory hat geschrieben: ↑Fr., 20.05.2022, 06:41Alles Gute bei der Umsetzung
Hast Du dann eigentlich bald wieder einen Job bekommen?
Und wurde Dir seitens vom Arbeitsamt oder seitens der Krankenkasse die Krankenstände vorgeworfen?
Wurstel