Fallstricke der 'gewaltfreien' Kommunikation

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Mia Wallace
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Fallstricke der "gewaltfreien" Kommunikation

Beitrag Mo., 28.05.2012, 08:07

In einem anderen Faden ergab sich eine Diskussion zur gewaltfreien Kommunikation viewtopic.php?f=13&t=25011&start=45 , die ich gerne hier weiterführen würde.

Ich hatte Tigerkind das feedback gegeben, dass ich, wenn ich lese, wie sie kommuniziert, Aggressionen spüre.


So richtig erklären kann ich mir nicht, weshab mich die von Tigerkind praktizierte "gewaltfreie Kommunikation" so aggressiv macht.


(In dem Faden haben sich parallel Inanna und Titus2 ganz gut zu einem Thema "gezofft". Beide haben mich in ihrer Art zu kommunizieren überhaupt nicht aggressiv gemacht, weil sie offen sauer aufeinander waren und das in ihren Beiträgen auch entsprechend offen rübergebracht haben.

Aber bei Sätzen wie diesem
Tigerkind hat geschrieben: @Mia Wallace:Das ist jetzt gewaltfrei:Meine Art zu kommunizieren,kann Dich gar nicht aggressiv machen,denn es ist Deine Entscheidung wie Du es findest,hinter Aggression stehen unerfüllte Bedürfnisse.
Vielleicht magst Du rausfinden welche.
schnürt sich mir der Hals zu.

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lamedia
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Beitrag Mo., 28.05.2012, 08:14

Liebe Mia,
dieser zitierte Satz ist nicht gewaltfrei, weil er mit Unterstellungen bzw. unterstellenden Du-Botschaften arbeitet. Ich glaube, das A und O der GFK ist, 1. dass die Ich-Botschaften authentisch sind (da kann auch viel Wut dabei sein: "Man, ich bin gerade rasend vor Wut, weil mich dieses Thema/das, was Du schreibst, gewaltig aufregt." 2. dass die Du-Botschaften neutral formuliert sind, d.h. nicht belehren, nicht unterstellen, nicht abwerten, nicht aufwerten.

PS: Es geht meiner Meinung nach darum, auf Autoritätsanwendung in der Sprache zu verzichten.

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Lou Who
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Beitrag Mo., 28.05.2012, 08:22

Hallo Mia Wallace,

ich finde es schwierig dazu etwas zu sagen, ohne Tigerkinds Art der Kommunikation auseinanderzunehmen. Aber ich versuch es mal unabhängig davon zu formulieren.

Wenn mit mir auf diese Art gesprochen wird, fühle ich mich wie ein kleines Kind bevormundet. Gleichzeitig nicht ernst genommen. Das macht mich extrem aggressiv.

Warum stört dich die gewaltfreie Kommunikation? Ich denke tatsächlich, dass da eine Art Übertragung stattfindet. Wenn jemand so, ich nenn es mal emotionslos, kommuniziert, bleibt da natürlich genug Platz alles mögliche reinzudenken. Wie bei meinem Therapeuten, wenn er eigentlich gar nichts sagt und ich trotzdem durchdrehe Das liegt dann wohl tatsächlich an mir. (Aber in einer Therapie habe ich ja euch darum gebeten.)

LG
Lou

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mitsuko
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Beitrag Mo., 28.05.2012, 08:22

Es ist immer brenzlig, wenn jemand einen anderen korrigiert und ihm erklärt, wie die Welt eigentlich ist.
Das heißt nicht, dass es inhaltlich nicht stimmt, aber in der Tat, in dem Moment stellt sich jemand als Autorität über dich.
Ich glaube nicht, dass Kommunikation ganz ohne geht.

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Beitrag Mo., 28.05.2012, 08:24

Interessanter Thread!

Mia, du wirst direkt angesprochen, ohne ein "ich empfinde, dass du..." dabei ist. Die Aussage des TE kommt auch bei mir wie eine geschlossene Frage an. Also entweder Ja oder Nein. Wobei hier wenig Möglichkeiten zum Nein gelassen werden und noch weniger Möglichkeiten darüber zu sprechen ohne sich rechtfertigen zu müssen.


leberblümchen
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Beitrag Mo., 28.05.2012, 08:37

Diese Einleitungssätze à la: "Ich stelle fest, dass du deine Socken nicht weggeräumt hast. Ich fühle mich dadurch nicht wohl. Wie siehst du das?" oder so ähnlich sind m.E. völliger Quark. Man ist sauer, und es gibt keinen Grund, diese Wut nicht rauszulassen - es sei denn, man hat Angst vor seiner Wut, was dann schon wieder pathologisch ist.

Dass es immer gut ist, freundlich miteinander zu reden, ist ja nun kein Geheimnis. Zum Streiten gehören (meist) zwei Menschen. Bei dieser 'gewaltfreien' Kommunikation sieht es aber so aus, als würde derjenige, der behauptet, gewaltfrei zu sein, sich moralisch über denjenigen stellen, der diesen rhetorischen Keuschheitsgürtel für sich ablehnt. Und schon ist Gewalt im Spiel, die sich, u.U. sehr subtil, darin äußert, dass der angeblich Gewaltfreie kaum einen Satz äußern kann, ohne mit dem moralischen Zeigefinger daherzukommen.

Wirkliche Gewaltfreiheit - sofern überhaupt möglich - entsteht erst dann, wenn die Einstellung dahinter entspannt und aggressionsfrei ist, wenn ich also meinem Mitmenschen auch dann Wertschätzung entgegenbringen kann, wenn er mich nervt oder wenn er mich angreift. Denn nur so erreiche ich, dass mein Gegenüber sich mir gegenüber freundlich und friedlich verhält. Auch das ist kein Geheimnis. Das wäre dann die große Kunst, die nur wenige mir bekannte Menschen beherrschen - und auch die haben es nicht nötig, sich dafür besonders toll zu finden - einfach weil es ihre innerste Überzeugung ist, dass sie anderen Menschen gegenüber weitgehend aggressionsfrei sind.

Wenn die innere Haltung nicht mit den geäußerten Zeichen korrespondiert, dann kann man die 'gewaltfreie' Kommunikation in die Tonne treten. Dabei ist es wie immer im Leben: Impulse, die unterdrückt werden, schlagen irgendwann zurück.

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Mia Wallace
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Beitrag Mo., 28.05.2012, 08:44

titus2 hat geschrieben:Diese Einleitungssätze à la: "Ich stelle fest, dass du deine Socken nicht weggeräumt hast. Ich fühle mich dadurch nicht wohl. Wie siehst du das?" oder so ähnlich

aarrghh, auch bei diesem Beispielsatz kriege ich dieses Halszuschnür-Gefühl.

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lamedia
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Beitrag Mo., 28.05.2012, 08:49

Diese Einleitungssätze à la: "Ich stelle fest, dass du deine Socken nicht weggeräumt hast. Ich fühle mich dadurch nicht wohl. Wie siehst du das?"
Ja, das würde mich auch wahnsinnig machen. Aber ich finde, dass das auch eine Parodie von GFK ist. Warum nicht so: "Man, ich bin wahnsinnig sauer. Hier liegen ja schon wieder Socken rum."? Kann ruhig auch lauter ausgesprochen werden... Das ist eindeutig, authentisch und enthält keine Abwertung.

Meiner Auffassung nach kann man in der GFK auch Wut und Ärger äußern und es darf auch mal donnern. Ich glaube das geht auch, ohne das Gegenüber abzuwerten.

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Lou Who
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Beitrag Mo., 28.05.2012, 08:54

Da stimme ich Titus zu und werfe meine Übertragungstheorie teilweise über Board.

Hinter gewaltfreier Kommunikation muss die richtige Motivation stecken, sonst ist sie eher gewaltfördernd :D

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mitsuko
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Beitrag Mo., 28.05.2012, 08:55

titus2 hat geschrieben:
Wirkliche Gewaltfreiheit - sofern überhaupt möglich - entsteht erst dann, wenn die Einstellung dahinter entspannt und aggressionsfrei ist, wenn ich also meinem Mitmenschen auch dann Wertschätzung entgegenbringen kann, wenn er mich nervt oder wenn er mich angreift.

Ja das denke ich auch.
Bloß dass kein Mensch der Welt immer entspannt und aggressionsfrei ist und das ja auch nicht die Ambition von den Anhängern der gfK ist. Ich glaube nur, dass die Wortwahl bis zu einem gewissen Punkt unerheblich ist, wenn man jemandem mit einer Aggression entgegentritt. Aggression selbst hat einen gewaltsamen Kern, egal wie in Worte gefasst.

Es wurde ja in dem Thread die Wunschäußerung angesprochen. Ich kenne es von mir selbst, dass ich manchmal wirklich "nur" den Wunsch habe, jemand könnte sich anders verhalten. Zum Beipiel wenn jemand sehr laut spricht und es scheppert mir in den Ohren und ich wünsche mir / bitte ihn, dass er leiser spricht. An sich finde ich es voll ok laut zu sprechen, nur gerade in dem Moment hätte ich es gerne leiser.

Dann gibt es die Situation, dass ich mir ebenfalls wünsche, jemand täte etwas anders, aber dahinter steckt eine Überzeugung, dass er es anders machen solle, weil er es falsch macht. Egal welche Wortwahl, dahinter steckt DU machst es falsch. Das merkt der Gesprächspartner sofort.

Nun ist es aber so, dass ich das für normal und ok halte, es gibt eben DU und ICH in der Kommunikation, für beide. Ich denke etwas über mein Gegenber, ich habe Überzeugungen, nach denen Verhalten gut oder schlecht sein kann, ich wertschätze nicht alles und jedes unterschiedslos.

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candle.
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Beitrag Mo., 28.05.2012, 08:56

Hallo zusammen!

Ich persönlich weiß gar nicht, ob diese GFK überhaupt in dieser Schriftform möglich ist? Aber wir finden sie im Forum sicher dort wo Menschen sich verstehen, das gibt es hier zum Glück recht häufig.

Ich muß auch sagen, dass ich mich niemals in das Thema eingelesen habe, weil es mich a) nicht so sehr interessiert und b) ich vielleicht kein Problem mit Kommunikation habe.

Was ich jetzt bei Wiki gelesen habe ist dieses: Die GfK soll helfen, sich ehrlich und klar auszudrücken und empathisch zuzuhören. http://de.wikipedia.org/wiki/Gewaltfreie_Kommunikation
Ich befürchte Tigerkind hat das Thema gar nicht verstanden und ich weiß auch nicht wo sie ihre Sätze so herholt mit "Ich wünsche mir..." Sie bastelt da schon IHRE Lösung mit Wunsch so mit ein, dass für jemand anderen keine Möglichkeit bleibt eine freie Wahl zu treffen. Ich glaube, sie hatte es schon mal versucht thematisch anzubringen und versucht es in jedem ihrer Beiträge einzubringen- erfolglos. Aber gut, darum geht es ja nicht.

Ich bin nicht gerade jemand, den die kalte Wut packt, aber bei Tigerkind hat es etwas von Ignoranz was andere User so schreiben, indem sie stoisch ihre Sätze wiederholt, dabei fließt sehr wenig Information. Es wirkt manipulativ.

Ich denke, ich muß nicht unbedingt EIN Buch lesen um besser zu kommunizieren, ich muß es auch mit anderen Menschen üben und anwenden und wenn es nicht funktioniert, eigene Wege der Kommunikation suchen. Bleibt eine Entwicklung aus, tritt man natürlich auf der Stelle.

Viellecht machen wir uns da auch zuviel einen Kopf, dass er nicht mehr frei ist für Neues?
candle
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leberblümchen
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Beitrag Mo., 28.05.2012, 09:17

Besonders lustig wird es dann, wenn der vermeintlich Gewaltfreie - so auch hier im Forum vor wenigen Wochen - dann meint, wenn es brenzlig wird und er doch mal ausflippt: "Ich muss nicht immer gewaltfrei kommunizieren, sondern nur dann, wenn ich das will" Dann wird deutlich, dass man dieses Konzept nur anwendet bzw. anwenden will, um sich damit zu schmücken und um sich selbst besser zu fühlen. Damit wird die Idee dieser Methode natürlich konterkariert. Und noch schlimmer: Man ist damit unehrlich und unaufrichtig, und das ist der Feind des friedlichen Miteinanders.

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Mia Wallace
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Beitrag Mo., 28.05.2012, 09:24

lamedia hat geschrieben:dieser zitierte Satz ist nicht gewaltfrei, weil er mit Unterstellungen bzw. unterstellenden Du-Botschaften arbeitet
es ist das , was mitschwingt.

Die Botschaft ist "Ich mache alles richtig, wenn du mit meiner Art ein Problem hast, dann deswegen, weil bei dir etwas nicht stimmt/ weil du ein Problem hast, das nichts mir mir zu tun hat. Und nicht nur, dass du ein Problem hast, du hast noch nichtmal herausgefunden, was für ein Problem es ist (vielleicht magst du es ja jetzt nach meinem Hinweis rausfinden ....etc pp).

Wenn jemand offen aggressiv ist, hab ich kein Problem. Dann kann ich reagieren.
Wenn eine aggressive Botschaft scheinbar "nett" und "gewaltlos" verpackt nur mitschwingt, schafft das Konfliktpotenzial ohne die Möglichkeit, den Konflikt auch auszutragen.

Viel schlimmer noch: es manipuliert einen in eine Richtung, in der man seine eigene Wahrnehmung in Frage stellen soll. Ich glaube, daß ist es, was mir den Hals so zuschnürt.
Zuletzt geändert von Mia Wallace am Mo., 28.05.2012, 09:29, insgesamt 1-mal geändert.

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Nico
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Beitrag Mo., 28.05.2012, 09:28

Also ich finde fuer das friedliche Miteinander ist GFK so ueberfluessig wie ein Kropf.
Wenn beide ( oder alle) Diskussionsteilnehmer den Vorsatz haben friedlich Miteinander umzugehen, kann der Umgangston ruhig auch ein bisserl rauher sein und es wird friedlich bleiben.

Wenn ein Diskussionsteilnehmer GFK anwenden muss um den Anderen nicht zum Auszucken zu bringen, ist es keine gleichberechtigte Diskussion.
Ich persoenlich liebe es wenn mir etwas wuerziger gekontert wird, die Angelpunkte GFK wirken auf mich zu statisch, nichtssagend und floskelhaft.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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candle.
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Beitrag Mo., 28.05.2012, 10:01

Ich finde ja die Aussage: "Schau was es mit dir zu tun hat" richtigehend blöde- sorry, das ist allgemein! Da wird einem die berechtigte Wut abgeprochen und das kann es doch nicht sein, wenn wir Wut ablassen lernen wollen. Es gehört zum Menschen wie alles andere eben auch!

Wenn jemand mich angreift oder plastischer, wenn jemand mein Auto zerkratzt, dann darf ich wütend sein und werde mich sicher nicht fragen warum ich wütend bin und wie ich das besser kanalisieren sollte.

candle
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